Handbuch des Strafrechts

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d) Motivwechsel

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Unerheblich ist, ob der Täter bei der Gewaltanwendung noch weitere Zwecke verfolgt,[374] also ein „Motivbündel“ vorliegt. Allerdings wird zu Recht gefordert, dass dem Wegnahmemotiv neben anderen Motiven noch eine eigenständige Bedeutung zukommen muss.[375] Problematisch sind diejenigen Fälle, bei denen es zu einem „Motivwechsel“ kommt, der Täter also zunächst unter anderer Motivation (beispielsweise sexueller) eine Gewaltanwendung vornimmt und anschließend eine Wegnahmehandlung (mit dann erst gefasster Zueignungsabsicht) durchführt. Folgt die Wegnahme der Anwendung von Gewalt zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass eine finale Verknüpfung besteht, so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes aus.[376] Es genügt jedoch für das Vorliegen des Finalzusammenhangs, wenn die zunächst zu anderen (z.B. sexuellen) Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes noch fortgesetzt wird.[377] Ob ein Raub zu bejahen ist, ist demnach danach zu bestimmen, ob die Nötigungshandlung nur ausgenutzt wurde oder fortgesetzt wird, also bei Wegnahme noch andauert.[378]

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Nach ständiger Rspr. fehlt es an der finalen Verknüpfung zwischen Raubmittelanwendung und Wegnahme, wenn der Täter die Wirkung einer ohne Wegnahmevorsatz erfolgten (aber nicht mehr fortgesetzten) Nötigungshandlung nur ausnutzt und aufgrund eines neuen Entschlusses Sachen wegnimmt.[379] Die Rspr. ist aber hier nicht immer einheitlich:[380] In den Fällen der Fortwirkung einer körperlichen Misshandlung als körperliche Wehrlosigkeit, in denen der Täter z.B. nach dem Niederschlagen oder der Verletzung des Opfers aufgrund eines Motivwechsels erst den Wegnahmeentschluss fasst, verneint der BGH in einer Vielzahl von Fällen das Vorliegen eines Finalzusammenhangs.[381] Dies ist zutreffend, da der Täter zum Zeitpunkt, in dem er die Gewalt ausübte, keinen Wegnahmeentschluss hatte und zum Zeitpunkt, in dem er die Sache wegnahm, die Gewalt schon abgeschlossen war und der Täter lediglich den durch sie geschaffenen Zustand körperlicher Wehrlosigkeit ausnutzte.[382]

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Dagegen hat der BGH für die Fälle einer Fortwirkung einer gewaltsam herbeigeführten Freiheitsberaubung (etwa einer Fesselung oder Einsperrung) oder sonstiger Zwangslagen die Fortdauer eines vom Täter geschaffenen rechtswidrigen Zustandes körperlicher Zwangswirkung als andauernde Gewalthandlung angesehen.[383] Nur wegen des Dauerdeliktscharakters etwa der Freiheitsberaubung auf ein aktives Tun abzustellen, ist jedoch verfehlt, da nicht die Gewalthandlung andauert, sondern der Gewalterfolg.[384] Insofern kommt allenfalls eine Gewalt durch Unterlassen in Betracht,[385] die nach hier vertretener Ansicht grundsätzlich anzuerkennen ist, sofern eine Möglichkeit zur Beseitigung der Zwangslage besteht (Rn. 58 ff.).

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Die Rspr. nimmt außerdem einen Raub in dem Fall an, in dem eine bereits vollendete (ohne Wegnahmevorsatz begangene) Gewalteinwirkung als aktuelle konkludente Drohung mit neuer Gewalteinwirkung zu verstehen ist.[386] Dafür muss der Täter durch sein Verhalten eine Gefahr für Leib und Leben durch die Gewaltausübung deutlich in Aussicht stellen.[387] Ein Raub ist jedoch abzulehnen, wenn der Täter lediglich nach einer Nötigungshandlung die Angst und Einschüchterung des Opfers ausnutzt, ohne diese durch eine ausdrückliche oder konkludente Drohung zu aktualisieren, um eine Wegnahme vorzunehmen.[388] Deshalb ist von einem Fortwirken der Gewalt als Drohung nur dann auszugehen, wenn einer neuen mit Wegnahmevorsatz ausgeführten Handlung des Täters ein Erklärungswert zukommt, der sich auf eine frühere Gewaltanwendung bezieht und deren Wiederholung ggf. konkludent androht.[389] Ansonsten wird die Konstruktion einer fortdauernden konkludenten Drohung zum bloßen Ausnutzen einer durch ein Raubmittel geschaffenen Zwangslage verwischt.[390]

