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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Wir dankten dem Pater für seine freundliche Begleitung sowie für die Höflichkeit, mit der er die Schadhaftigkeit des Gebäudes entschuldigte, und begaben uns dann mit Pedro Pino zurück nach seiner Wohnung, wo wir diesmal das Dach zu unserem Aufenthalt wählten. Dasselbe war ebenso sauber wie die inneren Räume und ringsum mit einer drei Fuß hohen Mauerbrüstung umgeben. Ich vermochte von dort aus die ganze östliche Hälfte des Tals mit seiner imposanten Felseinfassung zu überblicken, dagegen lag hinter mir, stufenweise ansteigend, die altertümliche Stadt mit ihrem regen Leben. Auf den Mauern saßen einzelne Truthühner und gezähmte Adler,Schon in den ältesten Nachrichten der spanischen Missionare über jene Völker findet man vielfach das gezähmte Federvieh erwähnt, und zwar vorzugsweise die Truthühner. Gezähmte Adler erblickte ich in fast allen indianischen Pueblos, teils in Käfigen, teils, ähnlich den Truthühnern, frei auf den Mauern umhersitzend. Das Einsammeln der Federn dieser Vögel scheint am meisten zum Brauch des Haltens derselben beigetragen zu haben. und auf der Straße bewegten sich in friedlichem Durcheinander Menschen, Schafe und Esel.

Nachdem ich die Aussicht nach allen Richtungen hin meinem Gedächtnis nach Kräften eingeprägt hatte, stiegen wir in das Innere der Wohnung hinab, sagten ein herzliches Lebewohl der ganzen Familie und begaben uns dann auf den Heimweg nach dem Lager. Pedro Pino, der getreue Mentor, schien an unserer Gesellschaft Gefallen zu finden, denn als wir ins Freie traten, teilte er uns mit, daß er uns zurückbegleiten würde.

Dreißigstes Kapitel

Der Mord — Das Begräbnis — Zuñi war früher die Stadt Cibola — Lager in der Schlucht — Ober die Ländereien der Navajos — Hinabgehen zum Puerco — Zahlreiche Viehherden der Navajos — Ankunft bei Fort Defiance — Verlegung des Lagers nach einer kleinen Schlucht — Die natürliche Brücke — Tierleben in der Schlucht — Der Diebstahl — Beschreibung der Umgebung des Forts — Cañon Bonito — Das Fort — Verhältnis zwischen den Amerikanern, den Maquis und den Navajos

Wie Peacock vorhergesagt hatte, so geschah es auch. Schon in den Nachmittagsstunden trafen einige Soldaten mit schweren Köpfen im Lager ein, und als wir uns am späten Abend in unser Zelt zurückzogen, wurden einer von Lieutenant Tiptons Mexikanern sowie auch der Hornist seines Kommandos als abwesend gemeldet. Da beide gesehen worden waren, als sie im trunkenen Zustand und miteinander hadernd die Stadt verließen, so beunruhigten wir uns nicht weiter und lebten in der Meinung, daß sie, von einer starken Ladung Whisky zum Gehen unfähig gemacht, sich für die Nacht auf der offenen Straße oder unter irgendeinem Busch einquartiert hätten.

Die Nacht verging ohne Störung, und das erste Grau des Tages trieb uns, zum Zweck eines frühen Aufbruchs, ins Freie. Kaum hatten wir das Zelt verlassen, als der wachhabende Sergeant die Meldung überbrachte, daß zwar der Mexikaner mit furchtbar zerschlagenem Gesicht zurückgekehrt sei, aber von dem Soldaten, der mit ihm zugleich die Stadt verlassen habe, nichts wissen wolle. Lieutenant Tipton war schon im Begriff, eine Patrouille nach diesem auszusenden, als der Kriegshäuptling José Maria herangaloppierte und uns benachrichtigte, daß auf dem Weg nach der Stadt ein Soldat liege. Noch immer war uns der Gedanke an einen Mord fern, und wir glaubten nichts anderes, als daß der übermäßige Genuß des Branntweins den Menschen in einen besinnungslosen Zustand versetzt habe. Es wurde indessen sogleich eine Anzahl Leute abgesandt, den Toten oder Scheintoten herbeizuschaffen.

