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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Wir begannen sogleich damit, die Lagerordnung herzustellen, was zwischen den niedrigen, verkrüppelten Mesquitebäumen und den Talgholzbüschen nicht ohne Schwierigkeit war, und durchstreiften dann, der Sicherheit wegen, die nächste Umgebung. Durch einen Blick überzeugten wir uns, daß die Tiere dort wieder durch Futtermangel zu leiden hatten; doch das nicht allein — auch das Wasser reichte, selbst nachdem das kleine, natürliche Felsenbassin gesäubert war, nicht viel weiter, als um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. So hatten wir denn das traurige Schauspiel vor Augen, wie die verstreuten Tiere suchend an den Abhängen der Felsen umherkletterten, die trockene Zunge am Gestein kühlten und mechanisch an dürrem Strauchwerk nagten. Ich ging der Herde weit aus dem Weg, um die bittenden, gleichsam vorwurfsvollen Blicke nicht zu sehen, welche die armen Tiere auf jeden richteten, der sich ihnen nahte. Oftmals trennte sich eins oder mehrere von der Herde und kamen schnurstracks ins Lager, wo sie sich betrübt umschauten und den Kopf nach den gefüllten Mehl- und Maissäcken reckten; doch statt des erbetenen Bissens wurden ihnen Scheltworte zuteil, und mit Schlägen trieb man sie zu ihren Leidensgefährten zurück.

Zwei alte Spuren von beschlagenen Pferden, die wir auf den lehmigen Stellen in jenem Winkel entdeckten, erregten unsere Aufmerksamkeit, und zwar um so mehr, weil die Tiere, von denen sie herrührten, dem Anschein nach von Weißen geritten worden waren. Die Spuren hatten sich noch zu gut erhalten, als daß wir sie unbedingt einigen umherstreifenden Mitgliedern der ein halbes Jahr früher dort vorbeigereisten Expeditionen des Lieutenant Beale hätten zuschreiben mögen, und für Trapper war die Gegend wieder nicht anlockend genug. Unsere Forschungen fortsetzend, gelangten wir auch an eine kleine Hütte, die von einem der vielen Nebenstämme der Apachen-Indianer herrührte. Diese war so klein, daß man sie eher für den Aufbewahrungsort von Lebensmitteln als für das Obdach von Menschen halten konnte. Sehr haltbar aus Pfählen und Strauchwerk backofenförmig errichtet und mit einer dicken Sandlage bedeckt, hatte sie ungefähr im Durchmesser vier Fuß, in der Höhe dagegen kaum drei Fuß. Der Umstand, daß sich die Hütte nahe einer größeren Wasserrinne befand, brachte mich auf den Gedanken, daß ich vielleicht die einfache Vorrichtung zu einem Dampfbad vor mir hatte, das freilich nur in nassen Jahreszeiten und nach heftigen Regengüssen, wenn das Wasser sich in den Gebirgen zu schäumenden Bächen vereinigte, von den Eingeborenen dortiger Gegend benutzt werden konnte.

