Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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VI. Zugang zu Übertragungskapazitäten – §§ 50 ff. RStV

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Soweit der RStV von der Zuweisung von Übertragungskapazitäten spricht und der zuständigen Landesmedienanstalt für diese Aufgabe die ZAK und für unter Umständen erforderliche Auswahlentscheidungen auch die GVK zur Seite stellt, machen die entsprechenden Regelungen deutlich, dass Zuweisungsmöglichkeit und -pflicht nunmehr auf die Fälle knapper Übertragungskapazitäten beschränkt sind. Lediglich im Bereich der auch nach Digitalisierung nicht unbegrenzt zur Verfügung stehenden terrestrischen Übertragungskapazitäten gilt weiterhin die Annahme, dass es eines Zuweisungsaktes der Landesmedienanstalt bedarf, damit der Anbieter diese Kapazität nutzen kann. Gibt ein Anbieter an, für die Verbreitung seines Programms Satellitenkapazitäten oder das Internet nutzen zu wollen, dient dies allenfalls noch zur Bestätigung der Tatsache, dass es sich um bundesweit verbreiteten Rundfunk handeln soll. Das zunächst in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingeführte „Führerscheinprinzip“, das die Zuweisung der Übertragungskapazität von der Zulassung entkoppelt, ist nun im Rundfunkstaatsvertrag umgesetzt.

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Im Bereich der digitalen Terrestrik hat die Novellierung des RStV zu Erleichterungen geführt. Während diese Kapazitäten zunächst als reine Frequenzen für Landesrundfunk angesehen wurden und es bei der Einführung von DVB-T noch des gemeinsamen und parallelen Kraftaktes bedurfte, um in verschiedenen Ländern annähernd zeitgleich zu dem selben Ergebnis zu kommen, erkennt der RStV nunmehr an, dass im Zeitalter der Digitalisierung auch im Feld der Terrestrik länderübergreifend gedacht werden kann und muss. Zunächst können entsprechende Kapazitäten durch die Ministerpräsidenten der Länder in einstimmigem Beschluss zur Verfügung gestellt bzw. zugeordnet werden. Die Zuweisung kann dann durch eine Landesmedienanstalt erfolgen. Interessen und Belange der übrigen Landesmedienanstalten werden durch die gemeinsame Ausschreibung und die Entscheidung in der ZAK bzw. im Auswahlfall in der GVK berücksichtigt. Erstmals können neben Einzelangeboten nun auch Plattformanbietern Kapazitäten zugewiesen werden. Ob und welche sachgerechte Verteilung sich hier ggf. anbietet, überlässt der Gesetzgeber den Landesmedienanstalten, die diese Entscheidung je nach den tatsächlichen und technischen Gegebenheiten des Einzelfalls vornehmen müssen. Die finanziellen, organisatorischen und sonstigen Anstrengungen, die Inhalteanbieter, Infrastrukturbetreiber, Gerätehersteller und Nutzer bei erfolgreicher Einführung digitaler Rundfunktechniken auf sich nehmen müssen, werden durch ein solches gebündeltes und transparentes Verfahren erleichtert. Nach wie vor scheinen die wirtschaftlichen Bedingungen schwierig und setzen insbesondere ein abgestimmtes Vorgehen im dualen System mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern voraus, denen für die Entwicklung digitaler Angebote Ressourcen durch die KEF zur Verfügung gestellt werden können.

