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Francisco Pizarro

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XXXIX

Am 4. März 1545, am selben Tage, an dem Nuñez in Quito auszog, ging Pizarro in Lima an Bord seiner Karavelle,um in Truxillo zu dem Heere zu stoßen, das in der Stärke von 600 Mann den Landweg dahin eingeschlagen hatte. Ohne Verzug trat er dann, an der Spitze der Truppen, den Vormarsch auf San Miguel an.

Beim Nahen des berühmten Gegners verloren die minderwertigen Truppen des Vizekönigs ihr bißchen Mut, und es blieb ihm nichts übrig, als dem Drängen seiner Soldaten nachzugeben und sich in die Berge zurückzuziehen. Pizarro, der einer Entscheidungsschlacht voll Zuversicht entgegengesehen hatte, war höchst ärgerlich, als er den feigen Abmarsch seines Gegners erfuhr. Gebirgskämpfe machen keinem Feldherrn Vergnügen. Trotzdem entschloß er sich, Nuñez durch Dick und Dünn nachzusetzen, bis er ihn faßte oder aufrieb.

Die Vorhut befehligte Carbajal; aber er hatte Mißgeschick. Nuñez bekam und behielt einen beträchtlichen Vorsprung. Nach einem für beide Heere mühevollen langen Zickzackmarsche von etwa 1000 km durch Hochgebirge, Sümpfe, Wüsten, Pässe und Täler gewann Nuñez die Hochebene von Quito. Die Marschverluste waren groß. Wer unter des Vizekönigs Truppen nicht mehr weiter konnte, war verloren. Carbajal ließ alle Nachzügler, die ihm in die Hände fielen, ohne Gnade niederstechen.

Auch in Quito, wo man ihm wenig Entgegenkommen zeigte, weilte Nuñez nicht lange, sondern zog von da nordwärts, dem Gebiete Benalcazars zu, seinem eignen, übrigens auf die Hälfte zusammengeschmolzenen Heere mißtrauend. Auf dem Marsche hatte er mehrere Offiziere beseitigen lassen, aus Argwohn, sie stünden mit dem Gegner in Verbindung.

Pizarro setzte die nutzlose Verfolgung bis in die Los Pastos fort. Dann machte er kehrt und ging auf Quito zurück, um seine ermatteten Truppen aufzufrischen und zu verstärken. Carbajal ward nach dem Gau La Plata entsandt, wo ein Aufstand unter dem Hauptmann Diego Centeno ausgebrochen war, dem sich die Eingeborenen angeschlossen hatten. Carbajal zerstreute die Truppen des Empörers, ohne seiner selbst habhaft zu werden. Pizarro blieb, lauernd wie ein Löwe auf seine sichere Beute, in Quito, während sich auch Nuñez zunächst, in Popayán, erholte. Seine Heeresstärke stieg wieder auf 450 Mann, davon 150 Reiter. Pizarro gebot nach seinen eigenen Angaben über 600 Mann, darunter ebenfalls 150 Reiter.

Erst am 18. Januar 1546 kam es in der Nähe von Quito zur Entscheidung. Benalcazar ward mehrfach verwundet und kampfunfähig; sein Unterführer Cabrera fand den Tod. Blasco Nuñez, der über Panzer und Abzeichen einen indianischen Baumwollkoller trug, um sich im Falle einer Niederlage die Flucht zu erleichtern, wurde im Kampfe verwundet und sank vom Pferde. Einer der Offiziere Pizarros erkannte ihn, zufällig einer, der ihm Rache geschworen, weil er seinen Bruder bei einem Wortwechsel niedergestochen hatte. Er trat an den hilflos Daliegenden heran und befahl seinem Diener, einem Mohren, ihm den Kopf abzusäbeln. Auf eine Pike gesteckt, ward das abgeschlagene Haupt des Vizekönigs als Siegeszeichen in die Front getragen. Das war der Ausgang der Schlacht.

