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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Einunddreißigstes Kapitel

Die Navajos — Lieutenant Ives‘ Ankunft — Die Moqui-Indianer — Schlechte Aufnahme derselben in Fort Defiance — Aufbruch von Fort Defiance — Präriehundedörfer — Der See nahe der Wasserscheide — Besuch der Navajos im Lager — Mount Taylor — Lager am »Blue water« — Lager nahe der Camiño del Obispo — Begegnung mit einem Militärkommando — Die Lavaströme — Rio San José — Covero — Laguña — Vorsprechen beim Baptistenmissionar — Lager am Puerco — Ankunft am Rio Grande — Übergang über den Fluß

Die Navajos, Navahoes oder Apaches de Nabajoa — wie sie von den alten spanischen Reisenden genannt wurden — gehören ursprünglich zu der weitverzweigten Nation der Apachen. Hinsichtlich der Raublust ist zwischen den Navajos und den jetzigen Apachen, ihren Todfeinden, gewiß kein Unterschied zu entdecken, doch zeichnen sich erstere durch größere Neigung zur Viehzucht sowie auch durch größere Geschicklichkeit in Handarbeiten aus. Beide Stämme gehören zu den Eingeborenen, die mich nicht sonderlich für sie einnahmen, und zwar weniger wegen ihrer Raubsucht, der fast alle Indianerstämme in höherem oder geringerem Grad huldigen, als wegen tief gewurzelter Falschheit und Verräterei, die sie nicht nur gegen ihre Feinde, sondern auch gegen ihre scheinbaren Freunde, ja sogar gegen die eigenen Stammesgenossen an den Tag legen.

Die äußere Erscheinung der Navajos als eine nationale zu beschreiben, wage ich nicht, denn ich erblickte unter ihnen so viele verschiedenartige Gestalten und Gesichter, die auf eine Vermischung des Stammes mit den von anderen Nationen geraubten Sklaven deuteten, daß ich es für fast unmöglich hielt, den ursprünglichen Typus herauszufinden. Diejenigen, die mir als vollblütige Navajos bezeichnet wurden, waren große, wohlgebaute Gestalten mit hohen, vorstehenden Backenknochen, zurückgebogener Stirn und gerader Nase.

Der ganze Stamm wird von mehreren Häuptlingen beherrscht, doch scheint deren Einfluß nur in gewissen Fällen zur Geltung zu kommen und für gewöhnlich regiert jeder Besitzer seine Familie und seine Herden nach eigenem Gutdünken, ohne einem anderen irgendwie Einspruch in seine Angelegenheiten zu gestatten. Ja die Weiber behaupten sogar eine Art von Selbständigkeit und halten ihre eigenen Herden streng geschieden von denen ihrer Gatten.

Die Beschreibung ihrer Hütten gab ich schon oben, doch leben auch manche Familien in geräumigen Felshöhlen, an denen das dortige Territorium ungewöhnlich reich ist. Stirbt jemand, so wird augenblicklich die Sterbewohnung verlassen, um nie wieder bezogen zu werden, und es stammen daher auch die zahlreichen Überreste alter Hütten, die auf eine Abnahme der Seelenzahl zu deuten scheinen. Die Stärke der Nation, die ihrer Herden wegen ziemlich zerstreut lebt, wird als zwischen siebentausend und neuntausend Mitglieder angegeben, und ich bin geneigt zu glauben, daß letztere Zahl gewiß nicht überschritten wird. Eine Abnahme der Bevölkerung, wie wir es vielfach bei anderen Stämmen beobachten können, ist bei den Navajos kaum denkbar; denn wenn sie sich auch auf ihren Raubzügen dem Kriegsglück und den damit verbundenen Verlusten aussetzten, so sind sie doch im Herzen ihres schwer zugänglichen Landes gegen verderbliche Überfälle gesichert; auch die ansteckenden Krankheiten können nicht solche Verwüstungen unter ihnen anrichten, indem sie familienweise getrennt voneinander leben und es ihnen daher nicht schwer wird, Reviere, in denen Erkrankungsfälle vorgekommen sind, zu meiden.

