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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Savedra, denn es war wirklich Captain Whipples alter Führer, stutzte, blickte mir in die Augen, spornte sein Tier an meine Seite, und mit dem Ausruf: »Mi care amigo!« breitete er mir seine Arme entgegen.

Ebensowenig, wie es mit unserer Gevatterschaft ernst war, hatten auch die innigen Freundschaftsbezeigungen einen tieferen Grund, doch gestehe ich, daß es mir viel Freude gewährte, hier mit einem Bekannten zusammenzutreffen und von diesem so herzlich begrüßt zu werden. Ich folgte also Savedras Beispiel, und nachdem ich, um einer tragischen Szene vorzubeugen, meine Büchse, die vor mir quer auf dem Sattel lag, über die Schulter geworfen hatte, umarmten wir uns mit dem ganzen Zeremoniell wohlerzogener Mexikaner, die trotz der abgerissenen, nicht zu sauberen äußeren Hülle das Herz und den Wert des besten Caballeros in sich zu fühlen glauben.

Das Fragen und Antworten nahm endlich seinen Anfang; um uns herum hielten unsere Packknechte und Soldaten sowie auch Savedras Begleiter, und gespannt lauschte jeder auf die Unterhaltung zwischen Señor Savedra, Peacock und mir. Außer daß wir uns gegenseitig sehr umständliche Berichte über den in den letzten Tagen zurückgelegten Weg, über die besten Lagerstellen, Wasser, Gras sowie auch über die etwa zu begegnenden Eingeborenen machten, erfuhren wir auch noch, daß Savedra den Lieutenant Beale auf seiner Rückreise von Kalifornien nach den Vereinigten Staaten bis an den Rio Grande begleitet hatte und daß letzterem im Tal des Colorado Chiquito einige Maultiere verlorengegangen seien. Nach ihrer Ankunft in Albuquerque, von wo aus Lieutenant Beale direkt nach Fort Shmith am Arkansas reiste, hatte Savedra sich mit zwei Gefährten auf den Weg begeben, um, wie er sagte, für Lieutenant Beale die drei oder vier Maultiere zu suchen. Peacock, der während seines langjährigen Aufenthaltes in Neu-Mexiko ganz eigene Ansichten über den Charakter der Mexikaner gewonnen hatte, lächelte zwar ungläubig zu Savedras Worten, doch war ich der Meinung, daß ein Mann, der über zweihundertfünfzig Meilen durch die Wildnis reise, um verlorengegangene Maultiere zu suchen — und der überhaupt wenig Aussicht auf sicheren Erfolg hatte, da einesteils die Tiere schon längst von den Indianern gefunden sein konnten und andernteils, wenn er sie wirklich fand, doch immer zusammen mit seinen eigenen die Raublust der Navajos reizen konnte —, wohl dazu berechtigt sei, auf diese Weise erworbenes, bereits aufgegebenes fremdes Eigentum als sein eigenes zu betrachten.

Nachdem wir uns gegenseitig genug gefragt und erzählt hatten, richtete Savedra die Bitte an uns, ihm mit Salz und Mehl auszuhelfen. Die Bitte war schwer zu bewilligen, denn wir selbst mußten uns schon seit längerer Zeit mit halben Rationen begnügen und konnten nicht wissen, ob wir nicht durch unvorhergesehene Fälle gezwungen sein würden, länger, als wir erwarteten und rechneten, auf der Strecke bis zur Stadt Zuñi zubringen zu müssen. Es wurde ihm indessen Salz sowie etwas Mehl verabreicht, und als wir uns dann voneinander trennten und in entgegengesetzter Richtung dahinritten, erging sich Peacock in den bittersten Bemerkungen über die Mexikaner und ihre Fehler. »Da verlassen diese Menschen ihre Heimat«, grollte er, »um eine Reise von vielen hundert Meilen zu unternehmen; ihr ganzer Mundvorrat besteht aus einem kleinen Säckchen mit Pinole;Pinole besteht aus Mais und Weizen, der zwischen zwei glatten Steinen zu überaus feinem Mehl gerieben und sodann mit braunem Zucker vermischt wird. Ein Löffel voll dieser Masse, in kaltem oder kochendem Wasser aufgelöst, genügt, um eine sehr nahrhafte Suppe herzustellen. Befindet sich unter dem Pinole ebenso fein geriebenes, gedörrtes Rindfleisch, so läßt sich kaum etwas Geeigneteres für Reisende jener unwirtlichen Regionen denken; denn ein Mann kann auf diese Weise seinen notwendigen Lebensunterhalt auf vier Wochen ohne Unbequemlichkeiten mit sich führen. ein Löffel desselben täglich genügt, um ihnen das Leben zu erhalten, und so hungern sie ihre Zeit hin, bis sie anderen Reisenden begegnen, die dann gleichsam gezwungen sind, ihnen von ihren kargen Lebensmitteln zukommen zu lassen.« Peacock trug in seiner Beschreibung der mexikanischen Reisenden die Farben ziemlich stark auf, doch hatte er im Grunde recht, denn es erscheint oft kaum glaublich, daß ein gesunder Mann mit so wenig Nahrungsmitteln sein Leben zu fristen vermag, mit denen der Mexikaner schnell und ausdauernd reist.

