Das Basische Prinzip. Dr. Jacobs Schutzformel gegen die größten Gesundheitskiller unserer Zeit

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Für den Einbau von Kalzium in die Knochen sind Calcitriol oder aktiviertes Vitamin D3 und Vitamin K2 im Zusammenspiel verantwortlich. Sie fördern die Mineralisierung der Knochen und wirken der Einlagerung von Kalzium in die Blutgefäße entgegen.

Das Gesagte bedeutet, dass es keinen Sinn hat zu versuchen, die Kalziumwerte durch Nahrungsergänzungsmittel zu erhöhen, wenn die Vitamine D3 und K2 fehlen und daher das Kalzium nicht in die Knochen eingebaut werden kann. Dann kann es mehr schaden als nützen, vor allem wenn es in den üblichen hohen Einzeldosen von einem Gramm Kalzium verabreicht wird. Schlimmstenfalls trägt das »Zuviel« an Kalzium, das wegen des Mangels an Vitamin K und D nicht in die Knochen eingebaut werden kann, zur Arteriosklerose bei.

Die ganzheitliche Lösung für das Kalzium-Paradox

1. Aufnahme von Kalzium vor allem aus Gemüse und Obst oder als Citrate und Laktat – nicht über Milchprodukte.

2. Falls nötig, Kalzium immer in Synergie mit Magnesium- und Kaliumcitrat ergänzen, um die Übersäuerung als Ursache des gestörten Kalzium-Stoffwechsels auszugleichen.

3. Gute Vitamin-D3-Blutspiegel sicherstellen (75–125 nmol/l bzw. 30–50 ng/ml).

4. Eventuell Vitamin K2 als Nahrungsergänzung zuführen, um das Kalzium in die Knochen zu transportieren. Bei bestehender Osteoporose werden 180 Mikrogramm K2 empfohlen, zur Prävention 75 Mikrogramm.

Bei uns gelten als übliche Hauptquelle für Kalzium Milchprodukte. Wenn Sie unter Knochenschwund oder Osteoporose leiden, gibt Ihnen meist der Arzt die Empfehlung, mehr Milchprodukte zu verzehren. Das Fatale jedoch ist, dass Milchprodukte einen hohen Gehalt an säurebildendem Phosphat aufweisen. Daher ist es wesentlich sinnvoller, basenbildendes Kalzium aus pflanzlichen Quellen wie Gemüse, Obst und Kräutern zu sich zu nehmen, zumal dieses auch noch die Übersäuerung ausgleicht. Gemüse und Obst enthalten im Gegensatz zu Milchprodukten neben Kalzium nämlich auch reichlich basenbildendes Magnesium- und Kaliumcitrat, die für den Säure-Basen-Haushalt ebenfalls von sehr großer Bedeutung sind. Zahlreiche Studien zeigen, dass basenbildende Gemüse sowie Kalzium-, Kalium- und Magnesiumcitrat die Kalzium-Ausscheidung über den Urin verringern und die Knochenstruktur verbessern.

Kalzium sollte nie hoch dosiert, sondern in maximaler Dosierung von 500 Milligramm pro Portion in Form von Kalziumcitrat bzw. -laktat zugeführt werden, und zwar am besten in naturgemäßer Kombination mit basenbildendem Magnesium- und Kaliumcitrat. Bei der Einnahme von mehr als 4000 IE Vitamin D3 am Tag, zum Beispiel zur Aufdosierung, sollten je 800 IE Vitamin D3 etwa 20 Mikrogramm Vitamin K2 als MK-7 ergänzt werden. Die regelmäßige tägliche Einnahme von Vitamin D3 ist der wöchentlichen oder monatlichen Hochdosis-Therapie vorzuziehen.

