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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Nur auf eine kurze Strecke vermochten wir die enge Mitte der Schlucht als unseren Weg zu benutzen, dann aber hemmte ein vierzig Fuß tiefer Abgrund unsere Schritte, und an denselben hintretend, erkannten wir, daß die stürzenden Wasser hier die Lage des massiven Gesteins durchbrochen und sich dann mit wilder Zerstörungswut ihren Weg erweitert und abwärts gebahnt hatten. Wir begaben uns auf den kaum erkennbaren Pfad, der am äußersten Rand der Kalksteinschicht stets in derselben Höhe hinführte. Nach kaum hundert Schritten schon hatte die Tiefe der Schlucht, die sich unmittelbar neben dem Pfad öffnete, bis auf dreihundert Fuß zugenommen; weithin vermochten wir die horizontale Strate zu erkennen, doch nirgends erblickten wir eine Stelle, wo der Pfad hätte möglicherweise hinabführen können, und wohl schwindelte uns schon bei dem bloßen Gedanken, unsere Reise auf einem Weg fortsetzen zu müssen, der nur für Bergziegen und Antilopen geschaffen zu sein schien. Wir stiegen ab, um die Tiere am Zügel zu führen, schnallten die Sporen von den Füßen, und in die lange Reihe eintretend, begannen wir die gefährliche Wanderung. Wie an Tiefe, hatte die Schlucht auch in der Breite zugenommen, und die gegenüberliegende Uferwand bot uns zugleich ein Bild derjenigen, auf der wir uns befanden. Demnach bestanden beide aus gewaltigen, regelmäßig aneinandergereihten Felsentürmen mit hoher Bedachung, die schräg zur Deckschicht des Plateaus hinaufführte, während von der Gesteinslage, die unseren Weg bildete und deren Fortsetzung auf der anderen Seite deutlich hervortrat, eine einzige senkrechte Wand bis in die schauerliche Tiefe hinabreichte.

Es ist gewiß nicht meine Absicht, durch allzu genaue Beschreibung von mißlichen Lagen, in die man auf dergleichen Expeditionen nur zu leicht gerät, bewundernde Anerkennung für Geleistetes und Überstandenes ernten zu wollen; doch wenn ich in Gedanken mich in jene Regionen zurückversetze und mir alles, was ich damals sah und fühlte, vergegenwärtige, dann ist es mir, als ob ich eine Verpflichtung übernommen hätte, der nachzukommen mir die innigste Freude gewährt, weil es gilt, die schöne, erhabene Natur in ihren verschiedenen Formen und Gestalten und die gewaltige, sie belebende Kraft preisend als treuergebener Schüler zu beschreiben. Fahre ich dann fort, ans Wunderbare grenzende Erlebnisse zu schildern und gefahrdrohende Momente in der Erzählung mit lebhaften Farben zu schmücken, dann geschieht es, um darzulegen, wie gegenüber einer alles umfassenden Macht der Mensch in ein ohnmächtiges Nichts zusammensinkt; sei es nun der Mensch im Scheinglanz eingebildeter Größe und Unfehlbarkeit oder der Mensch im Urzustand; der Mensch auf der höchsten Stufe des Eigendünkels oder der geknechtete Sklave mit systematisch verkrüppelten Geistesfähigkeiten. Spurlos verschwinden Nationen von der Erde, nur die Werke und Lehren wirklicher Weiser dürfen kühn neben die erhabensten Naturbauwerke hingestellt werden als langdauernde Denkmale dahingeschiedener wahrer Größen.

Die lebhafte Unterhaltung in unserem Zug war plötzlich verstummt, lautlos schritt jeder in der bunten Reihe von Menschen und Tieren dahin, krampfhaft hielt die rechte Hand die schwere Büchse umklammert, während die linke, die Augen beschattend, den Rand des Hutes niederzog und der Fuß vorsichtig den Boden prüfte, ehe er das Gewicht des Körpers auf sich nahm. Man vernahm nur das Klappern der Hufe auf dem festen Gestein und einzelne Stimmen, welche die Maultiere je nach Umständen aufmunterten oder beruhigten; und wenn dann ein verwitterter Felsblock unter der ungewohnten Last aus seinen Fugen wich, geräuschlos weite Räume durchmaß und zerschellend mit dumpfem Klang tief unten aufschlug, dann durchzuckte ein leises Beben die Brust, und man erblickte kräftige Männer, die zagend wie Kinder sich niederkauerten, um einen Anfall von Schwindel zu besiegen. Doch die Tiere drängten immer wieder von neuem an, und aufgestört wurde jeder, der sich einer kurzen Rast hinzugeben gedachte.

