Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln

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Brandenburger an der Goldküste

Als ich Abidjan verließ, lagen etwa 250 Seemeilen bis Accra, der Haupstadt Ghanas, vor mir. Im Gebiet der früheren britischen Goldküste wechselt die Küstenlandschaft ihr bisheriges Aussehen: Hügel dringen bis zum Meer vor, es gibt keine Lagunen mehr, und alle paar Meilen nesteln sich Eingeborenendörfer an die Hänge, die von Kokospalmen beschattet werden.

In der Nähe des Kaps „Three Points“ hielt ich besonders gut Ausschau, denn ich suchte die Ruinen der Festung Groß-Friedrichsburg, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts von brandenburgischen Landsleuten erbaut worden ist. Auf einem kleinen Felsvorsprung entdeckte ich schließlich das Fort Brandenburg, wie die Einheimischen es nennen – es lag halb versteckt hinter einem Palmenhain. Offensichtlich wurde es gerade restauriert.

1651 bereits hatte der Herzog von Kurland Stützpunkte an der Goldküste erworben, dreißig Jahre später beauftragte der Große Kurfürst seinen Kammerjunker Major von der Gröben, nach Westafrika zu segeln und nach günstigen Plätzen für Niederlassungen zu suchen. Von der Gröben gründete in der Nähe von Axim am Cape Three Points die Feste Groß-Friedrichsburg. So wie die Briten ihre Guinee schufen, die gängigste Goldmünze der damaligen Zeit, die heute nur noch Rechnungseinheit für 21 Schillinge ist, prägten die Brandenburger ihren freilich weniger langlebigen Guineagulden, den man in der Heimat auch Schiffsdukaten nannte. Aus jenen Jahren stammt auch das Wort „Kolonialwaren“, ein Sammelbegriff für Lebens- und Genußmittel, sowie für Gewürze aus Afrika und den Tropen im allgemeinen.

Aber des Großen Kurfürsten Weitblick – der vielleicht eine Folge seiner Erziehung in den Niederlanden war – wurde von seinem Enkel schon nicht mehr geteilt; der sparsame Soldatenkönig interessierte sich wenig für Kolonialwaren und verkaufte das Fort Groß-Friedrichsburg schon im Jahre 1717 an die Holländische Compagnie – für 7200 Dukaten.

Als die Niederländer dann ihr teuer erkauftes Fort in Besitz nehmen wollten, verwehrte der mit den Brandenburgern verbündete Eingeborenenhäuptling John Conny ihnen den Zugang; er war von dieser Transaktion nicht benachrichtigt worden. Die Treue wurde nicht nur in Brandenburg-Preußen großgeschrieben. Die Niederländer mußten ihre eigene Festung im Sturm nehmen!

An der Goldküste sieht man beinahe auf jedem zweiten Felsvorsprung Ruinen oder bisweilen auch gut erhaltene Forts von Europäern, die dort einst Reichtümer zu erwerben suchten. Selbst die Schweden und die Dänen ließen es sich nicht nehmen, sich am lukrativen Sklavenhandel zu beteiligen.

Wie kommt es, daß gerade in diesem Küstengebiet so viele Europäer ihre Spuren hinterlassen haben? Sklaven hatte man doch überall auftreiben können, nicht nur an der früheren „Sklavenküste“ zwischen Volta- und Nigermündung!

Der Grund ist darin zu suchen, daß die Küste hier häufiger als in anderen Gegenden von felsigen Kaps und Buchten unterbrochen wird, in denen die Europäer landen konnten. überdies sind diese Gebiete weniger stark von Krankheiten verseucht als die westlichen Nachbarküsten, und vor allem wird das Gold, das es hier im Innern des Landes gibt, die Europäer angelockt haben.

Die Basler Mission als Pionier

Den Händlern folgten die Missionen, die in den ersten Jahren der Besiedlung weit mehr geleistet haben als die Kolonialmächte, wenn auch viele Leute bedauern, daß sie die gut gewachsenen Eingeborenenmädchen in Kleider steckten.

