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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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So schafft der Mensch aus Laune, aus Eigendünkel und aus angeborener Neigung zum Hader sich selbst oft trübe Stunden und Nachteil. Glücklich, wenn der Nachteil bei denen stehenbleibt, die ihn verschulden, und wenn nicht Nationen zu leiden haben unter den Fehlern einzelner, die, vergessend, daß sie selbst sterblich sind, zur Geißel ihrer Mitmenschen werden.

Nach einem Marsch von zehn Meilen erreichten wir eine schmale, grasreiche Niederung, an deren Rand sich mehrere kleine Gehöfte befanden; ein Bach, der Sapeo, schlängelte sich durch dieselbe, und da uns die Zeit nicht drängte, rasteten wir hier einige Stunden und freuten uns über die Tiere, die sich behaglich in dem üppigen Gras wälzten und mit Wollust fette Bissen abrupften.

Auch wir gingen nicht leer aus; herbeigeeilte Mexikaner brachten frische Eier, Wigham, unser irländischer Diener, reichte eins der blauen, gehenkelten Fäßchen aus dem Wagen, Hendrichs, der Fuhrmann, spülte die Zinnbecher und schaffte Wasser herbei, und während O‘Connor, unser Koch, die Eier zu Schaum schlug, mischten wir selbst bedächtig Kognak, Zucker und etwas Wasser zusammen, dem O‘Connor dann später den gelben Schaum beifügte. Da wir unsere Leute, drei so brave, aufmerksame Burschen, wie nur je welche einen rohen Whisky schlürften, bei derartigen Genüssen gleichberechtigt mit uns hielten, so kann es nicht überraschen, daß, als wir den Sapeo verließen, die Schalen von drei Dutzend Eiern die Stelle bezeichneten, auf der wir gerastet hatten.

Nach Zurücklegung von abermals fünf Meilen gelangten wir an waldige Schluchten und Hügel, welche in der Richtung von Norden nach Süden die grüne Ebene auf eine kurze Strecke unterbrachen. In einer dieser Schluchten stießen wir auf den Moro, einen der westlichsten Zuflüsse des Canadian River. Das angrenzende liebliche Tal war belebt von Viehherden, und ein Städtchen, teils aus Blockhütten, teils aus Lehmhäusern bestehend, schmückte malerisch die östlichen Abhänge des Hochlands, das sich sanft bis unmittelbar an das Ufer des Moro senkte.

»Lona Parda heißt unsere City«, antwortete mir ein trotzig aussehender, amerikanischer Grobschmied, als ich mich nach dem Namen der Ansiedlung und nach der Entfernung von Fort Union erkundigte; »Lona Parda heißt unsere City, und nach Fort Union ist es nicht mehr sehr weit!«

Ich gab mich zufrieden mit der Antwort und folgte meinen Gefährten nach, die sich schon auf halber Höhe des Abhangs befanden, und stieg wie diese ab, um meinem Tier die Last auf dem steiler werdenden, felsigen Weg zu erleichtern. Nachdem wir die Höhe erreicht hatten, zogen wir abwechselnd über Prärie und durch lichte Waldungen; letztere bezeichneten die Schluchten und Senkungen, die hauptsächlich von Nordwesten nach Südosten das Land durchschnitten, und deshalb wurde die freie, weite Aussicht, die wir von den Schwellungen des Bodens aus genossen, durch die Bäume nur wenig behindert. Doch die Aussicht, wenn auch schön, blieb einförmig, der Charakter der endlosen Prärien trat immer mehr hervor, und nur in nördlicher Richtung und in weitem Bogen gegen Westen reihten sich aneinander die blauen, teilweise beschneiten Gipfel der Rocky Mountains, unter denen besonders die Moro Peaks, die Taos und die Raton Mountains hervortraten.

