Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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2.2 Programmauftrag für Onlinedienste

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Es zeigt sich also, dass es sich bei den Online-Aktivitäten der Rundfunkanstalten nicht um die Nutzung des Internet als weiteren Verbreitungsweg für das klassische Hörfunk- und Fernsehangebot (IP-TV, Webcasting) im Rahmen von § 19 RStV handelt, sondern vielmehr um eine verstärkte und in vielen Fällen beitragsfinanzierte Nutzung des Internet, die jedoch in den Grenzen von § 11d RStV grundsätzlich vom Auftrag der Sender gedeckt ist. Dabei werden teilweise vom Rundfunk gelöste Angebote unter Nutzung der besonderen Möglichkeiten des Internet verbreitet.[142] Es stellt sich hier die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit dieser Aktivitäten im Hinblick auf eine beitragsfinanzierte Benachteiligung von Privatunternehmen innerhalb und außerhalb des Dualen Systems.[143]

2.2.1 Europarechtliche Einordnung

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Im Rahmen der Überprüfung der vormaligen Gebührenfinanzierung (seit 1.1.2013 Beitragsfinanzierung) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhand der wettbewerbs- und beihilferechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrags (heute Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) haben die Europäische Kommission und die Bundesregierung im April 2007 eine Einigung erzielt. Private Wettbewerber hatten insbesondere die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Medien beklagt. Das Verfahren wurde unter verschiedenen Auflagen eingestellt.[144] Ob in der Aussage der Kommission eine Absicherung digitaler Handlungsspielräume in der digitalen Welt gesehen werden kann und Online-Angebote sowie digitale Fernsehprogramme für die Kommission nun zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zählen, ist indes nicht sicher. Die Aussage der Kommission geht lediglich dahin, dass Online-Angebote der Rundfunkanstalten beihilferechtlich zulässig ausgestaltet werden können. Um die Vereinbarkeit der damaligen Gebührenfinanzierung des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem europäischen Wettbewerbsrecht sicherzustellen, hatte die Bundesrepublik Deutschland zugesagt, nationale Regelungen zu installieren. Mit dem 12. RÄStV wurden in den §§ 11d–11f RStV spezielle Vorschriften für den Telemedienauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeführt. Nach § 11d RStV dürfen die in der ARD zusammengeschlossen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio bestimmte Telemedien schon kraft Gesetzes anbieten.[145] Die Zulässigkeit anderer Angebote ist gem. § 11f RStV durch eine Prüfung anhand des Drei-Stufen-Tests[146] als besonderes Genehmigungsverfahren für neue oder grundlegend veränderte Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen.

2.2.2 Verfassungsrechtliche Einordnung

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Unabhängig von der generellen verfassungsrechtlichen Einordnung der telemedialen Abrufdienste als Rundfunk[147] stellt sich die Frage, bis zu welcher Grenze Aktivitäten in diesem Bereich den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten offen stehen. Für das BVerfG dient der Rundfunk einer umfassenden, freien und individuellen öffentlichen Meinungsbildung. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt hier die Funktion des Grundversorgers zu. Dieser Grundversorgungsauftrag korreliert mit einer Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Teilweise wird das umfassende Online-Engagement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf diese Entwicklungsgarantie gestützt. Sicherung von Vielfalt und kommunikativer Chancengerechtigkeit im Online-Bereich setze die Gestattung eines multimedialen Angebots, über die Programmbegleitung hinaus, voraus. Dürfe der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht in diesem umfassenden Sinne an neuen, medienübergreifenden Entwicklungen teilhaben, bestehe die Gefahr, dass die Rezipienten anderenfalls das Interesse auch an den klassischen Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verlören, so dass eine diesbezügliche Restriktion mit einer Annexfunktion der Online-Dienste zu verfassungsrechtlichen Bedenken führe.[148] Ob dieser Ansatz aber im Hinblick auf den für das BVerfG zentralen Gedanken der Vielfaltssicherung übertragbar ist, muss bezweifelt werden.