Nur zeitweise wagte ich zur Seite zu blicken, wo sich neben dem Pfad, dessen Breite zwischen drei und zwölf Zoll wechselte, der über tausend Fuß tiefe Abgrund öffnete; und schaute ich dann hinab, wo ziegelfarbiges Gestein durch die Entfernung wie mit einem violetten Hauch überzogen war, dann schienen die gegenüberliegenden Türme und Mauern sich zu beleben; mit träger Bewegung schoben sie sich aneinander vorbei, die Felsmassen aber, die zu meiner rechten Seite hoch übereinandergetürmt lagen, neigten sich drohend über mich hin, und es war dann die höchste Zeit, auf einige Sekunden die Augen zu schließen, um die gleichsam wankende Umgebung wieder zum Stehen zu bringen. Es war ein langer und ermüdender Weg, den wir auf diese Weise zurücklegten, doppelt ermüdend, weil die Sonne mit sengender Glut das Gestein erwärmte und dessen grell beleuchtete Farben zugleich das Auge blendeten. Mit einigem Neid beobachtete ich die schwerbepackten Maultiere, die mit unerschütterlicher Ruhe an den Abgründen hinkletterten und nur gelegentlich stillstanden, um mit gerecktem Hals und gespitzten Ohren in die Tiefe hinabzuschauen, wie um dieselbe mit den Augen zu messen. Obgleich wir von der Sicherheit der Maultiere mehr überzeugt sein mußten als von der eigenen, so wagte doch niemand, außer einigen Mexikanern, die in den Gebirgen von Sonora groß geworden waren, sich dem Sattel anzuvertrauen, und auf die Gefahr, hinuntergedrängt zu werden, suchte jeder nach besten Kräften seinen Platz in dem langen Zug zu behaupten.

Zwei Meilen hatten wir überwunden, als wir eine Art Plattform erreichten, an deren westlichem Ende zwischen zwei der erwähnten Türme der Pfad in die Schlucht hinabbog. Ich befand mich zufällig unter den vordersten, und im Zickzack an dem steilen Abhang hinkletternd, gelangten wir gegen achtzig Fuß tief hinab, wo wir uns aber von der Unmöglichkeit überzeugten, anders als mittels Stricken unsere Reise fortzusetzen. Der Befehl zur Umkehr wurde erteilt und nicht ohne Mühe die Reihe der Packtiere auf dem gewundenen Pfad wieder zur Plattform hinaufgetrieben, wo glücklicherweise der größte Teil der Expedition noch versammelt war. Loses Gestein und Felsblöcke rollten uns zwar vielfach entgegen, doch ohne Unfall faßten wir endlich wieder festen Fuß und ordneten uns zur Wanderung zurück an den Abgründen hin. Hatte sich das Auge schon etwas an den grausigen Anblick gewöhnt und wurden die Anfälle von Schwindel und Übelkeit etwas seltener, so hatte dafür die Ungeduld der durstenden Herde zugenommen, die, in der Meinung, zum Wasser zurückgetrieben zu werden, auf wahrhaft drohende Weise drängte und nachschob. Auch die Sehnen an den Knien begannen zu schmerzen und zu erschlaffen, und krampfhaftes Zittern zuckte in den Waden. — So war denn der Rückweg nicht weniger gefährlich als die Hinreise, und ich muß gestehen, daß eine Art Wonnegefühl mich beseelte, als ich, bei dem ersten Abgrund angekommen, den Fuß wieder auf festen Boden stellte und das letzte Tier, das einen Teil unserer Sammlungen trug, in Sicherheit sah.

Über unseren nächsten Plan entschied ein kleines mit Wasser angefülltes Felsenbassin, das wir von oben herab am Fuße der ersten Abstufung entdeckten und das für unser Personal und vielleicht für drei oder vier Tiere einen hinreichenden Vorrat auf mehrere Tage zu enthalten schien. Peacock und einige Mexikaner wurden zunächst mittels Stricken hinabgelassen; die leeren Gefäße folgten auf dieselbe Weise nach und wurden gefüllt wieder heraufgezogen; die zum Wassertransport bestimmten Tiere wurden getränkt, worauf wir mit der ganzen Expedition in der Schlucht weiter aufwärts eilten und nach einem Marsch von ungefähr zwei Meilen an geeigneter Stelle das Lager aufschlugen.