Besteht nach der Menopause und ab 50 Jahren das Risiko eines Knochenabbaus, sollte Vitamin D3 zusammen mit Vitamin K2 als Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden. Beide zusammen regulieren den Kalzium-Haushalt. Das Vitamin D3 fördert die Kalzium-Aufnahme ins Blut, und das Vitamin K2 hilft bei der Mineralisierung von Knochen und Zähnen und verhindert gleichzeitig die Einlagerung von Kalzium in die Arterien und ins Körpergewebe. Man sollte berücksichtigen, dass bei der Einnahme von Vitamin D3 der Bedarf an Vitamin K2 erhöht ist. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Mineralstoff-, Säure-Basen- und Wasser-Haushalt von Hormonen reguliert wird. Dabei tragen vor allem die Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol auf Dauer zu krankheitsfördernden Veränderungen bei, indem sie die Ausscheidung der blutdrucknormalisierenden Mineralstoffe Kalium, Magnesium und Kalzium fördern, während sie das blutdruckerhöhende NatriumChlorid zurückhalten. Diese Mechanismen sind ausführlich im Kapitel über Stress aufgezeigt (→ Seite 86 ff.).

Die Regulation von Kalzium, das für den Knochenerhalt und die Muskelfunktion essenziell oder lebenswichtig ist, hängt von der ausreichenden Zufuhr von Vitamin D3 und K2 ab. Beide gemeinsam helfen, das Kalzium-Paradox – Knochenabbau bei gleichzeitiger Arterienverkalkung – zu verhindern. Es geht bei diesen beiden Vitaminen nicht um eine Erhöhung der Kalziumaufnahme, sondern um eine gesunde Kalzium-Homöostase, ein physiologisches Gleichgewicht des Kalziumstoffwechsels und -spiegels.


Bei der »extrazellulären Matrix« handelt es sich um den Raum, in den die Zellen eingebettet sind, also den Lebensraum aller Zellen. Mit etwa 25 bis 30 Prozent unseres Körpergewichtes stellt dieses Gewebe einen großen Teil unseres Organismus dar. Früher wurde die extrazelluläre Matrix auch »weiches Binde- und Stützgewebe« oder »Interstitium« oder »Zellzwischenraum« genannt. Der Zustand des Zellzwischenraums entscheidet darüber, ob wir gesund sind oder krank, energiegeladen oder matt. Es ist daher die Frage, warum die Schulmedizin diesen Bereich bisher ignoriert. Es sollte jeden Arzt brennend interessieren, ob sich der Raum zwischen den Zellen seines Patienten in einem guten oder schlechten Zustand befindet.

Der Name »Matrix« stammt vom Lateinischen »mater« für »Mutter«. Wie eine Mutter ernährt nämlich der Zellzwischenraum die Zellen. Ähnlich wie es einem Fisch im Aquarium nur gut geht, wenn das Wasser klar ist, kann es unseren Zellen nur gut gehen, wenn die extrazelluläre Matrix einigermaßen säure- und schlackenfrei bleibt.

Sie stellt in ihren Grundfunktionen den Lebensraum der Zellen dar. Diese Gewebeart speichert lebenswichtiges Wasser, bindet Säuren und hält Substanzen von der Zelle fern, welche für diese gefährlich werden könnten. Dies betrifft »Schlacken« wie Giftstoffe, Säurerückstände, Stoffwechselrückstände, Zerfallsprodukte von Zellen und Schwermetalle.