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Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung zur Sicherung der Meinungsvielfalt ist nach Ansicht des BVerfG Aufgabe des Gesetzgebers. Diese Vielfaltsicherung ist „nicht durch den Wegfall der durch die Knappheit von Sendefrequenzen bedingten Sondersituation entbehrlich geworden (…). Dies hat sich im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert.“[149] Anlass der gesetzlichen Ausgestaltungspflicht der Rundfunkordnung ist zum einen die hohe Suggestivkraft des Fernsehens.[150] Zum anderen erkennt das BVerfG die durch die Werbefinanzierung bedingte Erhöhung von Vielfaltsdefiziten.[151] Schließlich werden im Konzentrationsdruck und im Eingreifen vertikal integrierter Unternehmen (Inhalt und Technik in einer Hand) in den Medienmarkt vielfaltverengende Faktoren gesehen.[152]

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Bezogen auf neue technische Entwicklungen hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 11.9.2007 folgendes ausgeführt: „Um der Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (…) gerecht zu werden und die Erfüllung seines Funktionsauftrags zu ermöglichen, muss der Gesetzgeber vorsorgen, dass die dafür erforderlichen technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen bestehen (…). Dem entspricht die Garantie funktionsgerechter Finanzierung. Die Mittelausstattung muss nach Art und Umfang den jeweiligen Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerecht werden (…)“.[153]

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Im Hinblick auf die neuen Medien weist das BVerfG darauf hin, dass die Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks „zusätzliches Gewicht dadurch (gewönnen), dass die neuen Technologien eine Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots und der Verbreitungsformen und -wege gebracht sowie neuartige programmbezogene Dienstleistungen ermöglicht haben“.[154] Zudem müsse „das Programmangebot auch für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für neue Verbreitungsformen offen bleiben (…), der Auftrag also dynamisch an die Funktion des Rundfunks gebunden (sein) (…)“. Daher dürfe „der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand in programmlicher, finanzieller und technischer Hinsicht beschränkt werden“.[155]

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Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genießen zwar weitgehende Freiheiten in der Entscheidung über die Programmgestaltung zur Erfüllung ihres Funktionsauftrags. Es ist ihnen aber untersagt, „ihren Programmumfang über den Rahmen des Funktionsnotwendigen hinaus auszuweiten.“[156] Die dynamische Entwicklung des Auftrags ist auch in Zeiten der Digitalisierung untrennbar mit dem Erfordernis der Vielfaltssicherung in einer Sondersituation verbunden, vor deren Hintergrund die Entwicklungsgarantie zu sehen ist. Sie wird im dualen Rundfunksystem durch Mängel an Reichweite, programmlicher Vielfalt und programmlicher Breite des privaten Rundfunks gerechtfertigt.[157] Dies hat sich – wie das BVerfG 2007 ausdrücklich betonte – „im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert.“[158] Die Verfassung gebietet Vielfaltssicherung im dualen Rundfunksystem auf der anderen Seite aber nur, „solange die privaten Veranstalter den klassischen Rundfunkauftrag (…) nicht in vollem Umfang erfüllen.“[159] In der 6. Rundfunkentscheidung wurde die Bedeutung der Neuen Dienste für die Meinungsbildung als vergleichsweise gering eingestuft und der Grundversorgungsauftrag ausdrücklich vorerst nicht auf diesen Bereich erstreckt. Wenn neue Kommunikationsdienste „künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übern(ä)hmen“, könne indes anderes gelten.[160]

