Handbuch des Strafrechts

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bb) Betroffen

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Das Merkmal des Betroffenseins kennzeichnet zum einen die „Lage des Täters im Grenzbereich zwischen Vortat und Nötigung“, zum anderen bezieht es eine „andere Person in das Tatgeschehen ein und stellt sie in eine Beziehung zum Täter“.[228]

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Der Täter muss zumindest mittelbar durch einen Menschen „betroffen“ werden, es reicht z.B. nicht aus, wenn der Dieb nur von einer Maschine (technische Überwachungsanlage) oder einem Tier (z.B. Wachhund) „betroffen“ wird.[229] Nicht erforderlich ist eine räumliche Nähebeziehung zwischen Täter und ihn Betreffenden, es ist beispielsweise auch ein durch technische Überwachungssysteme vermitteltes Betroffensein möglich.[230] Für das Betroffensein ist es unschädlich, wenn das Nötigungsopfer den Täter auch bereits vor Vollendung des Diebstahls (bzw. im Falle des versuchten Diebstahls vor Gewahrsamsverschiebung; Rn. 40) sinnlich wahrgenommen hat.[231] Damit kann § 252 StGB auch in den Fällen bejaht werden, in denen das Nötigungsopfer (etwa ein Ladendetektiv) den Vorgang des Gewahrsamswechsels beobachtet hat. Die andere Person wird häufig das Tatopfer des Diebstahls (Sacheigentümer, Gewahrsamsinhaber) sein. Es reicht aber aus, wenn unbeteiligte Dritte den Dieb betreffen.[232]

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Unstrittig liegt ein Betroffensein vor, wenn die Person die Situation (Tat und Täter als Diebstahl und Dieb) voll erfasst, also den Dieb „ertappt“, aber auch wenn er nur einen (diffusen) Straftatverdacht hegt bzw. glaubt, dass etwas nicht stimmt.[233] Nimmt jemand den Dieb wahr, schöpft aber keinen Verdacht, soll nach h.M. ebenfalls ein Betreffen vorliegen können.[234] Der Wahrnehmende muss auch die Vortat nicht beobachtet oder sonst bemerkt haben, er muss lediglich den Täter selbst wahrnehmen.[235]

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Sehr umstritten ist die Konstellation, in der die andere Person den an der Vortat Beteiligten nicht sinnlich wahrnimmt, sondern der Täter dem Bemerken zuvorkommt (präventive Raubmittelanwendung), die Tat also weder subjektiv noch objektiv entdeckt ist.[236] Nach der Rspr.[237] und einem Teil der Lehre[238] ist ein sinnliches Wahrnehmen nicht erforderlich, sondern es genügt jede sich raum-zeitlich an den Diebstahl anschließende und der Beutesicherung dienende Raubmittelanwendung für ein Betroffensein. Betroffensein bedeutet danach zunächst nicht mehr als das „bewusste oder unbewusste, geplante oder zufällige, raum-zeitliche Zusammentreffen einer Person mit dem Dieb“.[239] Betreffen sei dabei ein Synonym für „antreffen“, „vorfinden“ oder „begegnen“ und umfasse (lediglich) ein raum-zeitliches Zusammenkommen.[240] Bereits das der sinnlichen Wahrnehmung vorgelagerte Stadium sei daher vom „betreffen“ erfasst.[241] Das Merkmal „betreffen“ wird von diesen somit nicht aus der Perspektive des Opfers (Betroffen-Werden), sondern aus der Sicht des Täters bestimmt, der ein Raubmittel anwendet, weil er sich (subjektiv) für betroffen hält (Betroffen-Sein).[242] Kein „Betroffensein“ soll jedoch dann vorliegen, wenn die andere Person von Anfang an mit dem Täter zusammen gewesen ist.[243] In der Tat wirkt es widersinnig, denjenigen, der nach Vollendung der Wegnahme zuschlägt, bevor er bemerkt wird, anders zu behandeln, als denjenigen, der zuschlägt, nachdem er bemerkt worden ist.[244] In beiden Fällen liegen das Wegnahme- und das qualifizierte Nötigungselement vor und scheint daher eine Bestrafung „gleich einem Räuber“ gerechtfertigt.[245] Der Zweck des § 252 StGB streitet folglich für ein weites Verständnis.[246] Diskutiert wird aber, ob diese teleologische Auslegung mit dem Wortlaut des § 252 StGB und damit mit dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG (Analogieverbot) vereinbar ist. Zum Teil wird dies verneint. Die Gegenansicht argumentiert, dem Wortsinn des Begriffes „Betroffensein“ sei gerade eine sinnliche Wahrnehmung immanent.[247] „Betroffen“ sei nicht, wer dem Betreffen i.S.v. Bemerken zuvorkomme.[248] Eine solche Interpretation des Begriffes ist indes nicht zwingend. Mit dem Wortlaut gerade noch vereinbar ist auch eine Auslegung als bloßes raum-zeitliches Zusammentreffen.[249] Die Tatbestandsstruktur erfordert jedoch eine zusätzliche Bedeutung des Merkmals „Betreffen“, das nur in der sinnlichen Wahrnehmung durch einen Dritten liegen kann, da ansonsten jede Gewaltanwendung (die zu einem raum-zeitlichen Zusammentreffen führt) zu einer Bestrafung nach § 252 StGB führen kann und es dadurch seine eigenständige Funktion verliert.[250] Insofern reicht es auch nicht aus, wenn das Opfer den Täter im Rahmen der Gewaltanwendung wahrnimmt.[251] Auch spricht der Selbstbegünstigungscharakter des § 252 StGB in diesen Fällen für eine solche einschränkende Auslegung.[252]

