Ab dä Fisch

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Lebewesen und Planeten

Beim Alten verursacht die Erwähnung dieses Planeten augenblicklich eine schwere Reizung der Magenschleimhaut. Er hat auch schon versucht, die Situation in dieser Ecke des Universums auf alle erdenkliche Arten zu klären. Zum Beispiel das Zentralgestirn als Supernova explodieren zu lassen. Damit hätte es sich für Galon und alles was auf ihm lebt erledigt. Leider ist die Sonne aber noch viel zu jung für solch einen Prozess und es wäre sofort aufgefallen.

''OK, das geht schon mal nicht'', kommentiert der Alte seine Idee.

Als nächste Option er den Sturz des gesamten Sonnensystems in ein schwarzes Loch in Betracht. Leider liegt das System aber am Rand der Galaxis und aus bekannten physikalisch astronomischen Gründen findet man schwarze Löcher eher in ihrem Zentrum. Es gibt also nichts Brauchbares in der näheren Umgebung, in das man Galon hätte stürzen lassen können.

''OK, das geht auch nicht.''

Der Einschlag eins großen Asteroiden würde ebenfalls zum gewünschten Ergebnis führen.

Jetzt verhält es sich aber leider so: Der Planet ist echt flott unterwegs!

In knapp 360 Tagen flitzt er mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit um seine Sonne. Zusätzlich ist die Umlaufbahn leicht elliptisch und daher weiteren Schwankungen der Zentrifugalkraft unterworfen.

Will heißen: Mal ist er etwas schneller, ein anderes Mal bremst er wieder ab!

Dieses Verhalten ist gelinde gesagt überhaupt nicht zuträglich, um vernünftig zielen und obendrein auch noch treffen zu können. Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass so ein Meteorit im Vergleich zu einem Planeten doch eher klein ist. Auch wenn einige Brocken die stolze Größe von mehreren Kilometern erreichen, sind sie auf kosmischer Ebene dennoch winzig. Der Alte experimentiert daraufhin mit dem 'viel hilft viel' Prinzip und lenkt ganze Meteoriten Schwärme in das Sonnensystem. Tatsächlich wird der Planet nun hin und wieder von einem Meteoriten getroffen.

Das reicht aber bei weitem nicht für eine völlige Zerstörung aus. Die meisten komischen Trümmer verglühen sowieso in der Atmosphäre oder prallen von ihr ab und verabschieden sich auf nimmer Wiedersehen.

''OK, so funktioniert es überhaupt nicht'', grummelt der Alte, ''Wolke, willst du mal versuchen?''

''Nein!''

''Wieso nicht?!''

''Ich packe grade meinen Koffer. Es geht in den Urlaub!''

''Ja klar, hau jetzt einfach ganz entspannt ab und lass mich hier mit dem ganzen Mist alleine!''

''Mein lieber Helge. Anstatt deine Zeit mit Zielübungen zu vergeuden, solltest du dich besser mal um meine Wäscherei in Kleve kümmern!''

''Ruhig Blut Wolke, bin dabei. Ist in Arbeit!''

Warum dem Alten bei Galon ständig die Galle überläuft, liegt in dessen evolutionärem Verlauf begründet. Nicht das mit dem Planeten etwas nicht in Ordnung wäre, nein, den hat der Alte wirklich gut hinbekommen. Die kalten Regionen sind auf ihm genau dort, wo eh niemand wohnt und die warmen Gegenden liegen auf Wolkes Anregung hin fast alle, abgesehen von ein paar Wüsten, in den Tropen. Ein Mond, hübsch anzuschauen und in ausreichender Größe zur Stabilisierung der Planetenachse, kreist ebenfalls gemächlich um Galon. In einem Anfall von großzügigem Wahn hat der Alte auch noch eine Neigung der Planetenachse zu dessen Ekliptik eingebaut.

''Damit es dort verschiedene Jahreszeiten gibt. Dann merken die Chaoten wenigstens, wenn es Sommer wird und sie ihren Urlaub nehmen können'', erklärt der Alte sein Vorgehen.

''Hast du schön hinbekommen Helge! Ich glaube, das schaue ich mir auch mal an.''

''Bekommst du eigentlich kein schlechtes Gewissen mich hier ständig alleine zu lassen?!''

''Nein. Und übrigens kann Urlaub nur der genießen, wer reinen Herzens ist'', bemerkt seine Schwester.

''Ach papperlapapp Wolke, das ist doch Kokolores!''