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Auch die Offenheit des Programmangebots für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für neue Verbreitungsformen ist dynamisch an die Funktion des Rundfunks gebunden. Für die Erfüllung des Funktionsauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Vielfaltssicherung kommt es aber nicht darauf an, die duale Rundfunkordnung auf neue Bereiche zu erstrecken, sondern im Rahmen des dualen Systems eine freie, umfassende und vielfältige Berichterstattung zu gewährleisten.[161] Es stellt sich also auf der Basis der Rspr. des BVerfG die Frage, ob das die Ausdehnung des Grundversorgungsauftrages rechtfertigende Vielfaltsdefizit im Bereich der neuen Dienste tatsächlich zu beklagen ist. In diesem Fall geböte die Verfassung aus Vielfaltsgesichtspunkten die Erstreckung des Funktionsauftrages über die vom BVerfG 2007 erneut gezogenen Grenzen der „programmbezogenen Dienstleistungen“[162] hinaus.[163]

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An einem Vielfaltsdefizit wird man, angesichts der nahezu grenzenlosen Auswahl an frei verfügbaren Online-Angeboten des öffentlich rechtlichen Rundfunks, erhebliche Zweifel anmelden müssen. Angesichts der Kleinteiligkeit der einzelnen Angebote und des anfangs geringeren Rezipientenkreises hatten Online-Angebote ursprünglich keine dem Fernsehen auch nur annährend vergleichbare Suggestivkraft und Breitenwirkung und damit nicht die Meinungsrelevanz des Rundfunks.[164] Allerdings hat die Bedeutung von Smartphones und Tablet-PCs, die Empfang und Nutzung solcher Online-Dienste jederzeit sowie an jedem Ort ermöglichen, in den letzten Jahren erheblich zugenommen.[165] Gerade in der jüngeren Zielgruppe sind daher teilweise Verschiebungen zu Lasten des Rundfunks erkennbar.[166] Obwohl das Internet durch die Mischung verschiedener Medienangebote und Kommunikationsfunktionen in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat, ist jedoch insbesondere im Unterhaltungsbereich der Rundfunk in Gestalt des Fernsehens nach wie vor Leitmedium.[167] Angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen, die künftig weiter fortschreiten werden, kann bestimmten Online-Angeboten eine dem Rundfunk vergleichbare Suggestivkraft zwar schwerlich abgesprochen werden. Die Breitenwirkung des Internets ist indes noch nicht mit derjenigen des Rundfunks identisch. Auch wenn von einer dem klassischen Rundfunk vergleichbaren Wirkkraft der neuen Medien somit noch nicht gesprochen werden kann, bietet die zunehmende Fokussierung der Nutzer auf den Online-Bereich für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in mancher Hinsicht Vorteile. Schließlich sind Online-Dienste wesentlich kostengünstiger als klassische Rundfunkprogramme, lassen sich genau auf Zielgruppen zuschneiden und sind für die Werbewirtschaft gerade im Hinblick auf jüngere Zielgruppen attraktiv.[168] All dies vermag zwar das Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an unbeschränktem, über die verfassungsmäßigen Vorgaben der §§ 11d ff. RStV hinausreichendem Online-Engagement zu erklären, nicht jedoch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Das hohe qualitative Niveau der privaten Angebote lässt die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Netzanbieter von „Glaubwürdigkeitsinseln“ entbehrlich erscheinen. Da Online-Angebote in vielen Fällen frei verfügbar sind, gebieten auch sozialstaatliche Gründe keine unbegrenzte Betätigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesem Bereich, zumal diese Beitragserhöhungen erforderlich machen könnten. Der Einsatz dieser Mittel etwa – wie im Digitalisierungskonzept vorgesehen – zur Gründung eigener Nachrichten- und Informationskanäle,[169] würde zu einer Verzerrung des Wettbewerbs mit privaten Anbietern etwa aus dem Printbereich führen und insofern verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich problematisch sein.