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Angesichts der hier befürworteten opferbezogenen Perspektive ist das objektive Tatbestandsmerkmal Betroffensein dagegen erfüllt, wenn der Täter nicht bemerkt, dass er von Dritten bei der Tatbegehung wahrgenommen wird.[253]

cc) „Frische Tat“ – zeitliche Eingrenzung

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Schon im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich des § 252 StGB („bei einem Diebstahl“; Rn. 39 f.) umfasst der Zeitraum, in dem die Tat als „frisch“ bezeichnet wird und damit § 252 StGB zur Anwendung kommt, nur die Phase zwischen der Vollendung der Vortat (bzw. nach hier vertretener Ansicht ausnahmsweise auch bei einem zur Gewahrsamserlangung führenden Versuch; Rn. 40), also der Wegnahme als Begründung neuen Gewahrsams unter Bruch fremden Gewahrsams, und deren Beendigung, also die Erlangung gesicherten Gewahrsams.[254] Absolute Obergrenze für die „Frische“ der Tat ist damit ihre Beendigung.[255] Nach a.A. führt die Beendigung der Vortat nur in der Regel zum Ausschluss der Tatfrische, nicht jedoch zwingend.[256] Auch wenn zuzugeben ist, dass die Vortat auch nach ihrer Beendigung noch „frisch“ sein kann, ist der Täter dann aber nicht mehr „bei einem Diebstahl“ betroffen. Wird das (qualifizierte) Nötigungsmittel nach Beendigung der Vortat eingesetzt, kommt somit nur eine Strafbarkeit wegen der Vortat sowie ggf. z.B. gemäß § 240 StGB bzw. bei Anwendung von Gewalt auch gemäß §§ 223 ff. StGB in Betracht.

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Bereits vor Beendigung der Vortat kann die Tat aber nach h.M. ihre Frische verlieren, sodass § 252 StGB nicht mehr anwendbar ist.[257] Nach der Rspr. muss sich nach den „Umständen des Einzelfalls“ ein enger zeitlicher (und räumlicher) Zusammenhang mit dem Diebstahl ergeben.[258] Der Täter muss „alsbald nach der Tatausführung“ betroffen werden[259] bzw. Nötigungsmittel einsetzen.[260] Ein enger zeitlicher Zusammenhang kann etwa verneint werden, wenn Opfer und Täter nach dem Gewahrsamswechsel zusammenbleiben und der Täter deshalb noch keinen gesicherten Gewahrsam erlangt hat, jedoch eine lange Zeit zwischen Gewahrsamswechsel und Nötigungshandlung vergeht (z.B. während einer längeren gemeinsamen Autofahrt).[261] Besteht aber der enge zeitliche (und räumliche) Zusammenhang, ist unerheblich, wenn es zum Einsatz eines Nötigungsmittels erst kommt, nachdem der Täter von der anderen Person auch über längere Zeit (oder über längere Strecken) verfolgt worden ist (Fälle der sog. Nacheile).[262] Jedoch muss sich die Verfolgung unmittelbar an das Betreffen anschließen und ohne wesentliche Zäsur erfolgen.[263] Zudem ist zu beachten, dass nach hier vertretener Ansicht (Rn. 44) die Tat auch noch bei Einsatz der Nötigungsmittel „frisch“ sein muss.[264] Insofern genügt es nicht, wenn der Verfolger den Täter aus den Augen verloren hat und ihn einige Stunden später zufällig findet und dann Nötigungsmittel einsetzt.[265]