Helge ist ständig leicht angesäuert von der Tatsache, dass seine Schwester mit ihren Kolleginnen vom Sternschnuppen-Klub jeden freien Moment nutzt, um 'mal eben' mit Eternity-Airways irgendwo hinzufliegen. Der Alte fühlt sich dadurch massiv übervorteilt, Wolke findet es hingegen große Klasse!

Abgesehen von diesen unbedeutenden Meinungsunterschieden über Sinn und Zweck von Freizeitgestaltung, ist man sich dennoch über Galons gelungenes Design zweifelsfrei einig.

Was da jedoch auf seiner Oberfläche so kreucht und fleucht ist jenseits jeglichen Wohlgefallens.

Es ist auch nicht das 'was' sich dort bewegt, sondern eher das 'wie'.

Dabei hat der Alte es so gut geplant.

''Sportlich und dynamisch sollen sie sein. Belastbar, widerstandsfähig, ausdauernd, zäh und trotzdem elastisch, bescheiden, demütig, aufrecht und ehrlich, gottesfürchtig und im Einklang mit der Natur sollen sie leben'', murmelt der Alte, während er das alles auf seine Agenda schreibt.

''Nun hau doch bitte nicht so übertrieben auf die Sahne, Helge. Das werden ja richtige Gutmenschen. Das bekommen die niemals hin'', mahnt Wolke zweifelnd ob all der Tugenden.

''Nein nein, die schaffen das schon'', erwidert der Alte überzeugt.

Für die nächsten Jahrhunderttausende halten sich die Einheimischen auch buchstabengetreu daran. Sie haben eine voluminöse Lunge entwickelt, um die saubere Luft ihres Planeten zu genießen und zwei kräftige Beine ausgebildet auf denen sie sich problemlos von A nach B bewegen können. Eigentlich läuft alles wie am Schnürchen. Dann geschieht jedoch eines Tages etwas Seltsames. Nach einem ausgiebigen Trinkgelage anlässlich einer örtlichen Geburtstagsfeier, legt sich einer der Teilnehmer einfach auf die erstbeste Parkbank, zur kurzen Entspannung, wie er später behauptet.

Und das ist glatt gelogen!

Erstens:

Der Typ braucht keine Entspannung, sondern muss sich ausnüchtern, weil er sturzbetrunken ist!

Zweitens:

Es gibt zu dieser Zeit noch gar keine Parks auf Galon!

Drittens:

Folglich kann er also auf gar keinen Fall auf einer Parkbank gelegen haben!

Das, was er in seiner benebelten Wahrnehmung für eine Parkbank hält, ist in Wirklichkeit die weit verbreitete Art einer Riesen-Landschildkröte.

Dieses Ereignis wird im Nachhinein als das erste verdeckte Eingreifen Doktor L's in die galonsche Planeten Historie datiert, denn anders kann man sich die nun folgenden Abläufe nicht erklären.

Von den alkoholischen Ausdünstungen des Schläfers in milde Panik versetzt, kommt die Riesen-Landschildkröte langsam aber stetig in Bewegung. Angetrieben von ihrem Fluchtinstinkt, marschiert das arme Tier Stunde um Stunde unermüdlich durch Galons atemberaubende Landschaft. Zwar versucht sie mit unerwarteten Richtungswechseln, (ein bei U-Boot Besatzungen später als ''Irrer Iwan'' bekanntes Manöver), ihren Passagier wieder abzuschütteln, aber Besoffene kleben an Objekten wie ein 'Kalter Bauer' an der Bettdecke. Daher ist der bemitleidenswerten Kreatur leider kein Erfolg vergönnt und so zieht sich die Tortur noch einige Zeit hin. Als schließlich der Morgen graut und die Riesen-Landschildkröte sich langsam mit dem Gedanken anfreundet, für den Rest ihres Lebens mit dem alkoholisierten Einheimischen oben auf ihrem Panzer durch die heimische Flora zu marschieren, (eine schreckliche Vorstellung, denn die Tiere werden in der Regel bis zu 500 Jahre alt.), da geschieht das Unerwartete. Etwas, das sich anhört wie ein durch eine Feinripp-Unterhose gedämpfter Furz, ist zu vernehmen. Danach verspürt die Schildkröte ein leichtes Schaukeln, gefolgt von dem Geräusch panisch auf Schildpatt kratzender Fingernägel. Ein letzter verzweifelter Bremsversuch um das Schicksal doch noch herumzureißen, verursacht jedoch nur ein nerviges Quietschen von Gummisohle auf taufeuchtem Schildkröten Panzer. Dann segelt in erhabenem Flug eine aus nachhaltig angebauten Rohstoffen, handgefertigte linke Flip-Flop Badelatsche am Kopf unseres unfreiwilligen Spediteurs vorbei. Dieser zieht denselben auch sogleich vorsichtshalber zurück in sein gepanzertes Häuschen. Keine Sekunde zu spät, denn es folgt nun die rechte Flip-Flop Badelatsche in der noch der dazugehörige Eigentümer steckt.