Wie bei allen Urvölkern des amerikanischen Kontinents herrscht auch hier die Sitte der Vielweiberei, und der Mann kauft seine Frauen von deren Vätern gewöhnlich für den Preis von Pferden, deren Zahl von der Liebenswürdigkeit der jungen Gattin und von der elterlichen Zuneigung zu derselben abhängig ist. Übrigens ist die Frau nicht gezwungen, mit ihrem Gatten zusammenzuwohnen, wenn z.B. die Pflege ihrer Herden, die getrennt voneinander weiden, es nicht ratsam erscheinen läßt. Sehr merkwürdig ist es, daß das Eigentum des Vaters nicht auf den Sohn übergeht, sondern daß Neffen und Nichten als die rechtmäßigen Erben anerkannt werden, wenn nicht der Vater bei Lebzeiten schon seine Habe an die eigenen Kinder geschenkt hat.

Ihre Gefangenen behandeln sie freundlich, und sie erzielen dadurch, daß diese sich sehr bald bei ihnen heimisch fühlen und sich ganz von selbst ihrer Nation einverleiben. Überhaupt liegt Grausamkeit, nach allem, was ich über diesen Stamm vernahm, nicht in ihrem Charakter, wenn sie auch wirklich auf kaltblütige Weise morden und ihre Verräterei endlos ist. Gastfreundschaft ist eine große Tugend unter ihnen, und auch hier herrscht der Brauch, daß Besucher alle Lebensmittel in der Hütte ihres Wirts als ihr Eigentum betrachten und so lange und soviel davon genießen dürfen, wie ihnen nur immer beliebt.

Ihre Kleidung ist außerordentlich verschieden und richtet sich nach den Stoffen, die jedem einzelnen durch Zufall in die Hand gespielt werden, sowie nach dem Geschmack, mit dem er diese zur Bedeckung seines Körpers verwendet. Ich sah einzelne Navajos, die in ihren reich mit Knöpfen besetzten ledernen Kniebeinkleidern und Gamaschen sowie dem farbigen Jagdhemd kaum von einem Pueblo-Indianer zu unterscheiden waren; dagegen erblickte ich auch andere, die in weiten, baumwollenen Kleidungsstücken von weißer Farbe an die orientalischen Nomadenvölker erinnerten. Als Nationaltracht möchte ich fast die schönen Decken bezeichnen, welche beide Geschlechter gewöhnlich um die Schultern tragen. Diese werden von den Frauen aufs sorgfältigste gewebt, die sich in der Wahl der Farben und der Zusammenstellung von bunten Streifen und phantastischen Figuren in dem Gewebe gegenseitig zu übertreffen suchen. Ursprünglich trugen die Decken nur die verschiedenen Farben der Schafe in breiten Streifen, doch seit die Navajos farbige, wollene Stoffe aus Neu-Mexiko beziehen können, verschaffen sie sich solche, um sie in Fäden aufzulösen und diese dann zu ihrer eigenen Weberei zu verwenden. Vorzugsweise erblickte ich geschmackvolle Satteldecken, und es gelang mir auch, einige derselben zu erstehen, dagegen wurden mir für schöne, große Decken, die zur Bekleidung dienten, solch hohe Preise abgefordert, daß ich unter den damaligen Verhältnissen kaum imstande gewesen wäre, diese zu bezahlen, und mir ebenso leicht ein Pferd hätte kaufen können.

Wie ich schon oben bemerkt habe, besteht der ganze Reichtum dieser Leute in ihren Herden, und sie sinnen und wirken nur einzig für diese. Schon von Kindesbeinen an suchen sie ihr lebendes Eigentum zu vergrößern und scheuen kein Mittel, keinen Weg, um sich in den Besitz von Pferden, Schafen und Ziegen zu setzen, nach deren Zahl im Mannesalter ihr Ansehen und Einfluß bestimmt wird. Bei einem solchen ununterbrochenen Streben kann es nicht überraschen, daß einzelne Persönlichkeiten weit über tausend Pferde und vielleicht sechstausend Schafe und Ziegen ihr Eigentum nennen; dagegen muß es einen befremden, daß sie noch ebenso wie der elendeste Apache jeden Reisenden anbetteln, während sie doch sicher imstande wären, durch den Verkauf eines oder mehrerer Pferde oder einer Anzahl Schafe sich mit manchen Bequemlichkeiten zu umgeben. — Es herrscht übrigens in Neu-Mexiko eine gewisse Abneigung dagegen, von einem Navajo ein gutes Pferd zu erstehen, denn der Navajo trennt sich nur dann von einem guten Tier, wenn ihm die Aussicht bleibt, dieses gelegentlich zurückstehlen zu können.