Azidose-Therapie

Der Ernährungsforscher Friedrich Sander prägte in seinem Buch »Der Säure-Basen-Haushalt des menschlichen Organismus« (1953) den Begriff der latenten Azidose. Die Übersäuerung des Bindegewebes sei latent und reversibel, das heißt: wieder rückgängig zu machen. »Latent« heißt vorhanden, aber noch nicht in Erscheinung tretend. Bereits 1938 veröffentlichte er ein Buch »Alkalireserve des Blutes und Gewebsazidose« und 1941 eines »Über die Bedeutung des vegetativen Systems und seine Beziehungen zu den Azidosen«. Der Wiener Arzt Alfred Pischinger wies in seinen Vorträgen und Publikationen immer wieder auf die Bedeutung der Zellumgebung hin und fasste seine Forschungsergebnisse 1975 in seiner Schrift »Das System der Grundregulation« zusammen. Sein Verdienst ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass sich die grundlegenden Regulationsprozesse des menschlichen Organismus in der extrazellulären Matrix abspielen. Die vegetativen Nervenenden, die kapillare Endstrombahn, das Hormon- und Immunsystem zusammen mit der extrazellulären Matrix werden nach ihm als »das System der Grundregulation nach Pischinger« bezeichnet. Schon in den 1970er Jahren hatte Pischinger das erfasst, was heute als »Psycho-Neuro-Immunologie« bekannt ist. Ein großer Verdienst in diesem Zusammenhang kommt dem Histologen beziehungsweise Gewebeforscher Hartmut Heine zu, der überragende Beiträge zur Erforschung der extrazellulären Matrix gleistet hat.3 Er beschrieb anhand elektronenoptischer Untersuchungen den Feinbau sämtlicher Strukturen der Grundsubstanz oder des kollagenen Grundgewebes und bezeichnete sie als Matrix. Kollagene Fasern im Bindegewebe vermögen, Säuren zu binden – man nennt diese Eigenschaft »azidophil« oder säureliebend –, und sind daher als Säurespeicher bestens geeignet. Er interpretierte die Strukturen des Bindegewebes als ein nach allen Seiten offenes, sensibles Informationsnetz, das die Vielfalt der einzelnen Elemente des Körpers zu einer ganzheitlichen Einheit verbindet. Heine ließ dabei das veraltete System des Ursache-Wirkung-Prinzips von Virchow hinter sich und ersetzte es erstmalig durch ein offenes Prinzip der Information und Vernetzung im Grundgewebe. Forscher wie Pischinger und Heine aus der sogenannten »Wiener Schule« prägten den Begriff »Regulationsstarre«, den sie auf die verschlackte Matrix zurückführten. Wenn das Bindegewebe als Säuredepot von Schlacken befreit wird, auch unterstützt durch Azidose-Massagen nach Dr. Renate Collier, findet der Körper zum ursprünglichen Gleichgewichts- und Gesundheitsstatus zurück.

Unter Regulationstherapie verstehen Mediziner eine Therapie, die einen aus dem Gleichgewicht geratenen Organismus unter Aktivierung der körpereigenen Kräfte wieder in den Zustand des Gleichgewichts zurückbringt. Der Säure-Basen-Haushalt ist von tagesrhythmischen Stoffwechselvorgängen und der Mahlzeitenaufnahme abhängig, wie Dr. Jacob betont. Das basische Prinzip beruht genau darauf: Durch eine basenbetonte Ernährung und Lebensweise wird der Körper in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen und in die Balance zurückzufinden. Paracelsus hätte vom »inneren Arzt« gesprochen, der wieder wirken kann. Dr. Jacob steht in der Tradition dieser berühmten Ärzte und Wissenschaftler, deren Erkenntnisse – die Bedeutung des »Milieus« oder des »microenvironment« – inzwischen in der modernen Tumorforschung angekommen sind.

Die extrazelluläre Matrix spielt eine wichtige Rolle auch bei der Krebsentstehung, indem sie zum Beispiel das Abwehrsystem der Zelle stärkt oder schwächt, was für die Erkennung und die Zerstörung von Tumorzellen verantwortlich ist (→ das Kapitel über Krebs, Seite 46, 73 ff.). Nach Heine wird ein Übermaß an sauren Stoffwechselendprodukten in der extrazellulären Matrix gebunden und so abgepuffert. Fallen jedoch dauerhaft vermehrt saure Stoffwechselprodukte an, kann diese Regeneration der Pufferreserven nach Dr. Jacob nicht mehr vollständig stattfinden. Chronische Schmerzen und Entzündungsprozesse sind oft die dramatische Folge.

