Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln

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Der „Kaiser“ wird ausgeschlachtet

Schon am folgenden Tage verließ ich das ungastliche Villa Cisneros. Der Passat fegte wie immer unangenehm über die Bucht von Rio de Oro.

Man weiß nicht genau, warum die Portugiesen der Bucht diesen Namen gegeben haben – ob sie hier bei den Eingeborenen Goldstaub einhandelten, oder ob die Bucht sie an ihren Rio Douro, den größten Fluß im Norden Portugals erinnerte? Auf alle Fälle: Gold bringt in diesen Gewässern heute nur der Fischfang ein.

Vor dem Eingang in die Bucht liegt „Kaiser Wilhelm der Große“ begraben. Der „Kaiser“, wie ihn jedes Kind in Villa Cisneros nennt, war kurz vor der Jahrhundertwende das größte deutsche Passagierschiff, das sogar das „Blaue Band“ des Nordatlantiks eroberte. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Luxusdampfer binnen 36 Stunden in einen Hilfskreuzer umgebaut, dem jedoch nur eine kurze Lebensdauer beschieden war: wie es in einem anstänchgen Kriege üblich ist, beschoß ihn ein englischer Kreuzer gegen alle internationalen Seegesetze, als der „Kaiser“ in den spanischen Gewässern vor der Sahara Kohlen bunkerte. Da die kleinen Kanonen des „Kaisers“ den Feind nicht einmal erreichen konnten und dem deutschen Kapitän das schlechte Schießen der Engländer auf die Nerven fiel, beging das stolze Schiff Selbstmord und versperrt seitdem die Einfahrt in die Bucht. Heute ist eine spanische Bergungsgesellschaft dabei, aus dem „Kaiser“ die besten Brodten auszuschlachten.

Das kam mir reichlich „spanisch“ vor

Im gebührenden Abstand von der Küste segelte ich südwärts und hielt bald darauf meinen Einzug in die Tropen. Unter der Küste entdedtte ich den ersten Langustenfischer, der im Besan3 die Trikolore gesetzt hatte. Als ich das wie eine Yacht ausschauende Boot schon passiert hatte, ließen die Fischer ein Beiboot zu Wasser und kamen mir nachgebraust. Sie luden mich freundlich zum Langustenessen ein – tut mir leid, Messieurs, ich muß leider weiter! Denn in aller Frühe wollte ich im südlichsten Ort der Spanischen Sahara sein, in Güera.

Dort landete ich mit meinem Faltboot in der Nähe des alten Leuchtturmes. Ein Maure eilte mit mir durch den hohen Sand zum Ort, der ganz mit Stacheldrahtverhau eingezäumt war und aus nichts als weißen Häusern in gelbem Sand bestand. Vor einem dieser kahlen Häuser, in deren Innenhöfe ein spärliches Grün aus Blumentöpfen sich tapfer die Wände emporzuranken versuchte, stellte ich mich einer Gruppe von Einwohnern vor, die jedoch meinen Namen bereits durch die Funkstation in Villa Cisneros kannten. Der Ortskommandant war unter ihnen – im Schlafanzug, dem einzig richtigen Kleidungsstück für diese Gegend, und er rief ins Haus hinein: „José, venga!“

Heraus trat ein alter Segelkamerad aus Las Palmas, José Miranda, der in diesem trostlosen Ort seine Ferien mit Angeln und Jagen verbrachte. Nach einer stürmischen Begrüßung setzte José mir auseinander, daß auf Grund der Unruhen im Innern des Landes in Rio de Oro alles durcheinander gehe; die Behörden mißtrauten selbst ihren eigenen Leuten. Am besten sei es, ich führe nach Port Etienne weiter, der Nachbarstadt in Mauretanien; dort würde er mich dann besuchen. In Güera gäbe es sowieso nichts zu sehen …

Ich hatte genug von Rio de Oro.

Südlich von Kap Blanc, das dem weißen Kalkfelsen von Dover ähnelt, lagen mehrere Langustenboote vor Anker. Wieder kam ein Beiboot und lud mich zum Mittagessen an Bord ein. Diesmal hatte ich Zeit und nahm mit Freuden an.

