Kostenlos

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

Text
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Bis zum Rand der Ebene hatten unsere fünf Indianer gemeinschaftlich die Richtung des Weges angegeben, als wir aber in die erste Schlucht hinabstiegen, die sich gegen Nordwesten zu stark senkte, eilte der kleine Wallpay behende eine kurze Strecke voraus, um auf dem kiesigen Boden nach zurückgelassenen Spuren von Eingeborenen zu suchen. Ich beobachtete den Burschen aufmerksam und zweifelte nicht daran, daß er einen für uns unkenntlichen Pfad verfolgte, denn oft schritt er längere Zeit, ohne links oder rechts zu schauen, dahin, oft blieb er stehen und prüfte mit den Augen höchst bedächtig die Umgebung, forderte die jungen Mohaves auf, in verschiedenen Richtungen den Boden zu untersuchen, oder trabte auch selbst emsig hin und her, ähnlich einem Schweißhund, der die leitende Spur verloren hat. Mochte unser Führer auch vielfach vom Pfad abgekommen sein, so fand er diesen doch stets wieder, und wir gelangten allmählich bis dahin, wo derselbe mehr betreten war und daher auf die Nähe von Schlupfwinkeln der Eingeborenen deutete. Wider Erwarten fanden wir diese zerklüftete Wildnis von Hirschen reich belebt, doch konnten wir es nicht wagen, in dem Labyrinth von Schluchten jagend umherzustreifen, und nicht ohne Mühe vermochten unsere Tiere auf dem sich stark senkenden Pfad mit den leichtfüßigen Eingeborenen Schritt zu halten. Sechzehn Meilen waren wir seit dem frühen Morgen gereist und hatten, auf dem letzten Teil dieser Strecke niedersteigend, einen Höhenunterschied von 1500 Fuß überwunden. Während dieser Zeit umgaben uns fast unausgesetzt mächtige Hügel von Kohlenkalk, der gleichsam die starke Decklage des umfangreichen Hochlandes bildete, das sich etwas gegen Nordwesten senkte.

Wir erreichten gegen Abend eine klare, aber lauwarme Quelle, die, umgeben von Rohr und Schilf, eine ungewöhnlich bequeme Gelegenheit zur Ruhe für die Nacht bot. Das Wasser eilte als kleiner Bach einige hundert Schritt in die Schlucht hinein, versank dort im Sand, doch der Richtung desselben nachblickend, gewahrte ich einige Cottonwood-Bäume und verkrüppelte Eichen, die vom erneuten Hervortreten desselben zeugten. Auf dem von der Quelle befruchteten Boden waren die Spuren einer kleinen Maispflanzung sichtbar, und kaum glaubte ich meinen Augen trauen zu dürfen, als ich einen Pfirsichbaum entdeckte, der einsam am Fuße eines nahen Hügels dem feuchten Boden seine Nahrung entnahm. Vielfach ergingen wir uns in Vermutungen über die Art und Weise, auf welche der Pfirsichkern, dem das Bäumchen entkeimte, seinen Weg in diese abgeschlossenen Regionen gefunden hatte, und wir nahmen an, daß er durch die Apachen vom Rio Grande dorthin gebracht und absichtslos, vom Zufall geführt, gepflanzt worden sei.

Vor uns, in der Entfernung von etwa einer Meile, wurde die Schlucht von hohen, senkrechten Felswänden eingeengt, die dieselben regelmäßigen horizontalen Schichten und Lagen zeigten, die ich bei der Beschreibung der Music Mountains schon erwähnte. Die eigentliche Öffnung des geheimnisvollen Cañons, in den unser Weg am folgenden Tag hineinführen sollte, wurde noch durch einige vorspringende Hügel verdeckt, und so erstieg ich denn die nächste Höhe, um mir von dort aus eine Zeichnung von diesem so interessanten Punkt zu sichern.

