Handbuch des Strafrechts

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

cc) Erfordernis fortbestehender Zueignungsabsicht

70

Nach h.M. muss der Täter den Besitz mit dem (Fern-)Ziel der ursprünglich angestrebten Zueignung sichern.[323] Auch wenn § 252 StGB lediglich eine situationsbezogene Besitzerhaltungsabsicht voraussetzt, ist dem zuzustimmen. Das Erfordernis einer „verlängerten Zueignungsabsicht“[324] bzw. „einer zur ‚Perpetuierungsabsicht‚ modifizierten Zueignungsabsicht“[325] entspricht dem Charakter des § 252 StGB als raubähnliches Eigentumsdelikt und gewährleistet die im Hinblick auf die erforderliche Raubähnlichkeit gebotene restriktive Auslegung.[326] Allerdings handelt es sich streng genommen nicht (zwingend) um eine „verlängerte“ Zueignungsabsicht, da nach hier vertretener Ansicht auch Täter des § 252 StGB sein kann, wer an der Vortat nur als Gehilfe oder Anstifter beteiligt war. Bei diesem Täterkreis kann, muss aber nicht Zueignungsabsicht bei der Vortat vorgelegen haben.

71

Das Erfordernis der Zueignungsabsicht hat drei Komponenten: Der Täter muss zunächst bzgl. der gestohlenen Sache die Absicht zumindest vorübergehender Aneignung haben.[327] Diese Aneignungsabsicht liegt z.B. nicht vor, wenn der Täter mit Beute flieht, weil er sie alsbald preisgeben (z.B. vernichten) will.[328] Nicht erforderlich ist jedoch die Absicht, sich den Besitz der gestohlenen Sache auf Dauer zu erhalten.[329] Hinzukommen muss (Eventual-)Vorsatz bzgl. dauerhafter Enteignung, der z.B. nicht vorliegt, wenn der Täter die Beute alsbald wieder zurückgeben will. Letztlich muss die beabsichtigte Zueignung rechtswidrig sein. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Täter zwischen Wegnahme und Gewaltanwendung einen Anspruch erwirbt.[330] Deshalb ist § 252 StGB auch nicht gegeben, wenn ein Eigentumsübergang auf den Täter nach dem Diebstahl (etwa im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB) erfolgt ist.[331]

5. Sonstige Fragen
a) Beteiligung

aa) Täterschaft

72

Räuberischer Diebstahl ist kein eigenhändiges Delikt, sodass insbesondere eine mittäterschaftliche Begehung in Betracht kommt.[332] Keine täterschaftliche Begehung liegt nach allgemeinen Regeln wegen des Fehlens eines gemeinsamen Tatentschlusses bei einem Mittäterexzess vor. Gleichwohl kann bei einem Mittäterexzess der sich nicht im Besitz der Sache befindende Täter durch den Einsatz von Nötigungsmitteln zur (vermeintlichen) Besitzerhaltung des räuberischen Diebstahls strafbar machen (Rn. 68). Voraussetzung für eine Qualifikation als Täter ist allerdings, dass der Beteiligte Selbstbesitzerhaltungsabsicht, da diese nicht zugerechnet werden kann (Rn. 68), sowie „verlängerte Zueignungsabsicht“ (Rn. 70 f.) hat.[333]

bb) Teilnahme

73

Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) ist vor Tatbeginn möglich, wenn die Beteiligten bereits zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich einer Raubmittelanwendung zur Besitzerhaltung dolus eventualis haben.[334] Teilnahme an der Vortat ist nur dann Teilnahme am räuberischen Diebstahl, wenn die Teilnahmehandlung an der Vortat in der Haupttat des § 252 StGB fortwirkt und dies vom Vorsatz des Teilnehmers erfasst ist.[335]

74

Anstiftung zum räuberischen Diebstahl gemäß §§ 252, 26 StGB liegt dann vor, wenn der Tatentschluss zu Diebstahl und anschließender Beuteverteidigung mit Raubmitteln geweckt wird.[336] Im Hinblick auf die einaktige Struktur des räuberischen Diebstahls ist eine Anstiftung zu § 252 StGB auch dann möglich, wenn der Teilnehmer den Täter nicht auch schon zum Diebstahl angestiftet hat.[337] Für eine Beihilfe zu § 252 StGB muss der Gehilfe die (Haupt-)Tat durch Rat oder Tat fördern.[338]