Unser Marsch betrug zwölf Meilen, und er brachte uns bis zu dem Punkt, wo der Colorado Chiquito sich südlich wendet, während Zuñi fast genau östlich von jener Biegung liegt. Es war also unser letztes Lager an jenem Fluß, und wir hatten von dort ab lange Märsche durch wasserlose Wüsten zurückzulegen, bevor wir uns den indianischen Pueblos an den Abhängen der Rocky Mountains, und somit den Ansiedlungen im Tal des Rio Grande näherten. Aus diesem Grund verließen wir auch den Fluß an diesem Tag nicht mehr, obwohl wir noch wenigstens sechs Meilen bis zum Abend hätten zurücklegen können, und hielten an der nördlichsten Spitze des fließenden Wassers, wo wir leicht eine geeignete Lagerstelle entdeckten.

Der Donner krachte, Blitze sprühten, Hagel und Regen prasselte auf uns nieder und als das Wetter sich aufzuklären begann, waren wir gerade mit dem Aufrichten der Zelte fertig geworden und beeilten uns dann, vor einem tüchtigen Feuer unsere genäßten Kleidungsstücke wieder zu trocknen. Das Gewitter hatte einen heftigen, sehr kalten Westwind zurückgelassen, der den Aufenthalt im Freien unangenehm machte, wir begaben uns daher frühzeitig auf unsere Feldbetten, besprachen aber bis tief in die Nacht hinein die neuesten Tagesereignisse, zu denen besonders unser Zusammentreffen mit Savedra gehörte. Peacock wurde, als wir auf die neumexikanische Bevölkerung zu sprechen kamen, überaus redselig, und zwar tadelte er an den Männern alles, so daß zuletzt kein gutes Haar an ihnen blieb; die Mexikanerinnen dagegen erhob er in den Himmel, sowohl ihrer Schönheit als auch ihres Charakters wegen, und mit Enthusiasmus schilderte er die wonnigen Tage, die ihm in früheren Jahren das schöne Geschlecht in Santa Fé bereitet hatte.

Da meine Ansichten weniger kalifornisch waren, so nahm ich die Männer wieder mehr in Schutz, doch konnte ich auch nicht umhin, durch das Erzählen kleiner Ereignisse die neumexikanische Eitelkeit und Tapferkeit zu illustrieren. »Don Savedra, den Sie heute mit soviel Mißtrauen beobachteten«, hob ich an, »ist einer der freundlichsten und gefälligsten Menschen, die man nur finden kann; ich will seine Eigenschaften als Führer und Waldläufer gerade nicht als außerordentlich rühmen, doch zeigt er stets einen so eifrigen, guten Willen, daß man sich gern geneigt fühlt, über kleine Mängel hinwegzublicken.