Die Besatzung der „Avel Dro“, die aus der Bretagne stammte, war für die willkommene Abwechslung so dankbar wie ich. Sie erklärte mir, daß sie sich auf zwei Arten von Langusten spezialisiert habe: die grüne Languste, die sich in unmittelbarer Nähe der Küsten in flachen Gewässern aufhält, und die rote Languste, die in Tiefen von 40 bis 300 Metern zu finden ist. Die Tiere – sie werden mit Netzen gefangen – kommen lebend auf den Markt, das bedeutet, daß sie in riesigen Behältern, durch die dauernd Meerwasser strömt, aufbewahrt werden müssen. Das etwa 100 Tonnen große Boot ist praktisch um diese Frischwasserbehälter herum gebaut worden. Vier Monate lang sind die Fischer von ihrer „Waterkant“ in Frankreich getrennt, selten kommen sie einmal mit anderen Menschen in Berührung.

Vom Kap Blanc bis nach Port Etienne sind es nur wenige Meilen, für die ich bei den herrschenden Gegenwinden mit nur zwei Stunden Fahrzeit zu rechnen brauchte. Da fiel plötzlich vom Steilufer eine stürmische Fallboe über die LIBERIA her, und während ich alle Hände voll zu tun hatte, um das Großsegel zu bergen, lief das Faltboot voll Wasser, kenterte und brach in der Mitte durch. Ich konnte noch froh sein, daß die LIBERIA ohne Schaden davon kam. Das Segelschulschiff „Niobe“ war in einer ähnlichen Fallboe gekentert.

Erst in der Nacht rasselte mein Anker in Port Etienne in die Tiefe!

Was wird aus Mauretanien?

Als ich morgens aufwachte, glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu dürfen: um ein winziges Meeresbecken, das von unzähligen Fischerbooten fast gesprengt zu werden drohte, türmten sich regelrechte Sanddünen auf – der Sand der Sahara fiel hier buchstäblich ins Meer! Hafenanlagen gab es nicht; hinter dem Rücken der Dünen lugten lediglith ein paar weiße Häuser hervor.

Aber in Port Etienne waren damals die Franzosen und damit Großzügigkeit, Aufgeschlossenheit und Kontaktfreudigkeit. Schon mittags stand ich dem Commandant du Cercle gegenüber, der ohne zu zögern auf jede Frage Auskunft gab.

Er drückte seine Verwunderung über die eigenartige Politik der Spanier in ihrer Sahara aus: erst hatten sie die marokkanischen Banditen, die ihnen Aufruhr und Unruhe ins Land brachten, jahrelang unbehelligt gelassen, und dann, als die Unruhen auf das benachbarte Mauretanien übergriffen, waren sie plötzlich gemeinsam mit den Franzosen gegen sie vorgegangen. Französische Einheiten – so erzählte er mit Genugtuung – hätten selbst in der Spanischen Sahara Ordnung geschaffen und die Streitkräfte der Banditen zerschlagen; seitdem habe Mauretanien Ruhe.

„Mir ist aufgefallen, daß hier jeder zweite spanisch spricht. Warum arbeiten denn so viele Spanier in Port Etienne?“

„Sie haben sich von all unseren Arbeitern am besten bewährt. Unsere Mauren sind flink, gewandt, sehr ausdauernd und zäh bei Arbeiten in der Wüste, doch wenn sie längere Zeit an einem Ort arbeiten müssen, meldet sich ihr Nomadengeist. Die Neger hier leisten zwar gute manuelle Arbeit, aber die genügsamen Spanier sind ihnen überlegen. Ihre Domäne ist ausschließlich der Fischfang.“

„Wie wird sich das freie Mauretanien wirtschaftlich entwickeln können?“

„Außer den reichen Fischgründen direkt vor unserer Tür hat man im Innern des Landes Eisen und Kupfer gefunden; die Ausbeutung ist nur vom Bau einer Bahn abhängig. Kapital aus den verschiedenen Ländern, darunter auch aus Deutschland, steht hinreichend zur Verfügung.“

Ich erinnerte mich daran, gerade in einem Saharabuch gelesen zu haben, daß die riesigen Eisenvorkommen in Mauretanien, das „Eisengebirge“ bei Fort Gouraud, schon um das Jahr 1000 von den Arabern ausgebeutet worden sind. Da Frankreich selbst keine Kupferbergwerke besitzt, wird es auch an der Kupfergewinnung größtes Interesse haben. „Und was halten Sie von der politischen Zukunft Ihrer eben erst aus der Taufe gehobenen Republik? Wird sich Mauretanien Marokko anschließen? Oder dem Senegal?“