Mit unserem frühen Aufbrach war es jetzt natürlich vorbei, und ich benutzte daher die Zeit, meine Aufmerksamkeit unserem Freund José Maria zuzuwenden und Erkundigungen über meinen alten Reisegefährten José Hatche einzuziehen, den ich bis dahin noch nicht wiedergesehen hatte. José Maria wies auf meine Frage mit der Hand in der Richtung nach der Stadt hin, wo sich einige Reiter auf uns zu bewegten, und teilte mir mit, daß José Hatche eben komme, um uns zu begrüßen, daß ich ihn aber nicht wiedererkennen würde, indem sein ganzes Gesicht durch eine Krankheit zerrissen und zerstört worden sei. Ich konnte nicht anders vermuten, als daß er von den Blattern heimgesucht worden sei, doch wie erschrak ich, als ich die Gestalt meines alten Gefährten erblickte und in seinen Zügen, die von einem Krebsschaden zerfressen waren, kaum noch Ähnlichkeit mit einem menschlichen Wesen entdeckte. José Hatche hatte mein Erschrecken und mein Bedauern wohl bemerkt, es war vielleicht das erstemal, daß er jemandem begegnete, der ihn zur Zeit seiner Blüte kennengelernt und, ohne den allmählichen Fortschritt der furchtbaren Krankheit von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr beobachtet zu haben, ihn nun plötzlich so gräßlich entstellt wiedersah.

Ich wiederhole, José Hatche war nicht blind für die Trauer, die sich, gewiß nicht absichtlich, in meinen Zügen spiegelte und natürlich seinen eigenen Schmerz aufs neue wachrief; denn ich bemerkte, wie seine tränenlosen Augen sich höher röteten und wie ein herber Seufzer sich seiner breiten Brust entrang, als er sich von seinem Eselchen zu mir hinneigte und mit aller Kraft meine Hand drückte. Der arme entstellte Häuptling, der einst seine lange, schwere Büchse wie ein dünnes Rohr schwang und wie spielend das wildeste Pferd bändigte; seine Tage waren jetzt gezählt, für seine Leiden und für seinen Schmerz gab es keine Heilung, keine Linderung mehr als den Tod; mag er nicht lange mehr auf sich haben warten lassen!

Ich reichte José Hatche mein letztes Restchen Tabak und wandte mich dann den Leuten zu, die eben auf einer Decke die Leiche des Hornisten herbeibrachten. An dem Blut, das durch die Decke träufelte, sah ich schon von fern, daß der Mensch auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen war, und als die Leute ihn dann niederlegten, überzeugte ich mich leicht von der Todesart desselben. Eine Revolverkugel war ihm auf der Stirn zwischen die Augen in den Kopf gedrungen, hatte das Gehirn zerschmettert und war am Hinterkopf wieder herausgefahren. Ich untersuchte die Wunden genau und zweifelte nicht daran, daß er den Schuß nicht in verräterischer Weise von hinten, sondern in ganz geringer Entfernung von vorn erhalten hatte. Der Tod mußte augenblicklich erfolgt sein, denn die Augen hatten sich noch nicht geschlossen, und beide schielten mit gräßlichem Ausdruck nach der Wunde hin; auch die Hände und steifgewordenen Glieder bewiesen durch ihre Stellung, daß nicht das geringste Zucken dem sicheren Schuß gefolgt war. So lag er nun da, der junge Mensch, ein Opfer des Trunks und der Zügellosigkeit. Die Menschheit hatte durch das Unglück nur wenig verloren, denn nach allem, was ich über den Burschen erfuhr, stand sein Ende vollständig im Einklang mit seinem Leben; aber in der Szene vor mir sowie in dem ganzen Vorfall die Abscheu erregende Gesunkenheit zu beobachten, bis zu der sich das Menschengeschlecht herabzuwürdigen vermag, das war genug, um zu tiefem Ernst und zur Traurigkeit zu stimmen.

Daß der Mexikaner, der in der Gesellschaft des Verunglückten trunken und hadernd die Stadt verlassen hatte, auch der Mörder war, unterlag keinem Zweifel; daß aber der Soldat durch Mißhandlungen den Rachedurst des Mexikaners aufgestachelt hatte, davon zeugte dessen verschwollenes, blutunterlaufenes Gesicht; und da dieser keinen Revolver führte, so mußte er dem Soldaten während des Ringens den eigenen entrissen oder aus dem Gürtel gezogen und nach dem Mord fortgeworfen haben. Die Waffe war nämlich spurlos verschwunden, dagegen hatte man die Leiche mit der Decke des Mexikaners verhüllt gefunden und bei dem mutmaßlichen, noch trunkenen Mörder dafür die halb ausgeleerte Branntweinflasche des Getöteten.