 

Die Verschlackung der extrazellulären Matrix

Zunächst wird die extrazelluläre Matrix krank, erst viel später – nach Jahren und Jahrzehnten – greifen krank machende Veränderungen auch auf die Zelle über. Häufen sich immer mehr Schlacken im Zellzwischenraum an, dann kommt es hier zu einer »Vermüllung«, und die Zelle wird unterversorgt. Sie bekommt zu wenig Sauerstoff und Nährstoffe, und der Abtransport der Schlacken vom Zellstoffwechsel ist behindert. Die Zelle schaltet auf ein energetisches Notfallprogramm, die Milchsäurevergärung. Auch ohne Sauerstoff kann sie jetzt noch etwas Energie bilden. Dies hat allerdings seinen Preis. Dadurch entsteht in der Folge eine zunehmende Versäuerung in der extrazellulären Matrix, die wiederum eine kaum merkliche Entzündung – »silent inflammation« – in Gang setzt. Im Rahmen dieser Entzündung wird der Zellzwischenraum von Entzündungszellen gesäubert und aufgeräumt.

Wenn dies jedoch nicht gelingt, hält die Mangelversorgung der Zelle an, und es kommt zum Zelluntergang. Die Zelle erkennt, dass ein Überleben nicht mehr möglich ist, und schaltet ein Selbstmord- oder Apoptose-Programm (Apoptose = genetisch programmierter Zelltod) an. Gehen mehr Zellen zugrunde, als neue entstehen, kommt es zu degenerativen Erkrankungen. Am Anfang steht also die Verschlackung der extrazellulären Matrix. Zellkulturen verkümmern. Dann folgt der vermehrte Zelltod, und daraus entstehen die chronischen Zivilisationskrankheiten. Wir sehen also, wie wichtig der Zustand der Umgebung der Zellen für die Therapie und Prophylaxe von Erkrankungen ist. Unsere innere Umwelt oder extrazelluläre Matrix ist wie das ursprüngliche Urmeer für den ersten Einzeller unser Leben lang die entscheidende Regelgröße für das Überleben der Zellen – und damit für unsere Gesundheit. Wussten Sie übrigens, dass fast die Hälfte aller vegetativen Nervenfasern nicht zu Organen führt, sondern in der extrazellulären Matrix endet?

Der Zellzwischenraum wird also durch das unwillkürliche Nervensystem reguliert. Die Nervenfasern überprüfen ständig den Zustand der extrazellulären Matrix und melden ihn den zuständigen Gehirnzentren. Sympathikus und Parasympathikus oder das Aktivitäts- und Entspannungsnervensystem schütten Botenstoffe direkt in den Zellzwischenraum aus und steuern unseren Zellstoffwechsel.

Findet der Wechsel von Sympathikus und Parasympathikus nicht ausreichend statt, sondern überwiegt die Aktivität des Sympathikus, kommt der Mensch auch nachts nicht ausreichend zur Ruhe. Stress wirkt also ein auf die extrazelluläre Matrix. Wir können in ein Erschöpfungssyndrom oder einen Burn-out hineingleiten und alle möglichen psychosomatischen Krankheiten entwickeln. Auch ist vor diesem Hintergrund erklärlich, dass das Immunsystem durch Stress geschwächt wird. Immunzellen wandern durch die Kapillarwände in die extrazelluläre Matrix und spüren dort Eindringlinge auf. Ist der Zellzwischenraum verschlackt, wird die schnelle Beweglichkeit der Abwehrzellen behindert.

Alles, was die Zelle braucht, bekommt sie aus der Flüssigkeit des Zellzwischenraums. Ist dieser Bereich verdichtet, verschlackt, vermüllt und undurchlässig, kann die Zelle nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden. Auch der Abtransport von Stoffwechselendprodukten aus der extrazellulären Matrix über die Venen und die Lymphbahnen ist gestört. Die Lymphbahnen beginnen mit ihrer Öffnung direkt im Zellzwischenraum und sammeln dort wie Staubsauger große Eiweißpartikel und Teile zerfallener Zellen ein. Während die Lymphe für die großen Schlacken zuständig ist, transportiert das Venensystem die kleineren Partikel zu den Ausscheidungsorganen. Wo Altes nicht ausreichend abtransportiert wird, kann Neues nicht hingelangen.

