Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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IV. Das Zensurverbot

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Beim Zensurverbot nach Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG handelt es sich nicht um ein eigenständiges Grundrecht, sondern um eine „absolute Eingriffsschranke“,[41] mithin eine Schranken-Schranke.[42] Zensur in diesem Sinne ist nach h.M. nur die Vorzensur im Sinne einer formellen Vorkontrolle, also alle Beschränkungen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Werkes der Kommunikation, insbesondere das Abhängigmachen von behördlichen Vorprüfungen und Genehmigungen des Inhalts.[43]

V. Die Kunstfreiheit und ihre Ausstrahlungswirkung auf die zivilrechtliche Betrachtung der Wort- und Bildberichterstattung

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Nach dem Mephisto-Urteil liegt das Wesentliche einer künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Die Abgrenzungsversuche der Kunst von Nichtkunst dürfen nicht auf der Ebene einer qualitativen Bewertung erfolgen; eine Differenzierung zwischen „guter“ und „schlechter“ und deswegen dem Schutzbereich nicht unterfallender Kunst stellt eine unzulässige Inhaltskontrolle dar.[44] Für Karikaturen und Satire gilt, dass diese grds. Kunst sein können, aber nicht in jeder Karikatur und Satire zugleich Kunst liegt.[45] Diese liegt nicht schon bei jeder Übertreibung, Verzerrung und Verfremdung vor.[46]

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Anders als Art. 5 Abs. 1 GG ist die Kunstfreiheit schrankenlos gewährt. Nach dem Mephisto-Urteil des BVerfG[47] hat eine Konfliktlösung auf der Grundrechtsebene zu erfolgen. Die Grenzen der Kunstfreiheit könnten nur von der Verfassung selbst bestimmt werden,[48] z.B. durch die Grundrechte anderer Träger, etwa das Persönlichkeitsrecht, die Menschenwürde,[49] aber auch durch sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang, z.B. Jugendschutz oder Eigentum. Infolgedessen bedarf es im Konfliktfall auf der Grundrechtsebene anzustellende Betrachtung einer Abwägung der widerstreitenden Grundrechtsinteressen.

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In der Praxis der Wort- und Bildberichterstattung liegt beim Persönlichkeitsrecht die entscheidende Frage, wann der Künstler befugt ist, einer individuellen Person zurechenbare Angaben zu benutzen, wenn die Darstellung geeignet ist, das Persönlichkeitsbild des Betroffenen zu beeinträchtigen. Im Mephisto-Urteil[50] bezeichnet es das BVerfG als wesentlich, ob und inwieweit das „Abbild“ gegenüber dem „Urbild“ in der künstlerischen Darstellung so verselbständigt erscheint, dass das individuelle, persönlich-intime zugunsten des allgemeinen, zeichenhafter „Figur“ objektiviert ist.[51] In einem solchen Falle müsse das Persönlichkeitsrecht des Dargestellten zurücktreten. Ergebe aber eine Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalls, dass der Künstler ein „Portrait“ des Urbildes gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, komme es auf das Ausmaß der künstlerischen Verfremdung oder den Umfang und die Bedeutung der „Verfälschung“ für den Ruf des Betroffenen oder für sein Andenken an.[52]

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Diese grundlegende Auffassung des Mephisto-Urteils war schon damals sehr umstr.[53] und hat mittlerweile anhand praktischer Fälle auch gegenüber Filmwerken[54] oder Theaterstücken[55] zu großen Kontroversen geführt.

In seinem Beschl. v. 13.6.2007[56] in Sachen Esra hat das BVerfG nur eine schwere Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts als ausreichend angesehen, um die Freiheit der Kunst zurücktreten zu lassen.[57] Zur Feststellung der Schwere sei eine kunstspezifische Betrachtung zur Bestimmung des durch Roman im jeweiligen Handlungszusammenhang dem Leser nahe gelegten Wirklichkeitsbezugs erforderlich. Dabei sei ein literarisches Werk zunächst einmal als Fiktion anzusehen.[58] Diese Vermutung gelte auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen als Urbilder erkennbar seien. Allerdings bestehe zwischen dem Maß, in dem der Autor eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft, und der Intensität der Verletzung eine Wechselbeziehung. Je stärker die Übereinstimmung von Abbild und Urbild, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Liegt eine solche schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung vor und ist deshalb ein gerichtliches Verbreitungsverbot ergangen, kann der Verletzte nur ausnahmsweise zusätzlich eine Geldentschädigung beanspruchen.[59]