Pizarro ließ den toten Nuñez in der Stiftskirche von Quito mit allen Ehren bestatten. Der gefangene Benalcazar erhielt die Erlaubnis, nach Popayán zurückzukehren, nachdem er sein Ehrenwort gegeben, nie wieder gegen Pizarro die Waffen zu ergreifen. Von den andern Rittern, die in die Hand des Siegers gefallen waren, fanden die meisten Gnade; nur einige unmittelbar an der Ermordung Francisco Pizarros Beteiligte mußten ihr Leben lassen. Damit war der Bürgerkrieg, an dem im Grunde nur die heimatliche Kaiserliche Regierung schuld gewesen, bis auf Weiteres beendet.

Blasco Nuñez Vela ist alles in allem eine traurige und unselige Gestalt in der Geschichte Perús. Ein sturer Buchstabenmensch ohne ritterliches Gemüt, in Amtsdingen unaufhaltbar, im Leben und im Felde ohne praktischen Sinn, voller Zaudern und Argwohn, war er an einen Platz gestellt, dem er in keiner Beziehung gewachsen war. Es bleibt bedauerlich, daß man ihn im Jahre vorher nicht zum Wohle des Landes gründlich beseitigte.

Der Sieg von Anaquito (wie man ihn nennt) ward in ganz Peru gefeiert und gepriesen. Damit [waren ?] die verhaßten und gefürchteten »Neuen Verordnungen« erledigt. Gonzalo Pizarro galt als »Befreier des Volkes«. Er belohnte und entließ die Kriegsteilnehmer, reichlich beschenkt mit Land und Zubehör.

Durch maßvolle Verfügungen hob er die Lage der Eingeborenen. Sogar die kaiserlichen Steuern trieb er ein, indem er den Ansiedlern vorhielt, man dürfe sich das Wohlwollen der Krone nicht ganz verscherzen. Selbst sein gestrenger Nachfolger (Pedro de la Gasca) hat zu Pizarros Ruhm vor der Nachwelt bekannt, für einen Tyrannen sei seine Regierung gut gewesen.

Gonzalo Pizarro hatte damit den Gipfel seines Glückes erreicht. Mit Hilfe seiner Kriegsflotte unter dem tüchtigen Admiral Hinojosa bemächtigte er sich der Stadt Panamá, von da aus durch einen Handstreich des Hafens und der Stadt Nombre de Dios und dadurch der unmittelbaren Verbindung mit Europa. Jetzt erstreckte sich sein Reich vom Atlantischen Ozean bis zum Arauco. Durch die ungeheuer reichen Silbergruben von Potosi war seine Herrschaft auch wirtschaftlich auf das Großartigste gestützt.

Der geniale Carbajal riet ihm, die Witwe des Inka Manko (die Koya) zu heiraten und sich zum Könige von Perú ausrufen zu lassen. Durch die Verbrüderung mit dem Volke werde er ein großes Reich gründen, dem kein abendländischer Fürst etwas anhaben könne.

Pizarro besaß den Weitblick des alten Kosmopoliten nicht. Hätte er seinen Rat befolgt, hätte er unter seinen Ansiedlern, Offizieren und Soldaten den Gedanken an ein neues mächtiges, unabhängiges Vaterland zu erwecken verstanden, so wären die Staaten an den Cordilleren mit einer längst einheitlichen Bevölkerung heute mächtiger und glücklicher als sonst welche amerikanische Nation.

XL

Am Hofe zu Valladolid war man über die Ereignisse in Perú, soweit man sie erfuhr, empört und beunruhigt. Wie arg entstellt die Nachrichten lauteten, beweist allein der Umstand, daß man in ganz Kastilien glaubte, Gonzalo Pizarro sei ein verhaßter Tyrann, ewig im Kampfe mit seinen Untertanen. Die Niederlage des unfähigen Blasco Nuñez faßte man als Schmach und Schimpf für König und Volk auf.