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Neben dem offenen System für nicht knappe Satellitenübertragungskapazitäten bzw. das Internet und der weiterhin bestehenden Notwendigkeit der per Verwaltungsakt ausgesprochenen Zuweisung terrestrischer Übertragungskapazitäten beinhaltet der RStV für den Bereich des Kabels ein drittes Verfahren. Mit Einführung der Figur des Plattformanbieters adressiert der Rundfunkstaatsvertragsgeber Normen und Verfahren an die Betreiber technischer Infrastrukturen und unterwirft sie im Rundfunkrecht eigenen Anforderungen. Hinsichtlich der analogen Kabelbelegung akzeptiert der Rundfunkstaatsvertrag nach wie vor landesrechtliche Regelungen. Darüber hinaus erstreckt er die bislang für den Bereich des digitalen Kabels entwickelten Must-carry-Vorgaben und das bereits installierte System der nachgehenden Missbrauchsaufsicht auf alle technischen Übertragungskapazitäten und dort agierende Plattformen und ergänzt sie um Anforderungen, die bislang aus dem Zulassungsrecht für Rundfunkinhalte bekannt sind. Alle Anbieter, die unter die Legaldefinition des RStV für Plattformanbieter fallen, unterliegen zunächst denselben Grundanforderungen und der Aufsicht durch die zuständige Landesmedienanstalt. Für die Angebote in allen Plattformen gilt die verfassungsmäßige Ordnung. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten. Plattformanbieter sind für eigene Programme und Dienste verantwortlich und im Übrigen verpflichtet, Verfügungen der Aufsichtsbehörden gegen Programme und Dienste Dritter umzusetzen und insoweit nachrangig auch selbst in Anspruch zu nehmen, § 52a RStV. Darüber hinaus unterliegen sie der Missbrauchs-aufsicht durch die zuständige Landesmedienanstalt gem. § 52f RStV. Marktbeherrschende Anbieter von Plattformen in offenen Netzen oder Netzen, die sich nicht auf die unveränderte Weiterleitung eines Gesamtangebotes beschränken bzw. die eine gewisse Anzahl an angeschlossenen Wohneinheiten bzw. Nutzern überschreiten, haben darüber hinaus bestimmte Belegungsregeln, Vorgaben an die technische Zugangsfreiheit, Entgelte und Tarife zu beachten. Auch hier gibt es eine zuständige Landesmedienanstalt, nämlich die, bei der die notwendige Anzeige eingeht. Die Feststellung, dass es sich um eine Plattform i.S.d. RStV handelt, welchen Anforderungen sie zu genügen hat und ob sie dies tut, trifft die zuständige Landesmedienanstalt durch die ZAK. Einzelheiten hierzu haben die Landesmedienanstalten in der Zugangssatzung nach § 53 RStV vereinbart. Der Schwerpunkt der Aufsichtspraxis liegt dabei weniger auf der Frage ob Rundfunkangeboten Zugang zu digitalen Plattformen gewährt werden muss, sondern eher darauf, zu welchen Konditionen dies zu geschehen hat bzw. ob bei der HD-Verbreitung kleineren Veranstaltern chancengleiche Konditionen und Zugang zu so genannten CPS-Modellen eröffnet ist.[51]

VII. Aufsicht über den privaten Rundfunk

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Rundfunkangebote und Telemedien unterliegen der ständigen Aufsicht. Nicht nur bei der Zulassung oder bei Mitteilung anzeigebedürftiger Veränderungen sondern auch außerhalb dieser Verfahren kann zu prüfen sein, ob das Angebot noch im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht. Programmbeschwerden von Zuschauern und Zuhörern und die Programmbeobachtung durch die Landesmedienanstalten können Aufsichtsverfahren auslösen. Die Entscheidung ein Beanstandungs- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten, steht dabei nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts bzw. dem OWiG im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Landesmedienanstalt. Seit Inkrafttreten des 10. RÄStV kann jede Landesmedienanstalt gegenüber der zuständigen einen Verstoß anzeigen und diese damit verpflichten, sich – durch die ZAK – mit der Anzeige zu befassen. Stellt die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass ein Anbieter gegen Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags verstoßen hat, trifft sie die erforderlichen Maßnahmen. Hierzu zählen nach § 38 Abs. 2 S. 2 RStV insbesondere die Beanstandung, die Untersagung, die Rücknahme und der Widerruf. Daneben enthält § 49 RStV eine Reihe von Tatbeständen, nach denen Verstöße auch im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens geahndet werden können. Die zuständige Landesmedienanstalt kann nach § 49 Abs. 4 RStV darüber hinaus bestimmen, dass Beanstandungen sowie rechtkräftige Entscheidungen in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von dem betroffenen Veranstalter in seinem Rundfunkprogramm verbreitet werden.