e) Vorsatzerweiterung/-wechsel

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Der Finalzusammenhang ist auch problematisch, wenn der Täter die Gewalt zunächst eingesetzt hat, um einen bestimmten Gegenstand wegzunehmen oder auch das Opfer zu erpressen, dann aber entweder auch oder nur einen anderen Gegenstand in Zueignungsabsicht wegnimmt. Sofern der Täter nach dem qualifizierten Nötigungsmittel bei Aufrechterhaltung des generellen Wegnahmewillens mehr als ursprünglich geplant wegnimmt, liegt nach h.M. der erforderliche Finalzusammenhang (und ein einheitlicher Raub) vor.[391] Dagegen ist § 249 StGB nicht erfüllt, wenn der Täter bei Raubmittelanwendung (nur) einen bestimmten Gegenstand wegnehmen oder das Opfer erpressen will und danach (ohne dass die bereits ausgeübte Gewalt als aktuelle Drohung fortwirkt) einen anderen Gegenstand, auf den sich der ursprüngliche Wegnahmewille nicht bezog, in Zueignungsabsicht wegnimmt (Fälle des Objektwechsels).[392]

f) Systematische Verortung im Tatbestand

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Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Verortung des raubspezifischen Zusammenhangs im Tatbestand. Wer einen Kausalzusammenhang fordert, wird die raubspezifische Verknüpfung im objektiven Tatbestand prüfen. Auch das Erfordernis eines zeitlich-räumlichen Zusammenhangs spricht für eine Verortung im objektiven Tatbestand. Selbst wenn man – wie hier – einen Finalzusammenhang sowie einen subjektiven Zurechnungszusammenhang verlangt, ist die raubspezifische Verknüpfung bereits im objektiven Tatbestand zu prüfen.[393] Es handelt sich um die Ausfüllung eines objektiven Tatbestandsmerkmals („mit“, „unter“) anhand subjektiver Kriterien. Dies ist der Strafrechtsdogmatik nicht fremd, man denke z.B. an das Erfordernis der Manifestation eines Zueignungswillens bei dem Tatbestandsmerkmal Zueignung in § 246 StGB oder dem Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit in feindlicher Willensrichtung bei dem Heimtückemerkmal in § 211 StGB.

4. Subjektiver Tatbestand

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Der subjektive Tatbestand erfordert zum einen (zumindest bedingten) Vorsatz bzgl. der qualifizierten Nötigung und der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, zum anderen die Absicht rechtswidriger Zueignung. Die Komponenten des raubspezifischen Zusammenhangs, nämlich Finalzusammenhang und (vorgestellter) Zurechnungszusammenhang, sind nach hier vertretener Ansicht kein Merkmal des subjektiven Tatbestandes, sondern im objektiven Tatbestand zu prüfen (Rn. 87) und spielen deshalb im subjektiven Tatbestand praktisch keine Rolle mehr. Die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung ist ebenfalls ein objektives Tatbestandsmerkmal,[394] auf das sich der Vorsatz beziehen muss, wegen des engen Zusammenhangs mit der Zueignungsabsicht wird es aber im subjektiven Tatbestand erörtert.