Als er im Jahre 1853 von Captain Whipple engagiert wurde, übernahm er die Rolle eines zweiten Führers — der bekannte Antoine Leroux war ja der erste —, und der gutmütige Mexikaner schien sich seinen Landsleuten gegenüber nicht wenig auf seine Stellung sowie auf das in ihn gesetzte Vertrauen einzubilden. Einen komischen Beweis hierfür erhielt ich damals im Lager am Lithodendron Creek, einem trockenen Flußbett, in dem wir wahrscheinlich morgen übernachten werden. Die uns begleitenden Zuñi-Indianer beabsichtigten nämlich vom Colorado Chiquito aus wieder heimzukehren und zugleich die bereitgehaltenen Briefe des einen oder anderen von uns nach Albuquerque zu befördern. Auch Savedra hatte geschrieben, doch waren die eigenen Worte ihm nicht genügend, seinen Verwandten und Bekannten einen Begriff von der Wichtigkeit seines Postens sowie von seinen Fähigkeiten beizubringen, und er wünschte diesem Schreiben auch noch ein Porträt von sich hinzufügen zu können. Er trat also zu mir ins Zelt und ersuchte mich auf das höflichste, eine leichte Bleifederzeichnung von seiner ganzen Figur zu entwerfen. Natürlich war ich sogleich bereit, ihm nach besten Kräften seine Bitte zu erfüllen, doch kaum befanden sich Papier und Stift in meinen Händen, als er mich mit etwas verschämter Miene noch einen Augenblick zu zögern bat, um seine Ansichten und Wünsche hinsichtlich des Bildes zu vernehmen. Diese lauteten ungefähr folgendermaßen: »Zeichnen Sie mich auf die Mitte des Papiers, wie ich durch eine wasserlose Wüste dahingaloppiere und mit der rechten Hand, in der ich einen gespannten Revolver halte, auf eine schöne, frische Quelle zeige. Im Hintergrund bringen Sie den ganzen Train an, der sich nach langem Wassermangel mühsam dahinschleppt; einige Schritte hinter mir bitte ich Sie die Gentlemen der Expedition zu zeichnen, wie diese voll Freude über meine glückliche Entdeckung ihre Tiere zur Eile anspornen, aber lassen Sie alle recht müde und durstig aussehen!«

So kindisch mir auch Savedras Anliegen erschien, so suchte ich doch seinen Wünschen so genau wie möglich nachzukommen. Ich zeichnete daher die wichtigsten Punkte und Gegenstände, die mehr als alles andere ins Auge fallen sollten, unverhältnismäßig groß, was nicht wenig zu Savedras Zufriedenheit beitrug. So erhielt er selbst zum Beispiel einen Bart, der ihm bis auf den Sattelknopf reichte, was keine geringe Schmeichelei für sein kurzes, krauses Bärtchen war. In die Hand gab ich ihm einen Revolver von der Länge seines Arms, an die Seite hing ich ihm statt des kurzen Dolchmessers ein langes, zweihändiges Schwert, und die Ohren seines Lieblingsmaultiers, das er ritt, zeichnete ich, damit es ja nicht mit einem Pferd verwechselt werden sollte, so lang wie seine Beine. Die Quelle nun glaubte ich nicht treffender darstellen zu können, als durch einen Springbrunnen, der einen mächtigen Wasserstrahl bis in die Wolken sandte. Nachdem ich sodann die Reiter und deren Tiere sowie alle sichtbaren Menschen und Maulesel des ganzen Trains zum Zeichen ihres Durstes und ihrer Müdigkeit mit ellenlangen, herabhängenden Zungen geschmückt hatte, überreichte ich mit verbissenem Lachen Don Savedra meine Arbeit. Unter den Versicherungen der größten Dankbarkeit nahm der eitle Mexikaner das Blatt hin, betrachtete es aufmerksam, und immer deutlicher wurde der Ausdruck innerer Zufriedenheit auf seinen Zügen, als er die große Verständlichkeit gewahrte, durch die das Bild sich auszeichnete. Er überschüttete mich förmlich mit Danksagungen, siegelte alsdann das Bild in einen Brief, und ich bin überzeugt, daß es in irgendeiner kleinen Stadt von Neu-Mexiko unter Glas und Rahmen zwischen einigen Heiligenbildern hängt. Übrigens schenkte mir Savedra, als wir uns später in Kalifornien trennten, ein Paar Sporen zum Andenken, die ich mit nach Europa nahm und bis jetzt sorgfältig aufbewahrt habe; es sind monströse Dinger, wenigstens ein halbes Pfund schwer und reich mit klirrenden Ketten und Zierat behängt.«

 

»Echt neumexikanisch!« rief hier Mr. Peacock aus.