Ein Gewirr von regelmäßigen und unregelmäßigen Linien, erstere aber in überwiegender Zahl, drängte sich dort in ein merkwürdiges und zugleich schönes Bild zusammen. Wie mächtige Wälle mit senkrechten Mauern schoben sich die zerklüfteten Plateaus aneinander vorbei, in bunten Farben schimmerten ihre fast waagrecht linierten Abhänge, und dunklere Schatten verrieten die Stellen, an denen es tief in den Schoß der Erde hinabging. Zedernbüsche schmückten ringsum die wellenförmig aneinanderhängenden Hügel, aber hinter diesen erhob sich das nackte Gestein in den prachtvollsten Formationen und, verursacht durch die verschiedenen Entfernungen, in den zartesten und immer mehr verschwimmenden Schattierungen. Lautlose Stille herrschte in dieser öden, aber schönen Wildnis, doch zu dem Aufmerksamen sprach es aus totem Gestein wie aus grünenden Zedern und keimenden Halmen in leichtverständlicher Weise: »Erhaben ist die Natur in allen ihren Formen!«

Ich stieg wieder zur Quelle hinab und wählte zu meinem Weg die nächste Richtung, die zufällig an einem steilen Abhang hinunterführte; das steinige Erdreich gab unter meinen Füßen nach, und untermischt mit verwitterten Trümmern von Kalkstein, rollten Fragmente von Sandstein, Marmor, weichen, schieferartigen Felsen und weiter unterhalb von Granit und Quarz vor mir hinab.

Der Himmel hatte sich allmählich in einen dichten Schleier von Regenwolken gehüllt, so daß wir unsere Zelte gegen die etwa niederströmenden Wasser zu sichern begannen; mit der Dunkelheit aber, die sich pechschwarz in die Schluchten senkte, stellte sich auch ein starker Wind ein, dessen ursprüngliche Richtung wir, geschützt von allen Seiten, nicht zu erraten vermochten, der aber den Niederschlag der Wolken verhütete.

Wir waren eben im Begriff, uns hinter unsere Zeltwände zurückzuziehen, als plötzlich nicht weit vom Wachtfeuer der Hüter ein anderes Feuer aufflammte und eine Rotte um dasselbe herumkauernder Eingeborene beleuchtete. Iretéba erkannte diese als Wallpay-Indianer und eilte auf Lieutenant Ives‘ Wunsch sogleich zu ihnen hin, um ihnen eine Einladung zu überbringen. Die Wilden schienen eine solche erwartet zu haben, und über unsere Absichten durch die Anwesenheit der Mohaves und des jungen Wallpay beruhigt, traten sie mit Iretéba furchtlos zu uns heran. Es waren dieselben kleinen, unsauberen und wild aussehenden Gestalten, wie ich sie weiter oben beschrieb; auch erblickte ich wieder die auffallend stark ausgebildeten Muskeln an den Beinen, was mir übrigens nicht mehr außerordentlich vorkam, seit ich mehr von dem heimatlichen Boden dieser Menschen kennengelernt hatte, auf dem diese von Kindesbeinen an darauf angewiesen sind, beständig mühsam kletternd sich ihren Unterhalt zu verschaffen.

Der aus sechs oder sieben Mitgliedern bestehende Besuch schien uns seine freundlichen Gesinnungen darlegen zu wollen, denn gleich nach ihrer Ankunft reichten die häßlichen Schluchtenbewohner uns von ihrem schon zubereiteten Meskal,Meskal: ein aus dem Fleisch und den Fasern der Wurzeln der Agave bereiteter, wohlschmeckender Teig. der natürlich genommen und auch versucht wurde. Der Geschmack der in Tafelform gepreßten Kuchen erinnerte an Feigen und hatte durchaus nichts Widerliches. Im Vergleich aber mit der Masse eines solchen Kuchens war der darin enthaltene Nahrungsstoff nur sehr gering zu nennen und bestand aus einem honigähnlichen Saft, mit dem die zähen Wurzelfasern reich getränkt waren und den man mittels Kauens und Saugens von den ungenießbaren Bestandteilen trennen mußte. Bereitwilliger wurden zwei Hirsche hingenommen, die einer der Wallpays während des Tages erlegt hatte und die er uns zum Verkauf anbot.

Der Größte und Ansehnlichste der wilden Bande, der in seiner äußeren Erscheinung seinen Kameraden in nichts nachgab, schickte sich endlich an, eine Rede zu halten, eine Rede, die unsere Mohaves höchlichst ergötzte, für uns aber nur ein anhaltendes Zetergeschrei war. Der freundliche Iretéba teilte uns mit, daß die Rede sehr schön und gut sei, daß sie die wärmsten Freundschaftsversicherungen und Schwüre der treuesten Aufopferung enthalte, daß er aber keinem von uns wünsche, in irgendeinem verborgenen Winkel unvermutet mit dem Redner und seiner Gesellschaft zusammenzutreffen, indem er dann nicht dafür einstehen könne, daß diese dann nicht ihre spitzen Pfeile auf verderbliche Weise anwenden würden. Ferner versicherte er, daß er, obschon mit den Wallpays befreundet, oder vielmehr von ihnen gefürchtet, auf der Heimreise nicht eher die Augen zum Schlaf schließen möchte, als bis er sich außerhalb des Bereichs dieses räuberischen Stamms befände.