Die Hauptwaffe dieser Indianer ist eine zwölf Fuß lange Lanze mit degenähnlicher Spitze, die sie mit außerordentlicher Geschicklichkeit vom Pferd herab zu führen verstehen, doch ist der Bogen in ihren Händen auch keine zu verachtende Waffe. Zu leugnen ist es nicht, daß ein auf diese Weise ausgerüsteter Krieger auf dem hohen Sattel mit den kurzen Steigbügeln, halb verhüllt mit der faltenreichen Decke, sowie mit den langen, flatternden Haaren gewiß keinen ungünstigen Eindruck macht; und es ist leicht erklärlich, daß eine Horde dieser wilden Reiter früher imstande war, Schrecken im Tal des Rio Grande zu verbreiten.

Der einzige Indianerstamm, den die Navajos fürchten und vor dem sie gewissermaßen Hochachtung hegen, sind die jetzt so sehr zusammengeschmolzenen Delawaren.Siehe »Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 57. Sie hatten sich nämlich einst an dem Eigentum einiger dieser kühnen umherstreifenden Jäger vergriffen, und die Folge hiervon war, daß die Navajos wenige Tage später mehrere ihrer Familien skalpiert fanden und die Delawaren mit einer reichen Beute an Pferden in ihre Heimat zurückkehrten.

Über die Religion der Navajos etwas zu erfahren, gelang mir nicht, doch glaube ich, daß sie sich sehr wenig um ein Leben nach dem Tod kümmern, weil sie die Gewißheit hegen, ihre Pferde und übrigen Herden zurücklassen zu müssen. Über ihren Ursprung wissen sie ebenfalls nichts; einige geben vor, daß ihre Urväter einst aus der Erde kamen, andere nähern sich der Wahrheit, indem sie behaupten, daß ihnen die Geschichte ihres Stamms unbekannt sei; und so bietet das Volk selbst nichts, was bei etwaigen Forschungen zum Anhalt dienen könnte, es sei denn die Sprache, nach der sie als Verwandte der Apachen betrachtet werden müssen, mit denen sie aber jetzt in bitterster Feindschaft leben.

Der Versuch nun, die ganze Familie der Apachen, mit den Navajos als deren aufgeklärtesten Mitgliedern an der Spitze, in irgendeine Beziehung zu den wandernden Völkerstämmen zu bringen, die einst Neu-Mexiko überschwemmten, würde, ganz abgesehen von den Sprachverschiedenheiten, vollständig scheitern. Ich weise nur darauf hin, daß, wie die Städte bauenden Indianer Jahrhunderte hindurch ihren angestammten Sitten, Bräuchen und Neigungen bis auf die jetzige Zeit treu geblieben sind, auch unter den Navajos keine wesentliche Veränderung eingetreten ist, obgleich sie während eines hundertjährigen Zeitraums von halbzivilisierten Nationen umgeben waren. Finden wir in den Pueblos und deren Bewohnern vieles, das auf einen früheren innigen Verkehr mit den gegen Süden gewanderten Völkern hindeutet, so vermissen wir dergleichen Spuren bei den Navajos ganz, denn es fehlt ihnen nicht nur die Neigung zur Anlage regelmäßiger Städte, sondern sie zeigen sogar Widerwillen dagegen. Sie beschäftigen sich nicht mit Töpferarbeit, pflanzen auch keine Baumwolle, zähmen Vögel oder sammeln Federn zu ihren Staatskleidern; sie sind jetzt, was sie vor Jahrhunderten schon waren: eine wilde, zügellose Horde. Übermütig geworden durch die allmählich gewonnene Macht über ihre Nachbarn, knechteten sie diese, und im Bewußtsein ihrer Straflosigkeit übten sie Verräterei und Falschheit, bis diese sich als erblich ihrem Charakter einverleibten und sie zu dem machten, was sie sind. Ein schönes Feld für den frommen Eifer der Missionare würde die Nation der Navajos bieten, und ich kann nicht begreifen, warum jetzt das Evangelium nur auf schon längst angebahnten Wegen vorwärts und rückwärts getragen wird, anstatt in edlem Kampf gegen tiefgewurzelte böse Leidenschaften angewendet zu werden.

