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Ariane Nasskalt

Voll daneben

Schmunzelgeschichten für zwischendurch

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Dick und Doof

Neidlose Betrachtung

Das war ja ein Ding – kaum zu glauben

Sei einfach du selbst

Kuhfladenlotto

Hinweis:

Impressum neobooks

Prolog


Wenn ihr einen Stein werft, wird er euch von hinten wieder treffen –

weil die Erde rund ist.

Tagore

Dick und Doof

Entnervt stellte Maren ihre Einkaufstüten auf dem Gehsteig ab. Himmel, das konnte doch nicht wahr sein. Wegen lächerlicher drei Minuten durfte sie nun eine geschlagene halbe Stunde auf dem Omnibusbahnhof vertrödeln! An allem war nur Stefan schuld. Warum musste er ausgerechnet dann ihre Autoreifen wechseln, wenn sie in die Stadt fahren wollte. Jeder andere Tag in der Woche hätte besser gepasst. Aber nein, wenn ihr Mann sich etwas vorgenommen hatte, musste es natürlich jetzt und sofort sein.

Missmutig sah sie sich um. An der nächsten Warteinsel, die von der ihren nur durch eine Fahrrinne für den Bus getrennt war, wartete ebenfalls nur eine Person. Neugierig musterte Maren den sportlich wirkenden jungen Mann. Jetzt schaute er auch noch zu ihr herüber. Ob er gespürt hatte, dass sie ihn beobachtete. Maren hielt seinem Blick die wenigen Sekunden, die er zu ihr herüber sah, stand.

Zu dumm, dass sie keine Kontaktlinsen vertrug. Auf die Entfernung blieb sein Gesicht trotz angestrengten Guckens undeutlich verschwommen. Trotzdem war für sie klar: Da drüben stand eine richtige Sahneschnitte!

Merkwürdig, dass dieser Typ mit öffentlichen Verkehrsmitteln fuhr? Eigentlich gehörte er zu der Sorte Mann, die sich neben einem flotten Flitzer auch noch ein Motorrad zulegten. Manche taten dies ja, um ihre Chancen bei den Frauen zu erhöhen. Aber das hatte der sicher nicht nötig. So gut, wie der aussah, brauchte der doch bloß mit dem Finger zu schnipsen, damit sich die Nächste einreihte. Ob er dies ausnutzte, einer jeden sagte, dass sie diejenige wäre oder ihnen von Anfang an klaren Wein einschenkte? Bevor sie Stefan begegnet war, hatte sie auch gern geflirtet. Aber meistens nur eben geflirtet. Nur wenige Male hatte sie sich bei einer neuen Bekanntschaft auf mehr eingelassen.

Marens Gedanken bissen sich an dem großen Blonden fest. Sicher fuhr sein Bus nur Haltestellen in der Innenstadt an, klapperte nicht wie ihrer das östlich gelegene Stadtrandgebiet ab.

Maren gähnte. Seit die Zwillinge auf der Welt waren, litt sie an chronischem Schlafmangel. Nicht einmal jetzt, mit anderthalb Jahren, ließen sie die Mädchen durchschlafen. Spätestens nach vier Stunden schrie eines der beiden. Manchmal wachte dadurch auch das andere auf. Weit schlimmer aber war, wenn sie um Stunden versetzt nach ihr riefen. In solch einer Nacht bekam sie meistens nicht mehr als zwei Stunden Schlaf am Stück. Menschenskinder, warum waren kleine Kinder nur so anstrengend?

Nach und nach versammelten sich an der gegenüberliegenden Haltestelle immer mehr Wartende. Jetzt fuhr dort drüben ein gelber Bus ein, hielt aber zwei Einstiegstellen entfernt von dem Blonden an. Wäre eigentlich schade, wenn er vor ihr abfahren würde. Ihn zu beobachten und dabei ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen, hatte was.

Marens Laune verschlechterte sich wieder, als es zu tröpfeln anfing. Heute war ganz offensichtlich nicht ihr Glückstag. Die fast schon magersüchtig wirkende junge Frau, die eben erst die Bushaltestelle, an der auch Maren wartete, erreicht hatte, verzog missbilligend den Mund. Sie stellte sich bei dem wenige Fußbreit hinter ihnen liegendem Geschäftsgebäude unter, dessen Fensterfront eine Balustrade überspannte. Maren griff mit beiden Händen nach ihren Tüten, folgte ihr in leicht gebückter Haltung mit Trippelschritten rückwärtsgehend, und stellte sich neben sie.