Bis tief in die Nacht hinein blieben die Gäste vor unseren Feuern sitzen und bezeugten durch viel Reden und Schnattern, welches Interesse ihnen unsere Gegenwart einflöße. Die dargereichten Pfeifen ergriffen sie auf ungeschickte Weise und rauchten daraus augenscheinlich mehr, um uns dadurch zu gefallen, als aus Liebhaberei. Beim besten Willen aber vermochten sie nicht ein tief gewurzeltes Mißtrauen gänzlich zu verstecken, ein Mißtrauen, das aus dem Bewußtsein entsprang, weiße Reisende verräterisch hintergangen, angefallen und auch ermordet zu haben. Auf der anderen Seite waren aber auch wieder einzelne von ihnen, wenn sie Expeditionen begegneten, von diesen ergriffen und zu unfreiwilligen Führern gemacht worden, ein Verfahren, das ihre feindseligen Gefühle noch mehr angeregt hatte. Natürlich waren dergleichen Gefangene bei der ersten Gelegenheit stets wieder entsprungen und hatten die Gewaltsamkeit der Weißen, die in solchen Fällen gewöhnlich von der bittersten Notwendigkeit herbeigerufen war, mit einigen unter die Maultierherde entsandten Pfeilen vergolten, die dann mit Büchsenkugeln beantwortet wurden. Unter solchen Verhältnissen konnten diesen unbändigen Menschen ihre Scheu und ihr Mißtrauen kaum verdacht werden, und mit ihren beschränkten Ansichten über die Zwecke unseres Erscheinens unter ihnen zeigten sie noch viel Mut, indem sie sich uns überhaupt näherten. Daß sie die nächtliche Stunde zu einer Zusammenkunft wählten, geschah nicht ohne Vorbedacht, denn ähnlich den wilden Raubtieren glaubten sie bei einem unfreundlichen Empfang in der Dunkelheit leichter entschlüpfen und ungestraft ihre Geschosse zurück an unsere Feuer senden zu können.

Lieblich wölbte sich der klare Himmel über uns, als wir in der Frühe des 2. April unsere Tiere sattelten; an den Abhängen der Berge spielten die Strahlen der Sonne, und langsam schlichen die Schatten niederwärts. Wir verfolgten unseren Weg in der Schlucht und wurden auf einer kurzen Strecke von dem Bach begleitet, der aufs neue dem sandigen Boden entrieselte und zu beiden Seiten dürftige Vegetation nährte. Kohlenhaltiger Kalkstein bildete die Hauptformation unserer Umgebung, doch erblickte ich auch Sandstein und Granit, und als wir nach Zurücklegung von zwei Meilen in südlicher Richtung gegen Westen in die Hauptschlucht einbogen, hatten wir zu beiden Seiten hohe, senkrechte Felswände, auf denen die regelmäßig übereinandergeschichteten Gesteinsarten sich deutlich abzeichneten. Wir befanden uns dort noch immer in einer Höhe von ungefähr dreitausend Fuß über dem Meeresspiegel, und etwa achthundert Fuß hoch waren die steilen Ufer, welche die breite Schlucht einfaßten. Der sandige, trockene Weg führte stark abwärts, und in geringerem Grad senkten sich mit demselben die kolossalen Schichten und Lagen gegen Nordwesten.