 

Als wir am 22. Mai in den Vormittagsstunden in weitem Kreis vor dem Kaminfeuer in Webers einfachem Salon saßen und wieder mit der sorgenfreien Gegenwart beschäftigt waren, dabei in lebhaften Erzählungen der jüngsten Vergangenheit gedachten, öffnete sich plötzlich die Tür, und herein traten, dicht verhüllt mit ihren Mänteln und Decken, Lieutenant Ives, Egloffstein und Dr. Newberry. Zu gleicher Zeit versammelte sich auf der Straße ein Haufen Moqui-Indianer, die sie begleitet hatten, um in Fort Defiance ihre Klagen über die Räubereien der Navajos vorzubringen. Während nun die Indianer einen leeren Schuppen zu ihrem Aufenthalt wählten, der Packtrain nach dem Lager bei der natürlichen Brücke zog, nahmen wir die Gefährten in unsere Mitte, und nachdem sie sich durch Speise und Trank hinlänglich erfrischt hatten, begannen wir sie über ihre Erlebnisse sowie über den Erfolg ihrer Reise auszufragen. Vor allen Dingen teilten sie uns mit, daß ihre Mühe insoweit eine vergebliche genannt werden könne, als es ihnen nicht gelungen sei, den Rio Colorado wiederzufinden. Die Erfahrungen auf der Reise selbst beschränkten sich darauf, daß sie eine mühevolle Wanderung durch die Schluchten des hohen Felsplateaus zurückgelegt hatten, und nur die Schilderung ihrer Zusammenkunft mit den Moqui-Indianern sowie auch deren hoch gelegener Städte verdiente größere Aufmerksamkeit. Leider waren indessen nur mündliche Nachrichten über dieses abgesondert lebende Volk eingezogen und gesammelt worden, und man hatte ebensowohl versäumt, Wortverzeichnisse der noch vollständig unbekannten Sprache als auch Zeichnungen von den Städten mit zurückzubringen.

Nach den Beschreibungen, die ich Dr. Newberry verdanke, unterscheiden sich die Moquis in Sitten und Bräuchen kaum von den Zuñi-Indianern, und auch die Lebensweise beider Stämme ist ganz dieselbe. In einer Stärke von 6720 Seelen (nach Whipple) bewohnen die Moquis sieben Städte, die auf den fast unzugänglichen Überresten des vielmals erwähnten hohen Plateaus gegründet sind. Die größte derselben heißt Oraibe, die vier hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl gleich großen Städte sind bekannt unter den Namen Schuhmuthpa, Muschai-i-nah, Aleh-la und Gualpi, und die beiden kleinsten unter den Namen Schiwina und Tequa. Außerdem befinden sich noch zahlreiche Trümmer in jener Gegend, welche auf eine früher bedeutend stärkere Bevölkerung schließen lassen. Die Städte liegen in geringer Entfernung voneinander, sind ziemlich regelmäßig gebaut und mit Steinmauern umgeben. Die Häuserreihen bilden einen öffentlichen Platz oder Hof, und wie bei den anderen Pueblos von Neu-Mexiko befindet sich der Eingang in die Wohnungen auf den flachen Dächern, zu denen man mittels Leitern hinaufgelangt. Quellen, die auf den Höhen aus dem festen Gestein hervorsprudeln, sowie natürliche Zisternen versorgen die Moquis mit Wasser und geben ihnen zugleich Mittel an die Hand, auf längere Zeit einer Belagerung Trotz bieten zu können; denn da der Aufgang zu einzelnen dieser luftigen Sitze aus treppenähnlichen Abstufungen im Gestein besteht, würde es gewiß eine große Übermacht erfordern, um diese mit Gewalt einzunehmen.

An den Abhängen, wo nur immer die Natur es gestattete, liegen terrassenförmig die Gärten übereinander, und in denselben erblickt man außer den Stauden von Melonen und Kürbissen wohlgepflegte Pfirsichbäume. In dem umfangreichen Tal, in dem sich die städtegekrönten Felsentürme erheben, dehnen sich die Felder aus, auf denen diese betriebsamen Menschen trotz der großen Ungünstigkeit der Bodengestaltung und des Wassermangels Baumwolle, Mais, Melonen und Kürbisse erzielen, und zwar mehr, als zu ihrem eigenen Bedarf notwendig ist. An der Arbeit beteiligen sich Männer und Frauen, und dadurch fällt der krasse Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern, der unter den meisten Indianerstämmen so sehr hervortritt, bei diesen halbzivilisierten Menschen schon von selbst weg. Sie besitzen einen gewissen Reichtum an Schafen, dagegen eine verhältnismäßig sehr geringe Zahl von Pferden und Eseln, wofür wohl die gefährliche Nachbarschaft der Navajos als Grund angenommen werden kann.