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Die Bandbreite der Normen, deren Nichtbefolgung ein Beanstandungsverfahren nach sich ziehen kann bzw. die Bandbreite möglicher Ordnungswidrigkeiten ist groß. Neben Verstößen gegen programmliche Vorgaben sind es vor allem Verletzungen von Verfahrensregeln bzw. die Nichtbefolgung von Anzeige- und Mitteilungspflichten, die Grundlage solcher Verfahren sein können.

1. Werberegelungen

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Einen Schwerpunkt der Aufsichtsarbeit der Landesmedienanstalten haben in der Vergangenheit stets mögliche Werbeverstöße[52] gebildet. Da dieser Bereich ein eigenes Kapitel des Praxishandbuchs einnimmt, kann auf eine vertiefte Darstellung an dieser Stelle verzichtet werden. Fragen der Einhaltung der Mengenbeschränkung sowie des Grundsatzes der Trennung von Werbung und Programm und entsprechende Kennzeichnungspflichten haben seit Einführung des privaten Rundfunks Veranstalter, Landesmedienanstalten und Gerichte beschäftigt. Dies gilt insbesondere für Fragen der Schleichwerbung, gem. § 2 Abs. 2 Ziff. 8 RStV definiert als die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Ein prominentes Beispiel aus der letzten Zeit stellt die Beanstandung der im Programm von Pro7 ausgestrahlten „Wok-WM“ dar.[53] Wie auch im Fall der „Ostershow“[54] bei Sat.1 stand die Frage im Vordergrund, ob die Platzierung von Markennamen und Emblemen auch dann zur Annahme von Schleichwerbung führen kann, wenn es sich um die Übertragung einer von einem Drittunternehmen verantworteten Veranstaltung handelt. Die Gerichte haben sich im Ergebnis der Argumentation der Programmveranstalter nicht angeschlossen. Die Wok-WM sei nicht mit einem sonstigen Sportereignis zu vergleichen, das unabhängig von einer Fernsehübertragung stattfinde, sie werde ausschließlich für die Fernsehübertragung veranstaltet. Daher könne nicht von einer rechtlich zulässigen „aufgedrängten Werbung“ ausgegangen werden.[55] Die zwischen Zulassungsfragen und Werberegulierung stehende Frage der Zulässigkeit des Auseinanderschaltens sog. regionaler Werbespots hat zwischenzeitlich an Brisanz eingebüßt. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht[56] zunächst entschieden hatte, dass es nicht gegen die Bestimmungen des Rundfunkrechts verstoße, wenn im Rahmen eines bundesweiten Fernsehprogramms Werbespots mit regional beschränktem Verbreitungsgebiet gesendet würden, da Gegenstand der Lizenzierung nur redaktionelle Programminhalte, nicht aber auch die Werbung sei, hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich hier nachgearbeitet und in § 7 Abs. 11 RStV klargestellt, dass eine solche Praxis grundsätzlich nicht zulässig ist, es sei denn, sie sei nach Landesrecht erlaubt.

 