Im freien Fall rotiert er einen gekonnten Salto mit anschließender halber Schraube, dann presst ihm der Einschlag ins Moos sämtliche Luft aus seinen Lungen.

Zwei Dinge passieren.

Erstens:

Der Einheimische bleibt derangiert und benommen am Boden liegen, ist seltsamerweise inzwischen wieder völlig ausgenüchtert, kann sich aber an nichts mehr erinnern.

Zweitens:

Die Riesen-Landschildkröte, froh den irren Passagier wieder los zu sein, nutzt die Gunst des Augenblicks, nimmt ihre Beine in die Hand und verschwindet vom Epizentrum des Wahnsinns.

Nachdem der erste Schock überwunden ist und sich sein Zustand wieder auf ein normales Niveau beruhigt hat, lässt der Einheimische seinen Blick in die Runde schweifen. Was er sieht, versetzt ihn in ungläubiges Erstaunen. Er kennt diese Gegend nur zu gut.

Es ist sein Zuhause!

Dies ist der Augenblick, in dem ein neues Kapitel in der evolutionären Entwicklung aufgeschlagen wird. Galon erlebt die Geburtsstunde einer neuen Doktrin, welche von nun an wie folgt lautet:

''Das Ziel ist die absolute Bewegungslosigkeit!''

Die Einheimischen entdecken die Bequemlichkeit. Anstatt ihre Körper mit all seinen hervorragenden Funktionen zu nutzen, verlegen sie sich aufs Faulenzen. Man hat keine Lust mehr auf anstrengende Fußmärsche, sondern sucht jetzt nach alternativen Transportmöglichkeiten.

Außerdem erschleicht sich eine ziemlich schlechte Charaktereigenschaft den Zugang in die Gesellschaft. Die Lüge!

 

Diese Attitüde wird durch verbale Schönfärberei verniedlicht indem man jetzt ''schummeln'' oder ''mogeln'' als Begrifflichkeit benutzt, aber im Kern bleibt es das Gleiche. Die Einheimischen sind nicht mehr länger aufrecht und ehrlich.

''Boah, mir tun die Füße so weh. Ich kann nicht mehr laufen. Kannst du mich nach Hause tragen'', ist zum Beispiel eine dieser Betrügereien zu jener Zeit.

''Ich hab irre Rückenschmerzen, kann mich nicht mehr alleine auf den Beinen halten'', eine Andere.

Manchmal reicht auch schon ein einfaches ''mir ist jetzt gerade echt nicht gut'', um sich von gutgläubigen Zeitgenossen nach Hause transportieren zu lassen.

Auf Galon entsteht im Laufe der Zeit ein richtiger Beförderungs-Hype.

Schnell wird entdeckt, dass sich bestimmte Tiere dafür bestens eignen. Alles, was einen geraden Rücken hat, ist schon mal prima. Dort kann man nämlich wunderbar darauf sitzen, ohne die Befürchtung zu haben, ständig von da oben abzurutschen. Die Riesen-Landschildkröten ziehen sich zu dieser Zeit geschlossen auf 2 entfernt gelegene Eilande zurück. Die Furcht, von den Einheimischen am Ende völlig verschlissen zu werden, ist die Triebfeder ihres Handelns. Ihnen ist der ausgebrochene Trubel einfach suspekt. Eine ruhige Kugel zu schieben entspricht sowieso eher ihrem Naturell. Das gelingt den Riesen-Landschildkröten auch dermaßen gut, dass sie auf Galon schließlich in Vergessenheit geraten. Einige Jahrtausende leben sie friedlich und im Einklang mit der Natur auf ihren Inseln. Dann jedoch werden sie zufällig von Mitgliedern einer seefahrenden Nation wiederentdeckt. Es handelt sich genauer gesagt um Schiffbrüchige, die schon seit geraumer Zeit auf dem Ozean ziellos umhertreiben und jetzt durstig und hungrig an den Strand besagter Inseln gespült werden. Ohne viel Zeit zu verlieren, fangen sie kurzerhand eine Riesen-Landschildkröte und bereiten sich aus ihr eine nahrhafte Mahlzeit. Da die Schildkröte höchsten Wert auf ein gesundes Leben legt und deshalb immer viel Obst und Gemüse auf ihrer Speisekarte stehen hat, ist sie nicht nur nahrhaft, sondern schmeckt obendrein auch noch besonders hervorragend.