B. Die Wortberichterstattung
I. Grundsätzliches

1. Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung

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Die rechtliche Beurteilung einer Äußerung beginnt mit Ermittlung ihrer richtigen Deutung. Einer Äußerung eine Deutung zu geben, die sich aus ihrem Wortlaut nicht oder nicht mit hinreichender Klarheit ergibt, verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 GG.[60] Die Ermittlung des Sinngehalts einer Äußerung steht sowohl der revisionsrechtlichen als auch der verfassungsgerichtlichen Überprüfung offen.

1.1 Empfängerverständnis

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Maßstab der Interpretation einer Äußerung ist der unbefangene Durchschnittsempfänger/-leser.[61] Weder kommt es darauf an, wie der Kritiker sie glaubt zu verstehen oder verstanden wissen will.[62] Noch kommt es darauf an, was der die Äußerung Tätigende als Verständnis gewollt hat.[63] Nicht gleichzusetzen ist der unbefangene Durchschnittsempfänger mit dem flüchtigen Leser.[64]

1.2 Berücksichtigung des Verständnisses aufgrund des Mediums

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Jedes Medium oder jede Gattung des Mediums hat eine besondere Ausdrucksweise. Z.B. liegt es in der Eigenart eines Fernsehberichts, dass er Worte und Bilder miteinander verknüpft, so dass deren Wechselwirkung, aber auch deren Gewichtung einem diesem Medium eigengesetzlichen Verständnis unterliegt.[65] So ist beim Fernsehen grds. vom Text auszugehen und den dazu gezeigten Bildern darf nicht ohne weiteres ein texterweiternder oder einengender Sinn beigelegt werden.[66] Unterhaltende Presse wie etwa Boulevardzeitungen oder Regenbogenzeitschriften sind darauf angewiesen, Sachverhalte in sprachlich verknappter Form darzustellen.

1.3 Kontextbetrachtung

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Die Äußerung ist als zusammenhängendes Ganzes unter Berücksichtigung des Kontexts und der Begleitumstände zu würdigen, soweit diese für die Rezipienten erkennbar sind.[67] Z.B. dürfen bei einer komplexen Äußerung nicht drei Sätze mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptungen untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem – zu würdigen – Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich der Äußerungsfreiheit fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird.[68] Zu berücksichtigen ist auch ggf. eine Wechselwirkung von Text und Bild.[69]

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Die Kontextbetrachtung hat bei Printmedien auch Bedeutung im Verhältnis Schlagzeile zu Artikelinhalt. Zunächst besteht keine Verpflichtung, in der Überschrift oder Schlagzeile eine Wiedergabe der Gesamtdarstellung vorzunehmen.[70] Andererseits soll z.B. eine Titelseite oder eine isolierte Schlagzeile auf der Titelseite ohne Rücksicht auf den Inhalt des Artikels auf den späteren Seiten des Mediums dann angegriffen werden können, wenn diese eine selbständige Aussage enthält[71] und ihr ein eigenständiger, von dem Bericht eindeutig zu trennender Sinngehalt zukommt.[72] Dies setzt allerdings zum einen voraus, dass die Artikelüberschrift eine in sich abgeschlossene und aus sich heraus interpretierbare Tatsachenbehauptung enthält[73] und zum anderen, dass sich dann aus der Schlagzeile auch der Betroffene selbst ergeben muss.[74] Diese Grundsätze gelten auch für Überschriften in Online-Erzeugnissen.[75] Ferner kann dies nicht der Fall sein, falls nachfolgende, etwa auf weiteren Seiten abgedruckte Artikelpassagen eine eindeutige Klarstellung des in der Schlagzeile oder Überschrift Gemeinten enthalten. Auch Dachzeilen oder Zwischenüberschriften sind bei der Kontextbetrachtung zu berücksichtigen.[76] Bei Internetveröffentlichungen gelten grds. keine anderen Anforderungen, wobei allerdings den Besonderheiten des Internets im Einzelfall Rechnung getragen werden muss. So können im Einzelfall z.B. von einer Internet-Suchmaschine unterbreitete Suchergänzungsvorschläge (Autocomplete-Funktion) mehrere Begriffe ein Aussagegehalt im Zusammenhang beider Begriffe zugemessen werden.[77]