a) Vorsatz hinsichtlich der Raubmittelanwendung

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Der Täter muss vorsätzlich Raubmittel anwenden, d.h. zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass er Gewalt gegen eine Person ausübt oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht. Bei der Drohungsalternative muss der Täter wissen oder zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, dass sein Verhalten als Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben wahrgenommen wird. In jedem Fall bedarf es dazu der Feststellung, dass der Täter weiß oder zumindest billigend in Kauf nimmt, die Drohung sei geeignet, bei dem Bedrohten Furcht vor ihrer Verwirklichung hervorzurufen; hierfür reicht es allerdings aus, wenn das Opfer die Ausführung der Drohung nur für möglich halten soll.[395]

b) Vorsatz hinsichtlich der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache

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Der Vorsatz muss sich zudem auf die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache beziehen. Wenn sich im Verlaufe der Tatbegehung Änderungen in Bezug auf das Tatobjekt oder die Vorstellungen des Täters von diesem ergeben, ist für die Beurteilung der Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand der Zeitpunkt der letzten Ausführungshandlung entscheidend. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür ist der Zeitpunkt der letzten Wegnahmehandlung.[396]

c) Zueignungsabsicht

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Der Täter muss wie beim Diebstahl in der Absicht handeln, die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen (→ BT Bd. 5: Kudlich, § 29 Rn. 51). Wie bei § 242 StGB reicht seit dem 6. StrRG (Rn. 30) die Drittzueignung aus. § 249 StGB scheidet aus, wenn der Täter eine Sache durch Anwendung qualifizierter Nötigungsmittel wegnimmt, um eine Gebrauchsanmaßung („furtum usus“) zu erzwingen.[397] An der Aneignungsabsicht als Bestandteil der Zueignungsabsicht fehlt es, wenn der Täter die fremde Sache nur mit Nötigungsmitteln wegnimmt, um sie „zu zerstören“, „zu vernichten“, „preiszugeben“, „wegzuwerfen“, „beiseite zu schaffen“ oder „zu beschädigen“ oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern.[398] Hier kommt zwar nicht § 249 StGB, aber u.U. § 255 StGB in Betracht, wenn dem Besitz der Sache ein wirtschaftlicher Wert zukommt.[399] Die Zueignungsabsicht fehlt, wenn der Täter die Sache wegnimmt, nur um diese im Wege einer „räuberischen Inpfandnahme“ als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen.[400] Bei den Fällen des Handtaschenraubes ist sorgfältig zu prüfen, ob sich die Zueignungsabsicht nur auf den „stehlenswerten Inhalt“ (etwa Bargeld, Geldkarten, Schmuck etc.) oder darüber hinaus auch auf das weggenommene Behältnis bezieht.[401] In den Fällen der gewaltsamen Wegnahme eines Kraftfahrzeuges kommt es wie beim Diebstahl (→ BT Bd. 5: Kudlich, § 29 Rn. 58) darauf an, ob der Täter einen Rückführungswillen hat, ansonsten kommen nur § 240 StGB in Tateinheit mit § 248b StGB in Betracht.[402] Maßgeblich für das Vorliegen der Zueignungsabsicht ist wie bei dem Wegnahmevorsatz der Zeitpunkt der letzten Wegnahmehandlung.[403] In Fällen mittäterschaftlicher Begehung muss die Zueignungsabsicht bei jedem Mittäter vorliegen.[404]

 

d) Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung

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Die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung ist ein objektives (normatives) Tatbestandsmerkmal, auf das sich der Vorsatz beziehen muss.[405] Auch diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu § 242 StGB (→ BT Bd. 5: Kudlich, § 29 Rn. 64) verwiesen werden. Damit erfüllt eine „räuberische Selbsthilfe“ den Tatbestand des § 249 StGB nicht.[406] Nach der Rspr. des BGH soll die gewaltsame Wegnahme des vorab geleisteten „Prostituiertenlohns“ vor Erbringung der sexuellen Leistungen wegen des grundsätzlich bestehenden Anspruchs des Täters aus § 812 Abs. 1 BGB kein Raub sein.[407]

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Nimmt der Täter irrig an, einen fälligen und einredefreien Anspruch auf die Sache zu haben, liegt ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB vor. Schwierige Irrtumsprobleme stellen sich dann, wenn bei Bestehen eines Zahlungsanspruchs der Täter mit Raubmitteln Geld wegnimmt und nicht weiß, dass es sich um Gattungsschulden handelt[408] sowie bei der räuberischen Pfandverwertung (sofern Zueignungsabsicht vorliegt)[409].