Ist die extrazelluläre Matrix hingegen sauber und durchlässig, ist der Nährstoff- und Sauerstofftransport zur Zelle gesichert. Wichtig für einen optimalen Zustand des Zellzwischenraums sind eine gesunde basenbetonte Ernährung, ausreichende Entspannungsphasen, nicht zu viel chronischer Stress – und körperliche Bewegung. Eine gesunde Skelettmuskulatur pumpt, auch im Ruhezustand, mit zwei bis drei Prozent der Muskelfasern für die körpereigene Wärmeproduktion und für die Reinigung der »inneren Umwelt«. Durch Bewegung wird der Zellzwischenraum besser mit Sauerstoff versorgt, den die Zelle für ihre »Verbrennung« braucht. Täglich ausreichende Bewegung und eine gesunde, nicht verspannte Muskulatur sind wichtig für gesunde Zellfunktionen. Daher wundert es nicht, dass Sport als Prävention und Therapie bei allen chronischen Erkrankungen so nützlich ist und Azidose-Massagen nach Dr. Renate Collier – passives Bewegungstraining – eine so gesundheitsfördernde Wirkung haben.

Die Entstehung von Krankheiten

Was hat der Zustand des extrazellulären Raums mit unserer Lebensenergie zu tun? Zellen produzieren in ihren Kraftwerken oder Mitochondrien eine Art Kraft- oder Treibstoff, ATP oder Adenosintriphosphat genannt. ATP spielt für den Organismus die gleiche Rolle wie Benzin fürs Auto. Jede Zelle hat zwei- bis dreitausend Mitochondrien. Ist die extrazelluläre Matrix vermüllt oder verschlackt, wird die Versorgung der Zelle mit Sauerstoff und Nährstoffen reduziert. Die Zellen können weniger ATP herstellen. Wie gut oder schlecht die Kraftwerke in den Zellen funktionieren, hängt vom Zustand des Zellzwischenraums ab. Der Energiehaushalt der Zelle hängt hiermit zusammen.

Es wundert einen nicht, dass Diabetes Typ 2 auch vom Zustand des Zellzwischenraums abhängt. Glukose staut sich zunächst nicht ins Blut, sondern in die extrazelluläre Matrix zurück und bindet sich hier an Eiweißkomponenten. Die Umgebung der Zellen verzuckert und verklebt und verschlechtert damit die Lebensgrundlage unserer Zellen. Zuckerschlacken werden durch den Angriff freier Radikaler zu plastikähnlichen Verbindungen verändert und behindern die Versorgung und Entsorgung der Zellen und auch die Beweglichkeit der Abwehrzellen. Bei AGEs oder »advanced glycation end products«, wie es im Englischen heißt, handelt es sich um Endprodukte einer Kette chemischer Reaktionen, bei denen sich Zuckermoleküle entweder an ein Protein- oder an ein Lipid- oder Fettmolekül binden. Diese fortgeschrittenen Glykierungsendprodukte werden auch »Gerontotoxine« genannt, das heißt Toxine oder Giftstoffe, die das Altern oder die Vergreisung beschleunigen. »Geros« heißt im Altgriechischen

»Greis«. AGEs beschleunigen den Alterungsprozess, indem sie Eiweiße unlösbar miteinander verketten und dadurch Gewebesteifheit, oxidativen Stress und Entzündungen verursachen. Zuckerhaltige Lebensmittel gab es, evolutionär betrachtet, eher selten. Wir sind also von unserer Evolution her nicht vor Überzuckerung geschützt und erkranken leicht am Typ-2-Diabetes. Daher gilt die allgemeine Empfehlung, sich viel zu bewegen, auf die raschen Kohlenhydrate mit hohem glykämischem Index (Weißmehl, Zucker) weitgehend zu verzichten und sie durch gesunde Kohlenhydrate wie Hülsenfrüchte, Gemüse und Vollkorngetreide zu ersetzen.