Schon 1827 begann die „Basler Mission“, die vorwiegend aus Deutschen bestand, ihre Arbeit in der Goldküste. Sie hat sich nicht auf bloße Hilfsaktionen beschränkt. Helfen ist viel leichter als unterrichten und erziehen. Sie hat vielmehr Schulen, Ausbildungsstätten für Facharbeiter und Krankenhäuser gebaut.

Die britischen Gouverneure der früheren Goldküste haben mehrfach nachdrücklich darauf hingewiesen, daß der britische Erfolg ohne die Vorarbeit der Basler Mission nicht denkbar gewesen wäre. So sagte Sir John Maxwell 1929: „Basler Missionare haben die erste gute Straße von der Küste landeinwärts gebaut. Als noch niemand daran dachte, war es die Basler Mission, die den Mangel an Handwerkern in diesem Lande sah und sich mit Erfolg bemühte, ihm abzuhelfen. Sie hat sich schon vor vier Jahrzehnten die größte Mühe gegeben, junge Leute des Volkes zu Schreinern, Zimmerleuten, Schmieden, Schustern auszubilden. Und nicht nur zum Segen des Landes selbst: an der ganzen Westküste Afrikas waren diese Handwerker der Basler Mission bekannt und gesucht, von Sierra Leone bis hinunter zum Kongo. So ist die Goldküste in ganz Westafrika bereits ein berühmtes Land gewesen, als man von den anderen Kolonien noch kaum sprach. Das hat sie der Basler Mission zu verdanken.

Ghana wäre niemals so schnell selbständig geworden, wenn nicht die Missionare still und demütig so viel für dieses Land getan hätten. Um die Jahrhundertwende waren nahezu alle Beamten und Angestellten der Kolonialverwaltung in den Ausbildungsstätten der Basler Mission erzogen worden, und es ist gut, diese Fakten in Erinnerung zu bringen, denn es wird die Zeit kommen, da die Missionsarbeit in den jungen Staaten vergessen ist.

Selbst heute ist es noch so, daß Facharbeiter der Goldküste den Nachbarländern ihre Hilfe anbieten. Als ich, zum Beispiel, in Liberia arbeitete, beobachtete ich, daß dort nahezu alle Facharbeiter aus Ghana stammten. Auch die Afrikanische Fruchtcompagnie Laeisz & Co. in Sinoe mußte Goldküstenleute anheuern, als sie vor wenigen Jahren mit dem Aufbau ihrer Plantage begann; fähige Liberianer schien es einfach nicht zu geben.

Rund ein Fünftel der fünf Millionen Ghanesen sind heute Christen, darunter die führenden Schwarzen des Landes. Auch in allen anderen westafrikanischen Ländern sind die meisten führenden Afrikaner in Missionsschulen erzogen worden.

Wenn hier und da darauf hingewiesen wird, daß die christliche Missionierung in Westafrika trotzdem weniger Erfolg habe als die mohammedanische, so kann man einen Hauptgrund dafür vielleicht in dem Verzicht sehen, den Afrikaner leisten müssen, die sich christianisieren lassen: den Verzicht auf die Polygamie, die in allen Landesbezirken vorherrscht. Wichtiger aber noch ist die Tatsache, daß der Islam „frontal“ aus dem Norden vorrückt, die Christianisierung sich hingegen auf die Umgebung der Missionsstationen konzentriert.

Mit der starken Guineaströmung gelangte ich schnell nach Osten und passierte in der Nacht Takoradi, dessen Lichter weit aufs Meer hinausschimmerten. Takoradi ist einer der größten Häfen Westafrikas, in dem vor allem Bauxit, Holzstämme und Kakao verschifft werden.

Berühmte Festungen zogen an mir vorüber: das Fort San Sebastian in der Shama Bay, das berühmte Schloß Elmina, mit dessen Bau die Portugiesen bereits im Jahre 1482 begonnen hatten, das cremefarbene Cape Coast Castle und das Fort Nassau. Endlich kam Accra. Im trüben Harmattan, dem trockenen Saharawind, glich es einer Geisterstadt.