Sicher würde ihr Stefan Vorhaltungen machen, weil sie sich so viele Klamotten gekauft hatte. Aber verglichen mit dem, was sie sich früher geleistet hatte, waren der Rock und die paar Oberteile so gut wie nichts. Und schließlich hatte sie Stefan ja auch ein Sweatshirt besorgt.

Der hippe Blonde ließ sich durch den einsetzenden Nieselregen nicht beirren. Auch der junge Mann hatte inzwischen Gesellschaft bekommen. Doch der andere war nicht einmal halb so attraktiv wie er. Bei dem Blonden schien aber auch alles zu stimmen. Offensichtlich kannten sich die beiden, kamen kurz ins Gespräch. Plötzlich drehten sich beide um und sahen in ihre Richtung. Herrje machte sich dieser Typ jetzt über sie lustig? Zog die Nummer ab „Guck mal die Alte hat mich im Visier“? Egal, dem würde sie zeigen, dass sie ihm gewachsen war. Schließlich war sie nicht schon immer das Muttchen gewesen. Sie setzte einen leicht gelangweilten Blick auf, begann körpersprachlich das Spiel „Sag mal, interessierst du dich etwa für mich?“

Schon nach wenigen Sekunden drehte sich der Neuankömmling wieder um. Nicht so sein attraktiver Gesprächspartner, der sich ihr nun auch mit dem Körper zuwandte. Hatte er ihr tatsächlich zugezwinkert? Aber das tat man doch eigentlich mit einem Auge und nicht mit beiden. Auch jetzt kniff er wieder beide Augen zusammen. Der nahm sie aber genau unter die Lupe. Wenn der wüsste, dass sie Mutter von zwei Krabbelkindern war. Wahrscheinlich würde er sofort wieder abdrehen, wenn sie ihm das sagen würde. Nichts minderte die Chancen einer Frau so sehr wie zwei Kleinkinder, die ständig am Rockzipfel der Mutter hingen.

Jetzt strich er mit seiner Rechten lässig eine Haarsträhne zurück, die ihm in die Stirn gerutscht war. Diesem Nieselregen hielt keine Föhnfrisur stand. Wahrscheinlich kam sein Bus gleich, sonst hätte er sich vielleicht auch untergestellt. Obwohl, Männern machte so ein bisschen Getröpfel, Stefan betitelte selbst einen Starkregen als solches, gewöhnlich nicht viel aus.

Jetzt lächelte er. Breit und ungeniert grinste er sie an. Du liebe Güte, wie sollte sie nur darauf reagieren? Das Spielchen weitertreiben oder einen auf „Bis jetzt war’s interessant, aber nun reicht’s“ machen? Aber was war eigentlich dabei, sicher hatte sich Stefan auch schon Augenflirts zugestanden. Selbstbewusst streckte sie ihren Körper und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Der smarte Typ konterte sofort und legte nun auch noch seinen Kopf schräg.

Hm, eine kleine Flirtunterbrechung schadete jetzt wohl nicht, steigerte vielleicht sein Interesse. Sie ließ – bei geschlossenem Mund – ihre Zunge über die obere Zahnreihe gleiten und tat so, als wolle sie sich einen Überblick über die Wartesituation an ihrem Busstopp verschaffen. Beim Seitwärtsdrehen fiel ihr der spöttische Blick auf, mit dem ihre Stehnachbarin sie bedachte. Maren taxierte sie kurz und beschloss, nicht darauf zu reagieren. Aus der sprach doch der pure Neid. Die hatte doch überhaupt keine Klasse. Dieses dürre Neidauge wusste ja noch nicht einmal, wie man sich die Augenbrauen zupfte. Sicher hatte sie bei einem Typen wie dem da drüben keine Chance. Nicht einmal auf einer einsamen Insel würde der sie angucken.

Maren wandte sich wieder dem Geschehen auf der gegenüberliegenden Warteinsel zu. Der Blonde sah sie immer noch an. Jetzt grinste er bis über beide Ohren. Mensch, da konnte tatsächlich mehr draus werden! Sah ganz danach aus, als ob er im nächsten Moment zu ihr herüber käme. Was sollte sie dann tun? Einen auf biedere Ehefrau machen oder sich einen schönen Nachmittag gönnen?