1.4 Offene und verdeckte Äußerungen

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Grds. ist nur angreifbar, was offen ausgesprochen wurde. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die angegriffene Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang eine verdeckte oder versteckte Aussage enthält. Bei der Feststellung solcher verdeckter Tatsachen ist besondere Zurückhaltung geboten.[78] Eine im Zusammenspiel der offenen Aussagen enthaltene zusätzliche eigene Sachaussage des Autors muss die Grenzen des Denkanstoßes überschreiten und sich dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legen.[79]

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Ein Anspruch auf vollständige Berichterstattung besteht grds. nicht, zumal die Medien aus einer Fülle von Fakten jene auszuwählen haben, über die berichtet werden soll und auch die Auswahl des „Berichtenswerten“ der Grundrechtsfreiheit unterliegt. In Ausnahmefällen hat der BGH in einer bewusst unvollständigen Berichterstattung eine angreifbare unwahre Tatsachenbehauptung gesehen.[80] Im Übrigen kann dies nur für wesentliche Angaben gelten, die dazu dienen, dem Vorgang in seiner Kernaussage ein anderes Gewicht zu geben. Das kommt allerdings nur in Betracht, wenn sich dem Leser eine im Zusammenhang der offenen Aussagen enthaltene zusätzliche eigene Aussage als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängen muss.[81]

 

1.5 Rechtsbegriffe und andere Begrifflichkeiten

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Die Sicht des unbefangenen Durchschnittslesers prägt auch das Verständnis von Begrifflichkeiten. So sind z.B. in der Regel Rechtsbegriffe nicht im rechtsdogmatischen Sinne zu verstehen, sondern so, wie dies allgemein alltagssprachlich verstanden wird.[82] Die Bezeichnung eines Betroffenen als „Mörder“ bedeutet nicht notwendig, es liege ein Mordmerkmal vor.[83] Das Gleiche gilt für strafrechtliche Deliktsbegriffe wie „Betrug“ oder „Unterschlagung“ oder die Frage, ob mit einem bestimmten Begriff (z.B. „Sabotage“) insgesamt eine strafrechtlich relevante Handlung oder der Vorwurf bewusster Schädigung verbunden sein muss.[84]

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Bei Äußerungen im politischen Meinungskampf ist besondere Zurückhaltung geboten beim wörtlichen Verstehen. Gerade z.B. im Wahlkampf sind hastige, aber übertreibende und verzerrende Darstellungen keine Ausnahme.[85]

1.6 Mehrdeutige Darstellungen

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Lange Zeit galt der Grundsatz der „verletzerfreundlichen Auslegung“ als fester Bestandteil des deutschen Presserechts. In seinem Klinik-Monopoly-Urteil hatte der BGH befunden: „Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts an Äußerungen möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt.“[86]

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Eine grds. Wendung erfolgte durch den Stolpe-Beschluss des BVerfG v 25.10.2005.[87] Für den Fall, dass von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen sei, unterschied das BVerfG zwischen Sanktionen wegen in der Vergangenheit erfolgter Meinungsäußerungen und wegen Sanktionen, die zukünftige Äußerungen betreffen. Bei einer Sanktion wegen in der Vergangenheit erfolgter Meinungsäußerungen verstoße ein Strafurteil oder ein die Verurteilung zum Schadensersatz, zum Widerruf oder zur Berichtigung aussprechendes zivilrechtliches Urteil gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, weil negative Auswirkungen auf die generelle Ausübung des Grundrechts zu befürchten seien.[88] Ein gleicher Schutzbedarf bestehe indessen nicht bei gerichtlichen Entscheidungen über die Unterlassung zukünftiger Äußerungen. Hier sei im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit habe, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welche Äußerungsinhalte der rechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist. Eine auf Unterlassung zielende Verurteilung könne der Äußernde vermeiden, wenn er eine ernsthafte und inhaltlich ausweichende Erklärung abgebe, die mehrdeutige Äußerung nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen.[89]