Da wir uns überzeugt hatten, daß bei einem erneuten Versuch, mehr von diesem wunderbaren Terrain kennenzulernen, die Tiere uns nur von wenig oder gar keinem Nutzen sein konnten, so wurde auf Peacocks Rat die ganze Herde, mit Ausnahme der getränkten Tiere, noch an demselben Abend an den See zurückgesandt. Wir waren nun schon über dreißig Meilen von jenem Punkt entfernt, weshalb die zum Schutz der Herde bestimmten Mexikaner den Auftrag erhielten, erst nach zwei Tagen wieder zu uns zu stoßen. Wir selbst beabsichtigten, während dieser Zeit unsere Forschungen nach besten Kräften zu Fuß auszudehnen, um entweder an den Colorado selbst hinabzugelangen, oder wenigstens von der Höhe aus einen Blick auf ihn zu gewinnen.

Ich unternahm noch vor Einbruch der Nacht einen kleinen Ausflug in nördlicher Richtung, doch geriet ich bald in ein solches Labyrinth von Schluchten, daß ich kaum wieder hinauszufinden vermochte. Mehrfach entdeckte ich feuchte Stellen, wo in neuerer Zeit Wasser gestanden hatte, doch deutete nicht die geringste Spur auf die Nähe einer Quelle, und nur einzelne ganz alte, kaum erkennbare Abdrücke von den Hufen flüchtiger Antilopen und Hirsche erblickte ich auf den Höhen. Selbst das Heulen der Kojoten vermißte ich zur nächtlichen Stunde — der sicherste Beweis, daß sich weder Eingeborene noch Wild auf viele Meilen im Umkreis befanden. Am 13. April in aller Frühe verließ eine Rekognoszierungsabteilung das Lager, um noch einmal die Wanderung in die wilde Schlucht zu unternehmen. Die Gesellschaft bestand aus Lieutenant Ives, Dr. Newberry, Egloffstein, Peacock, Lieutenant Tipton und mir nebst sechs Soldaten. Wir waren alle wohlbewaffnet, mit Mundvorrat und Wasser auf vierundzwanzig Stunden versehen, und führten mit Rücksicht auf die Bodengestaltung auch noch lange Stricke und Leinen mit uns. Wir erreichten bald die bekannte Zisterne, und da eben einige Arbeiter und Soldaten damit beschäftigt waren, Wasser zum Bedarf der im Lager Zurückbleibenden heraufzuziehen, so benutzten wir diese Gelegenheit, unsere Feldflaschen frisch zu füllen und uns noch durch einen Trunk von dem schönen, klaren Wasser zu laben. Hier war es, wo Dr. Newberry und ich uns von der übrigen Gesellschaft trennten, um den Versuch zu wagen, der Schlucht gleich von Anfang an zu folgen. Leicht gelangten wir an Stricken zu dem Wasservorrat hinab, und während unsere Gefährten hoch über uns auf dem Felspfad dahinzuschweben schienen, drangen wir immer tiefer abwärts.

 

Fortwährend umgab uns auf unserem gleichsam unterirdischen Weg die interessanteste und großartigste Formation, denn überhängende Felswände, ausgewaschene Höhlen, herabgestürzte kolossale Blöcke und glattes Geröll reihten sich in einem so furchtbar wilden Chaos aneinander, daß wir vor Erstaunen oftmals kaum Worte zu finden vermochten. Bald an Abgründen hinkriechend, bald an Stricken uns niederlassend, rückten wir indessen allmählich weiter; wohltuende Kühle begünstigte uns bei der schweren Arbeit, und immer mehr gaben wir uns der Hoffnung hin, die geheimnisvolle Schlucht, in die nie ein menschlicher Fuß, auch nicht der eines Indianers, gedrungen war, bis zu ihrer Erweiterung erforschen zu können. Plötzlich aber hemmte ein Abgrund unsere Schritte, ein Abgrund, der über hundert Fuß tief hinabreichte und dem andere, kleinere und größere Abstufungen fast unmittelbar folgten. Wir schauten hinab, wir prüften die Seitenwände, die aus der schauerlichen Tiefe weit über unseren Standpunkt senkrecht hinausragten, wir maßen unsere Leinen, aber alles blieb vergebens, unsere Kräfte und unsere Mittel reichten nicht aus, derartige Hindernisse zu besiegen, und mit einem gewissen Widerstreben entschlossen wir uns endlich zur Rückkehr. Wir befanden uns bald wieder bei dem Wasservorrat, die Strickleiter hing noch da, und kurze Zeit darauf standen wir auf derselben Stelle, wo wir uns in der Frühe von unseren Gefährten getrennt hatten.