»Nein, echt menschlich, müssen Sie sagen, denn dem kleinen Bryan, der auf der »Explorer« nach Fort Yuma zurückkehrte und der kein Neu-Mexikaner, sondern ein gesunder, amerikanisierter Irländer ist, mußte ich ja einen ähnlichen Dienst erweisen, und zwar wünschte dieser ein Porträt für seine Braut. Er wollte nur mit angelegtem Gewehr gezeichnet sein, und als Staffage mußte ich ein halbes Dutzend tote Indianer zeichnen, die schon von seiner Büchse gefallen waren. Der kleine, närrische Mensch stand beinahe eine Stunde vor mir mit zeitweise angelegtem Gewehr, gerade so lange, bis ich Indianer, Bäume und Vordergrund fertig gezeichnet hatte, denn obgleich sein Gesicht in der eigentümlichen Stellung ebensowenig in Natur wie auf dem Papier zu sehen war, so glaubte er doch nicht, daß man imstande wäre, auf andere Weise zu porträtieren. Ich ließ ihn in seiner Stellung und bei seinem Glauben, war es mir doch leichter, eine Ähnlichkeit der Figur ohne Gesicht als mit diesem auf dem Papier herzustellen, und nicht geringer als Savedras Dankbarkeit war die des Irländers Bryan, als er seine kurze Figur in dem Bild wiedererkannte. Das Gegengeschenk aber, das er mir in Form eines Dollars bot, schlug ich freilich aus.

Von dem Mut Savedras habe ich keine so schlagenden Beweise als von seiner harmlosen Eitelkeit; ich weiß nur, daß er einst mit mehreren Gefährten — unter diesen auch einige der sonst so friedliebenden Moquis und Zuñis—eine kleine Expedition gegen die Apachen unternahm, um Kinder derselben zu Peons oder Leibeigenen zu rauben. Es ist ein solches Verfahren vielleicht nur deshalb verzeihlich, weil sich zahlreiche Mexikaner unter den Apachen befinden, die ebenfalls als Kinder ihrer Heimat entrissen wurden und ihr Leben teils als Sklaven, teils als anerkannte Mitglieder der eingeborenen Stämme hinbringen. Savedra gelangte mit seiner Expedition wirklich bis in die Nähe des anzugreifenden Dorfes, doch liefen die Wilden ganz wider Erwarten diesmal nicht davon, sondern fielen über ihre Feinde her und jagten sie nach einem, wenn ich nicht irre, ganz unblutigen Kampf in die Flucht. Ich glaube, dies war das erste- und letztemal, daß Savedra sich an dergleichen Unternehmungen beteiligte.

Ein Vorteil ist ihm übrigens aus dieser Expedition erwachsen, und zwar der, daß er sich mit den San Francisco Mountains soweit bekannt gemacht hatte, um sich später zu dem einträglichen Posten eines Führers durch jene Regionen anbieten zu können.«

Neunundzwanzigstes Kapitel

Der Rio Secco oder Lithodendron Creek — Der versteinerte Urwald — Carrizo Creek — Plötzliches Entstehen eines Stroms — Übergang über den Rio Puerco des Westens — Navahoe Springs — Jacobs Well — Ankunft auf der Ebene von Zuñi — Freundlicher Verkehr mit den Indianern — Jose Maria, der Kriegshäuptling — Pedro Pinos Besuch im Lager — Wanderung nach der Stadt — Pedro Pinos Haus und Gastfreundschaft — Der mexikanische Pater — Besuch bei demselben — Die Kirche von Zuni — Rückkehr ins Lager

Am 7. Mai legten wir dreizehn Meilen zurück und überschritten auf unserem Weg mehrere kleine trockene Betten von Wasserläufen, die sich von Nordosten dem Colorado Chiquito zugesellten. Der bedeutendste derselben war Leroux‘s Fork. Wir gelangten zwar bis in die Nähe des Rio Puerco des Westens, dessen sandiges Bett weithin an einzelnen Gruppen von Cottonwood-Bäumen zu erkennen war, doch bogen wir von demselben gegen Norden ab, um die tiefen Schluchten, durch die er weiter östlich sich seinen Weg gebahnt hat, zu vermeiden, und eilten in nordöstlicher Richtung dem Lithodendron Creek zu. Es ist dies dasselbe Flußbett, das ich in meinem ersten Reisewerk»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 299. mit dem spanischen Namen Rio Secco (Trockener Fluß) bezeichnet habe.

Wie vor Jahren traf ich auch diesesmal den Fluß trocken, doch war der sandige Boden infolge jüngst gefallener Regen fest und wegsam geworden, so daß wir mit Leichtigkeit auf demselben hinzogen. Die Ufer wurden zu beiden Seiten allmählich hoch und schroff, und als wir den Punkt erreichten, wo wir den Rio Secco verlassen mußten, um eine mehr östliche Richtung einzuschlagen, bezogen wir eines nahen Wasserpfuhls wegen in einer Nebenschlucht unser Lager. Kaum standen unsere Zelte, als abermals ein heftiger Regen losbrach, doch war dieser nicht anhaltend, und schon nach einer halben Stunde beschien die Sonne in ihrem vollsten Glanz das nasse Erdreich, und ich fand hinlänglich Zeit, noch vor Einbruch der Nacht die nächsten Schluchten zu durchforschen und wie früher mich an den Überresten des versteinerten Urwalds zu ergötzen.