 

Als wir so dahinritten und der Höhenunterschied zwischen unserer Straße und dem Plateau sich mit jeder Meile bedeutend vergrößerte, die gigantischen und zugleich erhabenen Felsmassen immer dichter um uns zusammenrückten, neue Formationen und neue Farben dem Boden gleichsam entstiegen und sich zu prachtvollen und wie drohend überhängenden Gebilden vereinigten, da fühlte ich nicht die sengende Glut der Sonne, deren Kraft sich in dem engen Felsenkessel verdoppelte; ich hatte nur Gedanken und Blicke für die erhabene Szenerie, die scheinbar im wildesten Durcheinander von Meisterhand zu einem so schönen Ganzen geordnet war. Tiefer hinab führte unsere Straße, höher empor ragten die Felsen, schmaler wurde der Streifen des blauen, sonnigen Himmels, der so freundlich auf uns niederblickte, und mit jedem Schritt veränderten sich die Bilder, die ich nur der Erinnerung einzuprägen vermochte. Da standen Tempel mit wunderbaren Architekturen, lange Säulenhallen und mächtige, aber zierlich geformte Pyramiden; da öffneten sich weite Gewölbe, Bogenfenster und Tore, aber unten in der Schlucht, im trockenen Bett eines zeitweise niederschäumenden Gießbachs, befanden sich dürrer Sand und glattgewaschenes Geröll, und zwischen diesem sowie in den Felsritzen ragten stachlige Kakteen hervor — fast die einzige Vegetation in dieser unwirtlichen, ich möchte sagen unterirdischen Wildnis. Und doch lebten Menschen hier, Menschen, die in der tiefen Einsamkeit alle menschlichen Neigungen verloren zu haben scheinen, Menschen, die sich nicht sehnen nach geselligem Verkehr mit anderen Nationen und nur von der Not nach dem Hochland hinaufgetrieben werden, um dort zu jagen. Im sonnigen Felsenwinkel spärlich gewonnener Mais, Fische des Colorado und etwas Wild bilden den Unterhalt dieser elenden Geschöpfe, und träg und teilnahmslos wie das sie umgebende Gestein bringen sie ihr Leben ähnlich den Tieren dahin.

Wir ritten in geringer Entfernung an einem Lager von etwa dreißig dieser bedauernswürdigen Wallpay-Indianer vorbei, die sich in einer Nebenschlucht ihre Heimat gegründet hatten, doch obgleich wohl nur einzelne von ihnen von der Existenz von weißen Menschen wußten, rührte sich doch keiner, um unseren Zug genauer zu betrachten; ja man hätte sogar glauben können, daß dergleichen Expeditionen dort täglich vorbeigezogen wären, so wenig Aufmerksamkeit schenkten sie uns.

Dieselbe Beobachtung machte ich übrigens auch, als wir an mehreren Hütten dicht vorbeikamen, in denen die Bewohner so regungslos liegenblieben, als ob sie unsere Gegenwart gar nicht geahnt hätten. Die Hütten bestanden aus Lauben von Reisig und Baumrinde, die sich an die überhängenden Uferwände anlehnten und kaum dicht genug waren, um einigen Schutz gegen die Sonnenstrahlen zu gewähren. Wir begegneten einer alten Frau, die langsam und mühselig unter einer Bürde von Wurzeln und Kräutern dahinkroch; es war eine mitleiderregende Erscheinung, dieses alte, runzlige, krankhaft keuchende Geschöpf; ich reichte ihr ein Stück Brot hin, doch ohne es anzunehmen oder meine Absicht zu verstehen, schaute sie mich mit ausdruckslosen Augen von der Seite an und zog dann murrend und scheltend ihres Weges.