„Uns weißen Afrikanern geht die politische Entwicklung in diesem Lande ein wenig zu schnell. Es gibt hier kaum Abiturienten, nur wenige Akademiker und Facharbeiter – man wird noch lange die Hilfe Frankreichs brauchen. Heute sieht es so aus, als ob sich Mauretanien mehr dem südlichen Nachbarland Senegal anschließen wird als Marokko, selbst wenn hier einige Emire mit dem Sultan von Marokko liebäugeln.“

Mauretanien ist gut doppelt so groß wie Frankreich und hat dennoch nur so viele Einwohner wie die Hafenstadt Marseille. Die Mauren – sie setzen sich aus den gleichen Stämmen wie die spanischen Muros zusammen und haben zusätzlich starke Blutsbande zu den Tuaregs und den Toubous – sind vorwiegend noch immer Nomaden, die auf der Suche nach Wasser unbekümmert um Grenzen durch das Land ziehen. „Regengäste“ nennt man sie auch, weil sie ihre Herden stets dorthin treiben, wo es gerade geregnet hat.

Im Süden von Port Etienne ist inzwischen aus einem winzigen und verlassenen Hüttendorf eine Hauptstadt entstanden, an der noch viele Jahre lang weiter gebaut werden wird. Nouakchott heißt diese Metropole der jungen Republik, die noch weit davon entfernt ist, eine wahre Republik zu sein, denn noch immer regieren dort zum großen Leidwesen der jungen Revolutionäre die Stammeshäuptlinge.

Die Zeit verging mir im „langweiligen“ Port Etienne überraschend schnell. Meine spanischen Bekannten aus Güera statteten mir tatsächlich einen Besuch ab und bestanden darauf, daß ich ihn erwiderte. Mit Tonio, einem spanischen Brunnenfachmann, brach ich daher erneut nach Güera auf – diesmal in umgekehrter Richtung und auf dem Landweg.

Güera wird genau wie Port Etienne von Sanddünen bedroht. In beiden Orten steht Militär bereit, um nötigenfalls mit Spezialmaschinen der gefährlichen Invasion der Dünen Einhalt zu gebieten.

Zwischen Güera und Port Etienne zieht sich irgendwo zwischen Sand und Steinen – die Halbinsel wird der Länge nach von einem felsigen Grat durchschnitten – die Grenze zwischen Spanisch Sahara und Mauretanien hin. Tonio, der jeden Stein auf unserem Weg kannte, fand sogar ein unscheinbares Grenzzeichen. Kontrollen gibt es hier nicht; sobald man einen der Orte erreicht hat, meldet man sich, und damit ist dann meist schon alles erlechgt. Nur selten geschieht es, daß eingeborene Zöllner den Wagen genau untersuchen.

 

Die beiden Ortschaften sind nur fünf Meilen voneinander entfernt, der Ausflug in die Sahara ist also wirklich nicht sehr weit – und trotzdem ist er nicht ungefährlich. Ich stellte es erstaunt fest, als wir einen Jepp mit vier französischen Soldaten trafen, die sich auf dieser unübersichtlichen Strecke verirrt hatten und fluchend nach einer Orientierungsmöglichkeit suchten. Jede Autofahrt in die Sahara kann ein Fiasko werden, wenn man keine ausreichenden Vorräte an Wasser, Lebensmitteln, Brennstoff etc. mitnimmt.

Die Sahara ist eigentlich erst erobert worden, als Kamele und Dromedare aus dem Osten dort ihren Einzug hielten. Kamelkarawanen waren es auch, die später aus dem heutigen Marokko südwärts, nach Mauretanien und in den Sudan, zogen und das Gebiet südlich der Sahara, das „Schwarze Afrika“, durchdrangen. Kurz vor dem Jahre 1600 ritten die Mannen des Sultans von Marokko hoch zu Kamel ins Songhai-Reich ein und zerstörten es – auf jene Zeit gehen die heute verschiedentlich vorgebrachten Ansprüche Marokkos auf Mauretanien zurück!

Tonio wohnte am Rande von Port Etienne, sein von ihm selbst gebautes Haus wurde fast von Sanddünen erdrückt. Auch seiner „Fabrik“, einem großen leeren Schuppen, in dem Jeeps repariert und gleich daneben Fische getrocknet wurden, erging es nicht anders. Sand, wohin man blickte.