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In Umsetzung der AVMD-Richtlinie erlaubt der Rundfunkstaatsvertrag nunmehr die sogenannte Produktplatzierung, d.h. die gekennzeichnete Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken, Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung mit dem Ziel der Absatzförderung, so die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 11 RStV. Danach ist auch die kostenlose Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen Produktplatzierung, sofern die betreffende Ware oder Dienstleistung vom bedeutenden Wert ist. § 44 RStV und § 7 Abs. 7 RStV enthalten weitere Vorgaben. So ist Produktplatzierung nur zulässig in Kinofilmen, Filmen und Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung, sofern es sich nicht um Sendungen für Kinder handelt. In Nachrichten, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen, Ratgeber- und Verbrauchersendungen, Kindersendungen oder Übertragungen von Gottesdiensten ist Produktplatzierung auch dann ausgeschlossen, wenn es sich um kostenlose Bereitstellungen handelt. § 7 Abs. 7 RStV regelt u.a., dass die Produktplatzierung die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit hinsichtlich Inhalt und Sendeplatz unbeeinträchtigt lassen muss und das Produkt nicht zu stark herausgestellt werden darf.[57] Die Norm enthält ferner Hinweis- und Kennzeichnungspflichten. ARD, ZDF und Landesmedienanstalten haben sich auf eine einheitliche Kennzeichnung verständigt; für den privaten Rundfunk ergibt sich dies aus Ziff. 4 Nr. 7 WerbeRL. Die Kennzeichnungspflicht entfällt für Sendungen, die nicht vom Veranstalter selbst oder von einem mit dem Veranstalter verbundenen Unternehmen produziert oder in Auftrag gegeben worden sind, wenn nicht mit zumutbaren Aufwand ermittelbar ist, ob Produktplatzierung enthalten ist, hierauf ist hinzuweisen, § 7 Abs. 7 RStV. Diese Regelung entspricht der bisherigen Handhabung bei der Bewertung von Sendungen aus dem Ausland bzw. Übernahme von Drittproduktionen. Auch bislang wurden dort Verstöße gegen Anforderungen des deutschen Werberechts unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit gehandhabt, wenn ein Verzicht auf die Übertragung nicht verlangt, der Verstoß nicht in anderer Weise durch vertragliche Absprachen verhindert werden kann.[58] Auch im Bereich der Werbeaufsicht unter den Stichworten Trennung von Werbung und Programm und Kennzeichnung werblicher Inhalte hat die zunehmende Bedeutung des Internets, insbesondere die zunehmende Bedeutung sozialer Netzwerke und Videoplattformen, an Aktualität gewonnen.[59]

2. Programmgrundsätze

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Neben den Werbefragen haben stets auch Fragen der Einhaltung der Programmgrundsätze oder die der Wahrung der Menschenwürde im Fokus der Aufsichtsarbeit gestanden. Formate wie Big Brother oder das RTL-Dschungelcamp, Frauentausch oder die Super Nanny haben auch in der Öffentlichkeit Diskussionen ausgelöst, ob und inwieweit die Menschenwürde in der Disposition einzelner Probanten steht und wie beachtlich Einwilligungen in diesem Zusammenhang sein können.

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Nach § 41 RStV gilt für Rundfunkprogramme die verfassungsmäßige Ordnung. Die Rundfunkprogramme haben die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten. Sie sollen die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung fördern und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken. Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze und die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre sind einzuhalten. Auch wenn diese Programmgrundsätze auf ohnehin geltende Gesetze verweisen bzw. ihnen keine konkreten Handlungspflichten entnommen werden können[60] machen sie an dieser Stelle deutlich, welche Erwartungshaltungen die Gesellschaft an Rundfunkprogramme haben darf.