Das ist der Anfang vom Ende, denn von nun an gilt sie als köstliche Delikatesse.

Es dauert wirklich nur einen Wimpernschlag, dann ist die gesamte Population aufgefuttert und der gesamte Exodus damit ad absurdum geführt.

Der Alte beobachtet das Treiben mit zunehmendem Argwohn.

''Die Irren da unten kommen auf ziemlich schräge Ideen. Von mir haben sie das nicht'', betont er leutselig mit einem Seitenblick auf seine Schwester.

Zur gleichen Zeit schlägt sich Doktor L im Labor für Pyrotechnik freudig auf die Schenkel.

''In Anbetracht unserer bescheidenen Einflussnahme muss ich zugeben, dass wir großartige Fortschritte machen. Es gilt jetzt weiter tapfer nach vorne zu schauen und nicht nachzulassen in unserem Bemühen, die Evolution auch weiterhin nachhaltig zu versauen. Liebe Mitarbeiter, die nächste Runde geht aufs Haus.''

Tosender Beifall brandet auf und sofort werden die Gläser mit neuem dampfenden 'Bloody Purgatory' gefüllt. Neue Tänzerinnen schweben an die Polestangen, die kleinen Vulkankegel werden frisch angeheizt und schwere Heavy Metal Musik aufgelegt. In Doktor L's Reich herrscht eine Bombenstimmung.

''Wir werden jetzt Phase Zwei unseres Plans in Angriff nehmen, aber zuerst feiern wir!''

Das Firmament erzittert

Phase Zwei ist eine perfide ausgeklügelte Strategie zur Umgehung der himmlischen Vorsichtsmaßnahmen. Der Alte hat dafür gesorgt, dass es zwar auch auf Galon eine Wüste gibt, aber kein Weg dorthin führt. Irgendwie ist er von den dehydrierten armen Seelen die ständig vorgeben seine Stimme zu hören mittlerweile ziemlich genervt. Genau dort setzt Doktor L an. Er lanciert per Mundpropaganda an den Lagerfeuern der Einheimischen die Idee, dass man seine Heimat in den Bergen entdecken sollte. Dort ist es schön, man verspürt den Atem der Natur und einiges andere mehr. Von diesem Augenblick an werden ausgiebige Bergwanderungen in der Bevölkerung favorisiert. Der springende Punkt dabei ist folgender:

Je höher man im Gebirge aufsteigt, desto weniger Sauerstoff steht dem Wanderer zur Verfügung.

Ab einer gewissen Grenze zeigt dieser Mangel eine eklatante Auswirkung ähnlich einer Dehydration in der Wüste. Es entstehen seltsame Gedanken im Kopf des Betroffenen. Und da die Einheimischen sowieso keine große Lust mehr auf Eigenbewegung haben, ist es nur logisch, dass sich etwas Bahnbrechendes ereignet.

Genau zwei Wochen nach dem ersten Höhenkoller wird das Rad erfunden!

Jetzt gibt es kein Halten mehr.

Es werden Sachen um das Rad herum konstruiert wie zum Beispiel Transportpritschen.

Die Einheimischen setzen im Handumdrehen ihre domestizierten Haustiere, wie Rind und Pferd, als ideale Zugmittel ein. Jetzt kann man auf die Pritschen nicht nur Handelsware legen, sondern obendrein auch noch sich selbst. Das kommt, wie nicht anders zu erwarten, bei den Galonern sehr gut an. Da man obendrein auch einen stark ausgeprägten Hang zum Schöngeistigen hat, versuchen einheimische Designer die Innenausstattung der immer noch primitiv wirkenden Vehikel geschmackvoll zu gestalten. Zu aller Freude wird nach einiger Zeit ein wirksamer Regenschutz in Form einer stabilen Blechverkleidung entwickelt. Da sich dort ebenfalls Gestalt gebende Möglichkeiten ergeben, biegt, hämmert und knetet sich in kürzester Zeit fast jeder Galoner seine eigene Karosserie zusammen. Je nach handwerklicher Begabung fallen die Resultate manchmal doch eher etwas kläglich aus, wohingegen es bei anderen Hobbyhandwerkern zu recht pompösen Entwürfen kommt. Was alle Machwerke jedoch gemeinsam haben, ist der nicht von der Hand zu weisende Mangel an Platz für die einzuspannenden Zugtiere. Metall ist schwer und Blech gehört unzweideutig zur Gruppe der Metalle. Dort wo man sich früher noch mit einer oder zwei Ziegen behelfen konnte, ist mittlerweile eine ganze Herde nötig. Selbst bei stärkeren Zugtieren wie Ochse und Pferd muss inzwischen massiv aufgestockt werden. Kurz gesagt bedeutet das, die Viecher passen alle gemeinsam irgendwie nicht mehr unter die Haube.