Zweiundzwanzig Meilen betrug der Tagesmarsch, als wir nach kurzem Ritt durch einen Waldstreifen uns plötzlich an einer starken Abstufung des Bodens befanden. Obgleich schon längst vorbereitet auf den Anblick der eigentlichen Prärie, war ich doch freudig überrascht, als ich diese nun plötzlich in Wirklichkeit wieder vor mir sah. Schon oft hatte ich die weiten Grasfluren betreten, schon oft meine Blicke an der Linie hingleiten lassen, die dort wie auf dem Ozean in weitem Kreis den Horizont begrenzt; doch immer neu, immer frisch blieb der Eindruck, den sie bei mir hervorrief, und so stand ich auch diesmal in tiefster Bewunderung vor der erhabenen Naturszene und schaute nach der Richtung hinüber, in der unser Ziel lag. Die Linie des Horizonts wurde zwar noch hin und wieder durch Hügel und Berge unterbrochen, die wie Inseln aus der grünenden Ebene auftauchten, doch sanft ansteigend lag sie vor mir, die schöne freie Prärie mit ihren Freuden und ihren Genüssen, aber auch mit ihren Schrecken; ich begrüßte sie wie einen alten lieben Freund und blickte dann niederwärts, wo am Fuß der Abstufung die Militärstation Fort Union lag.

Vierunddreißigstes Kapitel

Das Lager bei Fort Union — Wahl des Reisehauptmanns — Erfolgreiches Angeln — Ankunft der Post vom Missouri — Leroux‘ Söhne — Fort Union und seine Lage — Aufbruch von Fort Union — Erzählung von Ben Shaws Ermordung durch die Apachen — Lager im Apache-Cañon — Übles Verhältnis zwischen der Expedition und der Eskorte — Lager am Canadian River — Erfolgreiches Angeln — Reise durch die Prärie am Point of Rocks vorbei — Lager nahe White‘s Massacre — Wetzstein Creek — Der Emigrantentrain — Die beiden hübschen Emigrantinnen — Gänzliche Trennung von der Eskorte — Rabbit Ear Creek — Cottonwood Creek — MacNisse Creek — Cedar Creek — Lager am Cool Creek

Auf abschüssigem Weg gelangten wir in die Ebene hinab und wandten uns dann einem abgesondert stehenden Haus zu, vor dessen Tür wir einige Offiziere erblickten. Man hieß uns freundlich willkommen und bezeichnete uns in geringer Entfernung von dem Posten einen tiefen Teich, dessen grasreiche Umgebung sich vortrefflich zum Lager eignete. Holz war dort freilich nicht vorhanden, doch wurde uns dieses sowie auch Mais im Überfluß von dem sehr gefälligen Quartiermeister des Postens nachgesandt, und es erging auch zugleich die Weisung an uns, alles, was wir nur irgend noch während unseres Aufenthalts daselbst oder zu unserer ferneren Reise gebrauchen sollten, zu nennen und zu beziehen. Ferner riet man uns, einige Tage dort zu verweilen, um die Tiere bei gutem Futter noch einige Kräfte sammeln zu lassen, sowie einem gewissen Captain Gibs und seiner Familie Gelegenheit zu geben, sich zur Reise an den Missouri uns anschließen zu können. Wir waren natürlich mit Freuden bereit dazu, obgleich wir die Eskorte sehr gern an Captain Gibs abgetreten hätten und ohne Verzug weitergereist wären. Die große Freundlichkeit der Offiziere sowie das angenehme Leben in unserem Lager, wo es uns nicht an Bequemlichkeiten und Unterhaltung fehlte, entschädigte uns übrigens reichlich für den Verlust an Zeit; nur Captain Gibs, der vereint mit uns die Prärien zu durchreisen beabsichtigte, hielt sich fern von uns, und wir wußten keinen anderen Grund dafür zu finden, als daß er vielleicht gesonnen war, als ältester Offizier gleichsam der Kommandeur unserer ganz unabhängigen Gesellschaft zu werden. Es ist nämlich Sitte bei Reisenden oder Emigranten, die im Begriff stehen, die Grasfluren zu durchwandern, unter sich einen Captain zu wählen, dessen Anordnungen Folge zu leisten sich jedes Mitglied der Gesellschaft auf die Dauer der Reise verpflichtet. Auch wir vier schritten zu einer solchen Wahl; und zwar kamen wir überein, unseren Freund Peacock, der jene Straße so genau kannte, als unseren Reisehauptmann anzuerkennen und keinem anderen Menschen — ob nun von weißer, roter oder schwarzer Farbe, ob Freund oder Feind — eine Einmischung in unsere Angelegenheiten zu gestatten.