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Ersteigen des Plateaus — Die merkwürdige Formation der Schluchten — Der Felskessel — Wunderbare Aussicht auf diesen — Rückkehr ins Lager — Ausbleiben von Lieutenant Ives und seiner Abteilung — Sumpfvögel auf dem Plateau — Ankunft des Lieutenant Ives — Beschreibung der tiefgelegenen Schluchten — Vermissen von zwei Soldaten — Ausflug nach einem anderen Felskessel — Beschreibung desselben — Auffinden der Verirrten — Eintreffen der Maultiere — Teilung der Expedition — Erforschen der unbekannten Straße — Vereinigung und Lager der beiden Abteilungen am See — Weitere Reisepläne — Aufbruch zur Reise nach den San Francisco Mountains — Die niedrigere Abstufung des Hochlands — Wassermangel — Umherirren in den Schluchten — Beales Straße — Vulkanische Region — Wassersuche — Der Graue Bär

Da es uns nicht gelungen war, den Weg abwärts zu verfolgen, so faßten wir den Entschluß, uns nach der Höhe hinaufzuarbeiten, um möglicherweise von dort aus einen Überblick über die nächste Umgebung zu gewinnen, die in geologischer wie in topographischer Beziehung soviel Merkwürdiges und Ungewöhnliches barg. Als wir mühsam an den steilen Abhängen hinaufkletterten, erschien uns die Atmosphäre doppelt glühend und drückend, weil wir eben erst die gewölbeähnliche kühle Schlucht verlassen hatten, und vielfach waren wir genötigt zu rasten, ehe wir die Höhe des Plateaus erreichten, wo uns auf wellenförmig gestörter Kalksteinstrate ein verhältnismäßig ebener Weg offenstand. Wir wählten die westliche Richtung, und am Rand derselben Schlucht hinschreitend, in der unsere Gefährten verschwunden waren und wo sich tief unter uns der luftige Pfad hinzog, erblickten wir bald Formationen und Szenerien, wie sie die kühnste Phantasie nicht zu ahnen und zu schaffen vermag. Bis zu zweitausend Fuß tief schauten wir hinab, und dort traf das Auge auf dunkelroten Sandstein, der den Boden der trockenen, nackten Felsschlucht bildete, die sich in westlicher Richtung immer mehr senkte und erweiterte. Wie feines Geäder erschienen die zahllosen Wasserrinnen, die vom Fuß der senkrechten Mauern sich der Mitte zuschlängelten und dort zu einem tiefen Flußbett vereinigten, das, so weit das Auge reichte, die Farbe von rotglühendem Eisen trug. Aus der Schlucht stiegen die mächtigen Türme mit ihren regelmäßigen Architekturen und Bedachungen empor, gebildet durch die horizontalen Schichten verschiedener Epochen und je nach ihrer Nachgiebigkeit mehr oder minder ausgemeißelt durch die Einwirkung der Atmosphäre seit Tausenden und aber Tausenden von Jahren. Grellfarbige Streifen zogen sich in nie gestörter Ordnung an den gekerbten Wänden dahin, und während Dr. Newberry sorgsam an diesen Streifen die Geschichte der geologischen Formation des mächtigen Hochlands zu entziffern suchte, nahm ich mein Skizzenbuch zur Hand und schaffte mir ein Andenken an jenen merkwürdigen Punkt.