''Wir läuten jetzt Phase 2 unseres Planes ein'', erklärt Doktor L seinen engsten Vertrauten im Labor für Pyrotechnik.

Er sitzt dort mit ihnen in entspannter Runde und tüftelt schon eine ganze Weile an dem weiteren Vorgehen auf Galon.

''Famose Idee Chef! Was machen wir als nächsten Schritt?'', wendet Spalte fragend ein.

Spalte's richtiger Name lautet frei übersetzt in etwa 'Göttliche Narretei', oder 'Himmlischer Schabernack'. Er hält sich für einen begnadeten Musiker und spielt auch tatsächlich am Beginn seiner Karriere zusammen mit den himmlischen Chören.

Spalte betätigt dort diverse Zupfinstrumente, von denen er in Wirklichkeit aber keines richtig beherrscht. Das wird von ihm jedoch meisterlich kaschiert, weil er sich in der Gruppe der anderen Musikanten erfolgreich verstecken kann. Auffällig wird es daher erst, als zur Geburtstagsfeier des Alten eine musikalische Solo-Performance ansteht.

Die Wahl fällt auf Spalte, weil getreu seinem Motto:

''Wenn man schon nichts richtig kann, so soll man mit dem Wenigen, was einem dann noch bleibt, richtig auf die Kacke hauen'',

wird er niemals müde auf seine musikalisch fachlichen Qualifikationen hinzuweisen.

Es bleibt selbstverständlich müßig zu erwähnen, dass seine Performance in einem Desaster endet.

Ein einfaches ''Happy Birthday'' artet in einer dermaßen kümmerlichen Stümperei aus, dass man ihn umgehend aus den himmlischen Chören wirft und außerdem mit einem für den gesamten Himmel geltenden Musikverbot belegt.

In den Reihen der Mitmusikanten entsteht dadurch eine sichtbare Lücke auf die sich fortan sein Spitzname bezieht.

In der nächsten Zeit versucht er sein Glück als Bote in der firmeneigenen Zustellabteilung.

Als Spalte sich zum wiederholten Male auf einem seiner Botengänge verläuft und im Untergeschoss des Gebäudes durch die Flure irrt, wird Doktor L auf ihn aufmerksam.

''Was machst du denn hier unten?''

''Ich muss ein Päckchen zustellen'', antwortet Spalte.

''Bei mir?''

''Nein, nein. Bei einem Fräulein Sollma-Vögele.''

''Ah, das ist die Peitschen Gaby. Sie hat ihr Studio aber zwei Stockwerke höher! Du hast es wohl nicht so gut mit der Navigation, hm?''

''Ich hab' den Job erst seit kurzer Zeit.''

''Was hast du denn vorher so gemacht'', fragt Doktor L interessiert.

''Ich bin Profimusiker und war Sologitarrist bei den himmlischen Chören.''

''Ach du bist das! Kannst du außerdem noch etwas anderes?''

''Ja, kiffen.''

''Sehr gut! Komm mal einen Augenblick mit rein.''

Spalte wird auf der Stelle vom Doktor engagiert und ist seitdem für den reibungslosen Nachschub diverser Drogen ins Labor verantwortlich.

''Spalte, schau mal nach, ob wir jemand geeignetes im Hochgebirge haben!''

''Soll er irgendwelche besonderen Fähigkeiten haben, Chef?''

''Das ist egal. Hauptsache in den Bergen. Check das mal.''

''Wir haben dort momentan einen Produzenten. Wie wäre es mit dem?''

''Was produziert der Gute denn bitteschön?''

''Vegane Handcreme'', antwortet Spalte beflissen.

''Ist ja irre. Genau der Richtige. Das passt hervorragend'', sinniert Doktor L und drückt gleich darauf entschlossen die berüchtigte 'Action' Taste.