Die Nacht war kalt und stürmisch, Regen schlug auf die straffen Zeltwände, und als wir am Morgen ins Freie traten, erblickten wir zu unserer Überraschung die ganze Landschaft in eine leichte Schneedecke gehüllt. Der Himmel war mit schwerem Gewölk überzogen, Schneeflocken wirbelten in der trüben Luft, und gemeinsam mit feinem Regen durchnäßten sie alles, was nicht unter ein künstlich hergestelltes Dach gebracht werden konnte. Trotz der sichtbaren Not, die unsere Tiere litten, blieben wir an jener Stelle liegen. Nicht daß wir selbst oder unsere Leute gegen das Wetter zu empfindlich gewesen wären, aber eine alte Erfahrung hat gelehrt, daß Pferde oder Maultiere, denen der Packsattel nebst schwerer Last auf den vorn Regen durchnäßten Rücken gelegt wird, leicht unbrauchbar werden, indem die Haut dann sehr schnell durchgerieben wird und diese Wunden sich gewöhnlich bösartig entzünden. Das im trockenen Zustand bepackte Tier, die während des ganzen Tages im Regen marschiert und dessen Rückenhaut von Schweiß trieft, ist bei weitem nicht so sehr diesem Übel unterworfen. Sowenig Rücksicht man auch im gewöhnlichen Leben auf dergleichen Erfahrungen nimmt, so ist es doch anders bei Expeditionen, deren Existenz gleichsam von dem Zustand der Tiere abhängt, und mit einer gewissen Pietät läßt man selbst die unscheinbarsten Vorsichtsmaßregeln nicht außer acht, um dadurch größere Übel zu verhüten. Bei dem Mangel an trockenem Brennholz war es keine leichte Aufgabe für uns, eine erträgliche Temperatur in den Zelten herzustellen, doch der Gedanke an eigene Unannehmlichkeiten wurde durch den Anblick der armen Maultiere verdrängt, die, den beschneiten Rücken dem Wetter zukehrend, zitternd vor Kälte an den Abhängen der nahen Felsenhügel umherstanden und gelegentlich von dem frisch gefallenem Schnee leckten. Nachdem wir unser Frühmahl beendet hatten, wickelten wir uns daher wieder in unsere Decken, und während Regen und schmelzender Schnee in einschläfernder Weise auf die Wände des Zeltes rasselten, befanden wir uns in einer Stimmung, die der von Gefangenen nicht ganz unähnlich war. Wir versuchten zu schlafen, wir rauchten, und lange dauerte es, ehe wir eine Unterhaltung in Gang brachten, der wir alle mehr oder weniger unsere Aufmerksamkeit zuwandten. — Wir sprachen zuerst von den Annehmlichkeiten, die ein wohleingerichteter Gasthof bei schlechtem Wetter gewährt, und gingen über zu den westlichen Ansiedlungen sowie zu dem schnellen Aufschwung von Städten, die durch ihre Lage begünstigt werden. Allmählich befaßten wir uns mit der Geschichte der Weltstadt St. Louis nahe der Mündung des Missouri, und sowohl Peacock als früherer Bewohner des Staates Missouri wie auch Egloffstein, der mehrere Jahre in St. Louis verlebt hatte, wußten uns manche interessante Mitteilungen über jenen Ort zu machen.

Wer nun geneigt ist, seiner Phantasie einigen Spielraum zu gewähren, dem wird es nicht schwer werden, in Gedanken sich zu uns ins Zelt zu verfügen; ein Kohlenbecken steht zwischen uns; dasselbe hat einen doppelten Zweck: es erwärmt die Luft in dem engen Raum, und dann zünden wir uns auch das unentbehrliche ewige Pfeifchen bei diesem an; der Rauch hindert nicht, ebensowenig die Wassertropfen, welche an den schadhaften Stellen der Zeltleinwand durchschwitzen und uns mitunter auf den Kopf fallen; und während es draußen stürmt, regnet und schneit, erzähle ich im Zusammenhang etwas von der Geschichte der Weltstadt St. Louis.

»Vor hundert Jahren war das Tal des Mississippi Eigentum der französischen Krone und weit und breit bekannt unter dem Namen Louisiana und Oberlouisiana oder Illinois. Der Sitz der Regierung über diesen ausgedehnten Landstrich befand sich in New Orleans, und dorthin hatten sich alle diejenigen zu wenden, die das Vorrecht, mit den Indianern Tauschhandel treiben zu dürfen, für sich in Anspruch nehmen wollten.