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Mag diese Rspr. auch pragmatisch und praktisch verfehlt sein,[90] so wird die Praxis doch mit ihr leben müssen. Allerdings hat ein obiter dictum in der Entscheidung des BVerfG zu Gegendarstellungsverlangen gegen mehrdeutige Erstmitteilungen die Möglichkeit der Klarstellung zur Vermeidung einer Unterlassungsverpflichtung noch einmal zugleich betont und ein Stück weit präzisiert.[91] Die Instanzgerichte haben dies bislang nur spärlich aufgegriffen. Unklar sind zudem noch viele Fragen dazu, wie etwa eine solche Klarstellung zu erfolgen hat.[92] Fraglich bleibt, ob die Grundsätze auch außerhalb mehrerer Tatsachenbehauptungen gelten. Für die Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung hat das BVerfG dies bereits bejaht.[93] Allerdings könnte auch hier zu differenzieren sein. Maßgeblich für die Anwendung der Stolpe-Rechtsprechung sei, dass die Äußerung als eine geschlossene, aus sich heraus aussagekräftige, allerdings mehrdeutige Tatsachenbehauptung wahrgenommen werde; resultierten konkrete Interpretationsmöglichkeiten erst aus dem Zusammenspiel mehrerer Äußerungen, die für sich betrachtet zulässige Meinungsäußerungen bzw. wahre Tatsachenbehauptungen darstellten, finde die Stolpe-Rechtsprechung keine Anwendung;[94] dies scheint vom BVerfG[95] aber wieder in Frage gestellt zu werden, wenn es heißt, dass das Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zugrunde legen darf, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen ausgeschlossen zu haben. Diese Textpassage ergibt aus Sicht des Verfassers nur dann Sinn, wenn eine ebenfalls denkbare Interpretation der Äußerung als Meinungsäußerung trotz der Stolpe-Rechtsprechung dann vom Gericht hätte zugrunde gelegt werden können. Höchstrichterlich ungeklärt ist die Anwendung der Stolpe-Rechtsprechung nach wie vor für verdeckte Tatsachenbehauptungen[96].

1.7 Verdacht, Zweifel, Gerüchte

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Wird ein Verdacht oder ein Zweifel geäußert oder eine Möglichkeit angedeutet oder werden Vermutungen ausgesprochen, kommt es darauf an, ob dadurch der Eindruck einer definitiven Behauptung vermittelt wird. Das gilt auch ähnlich für Gerüchte.[97]

1.8 Fragen

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Fragen unterscheiden sich von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, dass sie keine Aussage treffen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf eine Antwort gerichtet. Diese kann in einem Werturteil oder in einer Tatsachenmitteilung bestehen. Fragen selbst lassen sich jedoch keinem der beiden Begriffe selbst zuordnen, sondern besitzen eine eigene semantische Bedeutung.[98] Allerdings sind Fragesätze unter Berücksichtigung des Kontextes und die Umstände der Äußerung auszulegen.[99] Nicht jeder in Frageform gekleidete Satz ist als Frage einzuordnen. „Rhetorische Fragen“ sieht der BGH nicht als Fragen im eigentlichen Sinne. Sie bilden vielmehr Aussagen, die sich entweder als Werturteil oder als Tatsachenbehauptung darstellen und rechtlich wie solche zu behandeln sind.“[100] Echte Fragen dagegen, die eine Antwort herausfordern, sind nicht am Wahrheits- oder am Richtigkeitsmaßstab messbar. Solche echten Fragen sind nach Auffassung des BVerfG gleichfalls durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt[101] und stehen Meinungsäußerungen gleich.[102] Allerdings kann in einer echten Frage im Einzelfall auch die Äußerung eines Verdachtes liegen, so dass die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung Anwendung finden.[103]