Es war um die Mittagszeit, und mit sengender Glut fielen die Strahlen der Sonne auf das nackte Gestein, das, ebenfalls erhitzt, Wärme ausströmte und die nächsten Luftschichten in zitternder Bewegung erhielt. Die Winde schwiegen, das Atmen wurde schwer, aber mit ungeschwächtem Interesse studierten wir die Linien und Farben des wunderbaren Bildes, das in unbeschreiblicher Mannigfaltigkeit, aber auch in schrecklicher Öde vor uns lag. Einschläferndes Gesumm von Insekten erfüllte den Raum, regungslos lagen auf dem erwärmten Felsen zahlreiche Eidechsen umher, wollüstig sogen sie mit weit geöffnetem Rachen die heiße Luft ein, aber im Schatten eines Felsblocks lugte hinter halbgehobener Falltür die giftige TarantelDiese große schwarze, dichtbehaarte Spinne ist im südlichen Nordamerika allgemein unter dem Namen Tarantula bekannt, und ihr Biß ist sehr gefürchtet. Am häufigsten erblickte ich diese auf den dürren Flächen am Rand der Tularetäler, wo sie, ihrer Beute nachspürend, langsam dahinschlich oder auflauernd regungslos dasaß. Nur auf dem Hochplateau beobachtete ich mehrfach diese Tarantel in Erdhöhlen oder auch in Ritzen zwischen Gestein. Die Öffnung hatte sie dann immer so weit zugebaut, daß ihr nur ein bequemer Durchgang offen blieb, und derselbe schloß sich stets von selbst durch eine gespinstähnliche Tür, die, oben lose befestigt, in der Öffnung nach beiden Seiten hin- und herspielte, so daß die grimmige Bewohnerin durch einen leisen Druck ebenso leicht hinein wie hinaus gelangte. Den Kopf unter der halbgehobenen Falltür hindurchsteckend, lauert sie auf die zufällig vorbei eilenden Insekten; befinden sich diese in ihrem Bereich, so stürzt sie mit unglaublicher Schnelligkeit hervor und verfehlt nie ihr Opfer. Eine ungewöhnliche, sie erschreckende Bewegung in ihrer Nähe veranlaßt sie aber, sich tiefer in die Höhle zurückzuziehen, worauf sich die Tür schließt und durch nichts mehr die Anwesenheit der so giftigen Räuberin verraten wird. hervor.

Wir hatten unsere Arbeit beendet und erhoben uns, um weiterzugehen, die Tür der Tarantel klappte zu, die Eidechsen stoben auseinander, aber das Geschwirr in der Luft hielt an und begleitete uns, als wir auf dem Rand des Plateaus dahinschritten. Immer umfangreicher wurde die Schlucht, auf die wir ständig unsere Blicke geheftet hielten; sie fiel endlich mit einem weiten Becken zusammen, in das aus allen Richtungen neue Spalten mündeten, die der zuerst erwähnten an Großartigkeit der Formation nichts nachgaben. Das Becken selbst verdient eine genauere Beschreibung, denn es war der Punkt, bis zu dem Lieutenant Ives und unsere übrigen Gefährten wie auf unterirdischem Weg durchdrangen und in dem uns, die wir auf der Höhe standen, ein vortreffliches und fast das einzige Bild des Charakters jener unzugänglichen Regionen geboten wurde.

Ich zeigte später die von mir entworfene Skizze dem Lieutenant Ives und Herrn von Egloffstein, doch beide erkannten das Bassin nicht wieder, indem auf ihrer die Aussicht ständig von turmhohen Felswänden eingeengt gewesen war und sie sich in tiefen Schluchten befunden hatten, die ich von der Höhe herab nur für unerhebliche Wasserrinnen gehalten hatte.

Die jenen Gegenden eigentümliche klare Atmosphäre ist bei Abschätzungen von Entfernungen vielfach die Ursache von Irrtümern, doch glaube ich, daß meine Angaben sich der Wahrheit nähern, wenn ich die Breite dieses furchtbaren Felskessels auf sechs bis sieben Meilen berechne. Die Einfassung zeigte ganz dieselben Schichten und Farben, wie wir sie in der ersten Schlucht beobachtet hatten, nur daß die wunderlichsten Gebilde die kolossalen Wände schmückten oder teilweise von ihnen losgewaschen waren und daß diese in phantastischen Linien und Formen miteinander zu wetteifern schienen. Der rote Sandstein bildete auch in dem Kessel den scheinbar ebenen Boden, und dieser lag über zweitausend Fuß tiefer unter uns; doch an zahlreichen schattigen Streifen, welche die ziegelrote Fläche in der vom Wasser vorgeschriebenen Ordnung durchschnitten, vermochten wir zu erraten, daß dort neue Spalten und Schluchten sich öffneten, die noch Tausende von Fuß tief hinabführten.