b) Versuch und Vollendung

aa) Vollendung

75

Vollendet ist der räuberische Diebstahl als erfolgskupiertes Gefährdungsdelikt bereits mit dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel in Besitzerhaltungsabsicht.[339] Die Vollendung hängt nicht davon ab, ob der Täter den Besitz (Gewahrsam) tatsächlich erhalten kann.[340] Da der Tatbestand einen Erfolg i.S.e. erfolgreichen Besitzverteidigung nicht voraussetzt, steht der Verlust der Beute der Vollendung nicht entgegen.[341]

bb) Versuch

76

Der Versuch des Verbrechens des räuberischen Diebstahls ist strafbar (§§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB), liegt aber wegen des Charakters des § 252 StGB als erfolgskupiertes Erfolgsdelikt selten vor. Ein Versuch ist dann gegeben, wenn die Anwendung des Nötigungsmittels im Versuchsstadium stecken bleibt (z.B. weil das Opfer die Drohung nicht versteht).[342] Nach überwiegender Ansicht soll ein Versuch auch dann vorliegen, wenn die Vortat ein (untauglicher) Versuch (etwa bei Wegnahme einer vermeintlich fremden Sache oder bei einer Diebesfalle) war.[343] Dem ist jedoch nur insoweit zuzustimmen, sofern nicht bereits eine Gewahrsamserlangung durch den Täter stattgefunden hat, andernfalls kann bereits ein vollendeter räuberischer Diebstahl vorliegen (Rn. 40).

77

Das unmittelbare Ansetzen beginnt erst mit dem Ansetzen zur qualifizierten Gewalt oder Drohung, nicht bereits mit dem Ansetzen zur Vortat.[344] Dies gilt auch, wenn der Täter bereits bei der Begehung der Vortat (bedingten) Vorsatz hatte, die Beute notfalls mit Raubmitteln zu verteidigen.[345]

78

Rücktritt gemäß § 24 StGB ist nur möglich, solange die Gewalt oder Drohung und damit das erfolgskupierte Gefährdungsdelikt des § 252 StGB nicht vollendet ist. Verzichtet der Täter nach Anwendung der Raubmittel auf die Beute, steht dies einer Bestrafung wegen vollendeten räuberischen Diebstahls nicht entgegen, da § 252 StGB keinen Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue kennt.[346]

c) Rechtsfolgen

79

Nach § 252 StGB ist der Täter „gleich einem Räuber“ zu bestrafen. Dabei handelt es sich nach h.M. um einen Rechtsfolgenverweis,[347] der nicht nur den Grundtatbestand des § 249 StGB einschließlich des minder schweren Falls gemäß § 249 Abs. 2 StGB erfasst, sondern auch die Raubqualifikationen der §§ 250, 251 StGB.[348] Aufgrund des Verweises in den Raubtatbestand handelt es sich auch bei § 252 StGB um ein Verbrechen, das im Grundtatbestand eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vorsieht. Allerdings kann auch ein minder schwerer Fall vorliegen (§ 252 StGB i.V.m. §§ 249 Abs. 2, 250 Abs. 3 StGB).

80

Der Begriff des Rechtsfolgenverweises ist jedoch etwas ungenau,[349] da die zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen der Qualifikationen selbstverständlich auch vorliegen müssen. Dies hat zur Folge, dass nur dann gemäß § 252 StGB i.V.m. §§ 250, 251 StGB zu bestrafen ist, wenn sich die Qualifikationstatbestände (etwa das Beisichführen oder die Verwendung einer Waffe) auf die Raubmittelanwendung beziehen.[350]Ansonsten bleibt nur Raum für eine Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen qualifizierten Diebstahls (§ 244 StGB).

81

Gegen den Täter kann die Sicherungsverwahrung angeordnet oder deren Anordnung vorbehalten werden (§§ 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b, Abs. 2 und 3 S. 1 und 2, 66a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB). Schließlich besteht die Möglichkeit, nach § 256 StGB Führungsaufsicht anzuordnen.

 

d) Strafverfahrensrecht

82

Die §§ 247 und 248a StGB sind auch auf den räuberischen Diebstahl nicht anwendbar.[351] Hinsichtlich der möglichen Ermittlungsmaßnahmen kann zunächst auf die Ausführungen zu § 249 StGB verwiesen werden (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 176), weil die StPO einen Gleichlauf zwischen beiden Delikten vorsieht (vgl. etwa § 100a Abs. 2 Nr. 1 lit. k StPO: Straftaten des Raubes und der Erpressung nach den §§ 249 bis 255 [StGB]). Der Verweis kann sich auch auf die Ausführungen zu den Qualifikationen der §§ 250, 251 StGB erstrecken (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 177), da der räuberische Diebstahl einen Rechtsfolgenverweis auch auf die qualifizierten Erscheinungsformen des Raubes bildet (Rn. 79 f.).