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Zum Teil wird für die Einordnung einer Tat als „frisch“ darauf abgestellt, ob gegen sie noch Notwehr i.S.d. § 32 StGB möglich wäre, mithin, ob noch ein gegenwärtiger Angriff vorliegt.[266] In den meisten Fällen wird diese Ansicht zu denselben Ergebnissen kommen wie die h.M., da bei einem Diebstahl das Ende der Gegenwärtigkeit des Angriffs der materiellen Beendigung des Diebstahls entspricht.[267] In einigen Fällen kann es jedoch zu Abweichungen kommen, da nach h.M. zu Recht davon ausgegangen werden muss, dass die Vortat auch schon vor ihrer Beendigung ihre Frische verlieren kann.

dd) „Frische Tat“ – räumliche Eingrenzung

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Neben dem engen zeitlichen Zusammenhang fordert der BGH auch einen engen räumlichen Zusammenhang der Nötigungshandlung mit der Wegnahme.[268] Der Täter muss entweder am Tatort oder aber in dessen unmittelbarer Nähe betroffen sein bzw. Nötigungsmittel einsetzen.[269] Die Frische der Tat endet freilich, wenn sich der Täter durch die Flucht so weit entfernt hat, dass er sicheren Gewahrsam erlangt hat und die Vortat damit beendet ist.[270] Ebenso genügt es nicht, wenn der Täter während einer sofort eingeleiteten Suche überhaupt erstmals betroffen wird.[271]

 

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Unter diesen Umständen genügt es wiederum, wenn die Nötigungsmittel erst während der Nacheile, d.h. der sofort nach dem Betroffensein auf frischer Tat aufgenommenen und ohne Zäsur fortdauernden Verfolgung eingesetzt werden.[272] Allerdings ist wiederum zu beachten, dass nach hier vertretener Ansicht (Rn. 44) die Tat auch noch bei Einsatz der Nötigungsmittel „frisch“ sein muss.

d) Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels

aa) Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben

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Der Täter muss als Tathandlung des § 252 StGB Gewalt gegen eine Person verüben oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwenden. Die Ausführungen zu den qualifizierten Nötigungsmitteln im Rahmen des Raubes gelten folglich auch im Rahmen des räuberischen Diebstahls (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 43 ff.). Allerdings gibt es auch Besonderheiten:[273] Der Einsatz der Nötigungsmittel muss nicht final der Wegnahme dienen, sondern soll vielmehr den bereits erlangten Besitz sichern.[274] Da § 252 StGB ein kupiertes Erfolgsdelikt ist, muss der Raubmitteleinsatz anders als bei § 249 StGB keinen Erfolg haben, sodass sich auch nicht die Frage eines Kausal- oder Zurechnungszusammenhangs stellt.

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Auch ist die Tatsituation vielfach eine andere als beim Raub, da Gewalt gegen eine Person beim Raub vielfach ein aggressives Vorgehen beinhaltet, während beim räuberischen Diebstahl häufiger ein „tendenziell defensives Verhalten“ (z.B. Loswinden vom Ladendetektiv oder ein Beiseitestoßen des Verfolgers) vorliegt.[275] Das LG Gera verlangt deshalb, wegen des hohen Strafniveaus und zur Wahrung der normativen Äquivalenz mit dem anderen Nötigungsmittel „Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ im Rahmen des § 252 StGB einen restriktiven Gewaltbegriff zugrunde zu legen und als Gewalt nur körperbezogene Eingriffe von einigem Gewicht anzuerkennen.[276] Da nach der hier vertretenen Ansicht auch bei Raub ein restriktiver Gewaltbegriff anzunehmen ist (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 51) darf es sich jedenfalls nicht um eine nur unerhebliche körperliche Einwirkung handeln. Zudem ist daran zu denken, in diesen Fällen einen minder schweren Fall anzunehmen (Rn. 79).[277]