Tonio ist ein politischer Flüchtling des Francoregimes, aber in der Spanischen Sahara macht ihm kein Mensch Schwierigkeiten, wenn er dort besuchshalber auftaucht.

Am Hafenbecken von Port Etienne stinkt es wie auf dem Altonaer Fischmarkt; man fällt über unzählige Gestelle, auf denen in der prallen Wüstensonne Fische getrocknet werden. Ganz Westafrika bezieht seinen Trockenfisch aus Port Etienne; in Dakar ist er genauso willkommen wie in Lambarene. Die Fanggründe – die besten, die sich ein Fischer wünschen kann – liegen direkt vor der Haustür.

Süßwasser aus dem Meer

Auf dem höchsten Hügel von Port Etienne steht die „Wasserfabrik“. Dort wird durch Erhitzen aus Salzwasser Trinkwasser gewonnen. Anfangs brachte man von St. Louis oder Dakar Frischwasser herbei; das aber wurde auf die Dauer zu teuer und war auch zu umständlich. So baute man die Fabrik. Unter französischer Herrschaft wurde das Wasser frei verteilt. Seit Mauretanien jedoch eine Republik ist, zahlen Franzosen wie Eingeborene für jeden Liter Süßwasser umgerechnet drei Pfennig; das summiert sich dann für jeden Haushalt zu einigen Mark pro Tag.

Der Direktor der Wasserfabrik lud mich nach einem Rundgang durch seine Arbeitsstätte in sein Haus ein, in dem von allen Wänden Jagdtrophäen herabschauten. Wir kamen darauf zu sprechen, wie man am besten Süßwasser aus dem Meer gewinnen könne. Mein Gastgeber wußte nichts darüber, er hatte nun einmal seine Destillationseinrichtung, und um andere Methoden kümmerte er sich nicht.

Über eine halbe Million Menschen leben heute von Trinkwasser, das aus dem Meer gewonnen wird: auf Schiffen, auf kleineren Inseln – zum Beispiel in der Karibischen See – und am Rande von Wüsten. Die Zahl derer, die ihr Trinkwasser aus dem Ozean beziehen, wird wachsen, denn schon gibt es in vielen Ländern alarmierende Nachrichten über ein Absinken des Grundwasserspiegels. Man wird gezwungen sein, noch intensiver als bisher nach einem Weg zu suchen, der zur Erfüllung des alten Menschheitstraumes – Süßwasser aus dem Meer – führt.

Vor mehr als zwei Jahrtausenden berichtete der große griechische Philosoph Aristoteles, er habe von Fischern gehört, die ihr Trinkwasser aus dem Meer bezögen. Ihr Verfahren sei einfach: sie hielten Tonkrüge in die See, deren Wandungen nichts durchließen als – Süßwasser. Aristoteles muß sich – wie so oft – geirrt haben, denn bis heute hat die Wissenschaft noch kein einziges Mittel entdeckt, mit dessen Hilfe sie ohne großen Kostenaufwand und in größerer Menge aus dem Meer salzfreies, genießbares Wasser gewinnen kann.

Schon in der Schule lernen wir, daß Schiffbrüchige kein Seewasser trinken dürfen. Wenn vor nicht allzu langer Zeit versucht worden ist, diese These umzustoßen und ein leichtgläubiges Publikum von der Genießbarkeit des Meerwassers zu überzeugen, so kann das vielen Menschen das Leben kosten.

Es waren die fatalen Berichte eines sogenannten „freiwilligen Schiffbrüchigen“, dessen großes und bequemes Schlauchboot ihn über den Ozean segelte, die diese Mär vom Salzwassertrinken förderten. Als die Ideen dieses Mannes durch die Presse gingen, ohne daß sich eine Gegenstimme meldete, wollte ich der Sache auf den Grund gehen und versuchte auf meiner Einbaumfahrt von Portugal nach Haïti, verschiedene Mengen von Salz wasser zu trinken. Das Ergebnis war immer das gleiche: nach einem Tag bekam ich geschwollene Füße, nach weiteren 36 Stunden schwollen sogar meine Knie an.