83

Dem Tatrichter steht es frei, im Rahmen der freien Beweiswürdigung (vgl. § 261 StPO) von bestimmten Umständen auf das subjektive Element Besitzerhaltungsabsicht zu schließen (Rn. 63 ff.). Die revisionsrechtliche Kontrolle ist in solchen Fällen beschränkt.[352] Hinsichtlich der Urteilstenorierung ist zu berücksichtigen, dass sich die Qualifizierung des räuberischen Diebstahls im Urteilstenor niederschlagen muss. Die Tenorierungen laufen parallel zu §§ 249 ff. StGB: räuberischer Diebstahl mit Todesfolge, schwerer räuberischer Diebstahl, besonders schwerer räuberischer Diebstahl.[353]

e) Konkurrenzen

aa) Verhältnis zu Diebstahl und Nötigung

84

Der vollendete § 252 StGB (auch i.V.m. §§ 250, 251 StGB) verdrängt § 240 StGB und § 242 StGB (ggf. i.V.m. § 243 StGB) im Wege der Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität).[354] Subsidiarität ergibt sich bzgl. der Vortat des Diebstahls schon daraus, dass § 252 StGB nach hier vertretener Ansicht ein einaktiges Delikt ist (Rn. 33). Bzgl. des vollendeten Nötigungsdelikts des § 240 StGB ist Gesetzeskonkurrenz nicht völlig selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass § 252 StGB nicht stets eine vollendete Nötigung (kupiertes Erfolgsdelikt), sondern nur einen beendeten Nötigungsversuch enthält.[355] Bleibt es trotz vollendeten Diebstahls hingegen bei einem Versuch des § 252 StGB, so ist zur Klarstellung des Unrechts Tateinheit zwischen vollendetem Diebstahl und versuchtem räuberischen Diebstahl gegeben.[356] Dies gilt auch, wenn man wie hier richtigerweise davon ausgehen muss, dass es für den vollendeten räuberischen Diebstahl keine Rolle spielt, ob der Diebstahl vollendet ist oder ein (untauglicher) Versuch vorliegt, der zur Gewahrsamserlangung geführt hat (Rn. 39).

85

Tateinheit zwischen §§ 244 f. StGB und § 252 StGB ist anzunehmen, wenn der räuberische Diebstahl nicht durch § 250 StGB qualifiziert wird.[357] Wird dagegen auch der räuberische Diebstahl durch § 250 StGB qualifiziert, verdrängt dieser grundsätzlich §§ 244 f. StGB.[358] Dies gilt aus Klarstellungsgründen wiederum nicht, wenn es sich im Rahmen des Diebstahls um Qualifikationsmerkmale handelt, die im § 250 StGB (als Qualifikation des § 252 StGB) keine Entsprechung haben, so insbesondere im Fall des Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Abs. 4 StGB.[359]

86

Handlungen, die nach der rechtlichen Vollendung der §§ 242 ff. StGB, aber vor deren tatsächlicher Beendigung vorgenommen werden und zugleich weitere Strafgesetze verletzen, begründen die Annahme von Tateinheit, wenn sie (auch) der von § 252 StGB vorausgesetzten Absicht dienen.[360] Daher muss eine auf Tatbestandsebene nach dem Zweifelsgrundsatz verneinte Besitzerhaltungsabsicht auf Konkurrenzebene in erneuter Anwendung des Zweifelssatzes bejaht werden; Tateinheit ist hier in dubio pro reo zwischen allen bis zur Beendigung des Diebstahls verletzten Strafgesetzen anzunehmen.[361]

bb) Verhältnis zum Raub

87

§ 249 StGB verdrängt den § 252 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz als mitbestrafte Nachtat.[362] Anderenfalls würde das identische Diebstahlsunrecht doppelt erfasst.[363] § 252 StGB tritt hinter einem vollendeten qualifizierten Raub (§§ 249, 250 StGB) auch dann zurück, wenn der räuberische Diebstahl seinerseits nach § 250 StGB qualifiziert ist.[364] Der zurücktretende Tatbestand verklammert jeweils § 240 StGB sowie andere mit dem verdrängten Tatbestand in Tateinheit stehende Straftaten mit dem vorgehenden Gesetz zu Tateinheit.[365]