Mitten in dem Bassin erhob sich noch ein letzter Überrest des Plateaus, der durch die Regelmäßigkeit seiner Formen auf das merkwürdigste gegen seine ausgezackte und zerrissene Umgebung kontrastierte. Es ragte nämlich auf der roten Unterlage ein mächtiger Kegel empor, dessen höchsten Gipfel ein Felsenturm zierte. Das abgerundete Dach desselben stand einst in Verbindung mit der Gesteinslage, auf der wir uns befanden, und als wir an dem Turm und an den Abhängen des Kegels niederschauten, erkannten wir überall die horizontalen Schichten, deren Fortsetzung an jedem senkrechten Durchschnitt des Hochlands leicht zu entdecken war. Hier nun, wo auf ausgedehntem Raum sich kolossale Massen in ein einziges Bild, aber doch nur zu einem kleinen Teilchen eines gewaltigen Ganzen zusammendrängten, schienen die mächtigen Dimensionen der einzelnen Wälle und Türme im Vergleich mit denen in engeren Schluchten zu schwinden, doch bebte man fast bei dem Eindruck, den die farben- und formenreichen, starren, regungslosen Massen ausübten, und kaum wagte man es, seine Stimme zu erheben gegenüber einer so furchtbar schönen Natur.

Nicht ohne Mühe verfolgte ich die Linien, die vor meinen Blicken chaotisch ineinander verschwammen, und lange hätte ich noch weilen mögen in der tödlichen Einsamkeit, doch schmerzhaft wirkte das blendend beleuchtete, farbige Gestein auf meine Augen, und der Körper erschlaffte unter den brennenden Strahlen der Sonne.

Wir rüsteten uns zur Heimkehr ins Lager, und an den Abhängen niedergleitend, füllten wir unsere Taschen mit schönen Exemplaren fossiler Muscheln, die in großer Anzahl unter den Trümmern des verwitterten Kalksteins umherlagen. Es war schon spät, als wir, erschöpft von der beschwerlichen Wanderung, uns endlich wieder in dem Schatten unseres Zeltes hinstreckten und erwartungsvoll der Rückkehr des Lieutenant Ives und seiner Abteilung entgegensahen. Die Sonne versank gleichsam in den fernen Schluchten, Dämmerung ruhte auf dem geheimnisvollen Hochland und ging schnell in nächtliches Dunkel über; doch nichts verkündete die Nähe der Abwesenden. Da diese übrigens den gefährlichen Pfad noch nicht betreten haben konnten, als die Tageshelle sie noch begünstigte, so war es nicht zu vermuten, daß sie ihre Wanderung in der Dunkelheit fortsetzen würden, und weiter nicht beunruhigt, traf die kleine Gesellschaft im Lager alle Anstalten, den Mangel an Mannschaften durch doppelte Wachsamkeit zu ersetzen.

Ohne Störung verstrich die Nacht, und als ich in der Frühe des 14. April noch gemächlich auf der weichen Büffelhaut lag, vernahm ich plötzlich zu meiner größten Überraschung das schrille Pfeifen von großen Sumpfvögeln, die augenscheinlich unser Lager umkreisten. Ich ergriff mein Gewehr, trat ins Freie und erblickte in der Tat vier große, schön gefiederte Säbler, von denen ich gleich drei erbeutete. Ich präparierte ihre Bälge, das Fleisch dagegen lieferte ich in unsere Küche, und wenn dieses auch nicht wohlschmeckend war, so bildete es doch eine sehr annehmbare Veränderung auf unserem kärglich besetzten Tisch.

Schon zur frühen Vormittagsstunde kehrten unsere Gefährten aus der Schlucht zurück und waren sehr erstaunt darüber, daß wir sie am vorhergehenden Abend noch erwartet hatten, da sie doch zwei Soldaten mit Nachricht für uns abgesandt hätten. Ihr Staunen wuchs aber, als sie vernahmen, daß die beiden Leute überhaupt nicht bei uns eingetroffen seien. Peacock, der kühne Reiter, der mit wunden Füßen nachgeschlichen kam, war der einzige, den die Nachricht nicht überraschte, und er beharrte mit stoischer Ruhe auf seiner komischen Ansicht, daß man jedem Soldaten einen Knaben zur Führung mitgeben müsse, wenn man gegen ein Verirren derselben gesichert sein wolle. Es wurden übrigens sogleich einige Leute mit dem Auftrag nach der Schlucht zurückgesandt, durch Abfeuern von Schüssen die Vermißten auf den rechten Weg zurückzuleiten.