Philipp II. (der Sohn des Kaisers, der in Flandern weilte und das Zepter Spaniens ihm anvertraut hatte) hielt eine lange Beratung ab, an der u. a. der Herzog von Alba teilnahm. Den Empörer durch eine militärische Expedition niederzuschlagen, war bei der enormen Entfernung ein Ding der Unmöglichkeit. Es mußte mit den Mitteln des Geistes erfolgen. Auf der Umschau nach dem geeigneten Manne geriet der Staatsrat auf einen Professor der Gottesgelahrtheit an der Hochschule zu Salamanca: Pedro de la Gasca (1496-1567).

Der damals fünfzigjährige Theologe entstammte einem alten Adelsgeschlechte, das sich von Casca, einem der Mörder Cäsars, herleitete. Er hatte seinem Kaiser schon mehrfach fanatische Treue bewiesen und war als Visitador besonders in den zahlreichen Ketzergerichten jener blutig-dunklen Zeit berühmt oder berüchtigt geworden. Selbst bei kriegerischen Dingen hatten seine Fähigkeiten Erfolge gehabt.

Unter dem harmlosen Titel »Vorsitzender der Königlichen Audiencia« gab man ihm weitgehende Befugnisse. Er hatte die Vollmacht, sich im gegebenen Falle an die Spitze jeder administrativen, militärischen und juristischen Behörde stellen zu können. Er war befugt, Repartimientos zu bestätigen, aufzuheben, zu erweitern, neu zu vergeben. Er durfte Truppen anwerben, Krieg erklären, Beamte absetzen, andre ernennen. Er hatte Begnadigungsrechte, vor allem für jeden, der in den gegenwärtigen oder vergangenen inneren Wirren gegen die Krone und ihre Vertreter focht. Er durfte die »Neuen Verordnungen« einschränken und aufheben. Gegen Geistliche hatte er das Recht der Verbannung. Es stand ihm keine feste Besoldung zu, aber er konnte über die Staatskassen in Panamá und in ganz Perú unbeschränkt verfügen. Für die verschiedenen Fälle gab man ihm kaiserliche Schutzbriefe aller Art mit, ja sogar eine Anzahl Blankette mit der eigenhändigen Unterschrift des Kaisers. Auch die Statthalter von Mexiko, Nikaragua usw. hatten ihm im Notfalle Hilfe zu leisten. Zu seinem Adjutanten ernannte man den Obristen Alonso de Alvarado, den ehedem so treuen und tapferen Anhänger Francisco Pizarros. Er hatte seit 1541 am spanischen Hofe gelebt und erfreute sich des größten Ansehens.

Am 26. Mai 1546 ging Gasca mit einem kleinen Gefolge in San Lucar an Bord; Mitte Juli landete er in Santa Marta. Hier erst erhielt er die Nachricht von der Schlacht bei Añaquito und ihren Folgen. Des Vizekönigs Tod war ihm nicht unliebsam, denn dadurch hatte er ganz freie Hand.

Zunächst begab sich Gasca nach Nombre de Dios, wo der Hauptmann Hernan Mexia mit einer starken Besatzung (denn der Platz war hochwichtig) den Befehl führte. Der Offizier hatte strenge Anweisung, verdächtigen Personen das Betreten der Landenge zu verbieten. Gasca kam mit dem Gebaren eines schlichten Geistlichen und täuschte zunächst den Kommandanten. Gleichwohl kam er bald dahinter, daß der Ankömmling kein ungewöhnlicher Mensch war und daß ihm das »suave in modo, fortiter in re« auf der Stirn geschrieben stand. Gasca suchte ihn tagtäglich auf, plauderte von Untertanentreue, Gehorsamspflicht, Vaterlandsliebe, Empörern, friedlichen Mitteln, Amnestie usw.; mit einem Worte, er umgarnte ihn nach allen Regeln der seelischen Suggestion und erreichte es, daß Mexia seine Treue zum Kaiser aufrichtig beteuerte.