88

Anders ist es nach der Rspr., wenn die Nötigungshandlung in der Beendigungsphase schwerer wiegt, weil erst nach der Vollendung der Wegnahme ein Qualifikationstatbestand der § 250 StGB oder § 251 StGB verwirklicht wurde.[366] In diesem Fall verdrängt der zur Sicherung des gestohlenen Gutes aus dem vorhergehenden Raub begangene (besonders) schwere räuberische Diebstahl bzw. räuberische Diebstahl mit Todesfolge den Tatbestand des § 249 StGB als mitbestrafte Vortat.[367] Eine Verwirklichung der §§ 250, 251 StGB nach Wegnahmevollendung ist nicht möglich (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 121). Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses von § 252 StGB i.V.m. § 250 StGB zu § 252 StGB i.V.m. § 251 StGB gilt das zum Verhältnis zwischen § 250 StGB und § 251 StGB Ausgeführte (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 166) entsprechend. Tateinheit liegt vor, wenn die qualifizierte Nötigung nicht nur der Besitzerhaltung, sondern auch der Erlangung weiterer Sachen dient.[368]

89

Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob die im verdrängten Tatbestand enthaltene Nötigung (§ 240 StGB) in Idealkonkurrenz zu dem verdrängenden Tatbestand tritt. Je nach Fallkonstellation soll § 240 StGB in Tateinheit mit § 249 StGB oder mit § 252 StGB stehen (siehe bereits → BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 151). Um zum Ausdruck zu bringen, dass der Täter nach Vollendung des § 249 StGB bzw. vor Begehung des § 252 StGB eine zweite Nötigungshandlung vorgenommen hat, ist dies richtigerweise zu bejahen.[369]

90

Eine Wahlfeststellung zwischen Raub und räuberischem Diebstahl ist möglich.[370]

cc) Verhältnis zur räuberischen Erpressung (Sicherungserpressung)

91

Im Ergebnis besteht Einigkeit, dass die nach § 252 StGB strafbare Besitzerhaltung mit Raubmitteln nicht zugleich nach §§ 253, 255 StGB als Nötigung eines anderen zur Duldung der Besitzerhaltung bzw. Unterlassung der Geltendmachung von Herausgabeansprüchen oder des Selbsthilferechts strafbar sein kann.[371] Weitgehende Einigkeit besteht zudem, dass, auch wenn die Voraussetzungen des § 252 StGB nicht vorliegen (z.B. bei fehlender Tatfrische), eine Strafbarkeit gemäß § 255 StGB nicht möglich ist.[372] § 252 StGB würde durch die Bejahung des § 255 StGB überflüssig und die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 252 StGB umgangen.[373] Über die weitere Begründung besteht Uneinigkeit: Verlangt man mit Teilen der Literatur eine Vermögensverfügung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der §§ 253, 255 StGB (→ BT Bd. 5: Bernd Heinrich, Erpressung und räuberische Erpressung, § 32 Rn. 34 ff., 103), fehlt es an einer solchen, da das abgenötigte Verhalten sich nicht unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, weil der Täter der bereits durch die Wegnahme entstandenen Vermögensminderung (dem Gewahrsamsverlust) bei faktischer Wertlosigkeit des Herausgabeanspruchs keinen weiteren hinzufügt. Aus vergleichbaren Erwägungen ist im Übrigen auch das Vorliegen eines Vermögensnachteils i.S.d. §§ 253 Abs. 1, 255 StGB fraglich.[374] Nach a.A. kann die Verteidigung des gestohlenen Gutes grundsätzlich zugleich tatbestandlich eine räuberische Erpressung darstellen, § 255 StGB tritt aber wegen des bloßen Sicherungscharakters der Nötigung gegenüber § 252 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz als mitbestrafte Nachtat zurück.[375] Liegt eine Beutesicherung außerhalb der Voraussetzungen des § 252 StGB vor, kommt nach hier vertretener Ansicht deshalb wegen des nötigenden Verhaltens allenfalls eine Strafbarkeit nach § 240 StGB in Betracht.[376] Danach ist auch die Teilnahme an einer Beutesicherung unter Raubmitteln, welche die Voraussetzungen des § 252 StGB nicht erfüllt, nicht als fremdnützige räuberische Erpressung, sondern nur als Nötigung zu beurteilen.[377]

 

dd) Verhältnis zu sonstigen Delikten

92

Einer Bedrohung (§ 241 StGB), die der Unterstützung der im Rahmen von § 252 StGB eingesetzten Gewalthandlungen dient, kommt kein eigener Unrechtsgehalt zu,[378] sie tritt deshalb im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. § 252 StGB kann wegen des unterschiedlichen Rechtsguts mit § 113 StGB,[379] § 211, 212 StGB[380] und §§ 223 ff. StGB[381] tateinheitlich zusammentreffen. Die Beteiligung an § 252 StGB verdrängt § 257 StGB.[382] Zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB besteht Tateinheit.[383]

II. Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB)

1. Einführung

93

§ 316a StGB ist ein Delikt an der „Nahtstelle zwischen den Vermögens- und den Verkehrsdelikten“,[384] ein „mixtum aus Straßenverkehrs-, Freiheits- und Vermögenselementen“.[385] Es handelt sich nach h.M. um eine Straftat im Vorfeld eines (qualifizierten) Raubes (§§ 249, 250 StGB), eines räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) oder einer räuberischen Erpressung (§ 255 StGB) mit Straßenverkehrsbezug.[386] Da die genannten Straftatbestände nicht objektiv verwirklicht sein müssen, sondern lediglich Inhalt der Täterintention sind („zur Begehung“), sind sie im Rahmen des § 316a StGB „versubjektiviert“.[387] Schon aus diesem Grund ist § 316a StGB keine Qualifikation der Delikte des 20. Abschnittes, sondern ein eigener raubähnlicher Sondertatbestand.[388] Die Einordnung in den 28. Abschnitt („Gemeingefährliche Straftaten“) nach §§ 315 ff. StGB zeigt, dass § 316a StGB aber auch in den Zusammenhang der Verkehrsstraftaten gehört.[389] Auch die hohe Mindeststrafe spricht dafür, dass neben individuellen Rechtsgütern (Eigentum, Vermögen, Leib, Leben, Willensentschließungsfreiheit) das Kollektivrechtsgut der Sicherheit und Funktionsfähigkeit des Straßenverkehrs geschützt ist.[390] Aus dieser doppelten Schutzrichtung und der hohen Mindeststrafe ergibt sich das Erfordernis einer restriktiven Auslegung.[391]

2. Grundfragen

a) Verfassungsrechtliche und kriminalpolitische Kritik

94

§ 316a StGB ist als „Erzeugnis nationalistischer Verbrechensbekämpfungspolitik“ auch in der heute geltenden „entnazifizierten“ Fassung Gegenstand teils scharfer Kritik.[392] Diese richtet sich insbesondere gegen die hohe Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren (die der des Totschlags gemäß § 212 StGB entspricht) in Verbindung mit einer weitgehenden Vorverlagerung der Strafbarkeit gegenüber den Raub- und Erpressungsdelikten. Der hohe, allerdings in der Praxis kaum angewandte (Rn. 24), Strafrahmen wurde bei der Änderung des Tatbestandes im Zuge des 6. StrRG (Rn. 20) thematisiert, blieb aber unverändert.[393] Grundsätzlich begründet ein hoher Strafrahmen nicht per se eine verfassungsrechtliche Bedenklichkeit, weil es dem Strafgesetzgeber im Rahmen seines weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums überlassen bleiben muss, an seiner Ansicht nach schweres Unrecht eine entsprechend hohe Strafandrohung zu knüpfen.[394] Der BGH hat in der Mindeststrafe des § 316a StGB weder einen Verstoß gegen das Schuldprinzip noch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip noch gegen Art. 2 EMRK gesehen.[395] § 316a StGB ist noch verfassungsgemäß, allerdings ist dieser Straftatbestand eng auszulegen, um den verfassungsrechtlichen Anforderungen auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG zu genügen.[396]

95

Kriminalpolitisch handelt es sich um einen in jeder Hinsicht entbehrlichen Tatbestand.[397] Die restriktiv zu handhabende verfassungskonforme Auslegung führt in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum der Angriff auf Kraftfahrer zur Begehung eines der in § 316a StGB genannten Delikte mit besonders hoher Strafe bedroht wird, der Angriff zur Begehung eines Sexualdeliktes oder selbst eines Tötungsdeliktes hingegen nicht besonders geregelt ist (dann ggf. „nur“ §§ 315b Abs. 1, 315 Abs. 3 Nr. 1b) StGB mit geringerer Strafandrohung; sofern das Tötungsdelikt in das Versuchsstadium gelangt, bestünde immerhin noch die Möglichkeit der fakultativen Strafmilderung). Dies führt doch zu dem eher paradoxen Ergebnis, dass der Täter, der einen Angriff auf einen Menschen verübt, um ihn zu töten, (erheblich) besser steht als der in räuberischer Absicht handelnde Angreifer.[398]