Die Kleidung der Moquis ist sehr einfach und besteht hauptsächlich aus selbstgewebten Stoffen; die Weiber tragen einen langen, schwarzen, wollenen Rock oder Überwurf, die Männer aber gewöhnlich ein leichtes Jagdhemd und über diesem eine dicke wollene, mit blauen und schwarzen Streifen gezierte weiße Decke.

Wie ich erfuhr, sollen die Moquis nicht alle eine und dieselbe Sprache haben und die Bewohner einiger Städte nicht nur fremde Dialekte, sondern sogar fremde Sprachen reden, so daß nur mittels Dolmetscher eine Verständigung zwischen diesen bewerkstelligt werden kann. Inwieweit diese Angaben begründet sind, vermag ich nicht zu entscheiden, und es ist aufs höchste zu bedauern, daß nichts Authentisches über diese gewonnen worden ist.

Was nun die äußere Erscheinung der Moqui-Indianer betrifft, so fand ich diese durchschnittlich weniger kräftig gebaut als die Zuñis, doch möchte ich den Ausdruck ihrer Physiognomien noch milder und zutrauenerweckender nennen, und sie sind auch wirklich weit und breit als eine friedliebende und betriebsame Nation bekannt. Ihre Schüchternheit gegen Fremde grenzt an Furchtsamkeit, und ihre Klagen dringen infolgedessen auch viel weniger durch als die Anschwärzungen der verwegenen, übermütigen Navajos.

Die Behandlung, die der aus fünfundzwanzig Mitgliedern bestehenden Moqui-Deputation in Fort Defiance zuteil wurde, erfüllte mich übrigens mit den bittersten Gefühlen; auch Dr. Newberry, der bei jeder Gelegenheit die größte Menschenfreundlichkeit und Teilnahme für seinen Nächsten, ohne Unterschied der Farbe, an den Tag legte, war entrüstet, als er die traurigen Mienen der in ihren Erwartungen so getäuschten Moquis beobachtete. In solcher Stimmung versprachen wir uns gegenseitig das zu tun, was in unseren Kräften stand; nämlich nicht nur dort unseren Tadel laut auszusprechen, sondern auch in unseren für die Öffentlichkeit bestimmten Arbeiten desselben zu gedenken.

Als nämlich Lieutenant Ives das Fruchtlose seines Unternehmens, an den Colorado hinabzugelangen, eingesehen hatte, wünschte er von den Moquis einen Führer anzunehmen, der ihn nach dem Cañon de Chelly oder auf den nächsten Weg nach Fort Defiance bringen sollte. Statt eines stellten sich deren über zwanzig, die sich bereit erklärten, ihn ganz nach der Militärstation zu begleiten, um einesteils die kleine Expedition auf den kürzesten Pfaden zu führen, dann aber auch, um unter amerikanischem Schutz die Länder der Navajos durchziehen und als Deputation dem Kommandanten ihre Klagen über die Räubereien der Navajos vorbringen zu können. Lieutenant Ives, stets bedacht, die ihm von seinem Gouvernement zur Verfügung gestellten Mittel auf alle mögliche Weise zu sparen, erklärte indessen, daß er nur eines oder zweier Führer bedürfe und daß er nicht geneigt sei, die ganze Gesellschaft für Dienstleistungen, die er nicht von ihr gefordert hätte, zu belohnen; daß er sie indessen nicht zurückhalte, wenn sie sich seiner Gesellschaft anschließen wolle. Die Moquis rüsteten sich daher mit Lebensmitteln aus und bildeten auf der ganzen Strecke die freundlichen und gefälligen Führer und Begleiter der Expedition.

Gleich nach ihrer Ankunft schon lernten indessen die armen Indianer kennen, wie weit die ihnen selbst angeborene Gastfreundschaft von den weißen zivilisierten Menschen erwidert wurde und was sie von einem Volk erwarten konnten, das sich nicht nur als Verbreiter der Zivilisation auf dem großen Kontinent, sondern auch als dessen unumschränkten Herrn und Gebieter betrachtet.