So klar die Sache auch vorlag, so leugnete der Mörder doch hartnäckig die Tat; er wurde indessen gefesselt, eine Schildwache zu ihm hingestellt und dann zur Beerdigung des Erschossenen geschritten. Am nördlichen Rand der Zuñi-Ebene, wo der Boden hügelweise zu steigen beginnt und wo dunkelgrüne Zedern sich vereinzelt von der Höhe hinab in die Ebene hineindrängen, ist eine nackte, abgesonderte Erhebung des Bodens bemerkbar. Man hat eine herrliche Aussicht von dort über die Felder der Zuñis, auf die graue Stadt und auf die mächtigen Felswälle, welche hinter derselben und auch zu beiden Seiten majestätisch emporragen. Dorthin begaben sich einige Mitglieder der Eskorte, um ihrem Kameraden ein Grab zu schaufeln, während andere die Leiche sauber in Decken einnähten und sodann auf Zeltstangen zu ihrer letzten Ruhestätte hintrugen. Neun mit Musketen bewaffnete Soldaten folgten unter dem Kommando des Lieutenants; auch Peacock und ich schlossen uns dem Zug an, und dahin ging es im langsamen Schritt durch die sandigen Felder der Zuñis.

Als wir den Hügel erreichten, war das Grab fertig, und sogleich wurde die Leiche in die Erde gesenkt. Eine Rede wurde nicht gehalten, ein Gebet nicht gesprochen, statt dessen aber krachten dreimal neun Schüsse über das offene Grab und seinen einsamen Bewohner, worauf alle Hand anlegten, durch eine Schicht von Zedernzweigen und schweren Steinen die Leiche gegen den Angriff der Wölfe zu sichern. Die Schaufeln wurden danach wieder zur Hand genommen, und bald darauf erhob sich ein einfacher Grabhügel auf dem nackten, steinigen Boden.

»Gewehr auf! Kehrt! Marsch!« kommandierte Lieutenant Tipton.

»Ich wünschte, der Bursche wäre im Kampf gegen die Indianer gefallen«, sagte Peacock, indem er seinen Arm durch den meinigen schob. »Tot ist tot«, antwortete ich, »mögen ihm die Tränen seiner Eltern, die jetzt vergeblich auf seine Rückkehr harren, nicht angerechnet werden, und mögen die Wölfe seine Gebeine in Ruhe lassen.«

Das war das Begräbnis in der Wüste.

Als wir ins Lager zurückkehrten, trafen wir alle Anstalten zum schleunigen Aufbruch, denn da wir uns nur noch drei Tagereisen weit von Fort Defiance befanden, so zogen wir es vor, den Mörder nicht zu richten, sondern mit dorthin zu nehmen. Uns wären ja doch nur zwei Wege offengeblieben, und zwar, entweder den Menschen, in Ermangelung eines Baumes zum Hängen, sogleich zu erschießen oder ohne Waffen und Lebensmittel entspringen zu lassen, und ich glaube fast, daß bei einer aus unserem Personal zusammengesetzten Jury mehr Stimmen für letzteres laut geworden wären, um so mehr, als der gewiß bald zurückkehrende Savedra sich des hilflosen Landsmanns gewiß angenommen hätte. Auch der mexikanische Pater in Zuñi würde dem armen Sünder schwerlich den leiblichen Trost versagt haben.

 

Eine geringe Verzögerung trat noch dadurch ein, daß einige Maultiere von der Herde abhanden gekommen waren und die ausgesandten Leute zwei derselben nicht wieder auffinden konnten. Unsere Rationen, die nur noch auf zwei Tage ausreichten, erlaubten uns indessen nicht, länger zu verweilen, und nachdem wir José Maria den Auftrag erteilt hatten, die fehlenden Tiere suchen zu lassen und uns nachzusenden, verließen wir gegen Mittag das Lager. Wir ritten nach der Ostseite des Zuñi-Tals hinüber und gelangten bald in eine alte Fahrstraße, die in nördlicher Richtung nach dem Militärposten Fort Defiance führte. Ein Navajo-Indianer befand sich in unserer Begleitung; dieser hatte sich besuchsweise einige Tage in Zuni aufgehalten, und es schien José Maria sehr gelegen, denselben als Führer mit uns senden zu können; dabei riet er aber, dem Menschen nicht zu trauen und ihn besonders während der Nacht scharf zu bewachen.