Nur einige Sekunden später ereignen sich im Hochgebirge folgende Umstände.

Durch den sich ständig erhöhenden Druck eines Manteldiapirs aus dem Planeteninneren, lösen sich zwei seit Äonen verhakte Kontinentalplatten. Das machen sie aber nicht einfach so, sondern mit der Freisetzung einer gehörigen Schockwelle. Dadurch kommt ein schon grundsätzlich brüchiger Abhang ins Rutschen und mehrere hunderttausend Tonnen loses Geröll poltern daraufhin ungebremst zu Tal. Außer einigen Murmeltieren, die sich in ihrem Balzritual kurzfristig gestört fühlen, nahm den Vorfall ansonsten keine andere Kreatur zur Kenntnis. Als Ergebnis bleibt jedoch einige tausend Meter tiefer, ein durch das Geröll zugeschütteter Trekking Pfad zurück.

Und wie durch Zauberhand geleitet, steht nun ein Hinweisschild, welches mit der Lawine zu Tal rutschte, unübersehbar mitten auf der Endmoräne.

Einige Zeit später marschiert Théo Dorant, Produzent der veganen Handcreme, auf seiner alpinen Trekking Tour genau zu dieser Stelle. Sofort bemerkt er das Hinweisschild, auf dem in verführerisch bunten Lettern geschrieben steht:

''Essen wie bei Muttern!''

Ein Pfeil auf dem Schild zeigt die exakte Richtung an und deutet verwegen bergauf. Da Théo schon seit einiger Zeit nichts mehr gegessen hat und sich in seinem Magen langsam ein kleines aber doch sehr präsentes Hungergefühl ausbreitet, beschließt er bei 'Muttern' eine Vesper einzunehmen.

Mutigen Schrittes wandert Théo den Bergrücken hinauf. Höher und immer höher zieht sich der Pfad und wie um jeden aufkeimenden Zweifel zu zerstreuen, stößt er nach geraumer Zeit auf ein weiteres Schild mit dem Hinweis:

''Von Zuhaus' nach Daheim!''

Dieses Schild trägt ebenfalls einen Richtungspfeil, der den tapferen Wanderer noch weiter den Berg hinauf verweist. Unerschrocken folgt Théo der angegebenen Richtung und im selben Augenblick kennt die Freude im Labor für Pyrotechnik keine Grenze mehr.

''Grandios eingefädelt Chef'', jubelt Spalte im Brustton der Überzeugung.

''Ich weiß Spalte, ich weiß'', antwortet Doktor L zufrieden.

Langsam und um das Gefühl vollkommen zu genießen, wandert sein Finger zur 'Enter' Taste hinüber. Mit einem geflüsterten: ''Und ab dä Fisch'' drückt er entschlossen die Taste und das Programm, dass jetzt von niemanden mehr gestoppt werden kann, beginnt sein zerstörerisches Werk.

Niemand kann später sagen, ob der wackere Théo eine Vesper bei 'Muttern' eingenommen, oder die besagte Almhütte überhaupt jemals erreicht hat. Fakt ist jedoch, dass ihm auf zirka 5000 Metern Höhe nicht nur sein Sauerstoffniveau auf ein Minimum absackt, sondern er obendrein eine seltsame Offenbarung über die Funktionsweise eines Verbrennungsmotors bekommt.

Darin eingeschlossen sind Kolben, Einspritzdüsen, Verbrennungskammer, Zündkerzen und sogar noch zusätzlich die Explosionszeichnung eines Turboladers.

In diesem denkwürdigen Augenblick wird der Grundstein der galonschen Autoindustrie gelegt und es kommt wie es kommen muss. Zugtiere werden mit der Zeit obsolet, die Fahrzeuge dadurch immer kompakter und eine ordentliche Produktionslinie kann aufgebaut werden. Auf Galon opfert man Schritt für Schritt sämtlichen freien Raum in den Städten dem Automobil und die Einwohner machen sich in kürzester Zeit von ihnen abhängig. Ziele, die man früher bequem zu Fuß erreicht hat, werden von nun an mit dem Auto angesteuert. Dazu gehören Zeugs einkaufen im Supermarkt, die Kinder zur Kita bringen, Fluppen an der Tanke und Bier am Büdchen holen. Die Galoner werden schließlich so bequem, dass einige von ihnen nicht davor zurückschrecken, den Gang zur Toilette ebenfalls mit dem Auto zu absolvieren.

 

Sehr viel später lockt sogar eine renommierte Krankenkasse ihre Klientel mit dem Angebot einer monatlichen Freifahrt im Krankenwagen nach Hause, bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung.