Lieutenant Ives‘ und Egloffsteins Berichte lauteten: Nachdem sie den Punkt erreicht hatten, wo wir mit dem Train zur Umkehr gezwungen worden waren, folgten sie dem Pfad abwärts und erreichten endlich nach vieler Mühe den Boden der Schlucht. Die westliche Richtung beibehaltend, gelangten sie immer tiefer, bis endlich hohe Felsmauern sich aufs neue zu beiden Seiten von ihnen auftürmten und jede weitere Aussicht nahmen. Es war dies die Stelle, die ich oben als die rote Sandsteinfläche, überragt von dem Felsenturm, bezeichnete. Soviel wie möglich einer bestimmten Richtung in den wirren Schluchten folgend, auch teilweise geleitet von einem kaum erkennbaren Indianerpfad, stießen sie endlich auf eine Abstufung von ungefähr zwanzig Fuß Tiefe, an der ein morscher Pfahl als letzter Überrest einer rohen Leiter angelehnt stand. Nicht weit davon erblickten sie einen Bach, der sich über die Felsen hinabstürzte und ein kleines Tälchen bewässerte. Durch Stricke und zusammengeknüpfte Gewehrriemen gehalten, kletterte Egloffstein, und zwar nicht ohne Lebensgefahr, hinab, doch stieß er dort auf neue Hindernisse, die ihn in seinen weiteren Bewegungen hemmten. Tiefer abwärts schauend, gewahrte er aber, daß der schmale Raum des Tälchens wie zur Bewässerung in kleine Felder abgeteilt war, und er glaubte auch Fischergerätschaften aus der Ferne zu erkennen. In seinen Beobachtungen wurde er plötzlich durch den Anblick eines Eingeborenen unterbrochen, der auf einer höhergelegenen Felswand saß und neugierig auf ihn herabschaute. In der Hoffnung, hier einen willkommenen Führer für unsere weiteren Operationen zu finden, suchte er den Wilden durch Zeichen zu bestimmen, zu ihm herabzukommen, doch der scheue Indianer, der die Zeichen wohl verstand, antwortete, daß er erst zu ihm hinaufkommen möge, was aber außer dem Bereich seiner Kräfte lag. Nach manchen vergeblichen Versuchen, den Wilden für sich zu gewinnen, kehrte er wieder zu seinen Gefährten zurück, und dann wurde nach kurzer Rast der Heimweg eingeschlagen. Die beiden Soldaten waren übrigens schon früher abgesandt worden, um uns vom Ausbleiben der Gesellschaft in Kenntnis zu setzen.

 

Wie wir vermuteten, waren sie kurz vor Einbruch der Nacht am Fuße jenes unsicheren Pfades angekommen, hatten die Wanderung auf diesem bis zum folgenden Morgen verschoben und es vorgezogen, ohne Feuer, ohne Decken und nur mit einem sehr kärglichen Imbiß die Nacht auf dem harten Felsenlager zuzubringen.

Wie ich schon oben bemerkte, erregte die von mir ausgeführte Zeichnung jenes Felskessels das größte Interesse, und Egloffstein entschloß sich, beseelt von dem Wunsch, einen ähnlichen Anblick zu genießen, trotz seiner wunden Füße, am Nachmittag Dr. Newberry und mich auf einem neuen Ausflug zu begleiten. Wir wählten diesmal eine mehr nördliche Richtung, weil wir gerade dort eine größere Senkung des Bodens entdeckten, die möglicherweise das tiefgelegene Bett des Colorado Chiquito sein konnte, den wieder zu erblicken unser nächster Wunsch war. Die Hoffnung, in jener Breite an den Großen Colorado hinabzugelangen, hatten wir ja schon vollständig aufgegeben.

Nach einem Marsch von drei Meilen standen wir endlich am Rande der Schlucht, und vor mir lag ein Bild, das im Charakter ähnlich dem war, das ich schon beschrieb, und doch auch wieder so verschieden in seinen einzelnen Teilen und Formen. Der Eindruck, den der gewaltige Felskessel auf uns machte, wurde dadurch gehoben, daß wir hart am Rande des Plateaus standen und die grausige Tiefe sich unmittelbar vor unseren Füßen öffnete. Schüchtern schauten wir hinab auf das nahe an zweitausend Fuß tief gelegene dunkelrote Bett des trockenen Bassins; in unzähligen Windungen, ähnlich phantastischen Arabesken, zogen sich die verschiedenen Wasserrinnen dahin, und mit ihnen vereinigten sich die Schluchten, die aus den tiefen Spalten des Hochlands weit in das Becken hineinreichten. Die durchschnittliche Breite dieses Felskessels betrug nicht unter sechs Meilen, doch war er gleichsam in zwei Hälften geteilt durch eine mauerähnliche Verlängerung des Plateaus, die so merkwürdige Gebilde schmückten, daß man in der Tat die wohlerhaltenen Ruinen einer indianischen Stadt vor sich zu sehen glaubte. Auffallender noch war ein mächtiges Amphitheater, das sich in schöner, regelmäßiger Rundung zwischen unserem Standpunkt und der ruinengekrönten Felswand ausdehnte. Durch eine weite Öffnung stand dasselbe mit dem Hauptkessel in Verbindung, doch bildete es ein abgeschlossenes Bauwerk, das den Beobachter mehr als alles andere zu Betrachtungen hinreißen mußte.