3. Gewinnspiele

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Die Notwendigkeit, neue Refinanzierungsmöglichkeiten für das Programm aufzutun, führte zu programmlichen Phänomenen, die ebenfalls besondere Anforderungen an die Aufsicht stellten. Nach Klingeltönen und Sexclips waren und sind es Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen, die unter Nutzerschutzgesichtspunkten, insbesondere Minderjährigenschutzgesichtspunkten, zu untersuchen und zu beurteilen sind. Während Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen zunächst nur durch freiwillige Vereinbarungen der Veranstalter, sich den von den Landesmedienanstalten entwickelten Auslegungs- und Anwendungsrichtlinien zu unterwerfen, reguliert werden konnten, ist mit Inkrafttreten des 10. RÄStV der Gesetzgeber tätig geworden. § 8a RStV erklärt Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele grundsätzlich für zulässig, unterwirft sie aber dem Gebot der Transparenz und des Teilnehmerschutzes. Die Abgrenzung zum unzulässigen Glücksspiel wird vor allem über das Teilnahmeentgelt vorgenommen, das in der Norm auf 0,50 EUR gedeckelt ist. Den Landesmedienanstalten ist in § 46 RStV freigestellt, die Anforderungen der Norm in einer Satzung oder Richtlinie näher auszugestalten. Für Gewinnspiele in vergleichbaren Telemedien, d.h. Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind, gilt § 8a RStV entsprechend. Was die Ahndung von Verstößen anbelangt, hat der Gesetzgeber einen interessanten Weg gewählt. Nach § 49 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 RStV handelt ordnungswidrig auch, wer einer Satzung nach § 46 S. 1 i.V.m. § 8a RStV zuwiderhandelt, soweit die Satzung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Den Landesmedienanstalten hat der Gesetzgeber daher nicht nur anheimgestellt, sich zur Konkretisierung wahlweise einer Satzung oder Richtlinie zu bedienen, sondern es noch darüber hinaus in ihre Hände gelegt, entsprechende Ordnungswidrigkeitentatbestände in der Satzung zu formulieren.[61] Von dieser Ermächtigung haben die Landesmedienanstalten Gebrauch gemacht und übereinstimmende Gewinnspielsatzungen erlassen.[62] Die Satzung enthält vor allem Regelungen zum Jugendschutz, zur Transparenz, Irreführungs- und Manipulationsverbote, Vorgaben zum Spielablauf, -gestaltung und –auflösung sowie Informationspflichten genereller Art und solche während des Spielverlaufs. Der von 9Live im Wege der abstrakten Normenkontrolle angerufene Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 28.10.2009[63] die Gewinnspielsatzung überwiegend für rechtmäßig befunden. Nach Auffassung des Gerichtes findet allerdings die Erstreckung des Geltungsbereichs der Satzung über den Bereich des Rundfunks hinaus auf die sog. vergleichbaren Telemedien in den Bestimmungen des RStV keine tragfähige Grundlage. Ein Satzungsrecht sei den Landesmedienanstalten insoweit nicht ausdrücklich eingeräumt, der erweiternden Auslegung stehe bereits entgegen, dass in Bayern nicht die beklagte BLM zuständig für die Überwachung von Telemedien sei. Weiterhin wurden Regelungen der Satzung im Zusammenhang mit den Transparenzpflichten, dem Schutz der Nutzerinnen und Nutzer vor übermäßiger Teilnahme, Vorgaben in Bezug auf den Ausfallzeitraum, die Gesamtdauer von Gewinnspielsendungen und entsprechende Informations- und bzw. Dokumentationspflichten für unwirksam erklärt. Auf die Revision von 9Live hatte die BLM Anschlussrevision eingelegt. Da die ProSiebenSat.1-Gruppe die wesentlichen Vorgaben der Gewinnspielsatzung mittlerweile erfüllte, hatten sich die Direktoren der Landesmedienanstalten mit den Sendern 9Live, Sat.1, kabel1 und ProSieben zwischenzeitlich geeinigt und einen Vergleich hinsichtlich der Erledigung von zurückliegenden Verstößen gegen die Gewinnspielsatzung geschlossen. Im Rahmen dieses Vergleichs hatten sich die Sender verpflichtet, Einsprüche gegen neun erlassene Bußgeldbescheide zurückzunehmen, welche damit wirksam wurden und zu einer Zahlungsverpflichtung von Bußgeldern in Höhe von insgesamt 100 000 EUR führten. Darüber hinaus wurde die Rücknahme von Widersprüchen und Klagen gegen medienrechtliche Beanstandungen vereinbart. Mit der Rücknahme der beim Bundesverwaltungsgericht eingelegten Revision im Normenkontrollverfahren gegen die Gewinnspielsatzung wurde das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs rechtskräftig.[64]

Anmerkungen

[1]

BVerGE 12, 205, 206.

[2]

BVerfGE 57, 295, 320; Leibholz/Rinck GG, Art. 5 Rn. 406; Dörr/Schwartmann Medienrecht, 5. Aufl. 2015, Rn. 171.