5. Sonstige Fragen
a) Beteiligung

aa) Allgemein

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Raub ist weder in seinem Diebstahls- noch in seinem Nötigungselement ein eigenhändiges Delikt, sodass insbesondere eine mittäterschaftliche Begehung in Betracht kommt.[410] Voraussetzung für eine Qualifikation als Täter ist allerdings, dass der Beteiligte selbst Zueignungsabsicht hat.[411] Auch muss der „subjektiv-finale Konnex“ (also nach hier vertretener Ansicht Finalzusammenhang unter Berücksichtigung des subjektiven Zurechnungszusammenhangs) zwischen Nötigung und Wegnahme von jedem Täter vorausgesetzt (wenn auch nicht notwendigerweise verwirklicht) werden.[412] Das heißt, der (Mit-)Täter muss zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung wissen und wollen, dass die Gewalt gegen das Opfer zum Zwecke eines Diebstahls verübt wird.[413] Im Übrigen gelten die allgemeinen Regelungen für die Beteiligung, insbesondere zur Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme.[414] Umstritten ist indes die Beteiligung im zeitlichen Verlauf des Raubes (Rn. 99 ff.).

bb) Mittelbare Täterschaft

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Mittelbare Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB ist sowohl hinsichtlich der Wegnahmehandlung als auch der Nötigungshandlung möglich.[415] Diese kommt z.B. in Betracht, wenn dem Vordermann die Zueignungsabsicht fehlt (absichtslos handelndes doloses Werkzeug). Eine mittelbare Täterschaft kann auch vorliegen, wenn der Täter einen Komplizen veranlasst, gegen das Opfer Gewalt anzuwenden, ihm aber verschweigt, dass er die Gewaltanwendung zur Wegnahme ausnutzen möchte.[416] Str. ist, worin dann das eine mittelbare Täterschaft begründende Strafbarkeitsdefizit liegt: Nach Ansicht des BGH fehlt es beim Werkzeug am Vorsatz hinsichtlich der finalen Verknüpfung der Gewalt mit der Wegnahme.[417] Eine (mit-)täterschaftliche Begehung setzt voraus, dass zumindest Kenntnis von dem Finalzusammenhang besteht (Rn. 75), dies war aber bei den Komplizen nicht der Fall. Nach zutreffender Ansicht von Jäger[418] fehlt es aber auch am Vorsatz bzgl. der Gewaltanwendung zur Widerstandsüberwindung (also der Gewaltfinalität; Rn. 53 ff.).

cc) Mittäterschaft

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Eine mittäterschaftliche Begehung gemäß § 25 Abs. 2 StGB ist möglich, auch wenn der Beteiligte nicht alle objektiven Tatbestandsmerkmale selbst erfüllt. Für die Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Teilnahme sind nach der Rspr. der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft wesentliche Anhaltspunkte.[419] Die h.L. grenzt dagegen allein nach der Tatherrschaft ab.[420] Eine fehlende oder geringe Mitwirkung im Ausführungsstadium kann nach h.M. durch eine Beteiligung in der Vorbereitungs- und Planungsphase ausgeglichen werden.[421]

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Der Mittäter muss selbst Zueignungsabsicht haben.[422] Jedoch ist nicht jeder, der Zueignungsabsicht hat, auch Mittäter, es kommt nach allgemeinen Regeln auch eine Teilnahme in Betracht. Drittzueignungsabsicht ist grundsätzlich möglich,[423] allerdings bedarf es dann einer besonders sorgfältigen Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme. Hier kommt es auf die „Intensivität der Beteiligung an Wegnahme und Nötigung“ an.[424]