Schon in meinem Tagebuch von Whipples Expedition beschrieb ich genauer den versteinerten Urwald im Tal des Rio SeccoEbda., S. 300. und fügte zum besseren Verständnis eine an Ort und Stelle aufgenommene Zeichnung bei. Der Güte des Herrn Geheimen Medizinalrats Göppert in Breslau verdanke ich über den Charakter jener versteinerten Hölzer eine erläuternde Anmerkung,Ebda., S. 492, Anmerkung 21. die ich demselben Werk einverleiben konnte, und ich gehe also jetzt nicht auf eine Wiederholung des früher Gesagten ein. Nur über den Umfang dieses großartigen Lagers fossiler Stämme, in welchem wir mächtige Koniferen mit baumartigen Farnkräutern vereinigt finden, ist es vielleicht nicht unangemessen, mich näher auszusprechen.

Obgleich in der Länge des von mir bezeichneten »versteinerten Urwalds« bis zum Gila hinunter noch einzelne Fragmente fossilen Holzes gefunden werden, so will es mir doch scheinen, als ob das Hauptlager sich zwischen dem 35. und 36. Grad n. Br. ausdehnt. Auf meiner letzten Reise, die mich nur in geringer Entfernung südlich an Whipples Übergangspunkt über den Rio Secco vorüberführte, entdeckte ich bei weitem nicht so große und zahlreiche verkieselte Holzmassen wie früher, dagegen erhielt ich später durch Dr. Newberry in äußerst schönen Bruchstücken die untrüglichsten Beweise, daß der fossile Wald nördlich bis über die Moqui-Städte hinaus oder gewiß bis zum 36. Breitengrad reicht.

Die dunklen Wolkenstreifen, welche die Sonne kurz vor ihrem Untergang verschleierten, drohten mit Regen; Mitternacht war in der Tat auch noch nicht vorüber, als das Geräusch fallender Tropfen mich weckte; doch nur kurze Zeit lag ich munter, denn wie einzelne Tropfen mich aufgestört hatten, so sang mich die eintönige Musik niederrauschender Wassermassen wieder in den Schlaf, und Stunde auf Stunde verrann in behaglicher, erquickender Ruhe. Der Tag brach endlich an, und um den Stand des Wetters zu beobachten, trat Peacock ins Freie; kaum hatte er sich aber dem Bett des Rio Secco genähert, als er in lauten Ausrufungen seine Verwunderung zu erkennen gab, denn da, wo wir am Tag vorher geritten waren, und kaum einen Fuß tiefer als der Boden, wo unser Zelt stand, tobte jetzt mit Heftigkeit ein Strom an uns vorüber. Überraschen konnte es freilich nicht, daß in dem sandigen Bett so schnell ein Fluß entstanden war, denn das Erdreich war so sehr mit Wasser gesättigt, daß die geringste Vermehrung desselben notwendigerweise an die Oberfläche treten mußte.

Der Regen hielt uns den ganzen Vormittag ans Zelt gefesselt, und in den Nachmittagsstunden erst, als der Himmel sich etwas aufklärte und die zum größten Teil schon wunden Rücken der Tiere abgetrocknet waren, rüsteten wir uns, um noch einige Meilen zu reisen. Obgleich das Wasser in dem jungen Strom ebenso schnell fiel, als es gestiegen war, zogen wir es doch vor, anstatt noch eine kurze Strecke dem Flußbett aufwärts zu folgen, uns sogleich nach der Höhe hinaufzubegeben. Wir gelangten dort in Whipples und Beales Straße, und bald beleuchtet von der sich senkenden Sonne, bald durchnäßt von Regen- und Hagelschauern, zogen wir durch die Wüste dahin. Ich sage Wüste, denn ein öderer, trostloserer Anblick ist kaum denkbar, als der, den uns die vegetationslose, wellenförmige Ebene bot, auf der Lichtstreifen und Wolkenschatten einander gleichsam jagten. Das ungünstige Wetter mochte mit dazu beitragen, den trüben Eindruck zu erhöhen, denn bei dem gänzlichen Mangel an schützenden und Brennholz liefernden Bäumen in der weiten Umgebung und beim Anblick des morastigen, aufgeweichten Erdreichs, in das die Tiere bis über die Hufe einsanken, schaute man fast unwillkürlich nach einem Obdach aus und gedachte dabei der kommenden Nacht.