bb) Nötigungsopfer

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Die qualifizierten Nötigungsmittel können sich dabei sowohl gegen den Eigentümer als auch gegen den Gewahrsamsinhaber oder einen Dritten richten.[278] Sie muss sich nicht gegen denjenigen richten, der den Täter auf frischer Tat betroffen hat.[279]

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Wie bei § 249 StGB (→ BT Bd. 5: Wittig, § 30 Rn. 53 ff.) stellt sich auch bei § 252 StGB die Frage der Gewaltfinalität, da auch hier die Gewalt im Hinblick auf die Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes erfolgen muss. „Nahezu unbestritten“[280] ist deshalb, dass der den Täter Betreffende nicht zwingend objektiv verteidigungsbereit oder subjektiv verteidigungswillig sein muss.[281] Nach h.M. soll jedoch erforderlich sein, dass der Täter subjektiv von zumindest möglicher Verteidigungsbereitschaft des ihn Betreffenden ausgeht.[282] Die Gegenauffassung, die bei einem objektiv nicht verteidigungsbereiten Opfer lediglich einen Versuch annehmen will,[283] wird nur noch vereinzelt vertreten und findet im Gesetz keine Stütze.

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Strittig ist, ob auch Tatbeteiligte taugliche Nötigungsopfer sein können. Anders als § 251 StGB setzt § 252 StGB nicht die Anwendung von Gewaltmitteln gegen eine andere Person, sondern nur gegen eine Person voraus, sodass die Einbeziehung von Tatbeteiligten weniger problematisch ist. Dabei sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden. Im ersten Fall erkennt der Täter des § 252 StGB, dass es sich um einen Tatbeteiligten handelt. In diesen Fällen wird vielfach der Täter nicht unterstellen, dass der Täter ihm den Besitz entziehen möchte. Strittig ist aber, ob der Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln gegen einen Tatbeteiligten, den der Täter irrtümlich für einen Verfolger hält, zur Vollendung des § 252 StGB führen kann. Stellt man wie hier auf die subjektive Sicht des Täters ab, ist dies zu bejahen.[284] Nach a.A. soll es in diesem Fall einer nicht einmal „potentiell schutzbereiten Person“ an einem raubähnlichen Zurechnungszusammenhang zwischen Nötigung und Gewahrsamssicherung fehlen, da objektiv Restitutionschancen des Diebstahlsopfers nicht beeinträchtigt werden, sodass nur ein Versuch gegeben ist.[285] Dies ist folgerichtig, wenn mit einer Mindermeinung davon ausgegangen wird, dass objektiv eine Restitutionschance des Diebstahlsopfers bestehen muss, weil § 252 StGB dem verlängerten Eigentumsschutz dient.[286]

cc) Zeitliche Eingrenzung

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Spätester Zeitpunkt der Raubmittelanwendung ist schon im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich des § 252 StGB (Rn. 39) die Beendigung des Diebstahls.[287] Danach dienen Raubmittel nicht mehr der Herstellung, sondern der Bewahrung sicheren Besitzes; dies ist nicht mehr von § 252 StGB erfasst.[288] Nicht tatbestandsmäßig ist auch eine Nötigung nach einem Diebstahl, aber vor Betroffenwerden.[289] Das Betroffenwerden geht der Nötigung zeitlich voraus.[290] Sofern nicht die Ausnahmekonstellation eines untauglichen Versuchs vorliegt (Rn. 39) muss der Diebstahl zumindest bei Eintritt der Nötigungswirkung[291] vollendet sein, ansonsten liegt ein Raub vor.