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Zudem muss der Mittäter, wenn er selbst nicht zum Zwecke der Wegnahme nötigt, wissen und wollen, dass das Nötigungsmittel zum Zwecke der Wegnahme eingesetzt wird, da – entgegen der Ansicht des BGH[425] – eine Zurechnung der Finalität nicht möglich ist.[426] Andernfalls würde man den Raub in Widerspruch zu seiner (finalen) Grundstruktur in ein Delikt umgestalten, für dessen täterschaftliche Begehung die „bloß äußerliche, raum-zeitliche Summierung von Gewaltanwendung und Diebstahl ausreicht“.[427] Bei dem hier zugrunde gelegten Verständnis eines neben dem Finalzusammenhang geforderten subjektiven Zurechnungszusammenhanges (Rn. 81) muss sich das Wissen und Wollen des Mittäters auch auf diesen beziehen. Fehlt beim Komplizen ein Wissen und Wollen hinsichtlich Finalzusammenhang und subjektiven Zurechnungszusammenhang und nutzt dies der andere Beteiligte planvoll lenkend aus, kommt eine mittelbare Täterschaft in Betracht (Rn. 95).

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Problematisch sind auch die (sonstigen) Fälle der sukzessiven Mittäterschaft. Zunächst sind Konstellationen denkbar, in denen der Beteiligte gar nicht an der Nötigungshandlung mitwirkt, wohl aber an der Wegnahmehandlung. Hier scheidet entgegen der Ansicht des BGH[428] eine sukzessive Mittäterschaft aus, weil der Beteiligte dann nicht mehr von der für den Raub konstitutiven Finalität zwischen Nötigung und Wegnahme geleitet wird.[429] Mangels Tatbeitrages zur Raubmittelanwendung kann ihre nachträgliche Billigung und Ausnutzung nicht zu einer „chronologisch zurückgreifenden Zurechnung“ führen[430] und zudem nicht einen „dolus subsequens“ bestrafen.[431] Davon zu differenzieren sind Fälle, in denen sich der Beteiligte erst im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung einschaltet.[432] Nach Vollendung der Wegnahme (und damit des Raubes) scheidet eine sukzessive Mittäterschaft mangels Tatherrschaft im Ausführungsstadium aus.[433] Erst recht kommt sukzessive Mittäterschaft an einem Raub nicht in Betracht, wenn die Tat beendet ist.[434]

dd) Anstiftung

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Hinsichtlich einer Anstiftung zum Raub gemäß §§ 249, 26 StGB ist auf die allgemeinen Ausführungen zur Anstiftung als Beteiligungsform zu verweisen. Im Zusammenhang mit § 249 StGB werden auch Probleme der Aufstiftung bzw. Überstiftung diskutiert. Hier wird der zum Diebstahl entschlossene Täter dazu gebracht, Raubmittel einzusetzen, oder ein zum Raub entschlossener Täter wird dazu gebracht, qualifizierende Umstände (z.B. Beisichführen einer Waffe) zu verwirklichen.[435] Nach zutreffender Ansicht liegt hier eine Anstiftung zur gesamten Tat, also zu § 249 StGB bzw. §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.[436]

ee) Beihilfe

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Auch hinsichtlich der Beihilfe zum Raub gemäß §§ 249, 27 StGB kann zunächst auf die allgemeinen Ausführungen zur Beteiligungsform der Beihilfe rekurriert werden. Vergleichbar dem Problemkreis der sukzessiven Mittäterschaft stellt sich auch das Problem der sukzessiven Beihilfe. Sofern die Beihilfehandlung nach Abschluss der Nötigungshandlung, aber vor vollendeter Wegnahme erfolgt, kann eine sukzessive Beihilfe (anders als eine sukzessive Mittäterschaft in diesem Tatstadium) anerkannt werden, wenn durch sie die Haupttat gefördert wird.[437] Dagegen ist eine sukzessive Beihilfe im Beendigungsstadium (nach Abschluss der Wegnahmehandlung) abzulehnen.[438] Dem steht das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen: Die Tatphase wird über die Vollendung der Wegnahme hinaus ausgedehnt; Handlungen wie die Beutesicherung sind nicht mehr Bestandteile der in § 249 StGB umschriebenen und von § 27 StGB in Bezug genommenen „Tat“.[439] Zudem wird die Grenze zu den Anschlussdelikten, insbesondere zur Begünstigung gemäß § 257 StGB, verwischt.[440]