Die Moquis wurden nämlich gar nicht beachtet; sie begaben sich zwar nach dem zur Aufnahme fremder Indianer bestimmten Schuppen, doch bemerkte ich nicht, daß man ihnen Lebensmittel verabreichte; und als sie dann mit traurigen Mienen vor Webers Wohnung umherstanden und Lieutenant Ives ihrer ansichtig wurde, erklärte er, daß er sie nicht als Führer gedungen habe und deshalb auch nicht gesonnen sei, die Freigebigkeit des Gouvernements durch unverdiente Geschenke an die Eingeborenen zu mißbrauchen. Lieutenant Ives handelte verständig, aber in dieser Hartherzigkeit, die nicht von der liberalen Regierung der Vereinigten Staaten anempfohlen wird, äußerten sich die Vorurteile gegen eine dunkler gefärbte Haut auf eine Weise, daß es sogar den Indianern nicht verborgen bleiben konnte. Aber es waren ja nur Eingeborene; ob nun friedliche, harmlose, und vor allen Dingen moralische Menschen oder verräterische Räuber — ihre Haut war braun, und wie könnten wohl braune oder schwarze Menschen auf Milde und Freundlichkeit von der weißen Rasse rechnen?

Welche Gefühle nach solchem Verfahren die Moquis beseelen mußten und mit welchen Begriffen über die weißen Eindringlinge sie wieder nach ihren friedlichen Städten zurückkehrten, das läßt sich leicht erraten. Die Weißen hatten sie besucht, und die sogenannten Wilden waren den Fremdlingen mit Freundlichkeit entgegengekommen. Die Wilden hatten dann, Gerechtigkeit suchend, sich den Weißen genähert und nur Spott von den Navajos geerntet; doch bin ich überzeugt, daß, wenn abermals Weiße sich in die Städte der Moquis verirren, sie nichtsdestoweniger die Tür jedes Hauses von gastfreundlichen Menschen geöffnet finden werden.

Am folgenden Tag predigte in Fort Defiance ein wandernder Pater; viele Menschen befanden sich in der Kirche und beteten andächtig, dankten vielleicht auch Gott dafür, daß ihre Haut so weiß sei und ihr Herz so fromm; zur selben Zeit aber befanden sich fünfundzwanzig hungernde Moqui-Indianer auf der Reise nach ihrer Heimat.

Einige Stunden nach der Ankunft von Lieutenant Ives‘ Kommando ritt ich in der Gesellschaft des Dr. Newberry dem Lager zu, wir hatten uns lange nicht gesehen und deshalb mancherlei zu erzählen; besonders viel aber sprachen wir von den Moquis, und laut rühmend gedachte ich meines geschätzten Freundes, des Captain Whipple, der die Gabe besitzt, nicht nur erfolgreiche Forschungen unter den Eingeborenen anzustellen, sondern auch durch weise verteilte Geschenke, mehr aber noch durch vertrauenerweckendes Entgegenkommen das Gemüt des wildesten Indianers für sich zu gewinnen.

Als wir im Lager anlangten, befand sich schon ein Trupp Moquis dort; schweigend saßen die armen Leute umher, und so traurig und vorwurfsvoll war der Ausdruck ihrer Augen über die Rücksichtslosigkeit, mit der sie behandelt wurden, daß ich mich schämte, mein Zelt zu verlassen, denn ich war ja auch ein Weißer, an deren Hartherzigkeit, deren Ungerechtigkeit und deren Eigendünkel noch lange in den Moqui-Städten gedacht werden wird. Dr. Newberry, fast der einzige von uns, der noch etwas Wäsche und einige Kleidungsstücke übrigbehalten hatte, suchte alles hervor, was er nur irgend entbehren konnte, reichte es einem schlanken Indianer, drückte ihm die Hand und nahm freundlich Abschied von allen, doch merkte ich an dem Benehmen des braven Doktors, wie sehr es ihn schmerzte, daß den Leuten, die seit mehreren Tagen seine Reisegefährten gewesen waren, keine Speisen verabreicht wurden, obgleich wir Lebensmittel genug aus den Magazinen des Forts beziehen konnten.

Doch ich wiederhole: Es waren ja nur Indianer, die, bitter getäuscht, langsamen Schrittes und hungrig unser Lager verließen, und es waren der Regierung — gewiß gegen ihren Wunsch und Willen — dafür einige Dollar erspart worden!

Am 24. Mai verließ endlich unsere Expedition das Lager bei Fort Defiance, und wir wandten uns in östlicher Richtung dem Campbells Paß zu, durch den die Verbindungsstraße zwischen Fort Defiance und Albuquerque führt. Wir waren wieder alle vereint, sogar der mittels Handschellen gefesselte Mörder fehlte nicht, denn da er einem Zivilgericht übergeben werden sollte, so war Lieutenant Tipton gezwungen, den Menschen zu unserem Leidwesen mit nach Albuquerque zu nehmen.