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Dem beim Raub erforderlichen zeitlichen (und örtlichen Zusammenhang) zwischen Wegnahme und Nötigungsmittel[292] entspricht bei § 252 StGB der im Rahmen der Frische der Tat geforderte raum-zeitliche Zusammenhang, der sich nach hier vertretener Ansicht wie bereits ausgeführt (Rn. 44) auch auf den Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels beziehen muss. Durchaus kritisch ist auf Grundlage der hier vertretenen Auffassung eine neuere Rspr. des BGH zu sehen, die insbesondere in Fällen der Nacheile, also wenn die Verfolgung ohne Zäsur aufgenommen wird, zu einer Strafbarkeit nach § 252 StGB führt, obwohl die Nötigungshandlung keinen unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Vortatgeschehen mehr hat.[293]

e) Subjektiver Tatbestand

aa) Vorsatz

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Der subjektive Tatbestand des § 252 StGB setzt Vorsatz voraus, der sich auf die objektiven Tatbestandsmerkmale „bei einem Diebstahl“ (Rn. 37 f.), das „Betroffensein auf frischer Tat“ (Rn. 44 ff.) sowie den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel (Rn. 55 ff.) beziehen muss. Da es sich nach hiesigem Verständnis bei § 252 StGB um ein einaktiges Delikt handelt, bei dem der Diebstahl nur ein „statisches Element“ des objektiven Tatbestands (Vortat) ist und nicht zu dem „dynamischen Tatvollzug“ des räuberischen Diebstahls gehört[294] (Rn. 33), muss bereits im Rahmen des objektiven Tatbestandes des § 252 StGB geprüft werden, ob die Vortat des (versuchten oder vollendeten; Rn. 39) Diebstahls vorsätzlich und in (Dritt-)Zueignungsabsicht begangen worden ist. Im subjektiven Tatbestand muss sich der Vorsatz auf den (versuchten oder vollendeten) Diebstahl beziehen. Der Täter muss zumindest mit Eventualvorsatz handeln. Nicht erforderlich ist bereits zum Zeitpunkt des Diebstahls der Vorsatz des Täters, zur Besitzerhaltung Raubmittel anzuwenden.[295] Der Vorsatz, auf frischer Tat betroffen zu sein, muss gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB erst bei Begehung der Tat, also bei Vornahme der tatbestandsmäßigen qualifizierten Nötigungshandlung, vorliegen.[296]

bb) Selbstbesitzerhaltungsabsicht

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Der Täter muss zudem handeln, „um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten“ (sog. „Selbstbesitzerhaltungsabsicht“). Damit soll die Vergleichbarkeit mit dem Raub hergestellt werden.[297] Bei diesem subjektiven Merkmal handelt es sich um das „eigentliche Herzstück“ des räuberischen Diebstahls,[298] das § 252 StGB als Delikt mit überschießender Innentendenz qualifiziert. Mit dem „Besitz“ ist der strafrechtliche Gewahrsam, also die vom Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft (→ BT Bd. 5: Hans Kudlich, Diebstahl und Unterschlagung, § 29 Rn. 31), gemeint.[299] Selbstbesitzerhaltungsabsicht ist Absicht („um […] zu“) als zielgerichteter Wille (dolus directus 1. Grades), sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten.

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Die Absicht muss sich dabei auf die Erhaltung des Besitzes beziehen und nicht auf den Besitz als solchen, der nur ein objektives Tatbestandsmerkmal der Vortat darstellt und der daher nur vom Diebstahlsvorsatz (des Vortäters) umfasst sein muss. Ein tatsächlicher Erfolg der Besitzerhaltung ist nicht notwendig. Damit kann eine Selbstbesitzerhaltungsabsicht auch dann bejaht werden, wenn der Täter nicht Gewahrsam an der Sache hat, sofern er jedenfalls meint, diesen zu haben. Wenn der Täter dagegen meint, keinen (Mit-)Gewahrsam an der Sache zu haben, dann kann schon denklogisch keine Selbstbesitzerhaltungsabsicht gegeben sein.