Pressekonferenz bei Nkrumah

Vor Accra auf der Reede zu liegen ist ein Erlebnis! Das Kommen und Gehen der Brandungsboote zu den Dampfern erinnert an die Züge von Treiberameisen, die man in Westafrika so häufig beobachten kann. In singendem Rhythmus bewegen die Fanti-Leute gleichförmig ihre Pagays mit den dreifingrigen Paddelblättern, die so aussehen, als wären sie ein ausgeplätteter Dreizack Neptuns.

Accra, Eingeborenenviertel: ein stinkiges Nest von tropischem dolce far niente, von Schmutz und Unkultur. Der „westafrikanische Geruch“ – Rauch und Palmöl – vermischt sich mit dem Gestank der überall herumliegenden Abfälle.

Accra, Zentrum: Hochhäuser beschatten Baracken, auf überfüllten Gehwegen sieht man viele Soldaten und Polizisten – an jeder zweiten Uniform blinkte eine Ordensschnalle aus dem Weltkrieg –, es leuchten farbenprächtige Togen neben phantasielosen europäischen Kleidern. Auf den Straßen wimmelt es von Fahrzeugen; man könnte meinen, in Südafrika zu sein.

Ich mußte auf der Einwanderungsbehörde meinen Paß präsentieren; ein freundlicher Ghanese lud mich ein, Plan zu nehmen, sein Chef habe gerade eine Besprechung. Die Zeit wurde mir nicht lang, denn die Polizisten wußten Interessantes über ihr Land und über den Aufschwung Ghanas zu berichten.

Plötzlich hustete es hinter der Tür so ungeniert laut, daß sich die Polizisten betreten ansahen. Einer von ihnen meinte recht bildhaft: „Nilpferde benehmen sich nur unter Wasser so“, ein anderer fügte hinzu: „Elefanten nicht einmal, wenn sie im Urwald allein sind.“

Ich war ziemlich erstaunt, als ich den lauten Chef schließlich kennenlernte: Er war Engländer. Geld wollte er von mir haben. Als ich ihm zu erklären suchte, daß ich bei einem früheren Besuch in Ghana mit einem Boot nichts zu bezahlen brauchte, unterbrach er mich brüsk und stellte mich ohne weitere Erklärungen vor die Wahl: zahlen oder Gefängnis oder abfahren!

Es war das einzige Mal während meiner vielen Aufenthalte in afrikanischen Häfen, daß ich diesen barschen Ton zu hören bekam. Es gab mir zu denken, daß er von einem Europäer stammte und nicht von einem Afrikaner.

Accra, Regierungsviertel: weitsichtig angelegte moderne Regierungsgebäude inmitten von Palmen, Blumen und Parks, die jedem Lande Ehre machen würden. Der Informationsminister hatte mich zur Pressekonferenz des Premierministers eingeladen. Kwame Nkrumah war gerade aus Indien zurückgekommen und gab seinen ersten offiziellen Bericht.

Die Zeitungen hatten ihn in so überschwenglichen Worten willkommen geheißen, als sei seine Rückkehr nicht nur wunderbar, sondern ein reines Wunder. Doch lesen Sie mit mir in den „Evening News“, einer Zeitung aus Accra:

 

ER IST ZURÜCKGEKEHRT! Kwame, der Held des positiven Handelns, Kwame, der Verteidiger von Freiheit und Gerechtigkeit… Kwame, der Former des afrikanischen Charakters, Kwame, der Gründer Ghanas, Kwame, der Lehrer und das Vorbild der afrikanischen Jugend, Kwame, die Verkörperung der Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Lauterkeit, dessen Herzschlag der Herzschlag der schwerschaffenden Arbeiter und Bauern und Genossenschaften ist, Kwame, den die Geschichte ungewollt und unmerklich zu einem Leuchtturm im Bild des neuerwachenden Afrikas gemacht hat – ja, Kwame, der Organisator, ist von seinem historischen Besuch in Indien zurückgekehrt …

Diese Redeweise ist so recht nach dem Geschmack des englisch sprechenden Westafrikas. Sicher war der Verfasser dieser Zeilen stolz auf seine Wortkunst. Immer wieder ist man erstaunt, wie schwülstig diese Leute alle reden und schreiben können! Was uns wie eine Parodie anmutet, ist ihnen heiliger Ernst.