D‘Abadie war im Jahre 1762 Gouverneur von Louisiana, und dieser erteilte einem gewissen Pierre Liguste La Clède und seinen Genossen das Privileg, unter dem Namen »Louisiana-Pelzkompanie« auf der Westseite des Mississippi und am Missouri hinauf bei den Eingeborenen Tauschverkehr einzuleiten und zu diesem Zweck überall, wo es ihnen förderlich und angemessen erscheinen sollte, Handelsposten anzulegen. La Clède trat im folgenden Jahr mit seiner Kompanie, in der sich die beiden Brüder Auguste und Pierre Chouteau befanden, deren Geschichte so eng mit der von St. Louis verflochten ist, seine Reise stromaufwärts an. Sorgfältig untersuchten die Abenteurer jeden hervorragenden Punkt des mächtigen Stroms, vermieden manche zu ihren Zwecken scheinbar geeignete Stelle, und erst als sie an den südlichen, von Missouri und Mississippi gebildeten Winkel gelangten, überzeugten sie sich, daß gerade dort der Punkt sei, an dem der Handel des Missouri vorteilhaft mit dem des oberen Mississippi vereinigt werden könne. Da, wo jetzt St. Louis blüht, stieg also La Clède ans Ufer. Eine schöne, wellenförmige Prärie dehnte sich nach allen Richtungen hin aus, Gruppen stattlicher Bäume belebten die weite Fläche, und ebensosehr eingenommen von der anmutigen Umgebung als auch von der vorteilhaften Lage jenes Punktes, beschloß er dort die Hauptstation für seine Handelsunternehmungen zu gründen.

Es war im Jahre 1764, als La Clède Besitz von diesen Ländereien nahm, die ersten Bäume zu den Palisaden und Blockhäusern fällen ließ, und den Posten »St. Louis« taufte. Er erhielt indessen nie eine Ahnung davon, zu welcher Wichtigkeit sich die von ihm auserwählte Scholle emporschwingen würde, denn er starb schon im Jahre 1778 auf der Reise von St. Louis nach New Orleans, also zu einer Zeit, als St. Louis erst ein blühender Handelsposten war. La Clèdes Gebeine ruhen in der Nähe der Mündung des Arkansas; die Stelle, wo man ihn in die Erde senkte, ist in Vergessenheit geraten; der Name des Gründers der großen Weltstadt aber lebt fort und wird von deren Einwohnern nur mit den Gefühlen der Dankbarkeit und Verehrung genannt. Die Gründung von St. Louis fällt mit dem Vertrag von Paris vom Jahre 1764 zusammen, kraft dessen Frankreich alle seine Besitzungen östlich vom Mississippi — mit Ausnahme von New Orleans — an England, dagegen die westlich von diesem Strom, zusammen mit New Orleans, an Spanien abtrat. Zu jener Zeit lebten auf der Ostseite des Mississippi oder im Illinois-Territorium schon mehrere tausend Franzosen, die mit der neuen britischen Regierung so unzufrieden waren, daß viele von ihnen ihre Zuflucht auf der Westseite suchten und in der Nähe von St. Louis kleine Niederlassungen gründeten, die jetzt teilweise zu nicht unbedeutenden Städten herangewachsen sind.

Der Hervorragendste unter den Neuzuziehenden war ein gewisser St. Ange de Belleville, früherer Kommandant des französischen Militärpostens Fort Chartres. Dieser wurde gleich nach seiner Ankunft im Jahre 1765 von den Bewohnern der Provinz Oberlouisiana mit der Macht eines Gouverneurs bekleidet, und obgleich ihn die spanische Regierung nicht eingesetzt hatte, so wurde er doch von derselben gewissermaßen anerkannt. Erst im Jahre 1770 folgte auf St. Ange de Belleville der erste gesetzliche spanische Gouverneur, und diese Regierungsform wurde unter verschiedenen Gouverneuren bis zum Jahre 1804 beibehalten, wo dann das Territorium an die Vereinigten Staaten von Nordamerika fiel.

Obgleich der kleine Ort als die Hauptstadt von umfangreichen Territorien betrachtet wurde, so bietet die erste Geschichte von St. Louis nur wenig hervorragende und erwähnenswerte Punkte. Die Einwohner, lauter Franzosen oder Abkömmlinge derselben, verleugneten nicht ihren Nationalcharakter, das heißt, sie bildeten eine fröhliche, gesellige, leichtherzige Gemeinde, die, zufrieden mit geringem Gewinn, in Vergnügungen jeglicher Art den höchsten Lebensgenuß fand.