Wer nicht imstande ist, auch in einer stiefmütterlich behandelten Naturumgebung wahre Freuden zu suchen und zu entdecken, der findet auf dergleichen Expeditionen oftmals nur sehr geringen Ersatz für erduldete Beschwerden und Entbehrungen. Es genügt nicht, daß man einen Genuß im freien Jagdleben findet, denn solcher Genuß wird häufig auf Wochen durch den gänzlichen Mangel an Wild verkürzt; es genügt nicht, daß man aufmerksam die Geheimnisse der Natur zu erforschen strebt, denn auch hier vermag man zuweilen in längeren Zeiträumen keine wesentlichen Veränderungen wahrzunehmen, selbst wenn auch die äußeren Formen bei jedem Schritt voneinander abweichen und dem Auge eine beständige, bis ins Unendliche hineinreichende Abwechslung bieten. Innige Liebe aber zur schöpferischen Natur macht jeden Augenblick wertvoll und erfrischt das Gemüt wie das Auge sogar in unwirtlichen Wildnissen. Wie oft habe ich auf meinen einsamen Ritten durch grausige Felswüsten mit dem Echo gespielt und mich an der Deutlichkeit der zurückschallenden Worte ergötzt! Und wie melodisch erschienen mir die heiseren Töne, wenn sie in leisen Schwingungen von Schlucht zu Schlucht getragen wurden! Mit welcher Wonne begrüßte ich dann wieder den ersten grünen Baum, und wie oft hielt ich bewundernd vor einem kleinen Grasplätzchen still, um mich wollüstig auf grünem Rasen auszustrecken, während mein Tier emsig die saftigen Halme abrupfte! Wie erfüllte mich der blaue, sonnige Himmel mit Frohsinn, zürnendes Gewölk mit Verehrung und das in nächtlicher Beleuchtung strahlende Firmament mit Andacht! In solchen Augenblicken ist es, als ob es aus jedem Felsen, jedem Baum, jeder Blume und jedem Blatt zu dem Menschen spräche, zu dem Menschen, der mit seinem Hader so vielfach die heilige Natur entweiht.

So dachte ich, als ich mich am Rand des Zedernwaldes umwandte und einen langen Scheideblick auf das Tal der Zuñis und auf ihre Stadt warf. Die Mängel übersehend, hatte ich nur ein Auge für Schönheiten, und vergessen waren für Momente die jüngst erlebten widrigen Ereignisse. — So ernst und majestätisch standen sie da, die in bläulichen Duft gehüllten, unerschütterlichen Felsmassen; so ruhig und friedlich dehnte es sich aus, das weite Tal mit seiner altertümlichen Stadt und seinen betriebsamen Bewohnern! Die Sonne beleuchtete alles gleich freundlich, die Berge wie die Ebene, die Wohnungen friedfertiger Menschen wie den von gewaltsam vergossenem Blut geröteten Sand. — So erschien mir das Tal der Zuñis jetzt, so war es schon damals, als eisenbekleidete Spanier zum erstenmal verwunderungsvoll auf diese Landschaft niederblickten. Ich wandte mein Tier, um der vorangeeilten Expedition nachzufolgen, und wie ich durch die niedrige, aber düstere Waldung dahinritt, tauchten vor meiner Seele die phantastischen Bilder längst entschwundener Zeiten auf.