Statistiken, die in England ausgearbeitet worden sind, zeigen ganz eindeutig, daß in Rettungsbooten, in denen während des Zweiten Weltkrieges von Schiffbrüchigen Seewasser getrunken wurde, die Todesrate weit höher lag als in Booten, deren Schiffbrüchige kein Salzwasser tranken.

Wie konnte also dieser „freiwillige Schiffbrüchige“ Salzwasser empfehlen? Wie es mit seiner Liebe zur Wahrheit bestellt ist, läßt sich seinen Berichten entnehmen. So schreibt er, er habe in Las Palmas Lebensmittel an Bord genommen, die versiegelt gewesen seien. Mitglieder des dortigen Yachtclubs jedoch, die die Verpflegung in seinem Schlauchboot verstauten, bezeugen mit Entschiedenheit, daß diese Vorräte nicht versiegelt waren. Sie wissen auch, daß der „Salzwasser-Trinker“ mindestens 60 Liter Frischwasser mit sich führte. Auf hoher See tankte er außerdem bei zwei vorbeifahrenden Dampfern auf; die erste Begegnung gesteht er ein, die zweite verschweigt er. Der Kapitän und die Passagiere dieses zweiten Schiffes, des holländischen Dampfers „Bennekom“, melden jedoch eindeutig, er habe Verpflegung übernommen. Fotos davon erschienen sogar in den Zeitungen.

Von seiten der Wissenschaft ist schon vor längerer Zeit dargelegt worden, daß Schiffbrüchige nur dann mit einigem Nutzen für den Körper Seewasser trinken können, wenn es 50 Prozent Frischwasser enthält. Ein Mensch darf in geringen Mengen auch dann Seewasser zu sich nehmen, wenn er – wie es in den Tropen der Fall ist – viel transpiriert hat und sein Körper dadurch Salz verlor. Unbedingte Voraussetzung ist allerdings, daß er genügend Süßwasser vorrätig hat; denn durch den Salzwassergenuß wird ausschließlich der Salzhaushalt des Körpers wieder reguliert, das Süßwasserbedürfnis des Körpers im physiologischen Sinne jedoch gesteigert.

Wissen muß man in diesem Zusammenhang, daß jemand, der sich im Wasser aufhält, weniger schwitzt und daher weniger zu trinken braucht. Aus diesem Grunde hört man oft die irrtümliche Ansicht, der Körper nehme beim Baden Frischwasser durch die Poren der Haut auf.

Leider gibt es immer noch Menschen, die an der Idee des Salzwassertrinkens hängen wie ein Kind an einem wertlosen Spielzeug. Sie sagen, daß man im Höchstfall bis zu fünfeinhalb Tagen Seewasser in kleinen Dosen trinken dürfe. Auch sie müssen zugeben, daß es danach unbedingt nötig ist, größere Mengen an Süßwasser zu trinken, wenn der Schiffbrüchige nicht sterben soll. Und da wird sich der Seemann sofort fragen: „Woher soll ich denn wissen, daß ich vor Ablauf dieser Frist gerettet werde oder Regenwasser auffangen kann?“

Was viel wichtiger ist: ein Mensch kann länger als sechs Tage am Leben bleiben, wenn er überhaupt keine feste oder flüssige Nahrung zu sich nimmt. Das bewies unter anderem ein Schiffbrüchiger des letzten Krieges, der elf Tage lang weder trank noch aß und dennoch überlebte.

Es ist nichts mit der modernen Mär vom Salzwassertrinken; geblieben ist die alte Forderung: Niemals Seewasser trinken! Rettungsboote oder -inseln tragen dem Rechnung; neben Wasserkonserven haben sie Chemikalien zur Gewinnung von Süßwasser an Bord, oder sie führen Sonnendestillatoren mit sich. Zur Seenotausrüstung von Fliegern gehörten schon im Zweiten Weltkrieg Pulver oder Tabletten, die aus dem Meerwasser das Salz ausfällen, so daß man das Wasser abtrinken kann. Als weniger angenehm empfanden die Schiffbrüchigen ein Verfahren, in dem Tabletten das Natrium im Seewasser banden; man mußte dabei leider das ganze Salzgemisch trinken.