 

Die Bodengestaltung war unserer Reise sehr günstig; die weite Ebene überschreitend, gelangten wir nach einer Stunde in die Fahrstraße und befanden uns dann bald zwischen Felsen, die, gebildet von den oberen roten Sandsteinschichten des Plateaus, überaus malerische, imposante Formationen zeigten. Da schoben sich von beiden Seiten in den talähnlichen Paß kolossale Wälle, geschmückt mit dunkelgrünen Zedern und Tannen, hinein; da ragten einzelne Hügel von Kalksteingeröll hoch empor; dort erstreckten sich weit in die Nebenschluchten, wie auf künstliche Weise hergestellt, lange Mauern mit zierlichen Pfeilern und scheinbar schwankenden Türmen; auch weite Tore nahm ich wahr, die das Gebirgswasser allmählich ausgespült hatte und durch die der klare, blaue Himmel hinter anmutigen Baumgruppen hervorschimmerte. Bei jeder Biegung der Straße, bei jeder Bewegung nach vorn verwandelten sich die Landschaften und Szenerien, so daß wir in der Naturumgebung ununterbrochen die ansprechendste Unterhaltung fanden. Die Straße war eben und glatt, doch zeigten sich in den alten, von dem dörrenden Wind festgebackenen Wagengeleisen überall die Spuren einer in nassen Jahreszeiten vorherrschenden Unwegsamkeit des Bodens.

Obgleich der Frühling sich in jenen hohen und weniger geschützten Regionen kaum angemeldet hatte und man noch erwarten durfte, einige vom Winter zurückgebliebene Feuchtigkeit zu finden, so suchten wir doch vergeblich nach Wasser in den Betten alter Gießbäche und den beckenähnlichen Niederungen, und sechzehn Meilen hatten wir zurückgelegt, als wir, durch die Nähe des Abends dazu veranlaßt, auf einer hügelähnlichen Anschwellung des Bodens unser Lager aufschlugen. Kalter Westwind fegte durch die Schluchten, sang melancholisch zwischen den Zedern, die uns und unserer Herde Schutz gewährten, und trieb prasselnd die Flammen der Scheiterhaufen empor, um die wir bis tief in die Nacht hinein plaudernd und rauchend versammelt waren.

25. Mai. Auf den stürmischen Abend und auf die rauhe Nacht folgte ein Morgen so schön und lieblich, wie ihn der erwachende Frühling nur zu bieten vermag. Es war freilich in den Frühstunden kalt, doch konnte man in der stillen, sonnigen Atmosphäre gleichsam die belebende Kraft fühlen, die Menschen und Tiere mit Wollust einatmen und die, sich verhüllend in Millionen von Tauperlen, die verborgenen Wurzeln von Gräsern und Kräutern wohl zu finden weiß. Ja, es war ein herrlicher Morgen, einige Navajo-Familien befanden sich bei uns im Lager; in malerischen Gruppen kauerten sie um die niederbrennenden Feuer oder standen auch umher, aufmerksam zuschauend, wie die Mexikaner das Gepäck auf den Rücken der geduldigen Tiere befestigten. Wir selbst prüften die Decken, die auf den braunen Schultern runzliger Krieger und schlanker Burschen hingen oder die Oberkörper unsauberer Weiber und klaräugiger Mädchen bedeckten, und stellten Versuche an, einzelne derselben, die sich durch schöne Farben auszeichneten, einzutauschen; doch leider hatten wir in Fort Defiance kein Geld beziehen können und waren so verarmt, daß wir nur noch durch unsere Federmesser die Indianer zu reizen vermochten, und es gelang uns auch wirklich, für kleine, zweiklingige Messer schöne Satteldecken einzuhandeln.

Wir brachen endlich auf und folgten unserer Straße in östlicher Richtung über Hügel, durch Schluchten, Wiesen und Waldungen. Der Charakter der Umgebung blieb beständig derselbe, doch ein steter Wechsel in der Verteilung von Fels, Baum und Ebene erfreute das Auge, und zahlreiche Herden verrieten eine verhältnismäßig dichte Bevölkerung. Der Abend rückte näher, die Tiere hatten wir in der Mittagsstunde aus einer Pfütze am Weg getränkt, und als wir daher die zurückgelegte Meilenzahl bis auf zwanzig gebracht hatten, hielten wir an, wo wir uns gerade befanden, nämlich am Rande einer weiten Grasebene, wo wir zwar Futter für die Tiere, aber kein Wasser fanden. Einige Navajos, die sich zu uns gesellten, teilten uns mit, daß wir zehn Meilen weiter auf einen umfangreichen See stoßen würden, und wir brauchten uns also nicht weiter zu beunruhigen, da wir darauf rechnen konnten, in den Frühstunden des folgenden Tages imstande zu sein, zum erstenmal seit unserer Abreise vom Fort die Tiere nach Herzenslust trinken zu lassen.