Wenn wir die aus dem sechzehnten Jahrhundert stammenden alten spanischen Beschreibungen des Königreichs Cevola oder CibolaMarco de Nica, der dieses Königreich zuerst besuchte und beschrieb, nennt es »Cevola«. Coronado verwandelte den Namen in »Cibola«, und jetzt werden allgemein in Neu-Mexiko unter Cibolo Büffel verstanden. Whipple leitet diese Bezeichnung von den Büffelhäuten her, die in großer Anzahl in diesen Ländern gegerbt wurden. Glaublicher noch ist es, daß in diesem Fall der Name von den Büffelherden abgeleitet wurde, die, wie erwiesen, von jenen Nationen als Haustiere gehalten wurden. mit der jetzigen Stadt Zuñi und deren Bewohnern vergleichen, so zweifelt man kaum, daß Zuñi und die nächsten Trümmerhaufen, vielleicht auch noch einige der benachbarten bewohnten Pueblos, einst das Königreich Cibola bildeten. Man wird in dieser Ansicht bestärkt, wenn man die alten Reisejournale aufmerksam verfolgt und auf die Territorien von Neu-Mexiko, soweit dieselben bekannt sind, anwendet. Nach einem solchen Journal verließ Pater Marco de Nica am 7. März 1539 San Miguel in der Provinz Culiacan, zog durch die Wüste, die sich zwischen dem Rio Yaqui und dem Rio Sonora ausdehnt, und gelangte nach Überschreitung einer anderen Wüste in östlicher Richtung in ein weites, reich bevölkertes Tal mit großen Städten, wahrscheinlich die Casas Grandes am Gila. Dort erhielt er genauere Nachrichten von der dreißig Tagereisen weiter nördlich gelegenen Stadt Cibola und setzte seine Reise in der angegebenen Richtung fort.

Nach mühseliger Wanderung und nach Berührung von zahlreichen Städten, deren geographische Beschreibung jetzt auf manche Trümmerhaufen anwendbar erscheint, gelangte Marco de Nica endlich in die Nähe der Stadt Cibola, die ihm als die kleinste von sieben das Königreich bildenden Städten bezeichnet wurde. Furcht vor den Feindseligkeiten der Bewohner aber, die seinen Neger schon erschlagen hatten, hielt den ehrwürdigen Bruder ab, sich in die Stadt selbst hineinzuwagen, doch genoß er von einem Berg aus eine Aussicht auf diese, und er beschreibt sie in folgender Weise: »Die Stadt Cibola liegt in einer Ebene am Fuß eines runden Hügels; es scheint eine schöne Stadt zu sein, und sie ist besser angelegt als irgendeine andere in dieser Gegend. Die Häuser sind regelmäßig gebaut, haben verschiedene Stockwerke und flache Dächer.«

Wenn nun auch diese Beschreibung auf jedes andere Pueblo von Neu-Mexiko paßt, so ist Zuñi doch die einzige Stadt, die ich bis jetzt kennenlernte, die sich auf einem Hügel in einer Ebene befindet. Alle übrigen liegen entweder in Ebenen, wo keine Unregelmäßigkeiten des Bodens bemerkbar sind, oder auch auf hohen Felsplateaus.

Francisco Vasquez de Coronado besuchte Cibola im Jahre 1540, und seine Nachrichten stimmen mit denen des Marco de Nica ziemlich genau überein; auch erwähnt derselbe noch besonders die gezähmten Truthühner, die nicht ihres Fleisches, sondern ihrer Federn wegen gehalten wurden. Andererseits widerspricht Coronado den märchenhaften Berichten, die Marco de Nica über den Goldreichtum jener Völker machte und die wohl mehr berechnet waren, die Forschungen nach jenen Gegenden hinzulenken.

Als Neu-Mexiko in den Jahren 1581 und 1583 von Augustin Ruyz und von Antonio de EspejoDer Franziskanermönch Augustin Ruyz und andere verließen im Jahre 1581 Santa Barbara und reisten 250 Leguas nördlich in eine Provinz, die de los Tiguas genannt wurde. Nachdem hier einer der Mönche von den Indianern getötet worden war, kehrten die Soldaten nach Mexiko zurück und ließen die übrigen Missionare bei den Wilden. Im folgenden Jahr (1582) brach eine neue Expedition unter dem Kommando des Capitan Antonio de Espejo auf und gelangte an den Rio Grande del Norte. Espejo reiste längere Zeit im reichbevölkerten Tal dieses Stroms aufwärts, erreichte, sich dann westlich wendend, Zuñi und, wie aus den Beschreibungen hervorgeht, auch die Moqui-Städte. besucht wurde (auf der Gila-Straße), drangen diese bis zum Rio Grande del Norte durch, wo sie eine sehr dichte Bevölkerung entdeckten. Diesem Fluß bis oberhalb des 34. Grades n. Br. aufwärts folgend und sich danach wieder westlich wendend, gelangten sie nach Pueblo Acoma und von dort nach Zuñi, »das von den Spaniern Cibola genannt worden war«. Die volkreichen, weiter westlich gelegenen Städte, welche sie ebenfalls teilweise besuchten, können nur die Pueblos der Moquis gewesen sein, denn die am Colorado Chiquito gelegenen Ansiedlungen waren zu jener Zeit wohl schon längst wieder verlassen und in Trümmer zerfallen.