Sodann ging Gasca nach Panamá und bearbeitete den Admiral Hinojosa, der daselbst den Befehl führte, unter dem Beistand von Mexia und Alvarado in gleicher Weise, aber zuvörderst ohne Erfolg. Hinojosa stellte die verfängliche Frage, ob Gasca auch die Vollmacht habe, Pizarro als Statthalter zu Perú zu bestätigen. Seine Verdienste wie der Wille des Volkes berechtigten ihn zu diesem Anspruche. Gasca gab die doppeldeutige Antwort, zur rechten Zeit werde er alle seine Vollmachten vorweisen; eines Punktes aber könne er im Voraus versichert sein: jeder treue Diener des Landes werde nach Gebühr belohnt.

 

Damit wenig zufrieden, schrieb Hinojosa an Pizarro, meldete ihm die Ankunft des verdächtigen kaiserlichen Boten und seine bisherigen Umtriebe, indem er hinzufügte, er glaube nicht, daß er ihm die Bestätigung als Statthalter bringe. Dieses Schreiben ging mit einer Galeere nach Lima ab, auf der auch ein Dominikaner die Erlaubnis hatte mitzufahren. Dieses Mönches versicherte sich Gasca. Er gab ihm einen Aufruf an die Geisdichkeit von Perú mit sowie eine Bekanntmachung, in der im Namen des Kaisers die Aufhebung der Neuen Verordnungen erklärt und jedem, der zum Gehorsam zurückkehre, Amnestie zugesichert ward. Diese Proklamationen sollte der Mönch im Lande verteilen; und er tat es auch ungeachtet der Gefahr.

Auf einem andern Schiffe sandte Gasca einen sieben Seiten langen, überaus freundlich gehaltenen Brief an Pizarro, dem ein huldvolles Schreiben des Kaisers beilag. Gasca beschwor Gonzalo bei seiner Ritterehre, der Krone Gehorsam zu leisten und keinen neuen Bürgerkrieg zu erregen. Ein zweiter Brief war an Cepeda gerichtet, der sich zum Vertrauten Pizarros emporgeschwungen hatte und großen Einfluß auf dessen Entschlüsse besaß, zumal Carbajal in Potosi an den Silbergruben weilte.

Während Gasca auf die Antwort und Wirkung seiner Briefe wartete, kamen öfters Leute aus Perú, die er bei sich empfing, um sie über die Stimmung im Lande auszuhorchen. Die Einen sagten aus, Pizarros Beliebtheit sei bei seiner Freigebigkeit und Leutseligkeit größer denn je; andre verdächtigten ihn als willkürlichen Tyrannen, Prasser und Verschwender. In Wirklichkeit erfreute er sich damals tatsächlich der Geneigtheit der guten Bürger wie des großen Haufens; man feierte ihn in Romanzen als edlen Ritter und kühnen Helden.

Obwohl Pizarro die Ankunft des »Kaplans«, wie er spottete, nicht tragisch nahm, so ordnete er doch allerlei an, um ihm und seinen Sendungen die Landung in den peruanischen Häfen zu verwehren. Er mochte wohl eine bange Ahnung haben, daß dieser sonderbare Heilige Waffen führte, denen seine Macht nicht gewachsen war. In dieser Stimmung ließ er durch Cepeda ein Schreiben an den Kaiser aufsetzen, in dem er die Vorgänge in Peru schilderte und erläuterte und um die Allerhöchste Bestätigung in seinem Amte bat. Dieses merkwürdige Gesuch vertraute er einer Gesandtschaft an, die der Ritter Lorenzo de Aldana führte und der u. a. auch Loaysa, der Bischof von Lima, zugehörte.

Aldana kam bloß bis Panamá, wo er und seine Begleiter der Redekunst des »Kaplans« unterlagen. Zugleich überbrachten sie auch ein Schreiben der Bürgerschaft von Lima, unterschrieben am 14. Oktober 1546 von siebzig der angesehensten Ritter und Ansiedler. Man beglückwünschte den neuen Statthalter, bedauerte jedoch, daß er zu spät gekommen wäre; das Land befände sich endlich in Ruhe und Ordnung; Pizarro sei geachtet und beliebt. Er habe die besten Ansprüche auf die Statthalterschaft. Man bäte daher zum Wohle Perus, Gasca möge ihn in seinem Amte bestätigen und damit neue schwere Unruhen verhüten.