 

So wie die Handelsartikel auf die beschwerlichste Weise in Booten von New Orleans stromaufwärts bis St. Louis gebracht wurden, so zogen von hier aus die Kompanien der kühnen Pelzjäger alljährlich den Quellen des Missouri und des Mississippi zu, um dort unter Entbehrungen, Gefahren und den merkwürdigsten Abenteuern Felle und Pelzwerk von den Indianern einzutauschen. Hatten sie dann den Herbst und den Winter auf ihren gefährlichen Reisen hingebracht, so kehrten sie im Sommer auf ihren ausgehöhlten Baumstämmen und Rindenkanus mit den gewonnenen Schätzen heim, um während des Sommers jeder Mann seinen Anteil am Gewinn im fröhlichen, geselligen Zusammensein zu verjubeln.

Zu einer gewissen Annehmlichkeit dieser sorglosen Menschen gehörte, daß sie, entgegengesetzt von ihren britischen Nachbarn, stets im freundschaftlichsten Verkehr mit den Eingeborenen lebten und also nie deren Raub- und Mordüberfällen ausgesetzt waren. Dieser Unterschied zwischen den beiden Nationen hat sich übrigens bis auf den heutigen Tag erhalten, und noch immer sehen wir, wie der französische Abkömmling, ohne sich oder seinem Wesen irgendwie Zwang anzutun, das vollste Vertrauen der Eingeborenen gewinnt, während die Engländer und ihre Nachkommen, die Amerikaner — nur mit wenigen Ausnahmen —, unfähig sind, das Herz der verschlossenen Indianer für sich zu gewinnen.

Dieses Zusammenhalten der Franzosen mit ihren eingeborenen Freunden gab den ersten Anlaß zu einem Zwischenfall ernsterer Art, der die Ruhe der kleinen Ansiedlung zu untergraben drohte. St. Ange, der innig befreundet war mit Pontiac, dem berühmten Ottawa-Häuptling, erhielt im Jahre 1769 Besuch von diesem. Während Pontiac nun in St. Louis die aufrichtigste Gastfreundschaft genoß, erging an ihn eine Einladung von den Illinois- und Cahokia-Indianern auf dem östlichen Ufer des Mississippi, einem großen Fest beizuwohnen. Pontiac, der keine Ahnung von Feinden unter diesen Stämmen hatte, leistete der Einladung Folge, und dieser große, weithin berühmte Krieger verlor bei jener Gelegenheit durch verräterische Hand sein Leben. Nach einem Gerücht wurde die schändliche Tat durch einen Kaskaskia-Indianer vollbracht, der von einem englischen Pelztauscher dazu gedungen war. Pontiac hatte nämlich seinen weitreichenden Einfluß unter den Missouri-Stämmen immer dazu benutzt, den ganzen indianischen Verkehr seinen Freunden in St. Louis zuzuwenden, und sein Untergang war deshalb schon längst von den Bewohnern von Illinois herbeigewünscht worden.

Die Achtung und Liebe, die der große Häuptling sowohl unter der indianischen Bevölkerung als auch unter den Einwohnern von St. Louis genossen hatte, rief eine furchtbare Erbitterung am Missouri hervor, und in vieler Beziehung unterstützt von den Franzosen, hielten die Ottawas ein schreckliches Strafgericht auf der anderen Seite des Mississippi, und ihrer Rache fielen fast alle Illinois-Indianer zum Opfer. Die Leiche Pontiacs wurde von seinen Freunden nach St. Louis gebracht und in der Nähe des einen Forts feierlich bestattet. Eine Straße führt jetzt über das Grab des großen Kriegshäuptlings.

Lange Zeit verging, ohne daß die Ruhe in der sehr langsam wachsenden Ansiedlung St. Louis wieder gestört worden wäre. Das Jahr 1779 rückte heran, die junge Republik von Nordamerika befand sich inmitten des Kampfes um ihre Unabhängigkeit, in den bis dahin die spanischen Besitzungen und mit diesen auch St. Louis noch nicht verwickelt gewesen waren — da erreichte plötzlich die Bewohner von St. Louis die Nachricht, daß der englische Kommandant von der Insel Mackinaw im Michigansee einen Überfall beabsichtige, und der Flecken wurde infolgedessen mit Befestigungen umgeben. Die Befestigungen nun waren der einfachsten Art: eine doppelte Palisadenreihe wurde um den Ort herumgeführt, der Zwischenraum zwischen dem Pfahlwerk mit Erde ausgefüllt, und nur drei Öffnungen wurden als Tore in diesem Wall gelassen. An den äußersten Enden ihres Städtchens, von wo aus sie imstande waren, die Tore mit einigen Kanonen vollkommen zu beherrschen, errichteten die vorsichtigen Leute sodann zwei kleine Forts.