Aus all diesen Beschreibungen nun, mögen sie dem Altertum oder der Neuzeit angehören, geht immer hervor, daß die Zuñis einen der wenigen Völkerstämme bilden, die, obgleich fremdem Einfluß unterworfen, doch Jahrhunderte hindurch ihre Nationalität auf größtenteils friedlichem Weg zu behaupten wußten. Beim Hinblick hierauf gewinnt man unwillkürlich Interesse, ja Achtung vor einem Volk, dessen Charakter, patriarchalische Sitten und Bräuche im Sturm der Zeiten unverändert blieben, während die zahlreichen Nachbarstädte durch Auswanderung entvölkert wurden und ihre einst blühende Umgebung in eine öde Wildnis zurücksank.

Wie vor dreihundert Jahren, so steht auch jetzt noch in einer Ebene auf einem Hügel die Stadt Zuñi. Wann aber die Ruinen des alten Zuñi, die sich auf noch viel älteren Trümmerhaufen auf dem hohen Felsplateau erheben, verlassen und die neue, am Zuñi-Fluß gegründete Stadt bezogen wurde, das liegt begraben in tausendjähriger Vergangenheit. Zivilisierte Völker besuchen die von ihren Vorfahren herstammenden Ruinen, um daselbst froh die Gegenwart zu genießen. Die Zuñis haben auf den Gräbern ihrer Väter Altäre gegründet, und obgleich katholische Christen, beten sie dort nach ihren altherkömmlichen Bräuchen. —

Der Packtrain hatte fortwährend die alte Fahrstraße beibehalten, ich entdeckte indessen einen schmalen Pfad, der in gerader Richtung die gewundene Straße vielfach durchschnitt, und auf demselben hintrabend, gelangte ich bald wieder an die Spitze des Zuges, wo sich auch Peacock wieder zu uns gesellte, der nach der Stadt zurückgeritten war, um Pedro Pino selbst von dem Fehlen der Maultiere in Kenntnis zu setzen. — Lieutenant Tipton sowohl wie Peacock bezweifelten, je etwas von den Tieren wiederzusehen, ich dagegen behauptete das Gegenteil und bestand darauf, daß, wenn dieselben nicht von den Navajos geraubt worden seien, sie sich innerhalb vierundzwanzig Stunden wieder in unserem Lager befinden würden. So ritten wir dahin, streitend und erzählend, bergauf und bergab; trockener Kies bildete beständig unseren Boden und krüppelige Zedernwaldung unsere Umgebung.

Zwölf Meilen hatten wir zurückgelegt, als wir uns plötzlich am Rande einer breiten Schlucht befanden, aus welcher uns grüne Rasenplätze und blanke Wasserspiegel entgegenschimmerten. Der Weg führte steil abwärts, doch erreichten wir mit unseren Packtieren leicht den wegsameren Boden der Schlucht, der wir dann auf eine kurze Strecke folgten. Auf den Rat des Indianers lagerten wir nahe einem teichähnlichen Gewässer, um hier am folgenden Morgen die Fahrstraße zu verlassen und einen näheren, nur für Packtiere zugänglichen Pfad über die Höhen in nördlicher Richtung einzuschlagen. Wasser war natürlich mehr als im Überfluß vorhanden, doch hatte es einen so übeln, brackigen Geschmack, daß es fast untrinkbar dadurch wurde; selbst die Tiere schienen es zu meiden und verließen sogar den dichten, aber mit Alkalistaub überzogenen Rasen, um an den Abhängen der hohen Ufer nach spärlicherem, aber dafür nahrhafterem Futter zu suchen.

Wie leicht und gern verschmerzt man Unbequemlichkeiten, wenn man dafür durch eine anmutige, gleichsam lachende Umgebung entschädigt wird. Da lagerten wir in der Mitte eines länglichen Felsenkessels, senkrechte Wände schienen uns nach allen Richtungen hin den Ausweg abzusperren, und wie um das Starre der massiven Gesteinslagen zu mildern, drängten sich überall die lebensfrischen Kronen schlanker Tannen und die eigentümlichen Formen der Zedern hervor. Auch hohe Felsentürme und Pfeiler standen abgesondert umher, doch war nur die obere Hälfte derselben sichtbar, indem schattiges Buschwerk vorzugsweise in den Felsenwinkeln wucherte und die Basen der Gebilde verbarg. Was indessen der ganzen Umgebung den eigentlichen Reiz verlieh, das waren die schönen Farben, die auf so gefällige Weise miteinander abwechselten, und der grelle Kontrast, hergestellt durch die hellgelbe und rötliche Sandsteinformation und die dunkelgrünen Massen des Nadelholzes.