Zehn Meilen marschierten wir indessen noch und erreichten kurz vor Abend das trockene Bett eines Bachs, auf dessen Ufern wir einige dürre Talgholzstauden erblickten, die uns wenigstens Brennmaterial für die Zubereitung der Speisen versprachen. Weit gegen Norden erhoben sich zedernbewaldete Hügel, doch lag unser Ziel gegen Osten, und Zeit und Lebensmittel mangelten zu sehr, um uns so weit aus unserer Richtung entfernen zu dürfen.

Peacock, Lieutenant Tipton und ich waren dem Zug etwas vorausgeeilt, und an dem trockenen Bache hinaufreitend, spähten wir nach einer Wasserpfütze für die Herde, als plötzlich unser Auge durch einen glänzenden Wasserspiegel gefesselt wurde, der in dem Flußbett mit großer Geschwindigkeit auf uns zueilte. Da wir während des ganzen Nachmittags schwere Regenwolken beobachtet hatten, die sich gerade bei den bewaldeten Hügeln entluden, so befremdete uns dieser Umstand nicht, doch trieben wir den Train zur größeren Eile an, um noch rechtzeitig den Bach zu durchschreiten, in dem die Fluten mit rasender Geschwindigkeit anschwollen. Wir gelangten ohne Unfall auf das östliche Ufer, und wenn die vordersten Tiere sich kaum die Hufe genetzt hatten, so reichte das Wasser den letzten Nachzüglern schon bis über die Knie, und bedeutend höher noch waren die Fluten gestiegen, als wir, nach Brennholz suchend, uns wieder dem Bach näherten.

Während der Nacht hatten sich die letzten Regenwolken vollständig verzogen, und als wir in der Frühe des 9. Mai aus dem Zelt traten, blitzten in dem hellen Sonnenschein Millionen von kleinen Eiskristallen, die sich als weißer Reif auf die ganze Landschaft gelagert hatten. Selbst das Wasser in den Gefäßen, die zur Vorsorge noch am Abend gefüllt wurden, war mit einer leichten Eisrinde überzogen, und ungelenkig steif zeigte sich die vom Regen genäßte und danach gefrorene Zeltleinwand, als die Leute diese zusammenrollten. Der Bach (Carrizo Creek) war wieder gefallen, und nur noch in kleinen Rinnen floß etwas lehmiges Wasser gegen Süden dem Puerco zu, so daß sich wohl annehmen ließ, daß nach einigen Stunden schon das Bett wieder so trocken wie am vorhergehenden Abend sein würde.

Bald über sanft ansteigende Hügel, bald durch talähnliche Senkungen verfolgten wir unseren Weg gegen Osten. Die Luft war voll Sonnenschein, der Himmel blau, und wir hätten uns kein angenehmeres Wetter zur Reise wünschen können. Nach einem Marsch von fünf Meilen gelangten wir in das Tal des Rio Puerco, der von Nordosten her unsere Straße durchschnitt. Der letzte Regen hatte sich schon wieder verlaufen, nur pfuhlweise war das Wasser noch in dem lehmigen Flußbett zurückgeblieben, und spärlich sickerte eine trübe, flüssige Masse in kleinen Rinnen auf der fettig glänzenden Oberfläche dahin. An den Ufern aber erkannten wir, daß noch während der Nacht der Rio Puerco als ein wirklicher Strom dort vorbeigeschäumt war und daß gefährlicher, sumpfiger Boden uns von der Ostseite des scheinbar trockenen Flusses trennte.

»Es wird uns Mühe kosten, hinüberzugelangen«, sagte ich zu Peacock, der neben mir auf dem Ufer hielt und mit dem größten Gleichmut ein Stückchen Tabak zwischen die Zähne schob.

»Maybe, maybe not — Kann sein, vielleicht auch nicht«, antwortete er mir, und lenkte sein Tier nach einer Stelle hinunter, die weniger sumpfig schien.