Bis zum 23. Juni blieben wir in Fort Union — also fünf Tage — und fanden durchaus keine Ursache, über Langeweile zu klagen, denn jede Stunde, die möglicherweise dem Müßiggang hätte gewidmet sein können, brachten wir mit Angeln hin. Da es nur fünf Schritte von unserer Zelttür bis zu dem fast bodenlosen Teich war, so wurde es uns leicht, ständig einen Vorrat von wohlschmeckenden Fischen für unsere Küche zu halten, und ich erinnere mich, an einzelnen Tagen über achtzig Stück schnell hintereinander aus dem Wasser gezogen zu haben. Waren der Doktor und ich unermüdlich im Angeln, so erwiesen sich O‘Connor und Wigham unermüdlich im Schuppen und Reinigen der Beute, und nur Egloffstein und Freund Peacock fanden Genuß darin, uns müßig zuzuschauen.

Außer den Fischen, unter denen ich nur eine einzige Art der Pomotis entdeckte, befanden sich in dem Teich zahllose gefleckte Salamander, die von Zeit zu Zeit, wie um Luft zu schöpfen, an die Oberfläche des Wassers kamen und ebenso schnell wieder verschwanden, als sie erschienen. Es gelang mir nicht, eines dieser absonderlichen Tiere zu erhaschen, doch zog ich ganz unvermutet einen schwarzen, riesenhaften Salamander, der wohl ein halbes Pfund wiegen mochte, aus der Tiefe. Der dickköpfige Geselle mit seinen gefiederten Kiemen und ungestaltenen Füßen schien mir einer noch unbekannten Art anzugehören, und ich trug Sorge, denselben wohlbehalten nach Washington zu schaffen.

Die Post der Vereinigten Staaten, die in diesen Tagen vom Missouri eintraf, brachte nur unwesentliche Neuigkeiten; auf dem Kriegsschauplatz, am Großen Salzsee, war wenigstens noch nichts von Bedeutung vorgefallen; man rüstete mit Macht auf beiden Seiten, man zeigte sich die Zähne, stieß die fürchterlichsten Drohungen aus, doch gewann es den Anschein, als ob es dabei bleiben sollte und als ob sich das Recht nach der Seite neige, wo das meiste Geld vorhanden war. Es entging mir übrigens nicht, daß die Vereinigten Staaten ihre Mormonenfeinde weit unterschätzten und, wie aus ihren unverantwortlich schwachen Truppensendungen leicht zu schließen war, ähnlich wie im mexikanischen Krieg drei Mormonen auf einen Amerikaner rechneten. Ich mag nicht leugnen, daß ich vor den Amerikanern auch als Soldaten die größte Achtung hege, doch kann es keinem Zweifel unterliefen, daß in einem Guerillakrieg der einzelne Mormone vollkommen soviel wert ist wie der einzelne Amerikaner und in manchen Fällen vermöge seiner in der Wildnis gesammelten Erfahrungen denselben noch überwiegt.

Unter den Passagieren, die den Postwagen zu Pferd begleiteten, befanden sich auch zwei Söhne meines alten Freundes Leroux, zwei hübsche junge Burschen von siebzehn bis zwanzig Jahren. Sie kamen von St. Louis, wo sie die Schule besucht hatten, und ihr nächstes Ziel war Taos, der Aufenthaltsort ihrer Eltern. Ich freute mich, die Söhne meines alten Reisegefährten kennenzulernen, doch ist es wohl erklärlich, daß ich lieber ein Stündchen mit ihrem Vater verplaudert hätte. Es blieb mir also weiter nichts übrig, als dem alten Leroux meine herzlichsten Grüße zu senden.

 

Das Fort nun, das wie die meisten dergleichen Etablissements jeder Befestigung entbehrt und mehr militärische Ansiedlung als irgend etwas anderes ist, hat eine überaus günstige Lage, indem die Abhänge der höheren Ebene dasselbe gegen Nordwesten schützen, während gegen Osten und Südosten die Prärie sich ausdehnt und wie in einem Becken die erste Frühlingswärme auffängt, gleichsam um diese den Gärten und Feldern der Station zugute kommen zu lassen; aus denselben Gründen mag aber auch die Hitze des Sommers mitunter ans Unerträgliche grenzen. Reichlich Wasser befindet sich in der langgedehnten Senkung des Bodens, die sich ähnlich dem Bett eines Flusses von Norden nach Süden an dem Posten vorbeizieht und das Wasser eines bedeutenden Landstrichs aufnimmt, jedoch nur nach heftigen und anhaltenden Regen stromweise gegen Süden dem Moro zuführt. Für gewöhnlich zeigt das fast zugewachsene Flußbett nur eine Reihe abgesonderter, sehr tiefer und sumpfiger Teiche, die, nie vertrocknend, den angrenzenden Viehweiden den eigentlichen Wert verleihen.