Stoffwechselstörungen der Zelle führen meist zu Übersäuerung. Die Säuren lösen oft Schmerzen aus. Findet sich keine andere Erklärung für die Beschwerden von Patienten, sollten unbedingt Prozessstörungen in dem schmerzhaft veränderten Gewebe in Erwägung gezogen werden.

Es wundert Sie wahrscheinlich nicht, dass auch Osteoporose durch vielfältige Mängel und durch eine Milieuveränderung in der extrazellulären Matrix ausgelöst wird. Heute wird die moderne Lebensweise geprägt von Bewegungsmangel, Fehl- und Überernährung sowie einem Mangel an Tageslicht, weshalb nicht genügend Vitamin D gebildet werden kann. Alkohol, Rauchen und die Einnahme von Säureblockern und Kortison fördern zusätzlich den Knochenschwund. Kein Wunder, dass auch zunehmend jüngere Menschen von Osteoporose betroffen sind. Eine artgerechte und damit auch knochengerechte Lebensweise ist die Lösung, also täglich Bewegung und Entspannung, gesunde und basenüberschüssige Ernährung, eine Zufuhr von Vitamin D3 sowie eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren.

Vielleicht überrascht es Sie, aber auch psychische Erkrankungen können mit dem Zustand der extrazellulären Matrix zusammenhängen. Körper und Seele sind eng miteinander verbunden. Nicht nur die Psyche wirkt auf den Körper, sondern auch der Körper auf die Psyche. Durch die Verbesserung der extrazellulären Matrix kann die Psyche über den Körper günstig beeinflusst werden. Die Informationen, welche die vegetativen Nerven über den Zustand des Zellzwischenraums ans Gehirn übermitteln, werden auch an die Zentren der emotionalen Bewertung geleitet und beeinflussen die Psyche. In der Psychotherapie sollte daher bei einer Verschlackung der extrazellulären Matrix diese unbedingt gereinigt, entsäuert und entschlackt werden. Als Therapie hierfür kommen körperlicher Bewegung, gesunde Ernährung und der Verzicht auf Zellgifte wie Alkohol und Nikotin infrage. Ist die Zelle nicht in der Lage, wegen Verschlackung ihrer Umgebung genügend Energie oder ATP zu erzeugen, sind wir natürlich selbst auch leicht überfordert, erschöpft und weniger leistungsstark.

Sogar das Entstehen der AlzheimerErkrankung hat mit dem Zustand der extrazellulären Matrix zu tun. Früher dachte man, die Nervenzellen im menschlichen Gehirn würden sich zeitlebens nicht erneuern. Das wird heute völlig anders betrachtet. Dem schwedischen Neuro-Wissenschaftler Peter Eriksson gelang 1998 der Nachweis,4 dass im Hippocampus eine Erneuerung von Nervenzellen stattfindet. Dieser spezielle Hirnbereich hat die Form eines Seepferdchens und wird daher auch so genannt. Er ist nur daumengroß und für das kurzfristige Merken und für die Gedächtnisbildung verantwortlich. Diese Art von Gedächtnis nennt man episodisches Gedächtnis. Demenz vom Alzheimer-Typ beginnt mit dem Absterben von Nervenzellen genau in diesem Hirnabschnitt. Erst viel später greifen degenerative Prozesse auch in andere Teile des Gehirns über.