[3]

Einen guten Überblick über Entwicklungen und Problemlagen gibt der jährlich aktualisierte Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten, derzeit Digitalisierungsbericht 2016, Herausgeberin: die medienanstalten – ALM GbR, abrufbar unter www.die-medienanstalten.de.

[4]

Zu den Problemlagen u.a. Schütz/Schreiber MMR 2012, 659; die Medienanstalten – ALM GbR, Wie smart ist die Konvergenz? Markt und Nutzung von Connected TV, abrufbar unter www.die-medienanstalten.de.

[5]

Grundlage der Arbeit dieser Kommission hierfür war unter anderem das von Kluth/W. Schulz erstellte Gutachten Konvergenz und regulatorische Folgen, Gutachten im Auftrag der Rundfunkkomission der Länder, Oktober 2014, abrufbar unter www.hans-bredow-institut.de.

[6]

Bericht Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz, Juni 2016, abrufbar unter www.bundesregierung.de.

[7]

RL 2010/13/EU des europäischen Parlaments und des Rates v. 10.3.2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste.

[8]

European platform of regulatory authorities.

[9]

Beschl. des EuG v. 6.10.2009 – T-8/06 (mabb) und v. 5.10.2009 – T-2/08 (LfM).

[10]

EuGH 15.9.2011 (C-544/09 P).

[11]

VO (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2000/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32015R2120).

[12]

§ 88 Abs. 3 und 12 LMG NRW, § 1 Abs. 9 ThürLMG NRW.

[13]

 

Www.berec.europa.eu.

[14]

§ 123 Abs. 2 S. 3 TKG.

[15]

Hierzu zählen u.a. die Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten und zur Plattformregulierung gem. § 53 RStV, die Satzung der Landesmedienanstalten über Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele (Gewinnspiel-Satzung) und die Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten für die Werbung, die Produktplatzierung, das Sponsoring und das Teleshopping im Fernsehen (WerbeRL/Fernsehen) sämtlich abrufbar unter www.die-medienanstalten.de.

[16]

S. dazu 5. Kap. Rn. 34 ff.

[17]

Vgl. etwa zum 2009 novellierten LMG-NRW den Überblick Kocks/Senft AfP 2010, 336, 338 ff.

[18]

So in Nordrhein-Westfalen insbesondere im Medienkonzentrationsrecht. Dazu Schwartmann Die Beteiligung von Presseunternehmen am Rundfunk in Nordrhein-Westfalen, 2009; ders. ZUM 2009, 842 ff.

[19]

Vgl. dazu 7. Kap. Rn. 54 ff.

[20]

Allgemeine Regelungen des Datenschutzes im Bundesdatenschutzgesetz und den Datenschutzgesetzen der Länder stehen für Rundfunk und Telemedien spezifische Regelungen zur Seite. Die Landesgesetzgeber einerseits im Rundfunkstaatsvertrags sowie den Landesmediengesetzen, auf der anderen Seite der Bund im Telemediengesetz sind um den Datenschutz im Bereich der Medien bemüht.

[21]

Landesanstalt für Kommunikation (LfK), Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), Bremische Landesmedienanstalt (brema), Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV), Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk (NLM), Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK), Landesmedienanstalt Saarland (LMS), Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM), Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA), Thüringer Landesmedienanstalt (TLM).

[22]

§ 10 RFinStV.

[23]

Anders die mabb, dort besteht der Medienrat aus sieben vom Parlament entsandten Sachverständigen.

[24]

BVerfGE 83, 238, 335 f.

[25]

Abrufbar unter www.die-medienanstalten.de.

[26]

§ 35 Abs. 8 RStV, § 14 Abs. 7 S. 1 JMStV.

[27]

§ 35 Abs. 9 S. 5 RStV, § 17 Abs. 1 S. 5 JMStV.

[28]

Dazu eingehend 7. Kap. Rn. 56, Jugendschutz. Obwohl der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag auch Regelungen enthält, die auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anwendbar sind, ist die KJM in ihrer Zuständigkeit auf Verfahren gegen private Rundfunkveranstalter beschränkt.