Auf der Pressekonferenz saß links von mir der Korrespondent der „Prawda“, rechts der englische Berater des afrikanischen Informationsministers. Nkrumah sieht so jung und elastisch aus, daß man ihm seine 50 Jahre kaum glaubt. Er lacht viel und gern, jede Frage wird bereitwillig und optimistisch beantwortet. Man hört es ihm an, daß er sein Englisch in Afrika und nicht in Oxford gelernt hat. Als einmal im Verlaufe der Konferenz zufällig eine Gesprächspause eintrat, stellte er beinahe enttäuscht fest: „Sie sind nicht sehr hot (hitzig) heute, meine Herren – ist der Harmattan daran schuld?“

Schließlich forderte er die Presse auf, die Afrikaner in ihrem Marsch auf dem Wege zu einem freien Afrika zu unterstützen, denn „der Kolonialismus ist bankrott“.

„Afrika den Afrikanern“

Auch auf dieser Konferenz offenbarte sich Nkrumahs Haltung: wer Ghana das wirtschaftlich günstigste Angebot macht, wird bevorzugt. Stipendien werden aus allen Ecken und Winkeln der Welt angenommen. Touré und Nkrumah sind dennoch Afrikaner und keine Anhänger westlicher und östlicher Politik, sie sind Nationalisten par excellence, aber auch fanatische Verfechter des Panafrikanismus.

Wenige Wochen nach der Geburt der Republik Guinea war Sekou Touré nach Accra geflogen, um mit Nkrumah über einen gemeinschaftlichen Weg für die Zukunft zu reden. Beide suchen nach einer Möglichkeit, einen neuen „afrikanischen Charakter“ zu entwickeln, einen „afrikanischen Lebensstil“ zu prägen, ja, vielleicht sogar eine rein afrikanische Religion zu schaffen, die organisch aus dem Animismus ihrer Vorväter gewachsen ist.

Als ich mich in Conakry beim Chef der Surete meldete, um ihm meinen Paß vorzulegen, drückte er mir ein Blatt der Regierung in die Hand, in dem das gemeinsame Kommuniqué der beiden Regierungschefs veröffentlicht war:

„Angeregt durch das Beispiel der dreizehn amerikanischen Kolonien, die nach Erlangung der Unabhängigkeit eine Konförderation schufen, aus der später die Vereinigten Staaten von Amerika wurden, haben Ghana und Guinea, obwohl sie durch die Elfenbeinküste voneinander getrennt sind, beschlossen, sich zu einer Union zusammenzuschließen.“ – Heute hört man nicht mehr viel von dieser Union.

Um Touré brüderlich zu helfen, gab ihm Nkrumah einen Kredit von über zehn Millionen Pfunde mit auf den Heimweg. Tatsächlich, Ghana verteilt Kredite, es hat keine Staatsschulden, und das Durchschnittseinkommen pro Kopf und Woche ist höher als in Spanien, Jugoslawien oder Bulgarien.

Ghana ist reich und von allen westafrikanischen Staaten dank britischer Unterstützung in seiner wirtschaftlichen Entwicklung am fortgeschrittensten. Dennoch sind sich besonders seine jungen Führer darüber klar, daß man europäischer Hilfe auch weiterhin dringend bedarf. Im Lande weilen jetzt nicht weniger Weiße als zu britischen Zeiten; aus allen Ländern hat man Fachkräfte verpflichtet, und noch immer gibt es dort genügend Briten die der jungen Republik helfend und beratend zur Seite stehen.

Die Wirtschaft Ghanas, das so groß wie Großbritannien ohne Nordirland ist, stützt sich immer wesentlicher auf den Fleiß der „Kakaobauern“. Ein Plantagenarbeiter war es, der ein paar Kakaobohnen aus São Tomé nach der Goldküste brachte und kurz vor der Jahrhundertwende seine Landsleute die nicht einfache Kunst des Gärens und Trodmens der Bohnen lehrte. Heute stammt ein großer Teil der Kakao-Weltproduktion aus Ghana. Aber auch Gold, Diamanten, Mangan und Bauxit könnten das Land noch reicher werden lassen. Um die Zukunft Ghanas braucht man keine Sorgen zu haben.