Nachdem Iretéba uns angewiesen hatte, der Schlucht immer weiter nachzufolgen, kehrte er in einer der elenden Hütten ein, um, wie er zu verstehen gab, Erkundigungen über die dortige Gegend einzuziehen. Von der bezeichneten Richtung abzuweichen, war allerdings nicht möglich, doch stießen wir bei unserem weiteren Vordringen auf so ernste Hindernisse, namentlich auf herabgerollte Felsblöcke und Abstufungen im Weg selbst, daß wir schon daran zu zweifeln begannen, ob wir je in dieser Richtung den Colorado erreichen würden. Bei der Vorsicht, mit der wir uns nur auf dem gefährlichen Boden vorwärtsbewegen konnten, bei der Unruhe, die wir hinsichtlich unserer Tiere empfanden, die, ohne vorher gerastet zu haben, gewiß nicht mit ihren Lasten die Wallpay-Schlucht hätten wieder verlassen können, ging viel von den Eindrücken verloren, welche die imposanten Felsmassen notwendigerweise auf jeden ausüben mußten. Ermüdet hingen die meisten in den Sätteln und schauten vor sich nieder; fünfzehn Meilen hatten wir aber auch schon seit dem frühen Morgen zurückgelegt und waren auf dieser Strecke gegen zweitausend Fuß abwärts gezogen. Nach unserer Berechnung konnten wir uns also nicht mehr hoch über dem Spiegel des Colorado befinden, und bei jeder Biegung hofften wir endlich den ersehnten Strom zu erblicken. Plötzlich schien die Schlucht durch einen mächtigen Felsenwall abgesperrt zu sein, doch lieblich schimmerte uns aus einem dunklen Winkel grünendes Weidengebüsch entgegen, und wie aufmunternd drang das laute Rauschen eines Gießbachs zu uns herüber! Wir eilten, so gut es nur gehen wollte, darauf zu, und einige Minuten später tranken im Schatten von Weiden und Cottonwood-Bäumen Menschen und Tiere in langer Reihe aus den diamantklaren Fluten eines Gebirgsflüßchens.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Lager am Diamond Creek — Wanderungen an den Colorado — Heftige Stromschnellen — Der Ruhetag — Zeichnen am Colorado — Charakter des Stroms und seiner Ufer — Wallpay-lndianer — Egloffsteins späte Rückkehr aus den Gebirgen — Der Verlust des Hundes — Rückreise durch den Wallpay-Cañon — Entfliehen der Wallpay-Führer — Belohnen der Mohaves — Abschied der Mohaves — Reise zum Plateau hinauf — Lager ohne Wasser — Entfliehen eines Wallpay-Führers — Reise zum Wasser — Ausflug auf die zweite Etage des Plateaus — Charakter desselben — Antilopenjagd — Verirren eines Soldaten — Nächtlicher Schneesturm — Vergebliches Suchen nach dem Vermißten — Endliche Rückkehr desselben

Rein und klar wie ein Diamant sprudelte der Bach aus einer nordöstlichen Schlucht an uns vorüber, wie ein kostbarer Stein lag in entgegengesetzter Richtung vor uns ein ganz kleines, mit dem anmutigsten Grün geschmücktes Tälchen, und Diamond Creek tauften wir das Wasser, das lustig dahintanzte und auf dem beschränkten Raum bis an den Fuß der starren Felsen hin nach besten Kräften seine Segnungen spendete, die sich in einer verhältnismäßig üppigen Vegetation verrieten.

Eindrücke und die aus denselben entsprungenen Gefühle des Kindes wiederholen sich oft in späterem Alter. So erinnere ich mich, von unterirdischen Zaubergärten inmitten furchtbarer Wildnisse gelesen zu haben, und wie ich damals von größter Bewunderung für die Bilder einer reichen Phantasie hingerissen wurde, so freute ich mich hier beim Anblick der kleinen Bodenfläche, die mich so lebhaft an jene Zaubergärten mahnte. Zwar fehlten die schillernden Blumen und Vögel, und abgestorbene Bäume und Sträucher erzählten von der Vergänglichkeit dessen, was ich vor mir sah; doch an den schroffen Felswänden, die hoch emporragten, vermochte ich zu berechnen, wie tief ich mich unterhalb der Oberfläche des Bodens befand; ich hatte kennengelernt, daß schreckliche Wüsten in weitem Umkreis mich umgaben; ich hatte Befürchtungen um unser Geschick gehegt, und plötzlich lag vor mir im erquickendsten, mir fast fremd gewordenen Frühlingsgrün ein von der Natur gepflegtes, wildes Gebirgsgärtchen, und durch dasselbe murmelte das kristallklare Wasser über farbige Kiesel und an hindernden Felsblöcken vorbei.

Vergessen waren nun die Mühen des Tages wie auch der Colorado, und mit einem an Wonne streifenden Gefühl beeilten wir uns, am Fuße einer überhängenden Felswand auf weichem Rasen unsere Zelte aufzurichten. Freude herrschte überall, scherzend verrichteten die Leute ihre Lagerdienste, und mit behaglichem Stöhnen wälzten sich die Tiere auf krautreichem Boden; auch Grizzly war vergnügt, und wie im Übermut kaute er an den frischen Halmen; der arme, treue Grizzly — es war sein letztes Lager.