Die Frage ist, was das Absterben von Nervenzellen im Hippocampus bewirkt, und was die Neubildung von Nervenzellen in diesem Bereich anregen kann. Es wurde ein »Schuldiger« gefunden: Beta-Amyloid, ein fehlerhaftes Produkt aus dem Eiweißstoffwechsel der Gehirnzellen. Durch die übermäßige Produktion dieses Stoffes verklumpt sich dieser und lagert sich in der extrazellulären Matrix ab. Die Zellumgebung wird »vermüllt«, die Nerven werden mangelversorgt und sterben schließlich ab. US-Forscher fanden jetzt heraus, dass spezielle Gehirnzellen, die Astrozyten, tagsüber Wasser speichern und nachts damit die extrazelluläre Matrix durchspülen und damit auch überschüssiges Beta-Amyloid aus der extrazellulären Matrix des Gehirns entfernen. Dies ist ein wichtiger Grund dafür, warum Menschen eine so lange Schlafzeit benötigen. Stress, ständige geistige Aktivität im Laufe des Tages – ohne ausreichende Ruhephasen – und Schlafdefizit fördern die krankhafte Anhäufung von Eiweißbausteinen.

Für einen Hippocampus, der auch im Alter noch neue Nervenzellen bildet, sind gesunde Ernährung, genug körperliche Aktivität, wenig Alkohol und andere Zellgifte, ausreichend Schlaf, Verminderung von zu vielen Stresseinflüssen, das Praktizieren von Entspannungsmethoden und genügend soziale Kontakte wichtig. Die Daten häufen sich, dass ein gesunder Lebensstil vor Alzheimer schützt. Das ist besonders wichtig, weil der Zelluntergang im Hippocampus mit Medikamenten nicht behandelt werden kann.


Gehirnzellen: links normal, rechts bei einer Alzheimer-Erkrankung

Burn-out ist zu einem Massenphänomen geworden. Fehlernährung, Schlaf- und Bewegungsmangel stellen auch hierbei den Hintergrund dar. Im Vordergrund steht natürlich chronischer Stress, durch den die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol vermehrt ausgeschüttet werden. Die ATP-Bildung der Zellen, also die Energieproduktion der Mitochondrien oder Kraftwerke in den Zellen, vermindert sich dramatisch. Bei einer chronischen Stressbelastung, wie sie beim Burnout vorkommt, gehen gerade im Hippocampus vermehrt Nervenzellen zugrunde. Daraus folgt, dass die Menschen vergesslich werden und ihre psychische Belastbarkeit abnimmt. Je kleiner der Hippocampus, desto gravierender die Schwere des Burn-out-Syndroms, wie man anhand von kernspintomografischen Untersuchungen feststellen kann. Mit der Größe dieses Teils vom Gehirn wachsen auch das Selbstvertrauen und das Leistungsvermögen. Die Veränderung der extrazellulären Matrix hat einen Mangel an Zellenergie zur Folge und einen Nervenzellverlust im Hippocampus.

 

Wenn man die grundlegende Bedeutung des Zwischenzellraums verstanden hat, überrascht nicht, dass auch die periphere arterielle

Verschlusskrankheit oder PAVK hiermit zusammenhängt. Volkstümlich wird dieses Krankheitsbild »Schaufenster-Krankheit« genannt. Die Betroffenen müssen aufgrund von Arteriosklerose alle paar Meter wegen Schmerzen innehalten. Handelt es sich um eine Einkaufsstraße, die sie entlanggehen, könnte man meinen, sie schauen sich nur die Auslagen in den Geschäften an. Sind die Blutgefäße verengt, kommt zu wenig Sauerstoff in die Muskelzellen. Sie leiden unter Energie- oder ATP-Mangel. Die Zelle schaltet um auf ihr Notfallprogramm und versucht, den Energiemangel durch zusätzliche Vergärung von Glukose zu Milchsäure auszugleichen. Hierbei wird Milchsäure produziert, die zu lokalen und schmerzhaften Übersäuerungen des Gewebes führt.

Von dieser Krankheit sind allein in Deutschland etwa fünf Millionen Menschen betroffen. Die Gefahr besteht, dass aufgrund mangelhafter Durchblutung ein offenes Bein entsteht. Infolge der chronisch arteriellen Verschlusskrankheit werden pro Jahr etwa 60.000 Beinamputationen allein in Deutschland durchgeführt. Eine konsequente Umstellung auf eine gesundheitsfördernde Lebensweise ist unabdingbar. Die Durchlässigkeit des Zellzwischenraums entscheidet darüber, wie viel Sauerstoff und Nährstoffe im Bein ankommen.