1.9 Zitate

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Zitate besitzen in zweierlei Hinsicht Aussagekraft: Im Hinblick auf den Inhalt der zitierten Äußerung[104] und im Hinblick auf die Tatsache, dass eine solche Äußerung des Zitierten tatsächlich erfolgt ist.[105] Ob eine Haftung wegen des Inhalts der zitierten Äußerung besteht, richtet sich nach dessen Klassifizierung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung sowie nach den Grundsätzen der Verbreiterhaftung. Insoweit das Zitat die Aussage enthält, dass eine solche Äußerung des Zitierten tatsächlich gefallen ist, ist damit die wörtliche Wiedergabe gemeint.[106]

1.10 Satire

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Da der Satire[107] die Übersteigerung, Verzerrung und Verfremdung eigen ist, ist zunächst der eigentliche Inhalt der Äußerung zu erfassen, indem dieser von seiner satirischen Einkleidung befreit wird, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der Äußerung zu ermitteln.[108] Dann sind sowohl der Aussagekern und seine Einkleidung erneut darauf hin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung gegenüber der betroffenen Person enthalten.[109] Dabei ist für die Beurteilung der Einkleidung ein großzügigerer Maßstab anzulegen als für den Aussagekern selbst.[110] Denn satirische Übersteigerungen können als Stilmittel der Äußerung grds. selbst nicht schon als Kundgabe der Missachtung betrachtet werden.[111] Die in Form einer Satire geäußerte Meinung am Verhalten anderer Menschen findet aber ihre Grenze in der Schmähkritik oder einer Formalbeleidigung,[112] wobei die Menschen die Menschenwürde als unmittelbarer Ausfluss des Persönlichkeitsrechts auch gegenüber der Kunstfreiheit absolut ohne die Möglichkeit einer Güterabwägung wirken soll.[113]

1.11 Erkennbarkeit bei der Wortberichterstattung

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Eine Erkennbarkeit einer Person kann gegeben sein, wenn die Informationen über das Medium an solche Leser geraten können, die aufgrund ihrer sonstigen Kenntnisse (etwa des beruflichen oder persönlichen Umfelds des Betroffenen) in der Lage sind, die Person zu identifizieren.[114]

2. Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung

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Die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung hat weit reichende Konsequenzen. Gegenüber Tatsachenbehauptungen sind im Falle der Unwahrheit oder auch im Falle der Wahrheit bei negativem Abwägungsergebnis im Einzelfall Unterlassungs-, Widerrufs- oder Gegendarstellungsansprüche möglich, ggf. Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche. Bei der Meinungsäußerung muss in der Regel schon eine Schmähkritik oder Formalbeleidigung vorliegen, bevor eine eingeschränkte Anspruchspalette (Unterlassung, Geldentschädigung und Schadensersatz) in Frage kommen.

2.1 Kriterien der Abgrenzung

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Nach h.M. liegt eine Tatsachenbehauptung vor, wenn der Gehalt der Äußerung der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grds. dem Beweis offen steht.[115] Demgegenüber ist eine Meinungsäußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt.[116] Problematisch wird die Abgrenzung dadurch, dass Werturteilen in der Regel ein (ggf. unausgesprochener) Tatsachenkern zugrunde liegt, von dem das Urteil nicht zu lösen ist oder tatsächliche Tatsachenbehauptungen und Werturteile in einem Satz miteinander verbunden werden oder ineinander übergehen.[117] In solchen Fällen muss abgegrenzt werden, was die Äußerung entscheidend prägt. Geschieht dies durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens, ist die gesamte Äußerung in vollem Umfang durch Art. 5 Abs. 1 GG als Meinungsäußerung geschützt.[118] Hingegen überwiegt der tatsächliche Charakter, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt und damit eine Beweisaufnahme auf die Wahrheit der zusammengefassten tatsächlichen Umstände möglich ist.[119] Auch dürfen nicht aus einer komplexen Äußerung Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen werden und als unrichtige Tatsachenbehauptungen untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem zu würdigenden Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich der freien Meinungsäußerung fallen kann.[120] Liegt objektive Mehrdeutigkeit zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung vor, wurde lange vertreten, dass im Zweifel Meinungscharakter anzunehmen sei.[121] Nach dem Stolpe-Beschluss des BVerfG ist dies problematisch und Gegenstand differenzierter Betrachtung geworden. Wo eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nicht zulässig ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes als Meinungsäußerung angesehen werden.[122]