Dem Alten bleibt das Treiben auf Galon natürlich nicht verborgen und erregt in zunehmendem Maße seinen Argwohn. Ganz stark vermutet er Doktor L hinter dem ganzen unseligen Treiben, findet jedoch keinen unwiderlegbaren Beweis, der auf das Labor für Pyrotechnik hindeutet.

''Wer hat sich diesen ganzen Quatsch eigentlich ausgedacht, Wolke?''

''Ein Mann namens Théo Dorant. Der hat vor ein paar Jahren auch schon eine vegane Handcreme auf den Markt gebracht, Helge.''

''HÄ!?!'', entfährt es dem Alten fassungslos und man kann deutlich erkennen wie es bei ihm in diesem Augenblick zu einem emotionalen Kollaps kommt, ''wer sich so etwas Bescheuertes einfallen lässt, dem ist wohl auch das Automobil zuzutrauen.''

Auf Galon derweil, entfaltet das L'sche Programm eine weitere Facette des Irrsinns.

Mittlerweile ist die Kapazität der Vehikel nämlich rasant angewachsen und der freie Verkehrsfluss hat sich zunehmend in einen klumpigen Pfropf verwandelt. Das ungestörte Fortkommen von 'A' nach 'B' ist zu einer schöngefärbten Utopie mutiert. Ein neuer Begriff macht nun die Runde: 'STAU'

Jetzt kommt es auf Galon zu einem folgenschweren Phänomen.

In der Psychologie wird es später als ''Das ungewollte Zusammentreffen im Straßenverkehr und der sich daraus resultierenden kompulsiven Störungen im vegetativen Nervensystem'' verbucht. Dieses Phänomen bedeutet in einfachen Worten nichts anderes, als dass man im Stau steht und sich dauerhaft mit seinen Nachbarn im Auto nebenan konfrontiert sieht.

Das nervt enorm und löst Kackreiz aus!

Also entwickeln unsere tapferen Landfahrer logischerweise gewisse Ängste, die wiederum zu erhöhtem Konsum von allerlei Süßigkeiten führen. Unvermeidlicherweise geht damit eine Vergrößerung der Körperoberfläche einher. Sprich, die Galoner werden in zunehmender Form adipös und da sich von denen sowieso keiner mehr freiwillig zu körperlicher Aktivität hinreißen lässt, außer vielleicht unter Zwang oder mit vorgehaltener Waffe, werden die Autos für ihre Insassen irgendwie zu eng. Der normale Galoner fühlt sich mittlerweile eingequetscht wie eine Ölsardine in der Dose.

Jetzt startet unbemerkt von allen Kontrollinstanzen die nächste Phase des L'schen Programms.

Die Autoindustrie beginnt nun den Markt mit überdimensionierten Fahrzeugen zu sättigen.

Ab sofort wird mit 4 Tonnen Metall, 100 Kilogramm Galoner plus 5 Kubikmeter Luft durch die Gegend befördert. Wird ein Kleinkind zur Kita gefahren, sind es nochmals 25 Kilogramm mehr.

Die Abmessungen dieser Fahrzeuge überschreitet teilweise die Größe eines Lastkraftwagens.

In den Städten kommt man deshalb nur noch im Gänsemarsch voran und es droht jeder Zeit der Verkehrsinfarkt. Die Automobilisten fühlen sich zunehmend von anderen Verkehrsteilnehmern genötigt und im wahrsten Sinne des Wortes in die Enge gedrängt.

Alles an diesen Autos ist irgendwie maßlos übertrieben und als Sahnehäubchen der Absurdität nennt man die Teile auch noch: 'Sport Utility Vehicle'.

Diese Bezeichnung kommt aus dem Marketing und muss sich nicht im Geringsten an die Wahrheit anlehnen. Überhaupt lässt sich auf dem Planeten alles recht gut verkaufen wo 'SPORT' draufsteht.

Beginnend mit Bier, Salzstangen und Schokolade, wird ganz plötzlich auch der sportliche Fahrstil als erstrebenswert favorisiert.

Der ganze Planet ist mittlerweile ein einziges widersprüchliches Tollhaus geworden.

Es ist fast unmöglich geworden unbeschadet die Fahrbahn zu überqueren.

In den Städten sollte man deshalb inzwischen auf der richtigen Straßenseite wohnen, also die mit den Restaurants und Supermärkten. Anderenfalls ist man wegen des immensen Verkehrsaufkommens angewiesen auf Zulieferfirmen wie 'Essen auf Räder'.