[29]

§ 35 Abs. 7 RStV § 7 ALM-Statut.

[30]

Hahn/Vesting/Bumke Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 20 Rn. 32.

[31]

Eine Ausnahme enthält § 20b RStV für Internethörfunk.

[32]

So ausdrücklich Art. 26 Abs. 2 BayMG.

[33]

Die Begr. zum 10. RÄStV zu § 20 spricht von abschließenden Regeln.

[34]

Schleswig-Holsteinisches VG 23.5.2013 (11 A 3/13, 11 A 4/13, 11 A 5/13) – die Urteile sind nicht veröffentlicht, das OVG Schleswig-Holstein hat zwischenzeitlich die Berufung zugelassen.

[35]

Checkliste der Medienanstalten für Veranstalter von Web-TV, abrufbar unter www.die-medienanstalten.de.

[36]

Paschke/Berlit/Meyer/Held Gesamtes Medienrecht, 3. Aufl. 2016, 74 Rn. 1.

[37]

BVerfGE 121, 30 ff.

[38]

Dazu z.B. Müller-Franken Unzulässige Staatsmedien oder zulässige Informationstätigkeit?, AfP 2016, 301 ff. und Gersdorf Staatliche Kommunikationstätigkeit, AfP 2016, 293 ff.

[39]

Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner Rundfunkstaatsvertrag, Loseblatt, § 20a Rn. 19.

[40]

Zu der Frage, ob tagesaktuelle Nachrichten notwendige Bestandteile eines Vollprogramms sind s. Hain K&R 2010, 638 ff.

[41]

Dieses wiederum ist auch nicht unumstritten. Dazu Krautscheid/Schwartmann Fesseln für die Vielfalt?, 2009.

[42]

KEK-Beschl. v. 10.1.2006-KEK 293-1-5.

[43]

Vgl. dazu BayVGH v. 7.7.2009 und BVerwG v. 24.11.2010; zum Ausgangsverfahren Böge/Doetz/Dörr/Schwartmann/Dörr Wieviel Macht verträgt die Vielfalt?, 2007, S. 21 ff. Zur parallelen Kartellrechtsproblematik BGH v. 8.6.2010; dazu Schwartmann Wann ist ein Markt ein Markt?, abrufbar unter www.lto.de/de/html/nachrichten/653/Wann-ist-ein-Markt-ein-Markt/.

[44]

§ 25 Abs. 4 S. 1 RStV.

[45]

§ 25 Abs. 4 S. 4 RStV.

[46]

BVerfGE 97, 298, 310.

[47]

Hahn/Vesting/Bumke Beck'scher Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag, 3. Aufl. 2012, § 20 Rn. 33.

[48]

S. z.B. KEK 573 – BonGusto und KEK 618 – Heimatkanal.

[49]

Hahn/Vesting/Bumke Kommentar zum Rundfunkstaatsvertrag, 3. Aufl. 2012, § 23 Rn. 4.

[50]

Art. 7 Abs. 2 12. RÄStV.

[51]

So in den nicht veröffentlichten Entscheidungen der ZAK über die Beschwerde von WeltN24 (ZAK-Pressemitteilung 01/2016), zum CPS-Modell der Vodafone Kabel Deutschland (ZAK-Pressemitteilung 05/2016) und der Entscheidung zum Entgeltmodell des Plattformbetreibers NetCologne (ZAK-Pressemitteilung 04/2017).

[52]

Vgl. dazu eingehend 6. Kap. Rn. 37 ff.