An einem Freitag, dem angeblichen Unglückstag der Segler, fuhr ich aus Accra ab. Das Unglück ließ auch nicht lange auf sich warten …

Doch der Reihe nach. Anfangs nahm ich Kurs auf die Dampfer, die auf Reede lagen und in der hohen Dünung von Brandungsbooten umtanzt wurden. Dann stieß ich auf eine ganze Flottille von Fanti-Einbäumen, die gemeinsam auf Fischfang ausgezogen waren; mir schien, die Zahl der Fischer auf dem Wasser müsse die der Fische unter dem Wasser bei weitem übertreffen.

Noch einmal schaute ich mir Frederiksborg an, das alte dänische Schloß, in dem Nkrumah heute sein Quartier aufgeschlagen hat, dieses Mal jedoch vom Meer aus. Sein grelles Weiß leuchtete mir noch lange aus dem fahlen Harmattangrau nach. Wenige Stunden später schon segelte ich an dem neuen Hafen Tema vorbei, dessen Fertigstellung damals ganz Ghana sehnsüchtig erwartete. Der leere, mustergültige Hafen glich in seiner Anlage einem Riesenspielzeug.

Beim schwarzen Bundespräsidenten“

Am nächsten Morgen stand ich vor Lome, der Hauptstadt des früheren deutschen Togo. Eine Mole ragte weit ins Meer hinaus, Eingeborene winkten mir zu. Ich preite den Kaiaufseher an, ob ich hier ankern könnte. „Ça va“, es geht, schrie er zurück.

Eine schreckliche Dünung hinderte die Landungsboote daran, zu mir herüber zu kommen. Mit einer Barkasse holte man mich aus der LIBERIA, unter der Mole kletterte ich in einen Leichter – und dann hob mich ein Kran auf und setzte mich unsanft an Land!

Per Kran hielt ich Einzug in Togo, der ehemaligen deutschen Kolonie. Wie sollte man sich anders helfen, wenn kein Hafen da ist?

In der Stadt, die einen ländlichen, vernachlässigten Eindruck macht, hatte ich ein Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde. Ein Afrikaner sprach mich an, in gutem, unverfälschtem Deutsch: „Verzeihen Sie bitte, kommen Sie vielleicht aus Deutschland? Sie sehen wie ein Deutscher aus. Bitte kommen Sie mit mir – Sie müssen meine Bundesbrüder kennenlernen!“

Damit kam der Stein ins Rollen. Die „Bundesbruder gehörten dem „Bund der Deutsch-Togoländer“ an, einem überbleibsel aus deutschen Zeiten, dessen Mitglieder – Schwarze sind!

Als die Franzosen das Land nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen, waren viele Mitglieder aus Treue zu Deutschland nach der Goldküste ausgewandert, um nicht den neuen Herren dienen zu müssen. Diejenigen jedoch, die in Togo blieben, taten alles, damit die Spuren der Deutschen nicht so schnell verwehten …

Ihre Freude, einen Deutschen zu treffen – in Lome soll es heute keine Landsleute mehr geben – war unbeschreiblich. Mein „Entdecker“ lud mich sofort in sein Haus ein und trommelte danach alle erreichbaren Mitglieder zusammen: „Ein Deutscher ist da!“

Dann erschien der Bundespräsident – er nennt sich tatsächlich so – Johannes Agboka und hieß mich herzlich willkommen; 2730 Mitglieder zähle der Bund, schade, daß mich nicht alle sehen können, meinte er.2730 Mitglieder! 45 Jahre nach dem Abzug der Deutschen sind immer noch 2730 Afrikaner bereit, „die deutsche Sache in Togoland hoch zu halten“, wie mir Agboka in sauberem Deutsch ins Bordbuch schrieb. Und wer weiß zu Hause von diesem rührenden Bemühen jener Männer, wer dankt ihnen dafür – und sei es nur durch ein anerkennendes Wort?