Wie sie Stefan kannte, hatte er die Kleinen zu seiner Mutter gebracht, damit er ungestört werkeln konnte. Obwohl ihr Mann nun immer öfters die Stirn krauszog, wenn es abends nur kaltes Essen gab, riss er sich selbst kein Bein raus, wenn es darum ging, neben dem Beaufsichtigen der Zwillinge noch einer anderen Beschäftigung nachzugehen. Von ihr dagegen erwartete er, dass sie neben den Kindern auch noch den gesamten Haushalt schmiss. Neulich hatte er sogar gemeckert, weil sie nie seine Hemden bügelte. Was glaubte der eigentlich? Wenn sie nicht aufpasste, machte er sie noch zu seiner Minna. Das hatte man davon, wenn man wegen der Kinder zu Hause blieb. Ein Dauerzustand würde das jedenfalls nicht werden. Vielleicht noch ein Jahr, dann war Schluss damit.

Marens Lust, sich auf ein kleines Abenteuer einzulassen, stieg. Schon länger sehnte sie sich nach Abwechslung. Einmal wieder als unbekanntes Blatt begehrt zu werden, wieder ohne nachfolgenden Matratzensport gurren und schnurren zu dürfen. Was sich daraus entwickeln würde, lag ja an ihr. Und wer sagte denn, dass er sich mehr als einen harmlosen Flirt erhoffte. Vielleicht hatte er nur keine Lust, den Nachmittag alleine zu verbringen. Stefan tat das nicht weh. Vielleicht profitierte er ja sogar davon. Manchmal kurbelte so ein Appetitholen das Sexleben ja wieder an, brachte neuen Schwung in die Beziehung.

 

Mit einem vielsagenden Lächeln signalisierte sie dem Fremden, dass sie nicht abgeneigt war.

Sie spürte, dass Neidauge sie unentwegt beobachtete. Maren drehte ihr den Kopf zu. Jetzt grinste die schon wieder so doof. Maren zog die Augenbrauen hoch. Dieser Hungerhaken geilte sich wohl an Flirts anderer Leute auf. Na ja, eigentlich konnte sie einem leidtun. Sicher machte sie bei Männern einen auf intelligent. Mit was anderem konnte die ja nicht auftrumpfen!

Maren sah wieder zu dem Blonden hinüber. Boah, er stierte sie ja regelrecht an. Der trug aber die Nase hoch! Nun streckte er sich auch noch und stand kurz auf den Zehenspitzen. War wohl ne Spur zu selbstbewusst! Egal, Hauptsache er hatte angebissen. Was für ein süßes Lächeln der hatte!

Warum kam er denn nicht zu ihr herüber? Merkwürdig, diese Starrerei ergab doch keinen Sinn. Erwartete er etwa, dass sie auf ihn zuging? Den Gefallen würde sie ihm nicht tun. Sie wollte erobert werden. Immer nur so weit locken, bis der Mann die Initiative ergriff.

Als nach minutenlangem gegenseitigem Anlächeln noch immer nichts geschah, wurde sie ungeduldig. Der hatte vielleicht Nerven. Seine Haltestelle quoll inzwischen über vor Wartenden, wahrscheinlich würde demnächst sein Bus einfahren. Warum ließ er sich denn so viel Zeit? Wollte er die Spannung steigern oder war er nur unentschlossen? Das war echt unfair! Der konnte doch nicht abdrehen, jetzt, wo sie Blut geleckt hatte.

Eine Ausrede für das zu späte Heimkommen und dafür, dass sie ihr Handy abschalten würde, hatte sie sich schon zurechtgelegt. Natürlich würde Svenja herhalten müssen. Der hatte sie auch erst vor kurzem ein Alibi verschafft. Sicher würde sie nicht wie damals ihre Freundin mit dem Typen ins Bett gehen. Ihre Schwangerschaftsstreifen brauchte keiner zu sehen. Obwohl, dafür, dass sie Zwillinge bekommen hatte, sah ihr Bauch echt noch gut aus. Nur wenige weiße Linien zeichneten sich auf ihrer Haut ab. Eigentlich kaum der Rede wert, wahrscheinlich würde er sie nicht mal bemerken. Außerdem würde sie es ja sowieso nicht so weit kommen lassen. Schon allein wegen Stefan nicht. Er verhielt sich zwar in letzter Zeit manchmal richtig miesepetrig, nahm ihr aber abends, wenn er heimkam, immer gleich die Zwillinge ab. Machte voll einen auf Familienvater. Damit wäre sicher Schluss, wenn er Wind von einem Seitensprung bekäme.

Ihr Flirtpartner behielt zwar sein Lächeln bei, machte aber immer noch keine Anstalten, zu ihr herüberzukommen. So ein blödes Spiel, der wollte tatsächlich, dass sie ihn anturnte. Eigentlich war das ja nicht ihr Ding, aber wenn sie jetzt nicht aktiv wurde, würde nie was draus. Und worauf sie nun absolut keine Lust mehr hatte, war gleich nach Hause zu fahren.

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