Die Navajos waren sehr niedergeschlagen und ergingen sich in lauten Klagen über ihren Bruderstamm, die Apachen. Diese hatten nämlich in der vorhergehenden Nacht die äußersten Ansiedlungen der Navajos überfallen, neun Männer erschlagen und außer einer bedeutenden Anzahl von Pferden auch noch zwanzig Weiber und Kinder gefangen mit fortgeführt. — Ich darf nicht leugnen, daß ich über den Verlust der Pferde einige Schadenfreude empfand und dabei an die Moquis und Zuñis dachte; daß aber von seiten der Regierung der Vereinigten Staaten geduldet wird, daß die Eingeborenen sich untereinander in wilder Rachsucht aufreiben und sogar ihre Schlächtereien in der Nähe von Militärstationen ungestraft vornehmen dürfen, das konnte ich nur tief beklagen.

Wir setzten am 26. Mai unsere Reise fort und befanden uns fast ununterbrochen zwischen Präriehundedörfern, deren regsame Bewohner uns aus der Ferne unwillig anbellten, bei unserer Annäherung aber die kleinen Hügel vor ihren Wohnungen verließen, in ihre Höhlen hineinkrochen und, nur den Kopf hervorstreckend, eifrig weiterkläfften. Glaubten die kleinen, reizenden Tiere dann die Gefahr an sich vorübergezogen und weit genug entfernt, dann nahmen sie ihre Lieblingsplätzchen auf den Hügeln wieder ein, wedelten mit dem aufrecht stehenden Schwänzchen, sandten uns wie ungezogene Gassenbuben noch einige Scheltworte nach und vereinigten sich endlich zu tollen Spielen auf staubigem Sand im lachenden Sonnenschein. Die fröhlichen, harmlosen Tierchen — wie oft habe ich sie aufmerksam belauscht und mich an ihrem geselligen Zusammensein, an ihrem munteren Wesen erfreut!

Nur wenige Meilen waren wir erst geritten, als wir einem starken Wagentrain begegneten, der Proviant nach Fort Defiance führte. Wir hielten einige Minuten an, wechselten das Woher und Wohin, wünschten uns gegenseitig glückliche Reise, wie es gebräuchlich ist, beneideten uns gegenseitig um die besten Tiere, wie es gewöhnlich ist, wandten uns dann den Rücken, wie es natürlich ist, und gedachten einer des anderen nicht weiter als unumgänglich notwendig; und es war das gewiß eine sehr kurze Zeit in einer Naturumgebung, die dem Auge und dem Gemüt soviel Schönes, soviel Edles bot.

Wir befanden uns schon seit dem vorhergehenden Tag zwischen zwei Bergketten, die in der Richtung von Nordwesten nach Südosten parallel aneinander hinliefen. Beide waren nicht hoch — kaum über achthundert Fuß —, doch insoweit verschieden voneinander, als die südliche nur sanft ansteigende, zedernbewaldete Abhänge zeigte, während die nördliche als massiver roter Sandsteinwall senkrecht aus dem ebenen Boden emporragte. Ich glaubte übrigens zu bemerken, daß der südliche Abhang der südlichen Bergkette ebenfalls mauerähnlich abfiel und daß der nördliche Abhang der nördlichen Felsenreihe sich sanft gegen Norden senkte. — Es ist dies eine Eigentümlichkeit der meisten der einander parallel laufenden Bergketten in den Navajo-Territorien, und es hat ganz den Anschein, als ob einst die ungeheuren Gesteinslagen des hohen Plateaus vielfach linienweise durchbrochen und die solchergestalt entstandenen langen Felder auf der einen Seite furchenähnlich aus dem Boden emporgehoben worden seien, während die andere Seite in der ursprünglichen Ebene haften blieb. Diese Revolution schreibt man, beim oberflächlichen Hinblick auf diese, gern den frühesten Wirkungen der San Francisco Mountains und des noch näheren Mount Taylor zu; bei genauerer Forschung aber ist man mehr geneigt, das Erhebungssystem der Kette der Rocky Mountains als Grund hierfür anzunehmen.