Das Wasser, obgleich frei von alkalischen Bestandteilen, eignet sich nicht sonderlich zum Trinken und führt einen starken Beigeschmack von dem Moder, der in Unmassen den Boden der kleinen Seen deckt; dagegen befindet sich nur einige hundert Schritt entfernt von den südlichsten Gebäuden des Postens eine Quelle, die mehr schönes, klares Wasser liefert, als nötig wäre, um eine zehnfach größere Ansiedlung und eine zehnfach stärkere Besatzung damit zu versorgen. Um den Andrang des Viehs zurückzuhalten, hat man ein kleines Häuschen über der Quelle errichtet, die, aus ebener Erde hervorsprudelnd, sorgfältig vertieft und ausgemauert ist. Stundenlang saß ich zur heißen Mittagszeit dort unter dem schattigen Dach, schaute hinab in den vier Fuß tiefen, mit dem klarsten Wasser gefüllten Behälter und ergötzte mich an den Blasen, die ununterbrochen an verschiedenen Stellen des sandigen Bodens hervorquollen und das Überrieseln des Beckens bewirkten.

Eingeborene bemerkte ich in Fort Union gar nicht, auch nur wenige Mexikaner, und es schienen Leute, die in keiner Verbindung mit dem Posten standen, sich überhaupt fern von dort zu halten. Militärische Sauberkeit und Ordnung blickte überall durch; die Gebäude waren regelmäßig und fest von Adobes aufgeführt, und besonders sprachen mich die zierlichen Häuser der Offiziere und Beamten an, weil sie trotz der Einfachheit einer gewissen Behaglichkeit in der Einrichtung nicht entbehrten.

So angenehm uns die Zeit auch in Fort Union verstrich und so liebenswürdige Leute wir auch dort fanden, so waren wir doch sehr erfreut, als wir am 22. Juni Gewißheit erhielten, daß wir am folgenden Tag endlich unsere Reise antreten konnten. Wir verabredeten uns daher mit Lieutenant Tipton, dessen Kommando eine Meile von uns lagerte, mit ihm und Captain Gibs im Apache-Cañon zusammenzutreffen, um dort zu übernachten; und als am 23. Juni die ersten Sonnenstrahlen Fort Union beleuchteten, bestiegen wir unsere kräftigen Tiere, und dahin ging es in raschem Schritt auf der ebenen Straße.

Der Weg führte uns in nordwestlicher Richtung zwischen kurze Gebirgszüge hinein, so daß die Sierra de las Gallinas und die Wagon Mounds südlich von uns liegen blieben; doch nur kurze Zeit hemmten diese Höhen die freie Aussicht, und schon am Nachmittag konnte das Auge wieder ungehindert über die Ebene hinschweifen, die sich mehr und mehr vor uns auseinanderzurollen schien. Die ehrwürdigen Gipfel der Raton Mountains, der Taos Mountains, der Spanish Peaks und des Fisher‘s Peak dagegen, die sich in weitem Bogen von Nordosten nach Nordwesten hinzogen, blieben uns sichtbar, und nach mehreren Tagen beobachteten wir noch die weißhauptigen Berge, wie sie sich allmählich in einen duftigen Schleier verhüllten und unseren Blicken endlich ganz entschwanden.

Um die Mitte des Tages gewahrten wir die Eskorte mit ihrem Train, sie folgte in der Entfernung von sechs Meilen langsam unseren Spuren; als wir indessen durch die starken Schwellungen des Bodens die Aussicht auf sie verloren und auch auf der höher gelegenen weiten Ebene nicht wieder gewannen, gaben wir die Hoffnung auf, diese am Abend bei uns im Lager zu sehen, und kamen daher überein, uns, unsere Tiere und Sachen fortan selbst zu bewachen. Wir waren sieben Mann, und wir hielten den Koch für den einzigen unserer Gesellschaft, der während der Nacht nicht gestört werden durfte, weil bei unserem jedesmaligen Aufstehen das Frühstück bereitgehalten werden mußte. Es wurde diesem also die erste Tagesstunde für die Dauer der Reise als Wache zuerkannt, während wir übrigen uns in die Zeit von abends neun Uhr bis morgens um drei teilten und uns regelmäßig von Stunde zu Stunde ablösten. Wer an einem Tag um neun Uhr auf Wache zog, erhielt in der folgenden Nacht die Stunde zwischen zehn bis elf, in der darauffolgenden die zwischen elf und zwölf und immer so weiter, bis er die ganze Nacht durchgewacht hatte und wieder von vorn anfangen konnte. Wir bezweckten mit diesem Wechsel, uns gegenseitig das Leben soviel wie nur möglich zu erleichtern, denn da wir darauf angewiesen waren, Tag für Tag zwölf bis fünfzehn Stunden im Sattel zuzubringen, so mußten wir mit unserer Nachtruhe geizen und unseren Körper frisch zu erhalten suchen. Auch versäumten wir nicht, durch Erzählungen von Indianerüberfällen und grausigen Mordtaten in der Prärie die Wachsamkeit unserer Leute anzustacheln und sie recht besorgt um ihren Skalp zu machen.