 

Dieselbe Formation und auch ähnliche Abwechslung der Umgebung beobachtete ich, solange ich mich in den Territorien der Navajo-Indianer befand. Die Grenzen derselben stoßen im Süden an das Gebiet der Zuñis, im Westen und Nordwesten an das der Moquis; im Norden dagegen wird der in den Colorado mündende Rio San Juan und im Osten der Hauptrücken oder die Wasserscheide der Rocky Mountains als Grenze angenommen. Die Eigentümlichkeiten dieses umfangreichen Landstrichs, die ihn gleichsam charakterisieren, sind seine Berge und seine Schluchten, größtenteils gebildet durch ein einstmals zusammenhängendes, jetzt aber vierfach gespaltenes Plateau. Die Schluchten, die in den meisten Fällen von senkrechten Felswänden eingeengt sind, dienen hauptsächlich zur Kommunikation in diesem durchbrochenen Terrain. Diese sind durch äußere Einflüsse allmählich so sehr erweitert worden, daß sie jetzt zusammenhängenden, malerischen Tälern gleichen, in denen die zahlreichen Herren der Navajos während des größten Teils des Jahres nahrhaftes Gras und während der winterlichen Schneestürme notdürftigen Schutz und mitunter sogar auch Obdach in natürlichen Höhlen finden. Die Baumvegetation beschränkt sich auf die verschiedenen Zedernarten, Zwergeichen und Tannen, und letztere erreichen in den Niederungen solche Höhe und Umfang, daß sie sich vortrefflich zu Bauholz eignen.

Überhaupt kann ich die Ländereien der Navajos nur als überaus schön, romantisch und ansprechend schildern, und eine äußere Ähnlichkeit zwischen diesen und einigen Punkten der Sächsischen Schweiz ist ganz auffallend; doch gebe ich zu, daß die Fruchtbarkeit der Täler in keinem Verhältnis zu ihrer einladenden, freundlichen Erscheinung steht. Ein Hirtenvolk vermag es dort leichter als der Ackerbauer, sich mit einer gewissen Art von Wohlstand zu umgeben, denn wohin man sich auch in den kleinen Ebenen und Tälern wendet — überall erblickt man den Sodastaub, der die Fruchtbarkeit so sehr beeinträchtigt, während das kurze, aber sehr nahrhafte Gras an den Abhängen und auf den Plateaus selbst eine überaus wertvolle Zugabe zu den Salzweiden in den Niederungen bildet.

In der Frühe des 13. Mai, als wir eben im Begriff waren, uns zum Frühmal niederzusetzen, trabte plötzlich ein Zuñi-Indianer mit den beiden verlorenen Maultieren ins Lager. Wie er angab, waren diese bald nach unserem Aufbruch gefunden worden, doch hatte er sich gescheut, sie am Tag nachzubringen, und sich unter dem Schutz der nächtlichen Dunkelheit sicherer gegen die verräterischen Navajos gefühlt. Es sollten ihm Speisen verabreicht werden, doch konnte Peacock ebensowenig wie Lieutenant Tipton sich dazu entschließen, mit einem Eingeborenen an demselben Tisch zu sitzen, und der Indianer kauerte sich daher bei den Köchen nieder, die, weniger von Vorurteilen befangen, sich durch die braune Hautfarbe nichts von ihrem Appetit nehmen ließen. Übrigens glaubte ich in dem Benehmen des Indianers zu erkennen, daß er sich weniger um unsere Gesellschaft als um die Speisen und die ihm verabreichten zwei Dollars kümmerte.

Wir verließen die Schlucht, die in dortiger Gegend unter dem Namen Posos bekannt ist, und uns nördlich wendend, folgten wir einem schmalen, vielfach gewundenen Pfad aufwärts, der uns an manchen tiefen Abgründen vorbei und endlich auf das Hochland führte. Nach kurzer Zeit aber schon befanden wir uns wieder am Rande eines tiefen Cañons, bei dessen mühseliger Durchschreitung wir es bedauerten, nicht der bequemeren Wagenstraße gefolgt zu sein, denn nicht wenig Verzögerung verursachte das Umpacken der Lasten, die sich auf den abschüssigen Wegen beständig mit den Sätteln verschoben und zuweilen auch ganz von dem Rücken der Tiere herabglitten.