Nachdem Aldana einen Einblick in Gascas Vollmachten getan hatte, hielt er seine Sendung für erledigt und stellte sich dem neuen Statthalter zur Verfügung. Sein Beispiel wirkte entscheidend auf den unschlüssigen Hinojosa. Am 19. November 1546 legten er sowie seine Schiffshauptleute ihre Ämter in einem feierlichen Akt auf der Plaza von Panamá in die Hände Gascas. Der Statthalter verkündete ihnen die kaiserliche Verzeihung, begrüßte sie als treue Vasallen des Reiches und verlieh ihnen ihre Heeresstellen von neuem. Sie leisteten von neuem den Fahneneid, und alsbald wehte auf sämtlichen Schiffen das Banner Kastiliens. Damit hatte der kluge Diplomat den Schlüssel zu Perú in den Händen.

XLI

Inzwischen waren Gascas Briefe in Lima eingetroffen. Pizarro eröffnete sie im Beisein Carbajals, der wieder bei ihm weilte, und Cepedas. Noch wußte man nichts vom Abfall der Flotte.

Der alte Kondottiere, der eine seltsame innere Voraussicht hatte, war der Meinung, Pizarro solle die Bedingung annehmen und sich dem Statthalter unterwerfen. Anders sprach Cepeda, den sein schlechtes Gewissen trieb. Er riet zum Äußersten – und Pizarro, der seine Statthalterschaft bedroht sah, gab seiner unaufrichtigen, aber gewandt vorgetragenen und verführerischen Beurteilung der Lage Recht.

Carbajal zuckte mit den Achseln. Er pflegte in kurzen Sprüchen zu reden. »Wie Ihr wollt! Galgen oder Schlachtfeld! Ich bin 83 Jahre alt!«

Nicht allzulange darauf traf die Kunde vom Verrat Hinojosas ein, gleichzeitig mit der Meldung, Centeno sei wieder aufgetaucht und marschiere auf Kuzko, und in Quito habe man den Pizarro treu ergebenen Kommandanten Puelles ermordet. Jetzt war es zur Umkehr zu spät; Gascas Sendbote hatte unverrichteter Dinge wieder abreisen müssen.

Pizarro verlor seinen Mut nicht einen Augenblick. Er sammelte und rüstete seine Parteigänger. Es waren rund 1000 Mann, geschart um Fahnen, die nunmehr Pizarros Namenszug trugen. 500 Büchsenschützen kamen zusammen. Die Ausgabe für die Kriegsvorbereitung soll insgesamt eine halbe Million Pesos betragen haben.

Um die Mitte des Februars 1547 hatte Gasca ein Geschwader von vier Schiffen unter dem Befehl des Ritters Aldana ausgesandt. Es hatte in Truxillo angelegt und diese Stadt für die kaiserliche Partei gewonnen. In Lima angelangt, überreichte Aldana seinem ehemaligen Herrn und Meister seine Vollmacht. Pizarro zerriß sie und warf sie ihm ungelesen vor die Füße.

Die unter den Soldaten und Ansiedlern verbreiteten Proklamationen taten ihre Wirkung. Allgemein erschrak man über Gascas weitgehende Vollmacht. In der Folge desertierten eine Menge Ritter und Landsknechte und schlugen sich nach Truxillo durch. Unter diesen Flüchtlingen war jener Ritter, der dem zu Tode verwundeten Vizekönig auf dem Schlachtfelde von Anaquito so unritterlich den Kopf hatte abschlagen lassen. Gerade ihn begnadigte Gasca, der unausbleiblichen Wirkung gewiß.