Unser Haupterzähler blieb während der ganzen Reise Freund Peacock, denn fast jeder hervorragende Punkt und jede vereinsamte Baumgruppe, die weithin sichtbar als Landmarke betrachtet werden konnten, riefen in seiner Erinnerung Erlebnisse längst vergangener Zeiten wach.

»Dort drüben, wo die beiden Hügel wie verloren aus der Prärie emporragen«, begann Peacock, kurz bevor wir den Apache-Cañon erreichten, »ungefähr sechs Meilen von hier, zieht sich die alte Santa-Fé-Straße hin; es ist dieselbe, die wir bei Las Vegas verließen und die kurz vor dem Canadian River mit unserer Straße wieder zusammenfällt. Im Jahre 1850 reisten Ben Shaw und Captain Frank Hendrichson, zwei meiner Freunde, an jenem Punkt vorbei; sie kamen vom Missouri, und ihre Karawane bestand aus zehn mit Maultieren bespannten Wagen und zwölf Knechten. Ihre Reise war soweit glücklich vonstatten gegangen, und in zwei Tagen schon hofften sie Tucalohte und in zwei anderen ihren Bestimmungsort Santa Fé zu erreichen. Fort Union stand damals noch nicht, doch hielten sie sich durch die Nähe der Ansiedlungen, vielleicht aber noch mehr durch ihr gutes Glück, gegen die feindlichen Angriffe der Indianer geschützt, und mit weniger Vorsicht, als es sonst ihre Gewohnheit war, näherten sie sich jenen Hügeln. Da sie auf der ganzen Reise — wahrscheinlich infolge ihrer Wachsamkeit — nie zur nächtlichen Stunde gestört worden waren, so erwarteten sie gewiß nichts weniger als einen Angriff am hellen Tag, und anstatt auf dem Sattel, ruhten ihre und ihrer Leute Büchsen in den Wagen. Wenn sie indes auch ihre Waffen wirklich zur Hand gehabt hätten, so würde es doch nur wenig genützt haben, denn als sie sich mit ihrem ganzen Zug den Hügeln gegenüber befanden, krachten plötzlich hinter Felsblöcken und aus Vertiefungen hervor eine Anzahl von Schüssen, die sogleich Ben Shaw, Frank Hendrichson und fünf ihrer Leute von den Pferden warfen. Mehrere Zugtiere waren ebenfalls getötet worden, so daß in den Gespannen eine allgemeine Verwirrung entstand, und bevor noch die unglücklichen Leute sich zur Wehr setzen konnten, war eine Schar der wildesten aller Steppenbewohner, der Apachen, aus dem Hinterhalt auf sie hereingebrochen und hatte sie bis auf den letzten Mann unter schrecklichem Triumphgeheul mit Pfeilen niedergeschossen.

In Las Vegas war die Ankunft dieser Karawane schon durch einen vorausgesandten Boten angemeldet worden; da sie aber nicht zur bestimmten Stunde eintraf, so begaben sich einige von Ben Shaws Freunden auf den Weg, um die Ankommenden zu begrüßen und sich zugleich nach der Ursache der Verzögerung, die sie dem Zusammenbrechen eines Wagens zuschrieben, zu erkundigen. Achtzehn Stunden ritten diese Leute ununterbrochen auf der Straße, auf der sie der Karawane jeden Augenblick zu begegnen erwarteten, ohne auch nur eine Spur von ihr zu entdecken; als sie sich dann aber den Hügeln dort drüben näherten und die auf der Ebene verstreut umherstehenden Wagen erkannten, außer einem Rudel von Wölfen und einigen Krähen aber kein Leben bei denselben wahrnahmen, wurden sie von den schwärzesten Ahnungen erfüllt. Immer deutlicher traten die einzelnen Gegenstände hervor; und durch die Anwesenheit der wilden Bestien zu der Überzeugung gelangt, daß sie sich einer Szene des Verrats und des Mordes näherten, die Räuber aber sich schon längst entfernt hatten, beeilten sie ihre Schritte, um das Unglück, das ihre Freunde betroffen hatte, in seinem ganzen Umfang kennenzulernen.