Fast ein Jahr war seit den ersten beunruhigenden Nachrichten verflossen, als plötzlich 1400 Indianer, angeführt von 140 britischen Soldaten, in jener Gegend, aber auf der britischen Seite des Stroms, erschienen und sich auf dem Ufer gegenüber von St. Louis in Hinterhalt legten. Der Überfall der Ansiedlung war auf den 26. Mai verabredet worden; und zum Glück auf diesen Tag, denn da am 25. Mai das Corpus-Christi-Fest gefeiert wurde, wo sich alle Einwohner zum Erdbeerpflücken hinausbegeben hatten, würde es dem Feind ein leichtes gewesen sein, die Ansiedlung samt ihren Bewohnern gänzlich zu vernichten.

Der unvorhergesehene Angriff erfolgte also am 26. Mai; es fielen als erstes Opfer gegen zwanzig Menschen, die mit Feldarbeiten außerhalb der Palisaden beschäftigt waren, und die Leichen derselben wurden noch zum Überfluß auf die scheußlichste Art zerhackt und zerschnitten. Nach diesem Vorspiel stürzten sich die blutdürstigen Angreifer auf die Befestigungen, doch stießen sie dort auf einen so heftigen Widerstand, daß sie nach großem Verlust und nach manchem erfolglosen Versuch, die Tore zu stürmen, zum Rückzug gezwungen wurden. Innerhalb der Palisaden befanden sich nur gegen hundertfünfzig kampffähige Männer, denn die spanischen Soldaten, die den Franzosen zur Seite stehen sollten, verbargen sich feige, und da sogar Beweise gegen den damaligen Gouverneur Leiba vorlagen, daß er durch den Verkauf von Munition sich des Verrats schuldig gemacht hätte, so erforderte es die äußerste Anstrengung des kleinen Häufchens der tapferen Jäger, um nicht in diesem ungleichen Kampf zu unterliegen.

Wie die Feinde gekommen waren, so zogen sie sich auch, und zwar wider alles Erwarten, gänzlich zurück, was der Nähe eines Haufens von fünfhundert Amerikanern zugeschrieben wurde, die den im Kampf gegen die Engländer verbündeten und hart bedrängten Franzosen zu Hilfe eilten. Der mißglückte Überfall hatte zur Folge, daß der Nachfolger des verräterischen Leiba St. Louis stärker befestigte; Bastionen entstanden, ein Turm wurde errichtet, Forts wurden angelegt und mit Kriegsmaterial versehen, doch hatten die Einwohner nie wieder Gelegenheit, zur Verteidigung ihrer Stadt aufzutreten.

Der Rest der Geschichte von St. Louis unter spanischer Oberherrschaft, die nur noch bis zum Jahre 1800 reichte, ist arm an besonders hervorragenden Ereignissen; die Bevölkerung lebte patriarchalisch, nach gewohnter Weise, und merkwürdige Zwischenfälle und außergewöhnliche Ereignisse brachte sie gleichsam kalendarisch in ihre Jahrbücher.

So ist zum Beispiel das Jahr 1785 infolge der Überschwemmungen des Mississippi »L‘année des grandes eaux« genannt worden; 1788 erhielt den Namen »L‘année des dix bateaux«, weil zehn kleine Boote zu gleicher Zeit von New Orleans heraufgekommen waren — ein Umstand, der zu damaliger Zeit wichtig genug war, als ein Ereignis betrachtet zu werden. Die zehn Schiffe waren übrigens gegen die Flußpiraten ausgerüstet worden, gegen die die langsam stromaufwärts reisenden Handelsboote beständig auf ihrer Hut sein mußten. Die reiche Honigernte, die 1792 die wilden Bienen lieferten, wurde ebenfalls in den Annalen vermerkt; ferner der kalte Winter von 1799, in dem das Thermometer bis auf 32° unter Null fiel. Auch das Jahr 1798 war nicht ohne ein Ereignis geblieben, das ihm einen Namen verschaffte: einige Galeeren hatten nämlich Truppen von New Orleans heraufgebracht, und es entstand deshalb die Bezeichnung »L‘anéee des galères«. 1801 war das Jahr der Blattern, und von dort ab erhielt die Geschichte von St. Louis einen ganz anderen und ernsteren Charakter.