Gleich nach unserer Ankunft kletterte ich nach einer vorspringenden Felswand hinauf, und von dort aus, wo ich eine Aussicht auf das Tälchen und die dasselbe einschließenden Gebirgsmassen gewann, zeichnete ich eine Skizze von der ganzen prachtvollen Szenerie. Nicht wenig Mühe verursachten mir die zahlreichen Linien des über zweitausend Fuß hohen Berges, der gegen Südwesten den Lauf des Diamond Creek zu hemmen schien und dessen Fuß durch einen Vorsprung meinen Blicken entzogen wurde. Er glich einem mächtigen, unbeendeten Bau, den entsprechende Strebepfeiler und Türme umgaben. Bis zum Gipfel hinauf erkannte ich die regelmäßig übereinanderliegenden Schichten, die wie künstliches Mauerwerk über die ganze Breite des kolossalen Felsens reichten und durch den Einfluß der Atmosphäre und der zeitweise niederschlagenden Feuchtigkeit in so wunderliche Gebilde umgeschaffen waren. Ähnliche Berge tauchten nach allen Seiten hin im Hintergrund auf, und die Linien der verschiedenen Straten mit den Augen verfolgend, überzeugte man sich leicht, daß die jetzt durch weite Zwischenräume getrennten Berge einst ein festes Hochland bildeten und im innigsten Zusammenhang miteinander gestanden hatten.

Ein eigentümliches Farbenspiel zeigte sich an den schroffen Wänden, denn während auf den ersten achthundert Fuß dunkles Braun und Blauschwarz vorherrschend waren, spielten die Höhen im schönsten Rosa, Gelb, Blau und Grün, je nachdem die Formationen verschiedener Epochen sich übereinanderreihten und von der Abendsonne malerisch beleuchtet wurden. Die außerordentliche Klarheit der Atmosphäre ließ übrigens die entfernteren Gegenstände viel näher erscheinen, als sie in Wirklichkeit waren, und so lebten wir alle in der Meinung, daß der schöne Berg, den ich eben beschrieb, nur durch einen Felsvorsprung von uns getrennt sei; als ich aber ins Lager zurückkehrte, traf ich dort mit Iretéba zusammen, der mir versicherte, daß der Colorado noch zwischen uns und jenem Berg fließe.

Der Abend war nicht mehr fern, und den Strom ganz in der Nähe wähnend, begaben sich mehrere von uns auf den Weg, um noch an demselben Tag einen Blick auf ihn zu werfen. Wir gelangten schnell ans Ende des Tälchens, dessen ganze Länge kaum fünfhundert Schritt betrug, und bogen dann in die enge Schlucht ein, in der der Bach immer mit gleichem Ungestüm sich von einer nach der anderen Seite hinüberwand und dem Colorado zueilte. Es war ein sehr mühevoller Weg, denn bald hinderten uns Ranken, bald Gestein oder auch der Bach selbst im Fortschreiten, doch in der Hoffnung, bei jeder nächsten Biegung am Ufer des stolzen Stroms zu stehen, arbeiteten wir uns unverdrossen weiter.

Zwei Meilen hatten wir auf diese Weise zurückgelegt, als die Schlucht sich allmählich in ein breites, sandiges Tal öffnete und der Fuß des bekannten Berges nur noch durch kleine Weiden und Mesquitegebüsche verdeckt blieb. Das Ende des Tals, das eine halbe Meile lang war, vermochten wir fast mit den Augen zu erreichen; der Berg schien hier dem sandigen Boden zu entsteigen, und für kaum glaublich hielten wir es, daß sich dort noch der breite Spiegel des Colorado befinden könne. Als wir aber stillstanden und lauschten, da schlug an unser Ohr wie das Gestampfe unzähliger schwerfälliger Hufe dumpfes, unheimliches Rauschen und Toben, zu denen sich das friedliche Plätschern und Murmeln des Baches zu unserer Seite gesellte. Wir eilten mitten durch das Gestrüpp hindurch nach der nächsten Erhebung der sandigen Fläche und begrüßten in geringer Entfernung vor uns den schäumenden Spiegel des Stroms, der mit unwiderstehlicher Gewalt über die von ihm selbst losgerissenen Trümmer der nahen Felsenfesten dahinstürzte.

Der Anblick machte uns verstummen, und mit einem Gefühl der bewundernden Verehrung schritten wir weiter, bis unsere Füße auf dem von den Wellen des Stroms befeuchteten Sand ruhten.