Der Anblick, der sich ihnen dort bot, war über alle Beschreibung schreckenerregend, denn außer daß die Wagen ihres Inhalts entledigt waren und dieser, soweit die Räuber ihn als wertlos oder als zu schwer zum Transport erkannt hatten, nach allen Richtungen hin die Ebene bedeckte, lagen auch noch zwischen den getöteten Tieren die Leichen von Ben Shaw und seinen Gefährten. Alle waren skalpiert und bis auf einen Wagenführer mehr oder weniger von den Wölfen angefressen worden.

Dieser letztere nun war beim ersten Angriff durch den Hieb eines Tomahawks betäubt zusammengesunken und erwachte erst wieder, als einer der grausamen Sieger ihm die Kopfhaut vom Schädel streifte. Die Liebe zum Leben ließ ihn die gräßliche Tortur, die mit Schnelligkeit ausgeführt wurde, ohne Zucken ertragen, und erst als die Räuber sich mit der Herde und sovielen Waren, als sie fortzubringen vermochten, entfernt hatten, wagte er wieder, sich umzuschauen und an die Selbsterhaltung zu denken. Da er durch den Blutverlust und die rasendsten Schmerzen so geschwächt war, daß er sich kaum noch erheben konnte, die Indianer aber alle Tiere bis auf die erschossenen fortgeführt hatten, so beschloß er, einige Lebensmittel zusammenzusuchen und in einem der Wagen geduldig sein Schicksal zu erwarten.

Beim Umherspüren nach gefüllten Wasserflaschen stieß er auf drei seiner Gefährten, die noch schwache Lebenszeichen von sich gaben, aber nicht mehr zum Bewußtsein gelangten; und als die Nacht sich einstellte, war er der letzte Lebende von den vierzehn Männern, die am frühen Morgen lustig durch die Prärie zogen.

Zweimal vierundzwanzig Stunden waren seit jenem Abend verflossen; die Schwäche des Verwundeten hatte in solchem Grad zugenommen, daß er den Wagen nicht mehr verlassen konnte, und mit kaum vernehmbarer Stimme begrüßte er die Leute, die zu spät kamen, um ihn zu retten. Ehe noch der zu seinem Transport bestimmte Wagen eintraf, starb der Unglückliche.

Es bildete sich zwar eine Kompanie, die schleunigst zur Bestrafung der indianischen Räuber aufbrach, doch hatten diese einen zu weiten Vorsprung gewonnen, und unverrichteter Sache kehrte diese zurück, nachdem sie zwei Wochen in der Wildnis umhergeirrt war.

Und hier ist der Apache-Cañon«, fuhr Peacock fort, indem er sein Maultier am Rand einer neuen Abstufung der Prärie anhielt. »Dort ist die Schlucht, wo wir Wasser finden und übernachten müssen und wo ebensogut einige Dutzend Apachen verborgen sein können wie nicht.«

Ungefähr hundert Fuß tiefer lag also die Abstufung, die sich wie mächtige Wogen unabsehbar gegen Osten ausdehnte, deren Einförmigkeit aber durch keinen Baum, keinen Strauch unterbrochen wurde. Leicht gelangten wir hinab an die Mündung der Schlucht, wir fanden da gutes Gras, und an einer Stelle, die entfernt von Felsblöcken und Gestrüpp war, die verräterischen Räubern ein Versteck hätten gewähren können, schlugen wir unser Zelt auf. Unsere nächste Beschäftigung war, die Tiere zum Wasser zu treiben und uns zugleich mit dem Charakter der Umgebung bekannt zu machen. Die Schlucht, die in nordwestlicher Richtung wieder nach der höher gelegenen Ebene hinaufführte, war allmählich durch niederströmendes Wasser gebildet worden. Felsblöcke und wildes Gestrüpp bedeckten die steilen, aber doch zugänglichen Abhänge, und einzelne knorrige Eichen beschatteten die Quelle, die, zwischen geborstenem Gestein hervorrieselnd, nach kurzem Lauf in der Schlucht selbst wieder versank. Ein viel betretener Pfad, auf dem die Tiere nur eins hinter dem anderen getrieben und getränkt werden konnten, führte zum Wasser, doch beendeten wir unsere Arbeit sehr schnell, und als die Dämmerung sich einzustellen begann, pflockten wir die Tiere im Kreis um unser Lager an, verabreichten jedem ein Dutzend Maiskolben und streckten uns dann noch ein Stündchen vor dem Zelt ins Gras, um den herrlichen, milden Abend zu genießen.