Als der Spötter Carbajal davon hörte, sang er die Verse eines alten Volksliedes vor sich:

 
Estos mis cabellicos, madre;
Dos a dos me los lleva el aire …
(Mutter, der Wind weht mir das Haar vom Haupt;
Immer auf einmal zwei weht er hinweg!)
 

Pizarro sah ein, daß ihm in Lima das Heer nicht mehr lange treu bleiben werde. Er verließ die Stadt und marschierte mit nur noch 500 Mann nach Arequipa, wo sich ihm das kleine Korps anschloß, das er nach Kuzko gegen Centena entsandt hatte. Auch dieses war durch Desertation arg verringert. Centena hatte die Pässe besetzt.

Am 10. April 1547 verließ Gasca mit der gesamten peruanischen Kriegsflotte den Hafen von Panamá. Starker Sturm überfiel das Geschwader, so daß man in Gargona Ausbesserungen vornehmen mußte und erst am 13. Juni den Hafen von Tumbez erreichte. Hier fand Gasca zahlreiche Übertrittserklärungen von Rittern im Innern des Landes vor. Er benachrichtigte alle diese, sich in Xaxamalka zu sammeln. Dorthin sandte er den Obristen Hinojosa mit den gelandeten Truppen und dem Befehl, von Xaxamalka auf Xauxa, sein künftiges Hauptquartier, zu marschieren.

Mit einer kleinen erwählten Reiterschar ritt er für seine Person auf der Küstenstraße zunächst nach Truxillo und von da nach ein paar Tagen Rast nach Xauxa. Hier bekam er die Meldung Centenos, daß er die Pässe gegen Chili besetzt halte und daß er hoffe, Pizarro zu fassen.

XLII

Centeno stand in der Nähe des Titicaca-Sees und verlegte Pizarro den Weg nach Chili. In der Tat hatte sich dieser entschlossen, sich weiter nach Süden zurückzuziehen. Um den Kampf mit Centeno zu vermeiden, begann er mit ihm zu unterhandeln, ohne dadurch etwas zu erreichen. So kam es zur Waffenentscheidung am südöstlichen Zipfel des Sees, nahe der alten Inkastadt Huarina.

Es war am 26. Oktober 1547, als die beiden Heere einander begegneten. Auf Centenos Seite standen 1000 Mann, darunter 250 gutberittene Reiter und 150 Büchsenschützen. Die 600 Pikeniere, in der Eile angeworben, waren minderwertig. Pizarro seinerseits gebot über 480 Mann, darunter 350 Büchsenschützen und nur 85 Reiter. Die Büchsenschützen, die Carbajal ausgebildet hatte und persönlich führte, waren ausgezeichnet. Diese Truppe entschied die schon halb verlorene Schlacht. Die Reiterei hingegen ward völlig geschlagen. Pizarro, der wie immer auf prächtigem Streitroß in glänzender Kleidung mitten im Getümmel focht, verlor sein Pferd im Kampfe und geriet in die größte persönliche Gefahr.

Von Centenos Heer fielen 350 Mann; von den Verwundeten starben noch 100 in der eiskalten Nacht. Pizarro verlor 100 Mann und fast alle Pferde. Die Beute war groß, zumal an Silberbarren. Im Lager Centenos fanden die Sieger das Siegesmahl auf langen Tafeln fertig gedeckt vor. Selten haben es sich ungebetene Gäste so gut schmecken lassen wie Pizarros Landsknechte an jenem Oktoberabend.

Carbajal leitete die Verfolgung, ohne die kein Sieg ein Sieg ist. Unermüdlich ritt der Dreiundachtzigjährige auf seinem festen, aber unscheinbaren Gaule, unter gewöhnlichem Indianerkoller seinen Rang verbergend, auf den schlechten Gebirgswegen mit allen noch übrigen Reitern auf Beutepferden den Fliehenden nach. Wer erwischt wurde, war ein Kind des Todes.

Centeno, der, weil er leidend war, in einer Sänfte die Sierra zu gewinnen versuchte, mußte unterwegs das Polster mit dem Sattel tauschen. Es gelang ihm zu entkommen.