Den Charakter unerschütterlicher, ernster Ruhe trugen ringsum die majestätischen Naturbauwerke; ebenso ernst folgten die unbändigen Wassermassen der von ihnen erkämpften Straße; gleichsam voll grimmiger Wut über den Widerstand, auf den sie fortwährend stießen, prallten sie von Fels zu Fels, von Stufe zu Stufe, und Wirbel und Schaum erzeugend drängten sie sich in das südliche Felsentor. Ich schaute stromaufwärts, wo der Fluß den finsteren Schluchten enteilte; ich beobachtete vor mir die breite, mit zahlreichen Wirbelkreisen bedeckte Wasserfläche und die beweglichen Spiegelbilder auf dieser, doch unwillkürlich wandten sich die Augen immer wieder gegen Süden, wo die Wasser wie im ewigen Kampf mit dem leblosen Gestein sich brausend und tobend überstürzten.

 

Nur kurze Zeit schwelgten wir in dem Anblick der großartigen Szene, denn die hochroten Kuppen der Berge hatten sich schon in einen violetten, duftigen Schleier gehüllt, und tiefe Schatten begannen sich um uns her in die abgeschlossene Welt zu senken; wir schlugen den Rückweg ein, und als wir die enge Schlucht erreichten, umgab uns undurchdringliche Finsternis. Halb kriechend, stolpernd und oftmals stürzend suchten wir unseren Weg auf dem ungünstigen Boden; nur langsam gelangten wir von der Stelle, und die Nacht war schon weit vorgeschritten, als wir der ersten großen Feuer der mexikanischen Hüter ansichtig wurden, die Tal, Baum und Fels magisch beleuchteten.

Das während des Tages von der Sonne erhitzte Gestein erhielt auch fast die ganze Nacht hindurch eine warme Temperatur in dem Felsenkessel; an dem schmalen Streifen des Himmelsgewölbes, der uns sichtbar war, funkelten und flimmerten die ewigen Sterne; die Mexikaner sangen, die Hufe der Maultiere klapperten auf dem Gestein, und niedriger brannten die vernachlässigten Feuer vor den Zelten. Ich legte mich auf mein weiches Lager und schlief ein mit dem Gedanken an heftigen Regen und Wolkenbrüche, die uns ganz bequem mit Tieren und Gepäck in den Colorado hätten spülen können.

Die Frühstunden des 3. April waren so schön, daß man sich gleichsam neu belebt fühlte; eine erquickende Kühle herrschte in der schattigen Schlucht, und die Luft enthielt nur gerade soviel Feuchtigkeit, als erforderlich war, um das Atmen zu einer wahren Erfrischung zu machen. Fast unwillkürlich versuchte man die Brust und die Lungen auszudehnen, um in erhöhtem Grad von der Atmosphäre zu trinken, die durch die wohltätige Wirkung der Nacht auf so überraschende Weise umgewandelt war. Unserer Forschungen und Beobachtungen wegen, aber auch mit Rücksicht auf den Zustand der Herde, sollte erst am folgenden Tag die Weiterreise angetreten werden. Wir gewannen dadurch reichlich Zeit, die nächste Umgebung zu durchstreifen, und schon in aller Frühe verließen die meisten von uns das Lager. Egloffstein wählte den mühseligsten Weg, denn in Begleitung eines Soldaten, eines Indianers und leider auch unseres Hundes suchte er eine der Höhen zu gewinnen, von wo aus er imstande war, die Richtung des Colorado etwas weiter zu verfolgen und auf der Karte zu berichtigen; Dr. Newberry und ich dagegen begaben uns wieder an den Strom, und während ersterer emsig zwischen dem Gestein herumhämmerte, spähte ich nach einer geeigneten Stelle, von wo ich zum Zeichnen eine volle und zugleich schöne Aussicht auf das malerische Felsentor erhielt, in das der Colorado sich schäumend hineinstürzte.

Die Höhe des Flusses über dem Meeresspiegel betrug an jener Stelle nach barometrischen Beobachtungen gegen tausend Fuß, am Black Cañon, wo wir mit dem Dampfboot umzukehren gezwungen waren, nur fünfhundert Fuß. Letzterer Höhenunterschied war also auf eine Strecke von fünfhundert Meilen verteilt oder vom Black Cañon bis hinunter zum Golf von Kalifornien, während die anderen fünfhundert Fuß das Stromgefälle von der Mündung des Diamond Creek bis zum südlichen Ende des Black Cañon oder eine Strecke von ungefähr neunzig Meilen ausmachten. Nach dem Charakter des Stroms zu schließen, soweit wir denselben schon kannten und am Diamond Creek zu übersehen und gleichsam zu erraten vermochten, bildete der Colorado in seinem Felsenbett bis zum Beginn der Schiffbarkeit keine wirklichen Wasserfälle, sondern mehr oder minder erhebliche Stromschnellen, die fast ununterbrochen aufeinanderfolgten und jedes Befahren von unten herauf oder auch von oben herunter unmöglich machten.