 

Es ist mir nicht möglich, eine genaue Beschreibung der behaglichen Zufriedenheit wiederzugeben, der man anheimfällt, wenn man nach einem ermüdenden Ritt so unter dem lieben blauen Himmel sein Obdach gewählt hat und sich zusammen mit der schönen Natur der Rast und der Ruhe hingibt; alles ringsum ist so friedlich still, bläuliche Nebelstreifen lagern sich auf den Niederungen, das milde Licht des Mondes erhellt die feuchte Atmosphäre, heimlich senkt sich der Tau auf Blumen und Gräser, und Stern auf Stern entsteigt der fernen Ebene, um sich mit seinen vorangeeilten Gefährten zu Bildern zu vereinigen. Man scheut sich fast, zu solcher Stunde den Schlaf zu suchen, und trennt sich mit Widerstreben von dem kleinen niedergebrannten Feuer, mit dessen Rauch sich der Dampf der Pfeifen vereinigt und vor dem so manche schöne Geschichten erzählt wurden, so manches fröhliche Lachen erschallte und so mancher herzliche Gedanke der fernen Heimat galt.

Unsere Eskorte traf also wirklich nicht bei uns ein, und mit Freuden versah jeder den Dienst, der ihm durch die Abwesenheit der Soldaten zugefallen war. Die Nacht verstrich ohne die geringste Störung, und frühzeitig schon waren wir am 24. Juni bereit, unsere Reise fortzusetzen. Wir kamen indessen überein, die Ankunft der Eskorte zu erwarten, die möglicherweise durch irgendeinen Unfall aufgehalten sein konnte.

Sie ließ indessen lange auf sich warten, und erst gegen acht Uhr erschienen Lieutenant Tipton und Captain Gibs, gefolgt von ihrem Train, am Abhang des Apache-Cañons, und während ihre Wagen auf der Straße weiterzogen, sprengten die beiden Offiziere in unser Lager. Egloffstein war außer den Leuten der einzige, der sich beim Wagen befand, und Captain Gibs richtete die Frage an ihn, ob wir nicht zu reisen gedächten. Egloffstein setzte ihm dagegen deutlich auseinander, daß wir aufbrechen würden, wann es uns beliebte; die beiden Herren ritten darauf im Galopp davon, und wir hatten den ersten Beweis erhalten, daß an ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns und den Offizieren nicht zu denken sei.

Eine Stunde später folgten wir der Eskorte und holten diese nach einem Marsch von zwölf Meilen am Ocate-Flüßchen ein, wo sie, um einige Stunden zu rasten, die Tiere ausgespannt hatte. Unsere Kavalkade war noch vollständig frisch, und so beschlossen wir, in einer Tour bis an den Red River (den oberen Canadian River) zu reiten, und dort die Nacht zuzubringen. Um eine Annäherung zwischen den beiden eigensinnigen Gesellschaften zu ermöglichen, richtete Peacock an Lieutenant Tipton die Frage, ob er ebenfalls am Canadian River zu lagern und sich zu uns zu gesellen gedenke. Lieutenant Tipton, oder vielmehr der kleine, breitschultrige Captain Gibs, sagte zu, und eine Stunde später hatten wir sie schon wieder aus den Augen verloren. In einiger Entfernung vom Ocate River, einem Zufluß des Canadian River, der aber kaum einen anderen Namen als den eines Bachs verdient, verfolgten wir unsere Straße, die mit wenig Unterbrechung die nordöstliche Richtung beibehielt. Der Ocate und sein Tal zeichneten sich nur hin und wieder durch kleine Schilfstreifen und dunkler gefärbtes Gras aus, doch nicht genug, um in der Ferne wahrgenommen werden zu können; so wurde das Einförmige unserer Umgebung fast während des ganzen Tages nicht unterbrochen.