Nach dreistündigem Ritt gelangten wir endlich in die Nähe des Rio Puerco. Dieser lag ungefähr zwölfhundert Fuß tief unter uns, und wir vermochten sein dürres, sandiges Tal weithin gegen Süden zu überblicken, wo es sich in eine wüste Ebene öffnete, während gegen Nordosten gigantische rote Sandsteinfelsen sich in das Tal hineinschoben und seine nördliche Verlängerung unseren Augen verbargen. Wir stiegen ab, und die Tiere am Zügel führend, folgten wir vorsichtig einer dem anderen auf dem gefährlichen Pfad, zu dessen beiden Seiten abwechselnd sich tiefe, schauerliche Abgründe öffneten. In geringer Entfernung, aber getrennt durch das trockene Bett eines Wildbachs, erhoben sich höher und höher, in dem Maße in dem wir abwärtsstiegen, die phantastisch ausgewaschenen Strebepfeiler und Kuppen des mächtigen Sandsteinplateaus, dessen von der Sonne grell beleuchtete rote Farbe das Auge fast blendete. Immer tiefer hinab zogen wir, immer bläulicher schimmerten die Zedern, die das Plateau krönten, bis wir uns endlich im sandigen Bett des Wildbachs befanden, wo ein ebenerer Weg offenstand.

Das Tal des Puerco lag jetzt versteckt hinter Felsvorsprüngen, nach einem kurzen Ritt bogen wir aber in dasselbe ein und fanden zu unserem nicht geringen Verdruß den Fluß vollständig trocken. Einige vereinzelte Cottonwood-Bäume erhoben sich wohl hin und wieder auf den Ufern und bezeichneten die gewöhnlich wasserhaltigen Vertiefungen und Senkungen des Bodens, doch auch diese waren dürr und trocken, und statt des gewünschten trinkbaren Wassers erblickten wir nur festen, vielfach geborstenen, lettigen Boden.

Unser Pfad fiel hier wieder mit der Wagenstraße zusammen, die weiter südlich in das Tal des Puerco einbog und diesem dann aufwärts folgte. Ohne Mühe gelangten wir durch das staubige Flußbett, und in nordwestlicher Richtung allmählich ansteigend, befanden wir uns ununterbrochen in einer so reizenden Umgebung, wie sie nur durch eine malerische Verteilung von Fels und Tal, von Wald und Wiese geschaffen werden kann. Eigentümlich kontrastierten gegen die schöne Landschaft die zahlreichen gebleichten Skelette von Ochsen und Pferden, die untermischt mit den letzten Überresten von zertrümmerten Wagen in der Nähe der Straße umherlagen und darauf hindeuteten, mit welcher Schwierigkeit die Trains zu kämpfen hatten, die zuerst das zur Anlage des Militärpostens nötige Material durch diese Wildnis schafften.

In den Nachmittagsstunden führte der Weg uns durch eine lange, mit stolzen Tannen geschmückte Schlucht, die in ein weites, von bewaldeten und grasigen Hügeln eingefaßtes Tal mündete. Zwei große Wasserspiegel bedeckten einen Teil der Ebene, doch schienen diese nur durch das letzte Schneewasser entstanden zu sein oder, vielleicht auch ursprünglich kleine Seen, nur auf kurze Zeit durch die von allen Seiten zuströmenden Bäche so sehr an Ausdehnung gewonnen zu haben.

Ich erblickte hier die ersten Herden der Navajos; und zwar nicht nur unglaublich starke Schafherden, die ähnlich denen der Zuñis aus ebenso vielen schwarzen wie weißen Mitgliedern bestanden, sondern auch zahlreiche Rudel von wohlgenährten Pferden, die teils ruhig grasten, teils mit wildem Ungestüm durch die Ebene hingaloppierten. Die Stellen der Hirten wurden fast ausschließlich von Kindern ausgefüllt, von denen einzelne noch so klein waren, daß sie kaum ihre kurzen Beine über die breiten Rücken der Pferde zu spreizen vermochten, doch hinderte sie das nicht, in toller Weise den dahineilenden Herden zu folgen.