Der „Bundespräsident“ ist Lehrer. Für seine „treudeutsche“ Einstellung hat er büßen müssen: von 1939 bis 1945 wurde der „staatsgefährliche“ Mann in ein britisches Internierungslager gesteckt, weil er „die deutsche Sache hoch halten“ wollte. Von den Braunhemden und ihrem Schnurrbart hatte er nicht viel gehört, dafür um so mehr vom alten Kaiser. Selbstverständlich hoffen die Männer um Agboka heute, daß besonders viele Deutsche nach Togo kommen werden, nachdem ihr Land 1960 frei geworden ist.

Togo, früher „Musterkolonie“ des Deutschen Reiches mit Gustav Nachtigal als erstem Gouverneur, seit Beginn des Ersten Weltkrieges von Engländern und Franzosen besetzt, ist zweigeteilt wie Deutschland. Nkrumah, zu dessen Land der andere Teil von Togo gehört, zeigt nicht allzu großes Interesse an einer „Wiedervereinigung“. Allerdings hat er Togo den Zusammenschluß mit Ghana angeboten. Wird der Ministerpräsident von Togo das Angebot annehmen? Auf alle Fälle werden Deutsche als Mitarbeiter der freien Republik Togo auch vom Ministerpräsidenten gern gesehen sein.

Eine ganze Abordnung des Bundes begleitete mich zum Hafen. Noch vor Einbruch der Dunkelheit wollte ich ankeraufgehen. Ich versuchte, den Anker einzuhieven. Es ging nicht. Ich stellte den Motor an, aber in der hohen, steilen Dünung jagte die Schraube aus dem Wasser – ein Schlag, und sie drehte sich nur noch ganz langsam. Wahrscheinlich war der Schlüssel gebrochen, der Schraube und Schaft miteinander verbindet. Ich war nicht mehr so fest davon überzeugt, daß es reiner Aberglaube ist, wenn die Segler davor warnen, an einem Freitag abzufahren …

Der folgende Tag war ein Sonntag und damit ein Ruhetag, und erst am Montag nahm eine Barkasse meine Ankerkette auf und holte den Anker mit Gewalt heraus. An seinen verbogenen Flügeln hing ein Wrackstück … das

„ça va“ des Aufsehers klang noch in meinen Ohren …

Unter Segel ging es weiter, am ersten Tag bis Kotonou an der Dahomeyküste. Hier hätte ich gerne nach der Kultstätte gesucht, auf der die Eingeborenen noch heute Zeremonien für ihre von Sklavenhändlern verschleppten Brüder abhalten sollen. Aber die Zeit drängte.

Schon am folgenden Tag lief ich drei Stunden nach Hochwasser in den Kanal von Lagos. Ein Motorbootsportler kam herbei und bot sich an, den Segelclub von meiner Ankunft zu benachrichtigen. Sehr schön!

Mit der einlaufenden Tide kam ich schnell vorwärts. Kurz vor dem Segelclub holte ich das Großsegel herunter, und da wurde ich, ohne daß ich es bemerkte, gegen den Rand einer Bank gedrängt. Die Ufer waren im Zwielicht und im starken Guineaharmattan nicht auszumachen. Schon saß ich fest. Fock herunter, Schlauchboot aufgeblasen und Anker – aber da kam ein Boot vom Club und brachte Hilfe. Seine Besatzung nahm meinen Anker zu sich an Bord, fuhr mit ihm einige Meter weit ins tiefe Wasser und warf ihn dort aus. Ich hievte die Kette, die bei mir an Bord geblieben war, ein, und schon gab der weiche Schlick die LIBERIA wieder frei. Schließlich half mir der Sekretär des Clubs, mein Boot in einer tieferen Stelle vor dem Yachtclub zu ankern.

„Möchten Sie duschen?“ lud er mich ein – eine Einladung, für die ich in jedem Hafen besonders dankbar war. Und: „Bitte, seien Sie beim Abendessen unser Gast!“