b) Versuch, Vollendung und Beendigung
aa) Versuch

(1) Allgemein

102

Der Versuch des Raubes als Verbrechenstatbestand (§ 12 Abs. 1 StGB) ist gemäß § 23 Abs. 1 StGB strafbar. Dem Versuchsstadium vorgelagerte Handlungen können beim Raub als versuchte Beteiligung (§ 30 StGB) strafbar sein, z.B. als Raubverabredung mehrerer Mittäter.[441] Aufgrund der Ausgestaltung des Raubes als zweiaktiges Delikt stellen sich Sonderfragen insbesondere hinsichtlich des „unmittelbaren Ansetzens“ (§ 22 StGB) sowie des Rücktritts (§ 24 StGB).[442]

 

(2) Tatentschluss

103

Der Tatentschluss muss sich auf die Wegnahme, den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel und die raubspezifische Verknüpfung (Rn. 88 ff.) beziehen. Zudem muss der Täter Zueignungsabsicht (Rn. 91) sowie Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der angestrebten Zueignung (Rn. 92 f.) haben.

(3) Unmittelbares Ansetzen

104

Nach allgemeinen Grundsätzen setzt ein Täter zu einem Delikt unmittelbar an, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind und im Fall des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung des Raubes unmittelbar einmünden.[443] Das ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren „Willensimpulses“ nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt.[444] In der Versuchslehre dem Grunde nach anerkannt ist die Regel, dass die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals stets ein unproblematischer Fall des unmittelbaren Ansetzens zur gesamten Tat ist.[445] Im Bereich des § 249 StGB bedarf es jedoch Modifizierungen dieser „Teilverwirklichungs-Regel“.[446] Die Verwirklichung des Wegnahmemerkmals genügt nicht, noch weniger das unmittelbare Ansetzen hierzu.[447] Für ein unmittelbares Ansetzen gemäß § 22 StGB ist nach h.M. wegen der besonderen (finalen) Struktur des Raubes erforderlich, dass der Täter jedenfalls zur qualifizierten Nötigung ansetzt.[448] Wer dagegen ausnahmsweise mit Raubvorsatz zunächst zur Wegnahmehandlung ansetzt, begeht nur einen versuchten Diebstahl.[449] Die Gegenauffassung, die ausnahmsweise[450] auch das bloße Ansetzen zur Wegnahme genügen lässt, unterläuft § 244 Abs. 1 Nr. 1b StGB, wonach kein Raubversuch vorliegt, wenn der Täter einen Diebstahl versucht, bei dem er eventuellen Widerstand mit einer Waffe brechen will.[451]

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Sofern noch kein Raubmittel angewendet worden ist, sind nach den oben genannten Grundsätzen Versuch und bloße Vorbereitungshandlung voneinander abzugrenzen. Das Klingeln an der Haustür ist unmittelbares Ansetzen zum Raub, wenn nach dem Tatplan gegen denjenigen, welcher öffnen wird, sogleich Raubmittel eingesetzt werden sollen.[452] Ein Versuch ist auch angenommen worden, wenn der Täter einen Begleiter des Opfers angreift[453] oder mit gezogener Schusswaffe vor der Postdienststelle erscheint.[454] Wer sich auf die Lauer legt, setzt zum Raub erst unmittelbar an, wenn er sich in seiner Vorstellung dem Opfer so genähert hat, dass der nächste Akt Gewalt oder Drohung ist.[455] Nicht die Versuchsschwelle überschreitet, wer noch auf einen nicht erschienenen Mittäter warten will[456] oder wer am Sonntagabend zu einer Sparkasse fährt, in die er eindringen will, um am Montagmorgen die zur Arbeit kommenden Bankmitarbeiter zu überfallen.[457] Soll die Tat mittäterschaftlich begangen werden, beginnt der Versuch nach allgemeinen Grundsätzen für jeden Mittäter, sobald nur einer von ihnen unmittelbar ansetzt.[458]