Ich kann nicht leugnen, daß Peacocks unerschütterlicher Gleichmut mich in diesem Fall etwas verdroß und daß ich einige Schadenfreude empfand, als ich ihn ruhig in das Flußbett hineinreiten sah. Kaum hatte aber sein Tier zwei Schritte auf dem trügerischen Boden getan, als es durchbrach und gleich so tief in den Morast sank, daß auch des Reiters Beine bis über die Knie mit in der gelben, halbflüssigen Masse staken.

 

»Es wird wohl besser sein, wenn Sie absteigen«, bemerkte ich mit Peacockscher Ruhe.

»Ich glaube es fast selbst«, antwortete er und stieg gelassen ans Ufer, wo mich sein Aufzug nicht wenig ergötzte. Peacocks Humor und Ruhe waren indessen ebensowenig durch den Unfall selbst als durch meinen Spott gestört worden, und einen Blick auf das halbversunkene Tier werfend, sagte er: »Zuerst müssen wir den Esel aufs Trockene schaffen und danach eine Brücke bauen.«

»Ich glaube es fast selbst«, erwiderte ich lachend in Peacocks Weise, und die alte Freundschaft war wiederhergestellt.

Unser Train war unterdessen herangekommen, und den vereinten Anstrengungen von einem halben Dutzend Mexikanern gelang es, nach kurzer Zeit das Maultier auf festen Boden zu bringen; schwieriger aber war es, eine Brücke zu bauen; doch auch damit kamen wir endlich zu Rande, und durch Anhäufungen von Gras, dürren Stauden und Binsen schafften wir einen Pfad, auf dem die ganze Gesellschaft glücklich nach dem jenseitigen Ufer hinübergelangte.

Auf längere Zeit hatten wir jetzt ebeneres Land vor uns, dem es an Fruchtbarkeit nicht zu fehlen schien; Gras war freilich nicht mehr vorhanden, doch unzählige Spuren von Schafen bewiesen, daß wir uns auf den von den Navajos benutzten Weideplätzen befanden. Auch auf Wasser stießen wir um die Mittagszeit, das, da es in nie versiegenden Quellen bestand, jener Gegend einen erhöhten Wert verlieh. Es waren die Navahoe Springs, und wir hielten hier einige Minuten, um die Tiere zu tränken und die Flaschen und Schläuche zu füllen; denn wenn ich auch wußte, daß wir noch an demselben Tag Jacobs Well, den in einem tiefen Krater befindlichen See, erreichen würden, so kannte ich doch auch die Eigenschaft jenes Wassers, die es für Menschen fast untrinkbar macht und daher diese Vorsicht nötig machte. Die Navahoe Springs sind ebenfalls nicht ganz frei von Magnesia, doch ist der Geschmack des Wassers keineswegs ekelerregend.

Ich benutzte die kurze Zeit, die mit dem Tränken der Tiere hinging, um den nahe gelegenen Überresten einer alten indianischen Stadt einen flüchtigen Besuch abzustatten. Ich fand diese gerade so, wie ich sie schon früher kennengelernt und auch beschrieben habe,»Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee«, S. 296. das heißt, ich erblickte Spuren der Fundamente, von denen die Lehmmauern längst fortgespült waren, und dann die Anhäufungen von Topfscherben, unter denen mir besonders die mit einer Glasur versehenen auffielen. Ähnliche, aber besser erhaltene Trümmerhaufen befinden sich auch am Rio Secco, und schwächere Merkmale einer frühen Kolonisation wiederholen sich auf der ganzen Strecke vom Colorado Chiquito bis nach Zuñi. Es ist daher wohl glaublich, daß bedeutendere Ruinen den Colorado Chiquito bis zu seinen Quellen hinauf gleichsam charakterisieren und einst zahlreiche, durch Ansiedlungen bezeichnete Heerstraßen die jetzige Wildnis durchkreuzten.

Gleich hinter den Navahoe Springs begann unser Weg zu steigen, und bald darauf hielten wir auf dem Rücken einer langen Hügelkette oder vielmehr auf einem Teil der höher gelegenen Abstufung, von wo aus wir das Land weithin gegen Osten und Nordosten zu überblicken vermochten. Dasselbe bildete eine etwa sechzig Fuß tiefer gelegene, umfangreiche Ebene, an deren Rand sich die Zedernwaldungen der abschüssigen Hügelabhänge hineindrängten. Die weite Fläche, von der das Gras teils durch zahllose Schafherden, teils durch die Winterfröste entfernt worden war, zeigte eine rötliche Farbe, und nur durch die dunklere Schattierung traten die Senkungen des Bodens hervor, durch die sich zeitweise die aus der Atmosphäre niederschlagenden Feuchtigkeiten stromähnlich dahinstürzen.