Zwischenzeitlich wird immer mal wieder vereinzelt eine Stimme laut die zur Besonnenheit mahnt.

''Wir sollten uns alle auf früher besinnen. Was waren das für schöne Zeiten als wir noch auf den Riesenlandschildkröten durch die Gegend gereist sind!''

Solche Einwände werden jedoch von der Verkehrslobby als Ultra reaktionär und nicht mehr zeitgemäß gebrandmarkt und schnell zum Verstummen gebracht.

Je mehr der Verkehr ins Stocken gerät, desto vehementer wird folgende Forderung von den Automobilisten und deren Fachverbände lanciert:

'Freie Fahrt für freie Bürger!'

''Siehst du Spalte, jetzt sind die genau an dem Punkt wo ich sie haben wollte'', schmunzelt Doktor L in seinem Labor verzückt.

''Chapeau Chef. Sauber eingefädelt, wie immer'', nickt Spalte dienstbeflissen aber völlig ahnungslos wie ein Neugeborenes und rollt dabei den nächsten Joint, ''und welcher Punkt wäre das nochmal?''

Doktor L setzt gerade zu einer expliziten Erklärung an, schaut jedoch in ein völlig bekifftes Gesicht mit glasigen Augen und erkennt die Sinnlosigkeit seines Unterfangens. Spaltes Denkprozesse bewegen sich momentan mit der Geschwindigkeit eines Öltankers bei einer Dreipunkt-Wende im Ärmelkanal. Also eher recht gemächlich.

Etwas schneller geht es dafür auf den galonischen Autobahnen zu und genau da setzt der perfide Plan des Doktors an.

Die Bewegung 'Freie Fahrt für freie Bürger' hat sich dort ziemlich erfolgreich für das Verbot eines umfassenden Tempolimits eingesetzt. Natürlich wäre ein solches Limit mitunter sehr vernünftig und auch den Umständen entsprechend mehr als sachgemäß zu bezeichnen, aber das L'sche Programm hat die Vernunft, wenn es ums Auto geht, auf ein fast nicht mehr erkennbares Minimum herabsacken lassen.

''Geschwindigkeit bedeutet Freiheit'', wird ab sofort von Politikern aller Couleur propagiert.

Und da jede noch so kleine Seele gerne frei sein möchte, ist die Begeisterung in der Bevölkerung bei solchen Slogans einfach grenzenlos.

Nahezu in Vergessenheit gerät dabei die Tatsache, dass steht man erst einmal im Stau, es mit der individuellen Beschleunigung seines Fahrzeuges eher schlecht bestellt ist.

Das bedeutet in letzter Konsequenz Freiheitsverlust!

Dieser Sachverhalt wird selbstverständlich von keinem der Automobilverbände oder verantwortlicher Industrie widerspruchslos hingenommen.

Und so nimmt das Verhängnis seinen unabänderlichen Lauf.

''Stillstand auf unseren Autobahnen ist gleichzusetzen mit einem Angriff auf unsere Demokratie'', lanciert ein politischer Flügel, ''es untergräbt die Säulen unserer Gesellschaft und zersetzt die Stützen unserer freiheitlich rechtlichen Grundordnung. Das kann nicht toleriert werden!''

Jetzt sind die Galoner wirklich in Angst und Schrecken versetzt und fühlen sich richtig bedroht.

Aus irgendeinem auch später nicht mehr nachzuvollziehendem Grund schaltet sich nun die Waffenlobby in das ohnehin schon emotional aufgeheizte und konfuse Szenario ein.

Mit der These, jeder Bürger hat das Recht sich zur Not auch mit Waffengewalt zu verteidigen, wenn die persönliche Freiheit auf dem Spiel steht, sorgt sie innerhalb kürzester Zeit für Furore.

Ohne jegliches Zögern rüstet sich die Bevölkerung daraufhin konsequenterweise mit Nah – und Fernkampfwaffen aus.

Frauen greifen ab jetzt gerne einmal zu Damenbaseballschlägern und Handtaschen kompatiblem Reizgas in modisch gestalteten Sprühflacons. Auch die eine oder andere Design Taserpistole findet von nun an ihren Weg in die Köfferchen der Mädels. Der Wahrheit halber muss aber angefügt werden, dass diese Mittel zwar jemanden ausschalten können, aber nicht so richtig wehtun. Der Aphorismus 'Lernen durch Schmerz' findet hier keinen richtigen Hebelansatz.

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