[53]

Bei der von ProSieben ausgestrahlten Sendung „Wok-WM“ besteht die Besonderheit, dass die antretenden Teams nach Markenartikeln benannt sind und von deren Herstellern gesponsert werden. Aufgrund dieser starken Markenpräsenz wurde die bei ProSieben gezeigte Sendung „Wok-WM“ von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) wegen der Ausstrahlung von Schleichwerbung beanstandet. Die hiergegen von ProSieben gerichtete Klage wies das VG Berlin mit Urteil v. 11.12.2008 zurück. ProSieben hatte sich darin insbesondere darauf berufen, keine Einflussmöglichkeiten auf die Organisation und Abwicklung der Sendung gehabt zu haben. Das Gericht sah dies anders und führte aus, dass ProSieben für die unzulässige optische und verbale Einbindung von Markennamen, welche Schleichwerbung darstelle, verantwortlich sei. Die Erwähnung und Darstellung sei auch absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen. Diese Werbeabsicht des Senders ergebe sich aus den Einflussmöglichkeiten des Senders auf die Produktion der „Wok-WM“, weil ihm nach dem maßgeblichen Lizenzvertrag mit der TV-Produktionsfirma redaktionelle Mitbestimmungsrechte zustanden. Diese hätte ProSieben zur Unterbindung der Werbung ausüben können und müssen (vgl. VG Berlin ZUM-RD 2009, 292 ff.).

[54]

In der Sendung „Jetzt geht's um die Eier! Die große Promi-Oster-Show“, die 2006 von Sat.1 ausgestrahlt wurde, war mehrmals ein großer, aufblasbarer goldfarbener Osterhase mit rotem Halsband und Schriftzug eingeblendet, ebenso wie Werbebanner der Herstellerfirma. Die LMK sprach daraufhin eine Beanstandung wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 LMG i.V.m. § 7 Abs. 6 S. 1 RStV aus. Hiergegen klagte Sat.1 und berief sich insbesondere darauf, dass sie nicht Veranstalterin der Sendung gewesen sondern die Veranstaltung von einer externen Firma organisiert worden sei. Im Übrigen habe es sich um „aufgedrängte Werbung“ gehandelt, deren Übertragung, wie auch bei sonstigen Sportveranstaltungen, unvermeidbar gewesen sei. Mit Urteilen v. 15.2.2008 und 17.12.2008 wiesen sowohl das VG Neustadt, wie auch das in der Berufungsinstanz zuständige OVG Koblenz die Klage ab. Zur Begr. führten die Gerichte aus, dass es sich bei den gezeigten Einblendungen um Schleichwerbung gehandelt habe, welche von der jeweils zuständigen Landesmedienaufsicht auch beanstandet werden dürfe. Auch sei Sat.1 die richtige Adressatin, da sie für die Ausstrahlung der Fernsehsendung in ihrem Programm verantwortlich gewesen sei und diese technisch durchgeführt habe. Darüber hinaus dürfe die bei der Übertragung von Sportveranstaltungen vielfach erkennbare Werbung deshalb ins Bild kommen, weil der Informationswert eines Trainerinterviews, des Fußballspielberichts, etc. die Wirkung der mitübertragenen Werbung übersteige. Bei einer Unterhaltungssendung sei dies aber nicht der Fall (vgl. Urteil des VG Neustadt v. 15.2.2008 – 6 K 599/07.NW (abrufbar unter www.webhosting-und-recht.de/urteile/Verwaltungsgericht-Neustadt-20080215.html); Urteil des OVG Koblenz ZUM 2009, 507 ff.; Lamprecht-Weißenborn MMR, 5/2008, XX).

[55]

OVG Rheinland-Pfalz ZUM 2009, 507 ff.; VG Berlin ZUM-RD 2009, 292 ff.

[56]

Entscheidung des BVerwG 17.12.2014 – 6C32.13.

[57]

In seiner Entscheidung vom 23.7.2014 – BVerwG 6C31.13 hat sich das BVerwG im Fall der Live-Schaltungen von Sat.1 in das „Hasseröder Männer-Camp“ nicht der Auffassung der beanstandenden Landesmedienanstalt angeschlossen, dass hier eine zu starke Herausstellung des Produktes anzunehmen sei. Das Gericht stellte seine Beurteilung darauf ab, dass der aufgenommene Handlungsstrang hinreichend starke Bezüge zum redaktionellen Sendungskonzept aufweise und sich so trotz der angenommenen werblichen Motivlage noch in das übrige Sendungsgeschehen inhaltlich einpasst.