Vor dem Beginn der Colorado-Expedition war mehrfach die Rede davon gewesen, diesen Fluß auf leichtere Weise in Booten von seinen Quellen abwärts zu erforschen. Hier nun, angesichts der Stromschnellen, wo sich der gegen zweihundert Fuß breite Fluß stellenweise mit einem auf sechzehn Fuß verteilten Gefälle von zehn Fuß über mächtige Felsblöcke stürzte und wo die aus den Fluten senkrecht aufstrebenden Mauern zusammen mit der Brandung jegliches Landen unmöglich machten, erhielten wir eine Ahnung davon, was wohl das Schicksal derjenigen gewesen sein würde, die es gewagt hätten, sich weiter oberhalb in Booten dem Colorado und seinen Cañons anzuvertrauen.

Das Wasser des Stroms war hier ebenfalls lehmfarbig, geradeso, wie wir es auf dem ersten Teil der Reise kennengelernt hatten, und stark vermischt mit feinen, aber scharfen Sandbestandteilen, deren zerstörender Wirkung zu widerstehen selbst der Granit nicht fest genug war. Ich beobachtete nämlich vielfach Felsblöcke, die bei höherem Wasserstand der heftigen Strömung ausgesetzt gewesen waren und in die das sandhaltige Wasser im Laufe der Zeit regelmäßige Furchen hineingeschliffen hatte. Genauere Notizen, besonders aber eine geologische Sektion des Querschnittes des ganzen Plateaus, das sich dort zweitausend Fuß hoch über dem Spiegel des Colorado erhebt, verdanke ich meinem Freund Dr. Newberry. Hier erwähne ich nur, daß wir dem Anschein nach die nördliche Grenze des vulkanischen Gürtels des Mount Taylor und der San Francisco Mountains schon überschritten hatten und uns gleichsam innerhalb der ersten Etage des tafelförmigen Hochlands befanden, das von dort ab gegen Norden stufenweise ansteigt.

Nachdem ich meine Skizze beendet hatte, begab ich mich in den südlichen Winkel des Diamond-Creek-Tals, um auch von der nördlichen Schlucht ein Bild zu entwerfen; und da saß ich denn im kühlen Schatten einer überhängenden Granitwand; dicht neben mir schäumte die heftige Brandung, und aus der weiten Öffnung des Diamond Creek fielen mit voller Kraft die Strahlen der Sonne auf den bewegten Wasserspiegel und auf die gegenüberliegenden schroffen Gebirgsmassen. Einige Soldaten und Mexikaner kauerten angelnd am Ufer, und mit trägem Flügelschlag zog ein einsamer Reiher an mir vorüber; aber in dem lauten Brausen des fallenden Wassers erstarb der heisere Schrei des Vogels wie das Lachen und Scherzen der Menschen, und ein eigentümliches Gepräge nie gestörter Einsamkeit ruhte auf dieser furchtbar schönen Wildnis.

Die Mittagszeit war schon längst vorüber, als ich Büchse und Mappe ergriff und mich zur Heimkehr ins Lager anschickte; ich warf einen letzten Blick auf die schäumenden Wellen des Colorado und wanderte dann langsam am Diamond Creek hinauf. Bei meiner Ankunft im Lager herrschte dort eine tiefe Stille; die erquickende Morgenkühle war einer drückenden Wärme gewichen, und dem einschläfernden Einfluß dieser nachgebend, hatte sich der größte Teil der Gesellschaft an schattigen Stellen, die kleiner und seltener geworden waren, zum Schlummer auf den weichen Rasen hingestreckt.

Einige Wallpay-Indianer hatten sich in unser kleines Reich gewagt; mit lüsternen und zugleich verlegenen Blicken betrachteten sie die Menge der ihnen unbekannten Gegenstände, und ruhig warteten sie, ob sich jemand um sie kümmern würde. Unsere Mexikaner waren die ersten, denen sie sich näherten, und bald darauf erblickte ich beide Teile in bunten Gruppen zusammensitzen und sich in den Versuchen einer geselligen Unterhaltung ergehen.