Die Reinigung der extrazellulären Matrix ist sowohl wichtig zur Krebsprophylaxe als auch, wenn der Krebs mit Chemotherapie behandelt wird. Chemotherapie schädigt immer auch gesunde Zellen, und die Zellreste »verstopfen« und belasten die extrazelluläre Matrix. Das zelluläre Umfeld entscheidet vermutlich, ob überhaupt Krebs entsteht oder nicht. Der Zustand des Zellzwischenraums bestimmt darüber, ob die Medikamente der Chemotherapie überhaupt an die Krebszellen gelangen und dort wirken können. Eine Lebensweise mit viel B ewegung, gesunder Ernährung, ausreichend Regeneration und dem Weglassen von Zellgiften kann als Krebsprophylaxe betrachtet werden und unterstützt auch jede Krebstherapie. Eine Prognose »unheilbar« ist daher deplatziert.

Eine Übersäuerung der extrazellulären Matrix hat vielerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen zur Folge, wird aber von der Schulmedizin komplett ausgeblendet. Bei einer »latenten Azidose« oder chronischen Übersäuerung ist der Blut-pH-Wert immer im Normbereich. Vermehrte Säure wird im Zwischenzellbereich deponiert. Dort führt sie zu unterschwelligen Entzündungen, zu einer Gelbildung und zu einer Regulationsstarre. Die Selbstheilungskräfte sind gestört. Die Gelbildung kann ein geübter Therapeut, der Azidose-Massagen nach Dr. Renate Collier gelernt hat, erspüren und wegmassieren. Viele unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Neigung zu Allergien, Reizbarkeit, Nervosität, Stimmungsschwankungen und Konzentrationsstörungen können die Folge einer latenten Azidose sein.

Der Körper produziert selbst Säuren wie zum Beispiel Kohlen- und Harnsäure. Wenn ein Mensch krank ist, wird die körpereigene Säureproduktion erhöht. Wenn Durchblutungsstörungen zu Sauerstoffmangel in den Zellen führen, reagiert die Zelle mit der Bildung von Milchsäure. Diese lokale Übersäuerung der extrazellulären Matrix kann sehr schmerzhaft sein. Die säurelastige Zivilisationskost in Form von Fleisch, phosphorhaltigen Limonaden, Wurst, Milch- und Weißmehlprodukten verschlimmert den Zustand. Um die Säure in der extrazellulären Matrix zu neutralisieren, greift der Körper auf Mineralstoffdepots wie Haarboden, Knochen und Zähne zurück. Osteoporose und Karies werden so gefördert. Eine Entsäuerung der extrazellulären Matrix durch eine antientzündliche basische Ernährung – pflanzenbetont, zuckerfrei, Omega-3-Fettsäuren zum Beispiel als Leinöl und Algenöl, täglich Sport und Meditation – trägt wesentlich zu einer erfolgreichen Therapie bei. Ganzkörper-Basenbäder können unterstützend wirken. Wenn wir den Zustand der extrazellulären Matrix in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen rücken, stellen wir fest, dass wir es mit einem vergessenen, aber sehr wichtigen Körperteil zu tun haben. Zivilisationskrankheiten werden nicht ursächlich therapiert, sondern Symptome mit Medikamenten »ruhiggestellt« und Krankheiten nur verwaltet. Es ist Zeit, den Graben zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde zu überbrücken. Nicht nur Patienten sind frustriert, wenn sie nicht geheilt werden, sondern auch die behandelnden Ärzte. Eine neue Sicht auf die extrazelluläre Matrix sollte Einzug in die Medizin halten, zum Wohle der Patienten und im Sinne einer humaneren Medizin. Wenn Sie sich weitergehend informieren möchten, empfehle ich das Buch von Dr. med. Bernhard Dickreiter »Chronisch gesund statt chronisch krank«.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?