Wie sich nun oftmals auf meinen einsamen Wanderungen in jenen Urwildnissen Eindrücke, Gefühle und Gedanken wiederholten, so ist es auch wohl verzeihlich, wenn ich bei der Beschreibung dieselben Wiederholungen eintreten lasse; und gern ertrage ich den Tadel, den ich durch den Versuch einer abermaligen Schilderung jenes so merkwürdig zerklüfteten Hochlands vielleicht auf mich lade.

Dort also auf schwindelnder Höhe, am Rande des Abgrunds, saß ich wiederum und zeichnete. Vor mir aus schauerlicher Tiefe türmten sich die Formationen verschiedener Epochen übereinander, deutlich erkennbar an den grellen Farbkontrasten, jede einzelne Schicht ein Weltalter bezeichnend. Senkrecht standen die Wände, als ob die geringste Erschütterung sie hinabzustürzen vermöchte, und wie eine Mahnung an die Unendlichkeit erschienen mir die Merkmale, die bewiesen, daß fallende Wassertropfen die Schlünde bildeten, die mir von allen Seiten entgegenstarrten. Ich saß und zeichnete und blickte sehnsüchtig hinüber zur hohen Felswand, die sich in der Entfernung von etwa zwanzig Meilen aus der Ebene erhob und an deren Fuß der Kleine oder der Große Colorado vorüberschäumen mußte.

Beide Flüsse konnten sich, nach unserer Berechnung, in jener Breite nicht über fünfzehnhundert Fuß hoch über dem Meeresspiegel befinden, und da neuntausend Fuß die Erhebung des Plateaus war, so mußte das eigentümliche Bild verborgen vor uns liegen, in dem ein Fluß sich zwischen senkrechten Wänden von siebentausend und mehr Fuß dahindrängt oder in stufenweisen, unmittelbar aufeinanderfolgenden Fällen den Höhenunterschied überwindet.

Nach meiner Rückkehr aus jener Gegend ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob der Colorado sich sein Bett nicht unter der Oberfläche des Plateaus durchgewühlt haben könne, da die Erhebung des Bodens nahe der Vereinigung des Grand River und des Green River nur an fünftausend Fuß betrage; das ist wohl denkbar, doch an Ort und Stelle erkennt man leicht die Unwahrscheinlichkeit einer Unterwühlung der massiven Gesteinslagen, die auf einem ungeheuren Raum die Erdoberfläche bilden. Außerdem zweifelt man nicht beim Hinblick auf die zahllosen Schluchten, die wie ein Geäder das Hochland durchziehen, daß die tiefen, bis jetzt noch unbekannten Betten der Ströme in jenen Regionen ebenso wie die Schluchten durch Auswaschungen von oben allmählich entstanden sind. Übrigens vermag man auch von den Höhen der San Francisco Mountains die Öffnungen der Spalten zu erkennen, in denen mutmaßlich die beiden Ströme fließen.

Mit einer gewissen Wehmut blickte ich nach der mächtigen Uferwand hinüber, die den Lauf großer Gewässer bezeichnete und von der mich Hindernisse trennten, die zu überwinden mehr als menschliche Kräfte erfordert hätte; mit Wehmut beobachtete ich auch eine Weihe, die auf sicheren Schwingen in gleicher Höhe mit meinem lustigen Standpunkt über der Tiefe dahinschwebte. Ich beneidete den Vogel um seine Kraft, folgte ihm im Geist und schaffte mir in Gedanken mit ahnungsvollem Grauen ein Bild von dem Felsental des Colorado »des Westens«, das vielleicht noch für kommende Jahrhunderte dem Menschen ein Geheimnis bleiben wird. Als ich mich wandte, um ins Lager zurückzukehren, hatte ich wieder die scheinbar ununterbrochene Ebene vor mir; der Himmel hatte sich bewölkt, im Westen schimmerten einige rosenfarbige Streifen, den baldigen Untergang der Sonne verkündend, und ich eilte, um nicht zwischen den Schluchten von der Dunkelheit überrascht zu werden.