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Die Besitzentziehung muss im Hinblick auf die gebotene raubähnliche und vor allem restriktive Auslegung – nach Vorstellung des Täters – gegenwärtig sein oder unmittelbar bevorstehen.[300] Die Gegenansicht verweist dagegen auf den Wortlaut sowie die Tatsache, dass die Gleichwertigkeit mit dem Raub schon dadurch gewährleistet sei, dass der Täter überhaupt Raubmittel in Zueignungsabsicht anwendet.[301]

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Die Absicht muss sich auf die Erhaltung des Selbstbesitzes beziehen. Problematisch ist der Fall, dass der Täter nicht sich selbst, sondern einem Dritten den Gewahrsam erhalten will („altruistischer räuberischer Dieb“).[302] Während § 242 StGB und § 249 StGB – also die für die Vortat relevanten Tatbestände – seit dem 6. StrRG die Drittzueignungsabsicht ausdrücklich vorsehen, genügt Drittbesitzerhaltungsabsicht im Rahmen von § 252 StGB nicht.[303] Dies erscheint inkonsequent, ist aber im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 252 StGB und das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Analogieverbot im Strafrecht hinzunehmen,[304] wenngleich dies zuweilen auch als legislatorisches Versehen angesehen wird.[305] Eine ausreichende Eigenbesitzerhaltungsabsicht wird jedoch schon angenommen, wenn der Täter sich den Besitz der Beute erhalten will, um ihn später einem Dritten zu verschaffen.[306] Denn auch in den Fällen der (altruistischen) Drittzueignungsabsicht kann der Täter mit (egoistischer) Selbstbesitzerhaltungsabsicht handeln, da diese sich aufgrund des unterschiedlichen Bezugsgegenstandes nicht gegenseitig ausschließen.[307] Vielmehr handelt es sich bei der Selbstbesitzerhaltung regelmäßig um das Nahziel, das zur Verwirklichung des Fernziels der Drittzueignung notwendig erreicht werden muss.[308]

 

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(Vorgestellter) Mitbesitz und (in der Variante der Drittzueignung) Fremdbesitz für einen anderen sind möglich.[309] Die Vorstellung des Täters, mittelbarer Besitzer zu sein, ohne sich Mitgewahrsam vorzustellen, genügt nicht.[310] Nicht ausreichend ist auch die Vorstellung des Täters, untergeordneten Mitgewahrsam zu erhalten.[311]

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Ist ein Teilnehmer der Vortat im Besitz der Sache, kommt hinsichtlich des Täters (der Vortat) eine Strafbarkeit nur dann in Betracht, wenn er in der Absicht handelt, sich eigenen Mitbesitz zu erhalten.[312] Mittätern der Vortat, die selbst keinen unmittelbaren Besitz an der Beute haben, soll der alleinige Besitz eines anderen Mittäters nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können, sodass die Verteidigung dieses mittäterschaftlichen Besitzes regelmäßig in Selbstbesitzerhaltungsabsicht erfolge.[313] Diese Konstruktion einer Besitzzurechnung über § 25 Abs. 2 StGB überzeugt jedoch nicht: Sie findet keine Stütze im Gesetz, was im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG höchst problematisch ist, zudem ist der (zu erhaltende) Besitz kein objektives Tatbestandsmerkmal des § 252 StGB.[314] In Fällen der Mittäterschaft kann deshalb nur dann Selbstbesitzerhaltungsabsicht bejaht werden, wenn zumindest Mitgewahrsam besteht. Dagegen kann einem Gehilfen (des Vortäters), der keinen Gewahrsam an der Sache aufweist, unstreitig nicht der Besitz des Täters (der Vortat) zugerechnet werden, sodass § 252 StGB von vornherein ausscheidet.[315]

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Kommt es dem Täter allein auf die Flucht oder Verhinderung der Festnahme an, scheidet § 252 StGB aus.[316] Nicht ausreichend ist auch, dass der Täter die Feststellung seiner Person verhindern möchte, um nicht einen späteren, dadurch bedingten Verlust des Diebesguts zu riskieren,[317] oder ausschließlich handelt, um ein verräterisches Beweisstück zu beseitigen.[318] Die Absicht der Besitzerhaltung muss allerdings nicht das einzige und auch nicht das dominierende Motiv für die Nötigungshandlung sein.[319] Ausreichend ist insoweit auch, dass der Täter sich der Strafe entziehen und zugleich sein Diebesgut erhalten will.[320] Allein aus der Mitnahme der Beute bei der Flucht kann noch nicht auf eine Besitzerhaltungsabsicht geschlossen werden.[321] Anders ist dies, wenn der Täter sich der Beute gefahrlos entledigen konnte, dies ist zumindest Indiz für eine Besitzerhaltungsabsicht.[322]