Nach diesem unerwarteten Siege gab Pizarro seinen Plan, nach La Plata zurückzugehen, auf und erreichte nach kurzer Rast die Stadt Kuzko. Ein Triumphbogen empfing ihn. Die biederen Bürger der alten Königsstadt waren politische Chamäleons. Pizarro wohnte mit seinen Offizieren und Soldaten dem Te Deum in der Stiftskirche bei. Dann begab er sich sofort in sein Quartier und lehnte alle anderen Ehrungen ab.

Die Nachricht vom Mißgeschick des so siegessichern Centeno rief im Lager von Xauxa ziemliche Bestürzung hervor. Aber Gasca ließ sich nicht irremachen. Am 29. Dezember 1547 brach er auf und zog über Huamanga in den Gau Andaguaylas, in dessen mildem Klima er sein Winterquartier bezog. Hier verblieb er bis in den März des kommenden Jahres.

Nach wiederhergestellter Gesundheit stellte sich Centeno wieder ein; auch Benalcazar erschien mit Truppen. Bald nach ihm meldete sich Pedro de Valdivia, der aus dem Süden von Chili kam, um Nachschub anzuwerben. Gasca begrüßte ihn besonders herzlich. »Ihr allein seid mir lieber als 800 Mann Verstärkung!« soll er zu ihm gesagt haben.

Außer diesen tapferen Offizieren kamen nach und nach ins Lager die Bischöfe von Lima, Quito und Kuzko, die vier Richter der neuen Audiencia und eine Anzahl angesehene Beamte und Geistliche. Selbst diese unkriegerischen Herren stärkten die Zuversicht des Heeres; ihr Kommen bewies, daß man für eine gute Sache kämpfte.

Die Truppenstärke stieg auf 2000 Mann, davon 1000 Büchsenschützen. An Reitern hatte Gasca etwa 300; dazu 11 Geschütze. Hinojosa bekam den Oberbefehl; Alvarado wurde stellvertretender Befehlshaber, Valdivia Obrist im Stabe.

Beim Vormarsch auf Kuzko bereitete der Übergang über den Apurimak viel Schwierigkeiten. Man mußte eine Brücke bauen, um die Geschütze und die Bagage über den breiten Strom zu bekommen. Trotzdem die Vorhut Pizarros den Brückenbau zu verhindern versuchte, gelang er.

Carbajal riet daraufhin, Kuzko unter Mitnahme aller Kassen und Schätze zu räumen. Gasca rechne auf die Gelder, ohne die er 2000 beutegierige Soldaten nicht lange beisammenhalten könne. Wenn sich Pizarro in die Sierra zurückzöge, vermöge ihm der des Geländes unkundige Gegner nichts Ernstliches anzuhaben, während Pizarro ihn durch Streifzüge und Überfälle mürbe machen könne. Die Zeit als Helferin ändere manches!

Pizarros Temperament drängte zu rascherer Entscheidung. Carbajal fügte sich ironisch lächelnd. Er war Fatalist. Es lag ihm längst nichts mehr am Leben. Nur riet er, sofort den Paß zwischen dem Apurimak und Kuzko zu besetzen.

»Ich werde die Sache selber machen! Gebt mir 200 Büchsenschützen!«

»Vater,« erwiderte ihm Pizarro, »bleibt lieber bei mir! Ich bedarf Eurer.«

Darauf erhielt Juan de Acosta diesen wichtigen Auftrag, dessen Ausführung der Ritter regelrecht verballhornte. Als er in jugendlicher Saumseligkeit mit seinen 200 Schützen an die Paßnähe kam, fand er ihn von den gegnerischen Vortruppen besetzt. Ein Deserteur hatte dem Feinde den Plan verraten. Unverrichteter Dinge kehrte Acosta um.