Vielen über See abgestürzten Fliegern hat auch der von den Amerikanern entwickelte Sonnendestillator das Leben gerettet. Dieser handliche, kleine Apparat besteht aus einer flachen Destillierblase, die schwarzgestrichen ist und einen dicht schließenden Glashelm besitzt. Das Gefäß wird mit Salzwasser gefüllt und der Sonne ausgesetzt, die die Flüssigkeit verdunsten läßt. Dabei kondensiert sich der Dampf unter Bildung von salzfreien Wassertropfen, die in eine Rinne am unteren Rand des Gefäßes abfließen und dort gesammelt werden.

Für Brackwasser – das Grundwasser der ganzen Saharaküste ist brackisch – eignet sich das neue Membranverfahren. Salz besteht aus Natrium und Chlor. Wenn nun – einfach ausgedrückt – Salzwasser zwischen zwei elektrisch geladenen Polen hindurchfließt, werden die Natriumionen vom negativen, die Chlorionen vom positiven Pol angezogen, und es bleibt Trinkwasser übrig. Die Stärke des Stromes, die zu diesem Verfahren nötig ist, hängt von der Salzkonzentration ab; daher wird der Stromverbrauch bei Brackwasser geringer.

Auch durch das Gefrierverfahren läßt sich das Salz aus dem Meerwasser absondern.

Der Direktor der Wasserfabrik in Port Etienne, dem ich von diesen Methoden erzählte, war mehr durch Zufall zu seinem Posten gekommen, als auf Grund seiner Ausbildung; ihn interessierten weder das Membranverfahren, noch die Gefriermethode ernstlich – er versuchte seine amerikanischen Maschinen gut in Schuß zu halten, und das war sicherlich auch wichtiger als von dem zu träumen, was für ihn nicht erreichbar war.

Überfall um Mitternacht

Den Abend vor meiner Abfahrt verbrachte ich auf meiner LIBERIA IV; das Faltboot hatte ich eingepackt, in wenigen Stunden wollte ich bei auslaufender Tide mit Kurs Dakar fahren.

Es war Mitternacht. Da hörte ich plötzlich Paddelschläge und Flüstern. Ich richtete mich in meiner Koje auf und lauschte gespannt. Ganz deutlich hörte ich, wie ein Boot meine LIBERIA umfuhr. Zu dieser Zeit hatte keiner etwas bei mir zu suchen, nicht einmal ein Hafenbeamter. Jetzt mußten meine nächtlichen Besucher vorne am Bug sein – ich schlich durch die geöffnete Luke ins Cockpit. Das Boot kam näher zu meinem Sitz, eine Gestalt löste sich katzengleich von ihm ab – vorsichtig Ausschau haltend, kletterte ein Araber an Bord.

Mit einem Sprung war ich bei ihm und gab ihm mit beiden Händen einen solchen Stoß, daß er über die Reling ins Wasser stürzte. Wie wild stieß sein Komplice die Riemen ins Wasser und ruderte aus Leibeskräften davon.

Mein Angreifer konnte offensichtlich nicht schwimmen, er spuckte und rülpste und schrie, daß ich für sein Leben fürchtete. Was tut man mit einem ertrinkenden Seeräuber? Ich reichte ihm den Riemen, an dem er sich festhalten konnte, dann drückte ich ihn langsam in die Richtung des Ruders, wo er sich mit den Füßen besser gegen das Boot stemmen konnte. Zitternd, triefend und fluchend hielt er sich am Schanzkleid fest.

„He, Boot!“ rief ich in verschiedenen Sprachen seinem Komplicen zu, der immer noch angstvoll davonpullte. Ich hatte wenig Lust, mein Faltboot aufzuschlagen, um den Banditen auch noch an Land zu bringen. „Hierher!“

Auch mein abgeblitzter Angreifer beteiligte sich an meinem Geschrei, und schließlich kehrte der andere um. Ich versicherte beiden Spießgesellen, daß ich der Polizei von ihren nächtlichen Späßen nichts sagen würde, da ich ja sowieso in einigen Stunden in See stechen wollte; wegen eines Diebstahls mochte ich meine Zeit nicht vergeuden. In Windeseile war das saubere Paar in der Dunkelheit verschwunden.

Die Aufregung nach diesem Abenteuer steckte mir so tief in den Knochen, daß ich nicht mehr schlafen konnte und mich entschloß, sogleich abzufahren.

1 Ein zweimastiges mittelgroßes Segelschiff.

2 Fischkutter, der mit einem Grundschleppnetz, dem Trawl, arbeitet.

3 Der hintere Mast.