Ich orientierte mich leicht und bezeichnete Peacock die Stelle, wo sich, wie ich wußte, Jacobs Well befand. Er schüttelte ungläubig den Kopf, als ich ihm versicherte, daß wir auf der dürren Ebene einen tiefen See finden würden, den sein Auge von der Höhe herab nicht zu entdecken vermochte. Seine Ungläubigkeit verwandelte sich aber in stummes Erstaunen, als er, in der Entfernung von fünfzig Schritten von Jacobs Well, den Boden sich weit öffnen sah und nähertretend den glänzenden Wasserspiegel in schauerlicher Tiefe gewahrte.

Hart am Rande des wasserhaltigen Kraters richteten wir unsere Zelte auf, und jeder einzelne der Expedition begab sich alsdann auf den Weg, um nach etwas Brennmaterial in der Nachbarschaft umherzuspähen. Trotz der Nähe einer lichten Zedernwaldung, deren Bäume kaum fünfhundert Schritt vom Wasser entfernt standen, hielt es ebenso schwer für uns, brennbares Holz wie für die Tiere nahrhaftes Gras zu finden. Wie wir leicht aus den zahlreichen alten Feuerstellen entnehmen konnten, war im verflossenen Jahr hier der Sammelplatz der Eingeborenen mit ihren Herden gewesen, und die Hirten hatten das letzte Stückchen trockenes Holz und die Schafe den letzten Grashalm zu ihrem eigenen Nutzen verwendet, so daß uns nur wenig mehr blieb als der nackte, lehmähnliche Boden und das magnesiageschwängerte Wasser in der Tiefe. Wie vor Jahren wanderte ich auch diesmal zu dem hundertfünfzig Fuß tief gelegenen See hinab, und ich hatte Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, daß darin zahlreiche Fische vorhanden waren.

Wie ich nun dort unten in dem Kessel am Rand des Wassers stand, die beiden schlanken Zedern und das Weidengestrüpp wieder vor mir sah und deren umgekehrte Spiegelbilder auf den Fluten beobachtete; die langen Binsen gleichsam zählte, welche die unergründliche Tiefe wie mit einem Rahmen einfaßten; und wie ich dann aufwärts schaute zum düster werdenden Abendhimmel und zugleich die kleinen menschlichen Figuren bemerkte, die sich hoch oben am Rande der Tiefe hin und her bewegten — da versetzte ich mich im Geist zurück in jene Zeiten, als ich mich zum erstenmal in jener Gegend befand und ebenfalls zur Abendstunde zu dem verborgenen See hinabgestiegen war. Wie damals, so folgten auch jetzt ermüdete Lasttiere dem gewundenen Pfad aufwärts; die menschlichen Gestalten aber verwandelte ich, begünstigt von der eintretenden Dämmerung, mit reger Phantasie in Reisegefährten, die längst meinem Gesichtskreis entschwunden waren, und wie durch Zauber vergaß ich auf Momente die vier langen Jahre, die seit jener Zeit verflossen waren.

Doch nur einige Momente dauerte dies, denn doppelt frisch traten wieder diese vier Jahre mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen, mit ihren Veränderungen und Umwälzungen hervor; der Zeitraum erschien mir so kurz, die Erlebnisse aber so reich und mannigfaltig, und dies um so mehr, weil ich mich in einer Umgebung befand, an der diese Zeit spurlos vorübergezogen war; selbst die aus nachgiebigem Erdreich gebildeten hohen Uferwände schienen unempfindlich gegen alle äußere Einwirkung geblieben zu sein.

Unser Tagesmarsch betrug sechzehn Meilen, und von Zuni, unserem nächsten Ziel trennten uns noch achtundzwanzig Meilen. Die Entfernung bis zum nächsten Wasser rechnete ich auf zwanzig Meilen, und wir beabsichtigten, diese Strecke am 10. Mai zurückzulegen. Frühzeitig traten wir daher unsere Weiterreise an und erreichten nach zwei Stunden den östlichen Rand des Tals, wo wir, stark ansteigend, sehr schnell auf das vierhundert Fuß höher gelegene Plateau gelangten, das sich mit einer geringen Hebung bis über Zuñi hinaus ausdehnt.