Nunmehr nahm Pizarro eine Stellung im Tale von Xaquixaguana, etwa 27 km westlich von Kuzko, ein. Er verfügte über 900 Mann und sechs Geschütze. Diese Streitmacht war trefflich ausgerüstet; doch es fehlte der Mehrheit die Hauptsache: unbedingte Zuverlässigkeit.

 

Am Morgen des 8. April, am Karfreitag des Jahres 1547, kam es zur letzten Entscheidung, aber das Kriegsglück lächelte dem Eroberer nicht mehr. Noch ehe die Schlacht sich voll entwickelte, gingen die Truppen nach und nach auf die kaiserliche Seite über. Mit ihm trabte der Ritter Garcilasso de la Vega ab, der Vater des späteren Chronisten, und mancher andre. Als selbst Cepeda, der Führer der Pikeniere, angesichts aller das Weite suchte und auch auf den Rückhalt des Heeres, die Büchsenschützen, kaum mehr zu rechnen war, gab Pizarro seine Sache auf und ließ »Das Ganze halt!« blasen. Die ihm noch Treuen begaben sich auf die Flucht.

Pizarro ritt an diesem Tage ein kräftiges temperamentvolles Pferd von kastanienbrauner Farbe, auf dem der elegante Reiter, die Lanze schwingend, so recht das Bild eines wahren Ritters und Helden abgegeben hatte. Jetzt hielt er von der Höhe seiner Stellung stumm Ausschau. »Sterben wir wie Römer!« rief ihm Acosta zu. »Besser als Christen!« erwiderte der mutlos Gewordene und ritt sein Pferd langsam an, in Richtung auf die bergan heranrückenden Scharen seiner Feinde. Als ein Ritter auf ihn zukam, übergab er ihm seinen Degen.

Zu Gasca geführt, der mit seinem Stabe hinter seinen Truppen zu Fuß hielt, grüßte ihn Pizarro ehrerbietig vom Pferd herab. Der ruhmlose Sieger dankte kühl und stellte, unsoldatisch und unritterlich wie nur ein Pfaffe sein kann, ohne Weiteres eine Art Verhör mit ihm an. Empört zogen sich die kaisertreuen Ritter zurück, um die Demütigung eines ehrenwerten Mannes nicht mit ansehen zu müssen.

Auf die törichten Fragen, warum er das Land in Aufruhr gestürzt, den Vizekönig umgebracht, gegen die Regierung gekämpft und die angebotene kaiserliche Gnade ausgeschlagen habe, erwiderte Gonzalo Pizarro in kurzer knapper Rede:

»Meine Familie war es, die dies Land erobert hat. Ich hatte allen Anspruch auf die Statthalterschaft und habe für mein Recht gefochten.«

»Gewiß,« entgegnete Gasca, »Euer Herr Bruder hat Perú für Kaiser und Reich erobert. Dafür hat Seine Majestät ihn und Euch aus dem Staube emporgehoben. Francisco Pizarro war ein treuergebener Diener sein Leben lang; aber Ihr wart undankbar und ungehorsam.«

Pizarro schwieg und ward abgeführt.

Carbajal versuchte, nachdem abgeblasen war, sein Glück auf der Flucht. Beim Übergang über den Fluß stürzte sein Pferd. Da ergriffen ihn seine eignen Leute und brachten ihn in der Hoffnung auf besondre Belohnung ins feindliche Lager. Sein Lieblingslied: »Mutter, der Wind weht mir das Haar vom Haupt…« vor sich hersummend, ritt er, in den Ausgang seines Schicksals ergeben, mitten in der fluchenden und ihn höhnenden Horde dahin.

Im Lager traf ihn Centeno, der ehrfurchtsvoll grüßend an ihn herantrat, um ihn von der Soldateska zu befreien.

»Wer seid Ihr?« fragte ihn spöttisch Carbajal.

»Kennt Ihr mich nicht? Bin Diego Centeno!«

»Verzeihung, edler Don!« rief der alte Held, auf Centenos schimpfliche Flucht anspielend. »Ich hatte nur noch Euern Hintern im Gedächtnis und Euer Gesicht vergessen!«