Nachdem St. Louis als zu Louisiana gehörend im Jahre 1800 an Frankreich zurückgefallen war, wurde dieser Staat im Jahre 1803 durch Vertrag an die Vereinigten Staaten für den Preis von 15 Millionen Dollar abgetreten und von letzteren am 10. März 1804 mit allen Förmlichkeiten übernommen. Im Jahre 1800 zählte St. Louis gegen 150 Häuser mit 925 Einwohnern. Im Jahre 1804 befanden sich dort erst zwei angloamerikanische Familien, doch zogen immer mehr Mitglieder der angelsächsischen Rasse zu, und mit diesen fand auch deren eigentümlicher Unternehmungsgeist seinen Weg in die damals noch abgelegenen Regionen, und es begann sich zu zeigen, daß St. Louis zu etwas anderem als zu einer bloßen Pelztauscherstation bestimmt sei. Im Jahre 1817 gelangte das erste Dampfboot, das in dem weiter südlich gelegenen Louisville erbaut worden war — zum Erstaunen der weißen Bevölkerung und zum Entsetzen der Eingeborenen ohne Segel oder Ruderstangen gegen die heftige Strömung arbeitend — nach St. Louis, dem im Jahre 1819 andere von New Orleans aus nachfolgten. Mit dem vergrößerten Verkehr auf dem Mississippi durch die unglaublich schnell wachsende Zahl der Dampfboote wurde auch die Wichtigkeit der Lage von St. Louis mehr hervortretend, und man kann in diesem Fall wohl mit Recht annehmen, daß Kolonisation und Zivilisation fast ausschließlich mittels Dampfkraft nach den Ufern des Mississippi und des Missouri befördert wurden.

Wohl selten steigerte sich die Zunahme der Einwohnerzahl, und mit dieser auch der Wert des Grundbesitzes, einer Stadt in so verhältnismäßig kurzer Zeit in einem so hohen Grade und zugleich auf so nachhaltige Weise wie in St. Louis. Diese Stadt zählte im Jahre 1800, wie oben bemerkt, nur 925 Einwohner, zehn Jahre später erst 1400; im Jahre 1815 schon 2000; im Jahre 1820 4598 und im Jahre 1833 6000 Einwohner. Von nun ab begann aber die Einwohnerzahl sich alle fünf Jahre zu verdoppeln, und zwar belief sich die Seelenzahl im Jahre 1838 auf 13 000; im Jahre 1843 auf 25 000; 1848 auf 50 000 Einwohner, und im Jahre 1853 hatte St. Louis eine Bevölkerung von 100 000 Seelen. Schienenwege verbanden die Stadt mit den bedeutendsten Orten auf dem Kontinent, und 266 dorthin gehörende oder verkehrende Dampfboote, von denen keins unter sechzig Tonnen Last, einige aber mehr als 700 Tonnen trugen, wandelten diese gleichsam in eine Hafenstadt um.

Wo also vor hundert Jahren der schnellfüßige Ottawa-Indianer den zottigen Bison und den schwarzen Bären jagte, da erhebt sich jetzt die stolze Weltstadt. Noch keine hundert Jahre sind seit deren Gründung verflossen, doch weit über hunderttausend Menschen drängen sich dort zusammen, und wenn auch in vielfachem Hader unter sich über Regierungsform und Sklavenhandel, genießen sie doch ungestört die Früchte, die ihnen aus einem rastlos tätigen Leben des Handels, des Verkehrs und nie endender Spekulationen ersprießen.«