Neugierige Antilopen beobachteten uns aus der Ferne und gaben durch ihr scheues Wesen zu erkennen, daß sie hier vielfach gejagt worden seien, denn ich brauchte mich nur eine kurze Strecke vom Wagen zu entfernen, um sie in weiten Sprüngen davoneilen zu sehen. Auch Wölfe zeigten sich schon in größerer Anzahl; träge, mit niederhängendem Kopf schlichen sie wie in Gedanken dahin, und nur gelegentlich standen sie einige Sekunden still, um uns mißtrauisch zu mustern, worauf sie mürrisch ihre einsamen Spaziergänge wieder fortsetzten. Die weite Fläche, die wir überblicken konnten, war also nur wenig belebt, denn wie vereinzelte Weihen und Prärielerchen im endlosen Luftraum verschwanden, so verschwanden auch die wenigen Tiere, ja sogar unsere kleine Karawane in der unabsehbaren Steppe.

In den Nachmittagsstunden gelangten wir zwischen eine Reihe zusammenhängender Hügel, und bald darauf schauten wir hinab in das Tal des Canadian River, das baumlos wie die angrenzenden Höhen den Charakter einer tiefen Senkung der Prärie trug. Mehrere Quellen bemerkte ich an den Abhängen, als wir niederwärts zogen, und diese hatten, wo ihnen der Abfluß fehlte, den Boden so sehr aufgeweicht, daß es mehrfach der ganzen Kraft unserer Tiere bedurfte, um ihre Lasten über sie hinüberzuschaffen. Ungefähr sechshundert Fuß betrug der Höhenunterschied zwischen der Ebene und dem Tal des Flusses, und letzteres erstreckte sich weithin von Norden nach Süden in einer durchschnittlichen Breite von anderthalb Meilen. An der Furt trafen wir einen starken Train von achtzehn mit Ochsen bespannten Wagen gelagert; derselbe hatte am heißen Mittag dort Halt gemacht und beabsichtigte, die Reise gegen Abend wieder fortzusetzen — eine gewöhnliche Art der Karawanen, zu reisen, wenn sie das gegen übermäßige Hitze so empfindliche Rindvieh mit sich führen.

Wir gingen durch den Fluß, der an jenem Punkt ungefähr dreißig Fuß breit ist und eine bedeutende Masse trüben, aber guten und trinkbaren Wassers führt, und eine massive Sandsteinlage bildet den Boden der Furt, wodurch den zahlreichen Karawanen, die alljährlich den Strom überschreiten, gleichsam eine Brücke ersetzt wird. Auf dem linken Ufer, wenige Schritte von den eilenden Fluten, richteten wir unser Zelt auf, und nachdem wir uns durch ein Bad im kalten Wasser erfrischt hatten, suchte ich meine Fischergeräte hervor und füllte die Zeit bis zum Abend mit Angeln aus. Merkwürdigerweise verschmähten die Fische den sonst so beliebten fetten Speck, den ich als Köder gebrauchte, und erst als die Sonne untergegangen und ich im Begriff war, meine Bemühungen als fruchtlos einzustellen, riß es heftig an der Schnur, und gleich darauf zog ich einen großen Katzenfisch ans Ufer. Diesem ersten folgten bald mehr, und als ich mich endlich zur Ruhe begab, hatte ich einen Vorrat von schmackhaften Fischen, der uns zum folgenden Morgen eine luxuriöse Mahlzeit versprach.

Meine Wache fiel zwischen zwölf und ein Uhr, der Mond schien hell, weithin vermochte ich die Umgebung zu überblicken, die Fische bissen vortrefflich, und selbstverständlich setzte ich mein Angeln fort — zum größten Vorteil Wighams, dessen Wache dadurch bis auf eine halbe Stunde verkürzt wurde. Leider war es am folgenden Tag so warm, daß der ganze Vorrat von Fischen, den wir mitführten, verdarb und als unbrauchbar fortgeworfen werden mußte. Gern hätte ich Captain Gibs von dem in den Prärien seltenen Gericht für seine Familie im Überfluß mitgeteilt, doch hatte sich leider die militärische Gesellschaft abermals abgesondert und ihr Lager zwei Meilen hinter uns bezogen.