 

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Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD hat zu diesen Fragen im Juni 2010 ein Gutachten des ehemaligen Präsidenten des BVerfG Papier zur Abgrenzung von Rundfunk und Presse im Internet vorgelegt.[170] Dieser vertritt die Auffassung, dass Online-Publikationen unter den Rundfunkbegriff fallen und leitet daraus ab, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch im Internet einen Grundversorgungsauftrag zu erfüllen hätten. Für Papier gehört „eine umfassende Internet-Berichterstattung mittlerweile zu den verfassungsrechtlich gebotenen Mindestaufgaben der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“. Die Verfassung verpflichte den Gesetzgeber dazu, ARD und ZDF als „die Informationsquelle“ im Internet einzurichten, weil sie „die Gewähr für Objektivität und Binnenpluralität“ biete. Diese Wertung findet indes in der Rspr. des BVerfG keine Stütze. Danach darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf den gegenwärtigen Entwicklungsstand in programmlicher, finanzieller und technischer Hinsicht beschränkt werden. Von dieser Aussage sind auch dessen Aktivitäten im Netz getragen, wie sie derzeit im Rundfunkstaatsvertrag verankert sind. Von einer umfassenden Internet-Berichterstattung als verfassungsrechtlich gebotener Mindestaufgabe und einer medialen Leuchtturmfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der Befriedigung des „Bedürfnisses des Bürgers nach Orientierung“ wie dies im Gutachten behauptet wird, ist in der Rspr. des BVerfG aber keine Rede.[171]

2.2.3 Einfachgesetzliche Einordnung

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Mit dem 12. RÄStV wurde der öffentlich-rechtliche Programmauftrag in den §§ 11, 11a, 11b, und 11c RStV weit möglichst konkretisiert. Insbesondere der Bereich öffentlich-rechtlicher Telemedienangebote erfuhr in § 11d RStV eine gesonderte Regelung. § 11e RStV verpflichtet ARD, ZDF und Deutschlandradio, Satzungen und Richtlinien betreffend die Verwirklichung ihres Auftrags sowie für das Verfahren zur Erstellung von Angebotskonzepten und das Verfahren für neue oder veränderte Telemedien zu erlassen.[172] § 11f RStV enthält den bereits erwähnten Drei-Stufen-Test. Hintergrund dieser Vorschrift sind die in der Einstellungsentscheidung der Europäischen Kommission vom 24. Juli 2007 enthaltenen förmlichen Zusagen der Bundesrepublik, „zweckdienliche Maßnahmen“ im Rundfunkstaatsvertrag zu treffen, um die Bedenken der Kommission bezüglich der bisherigen Ausgestaltung der Rundfunkgebühr im Hinblick auf das europäische Beihilferecht der Art. 86 ff. EG (heute Art. 107 ff. AEUV) auszuräumen.[173] Ob ein Telemedien-Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem RStV zulässig ist, beurteilt sich folglich anhand der in §§ 11 ff. RStV vorgesehenen Kriterien, insbesondere nach §§ 11d und f RStV. Der mit dem 19. Rundfunkänderungsstaatsvertrag neu eingefügte § 11g RStV regelt schließlich in Verbindung mit der Negativliste der Anlage zu § 11g Abs. 5 S. 1 RStV die inhaltlichen Anforderungen an das Jugendangebot der Rundfunkanstalten der ARD und des ZDF. Hierzu soll nach § 11g Abs. 1 RStV das Jugendangebot „die Lebenswirklichkeit und die Interessen junger Menschen als Zielgruppe in den Mittelpunkt stellen und dadurch einen besonderen Beitrag zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Auftrags nach § 11 leisten“.

2.2.3.1 Programmauftrag

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§ 11 Abs. 1 S. 1 RStV ist als Generalklausel ausgestaltet und definiert die grundlegenden Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.[174] Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist danach, „durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen“. Die Definition bedient sich der Worte des BVerfG[175] und bleibt dabei bewusst allgemein. Den eigentlichen Programmauftrag beinhalten § 11 Abs. 1 S. 2–5 RStV. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen „umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“ Ob die Anstalten diesem Anspruch gerecht werden, wird nicht zuletzt[176] von der Medienpolitik angezweifelt und überprüft. Insbesondere angesichts der mangelnden Unterscheidbarkeit der Inhalte werden Bedenken geäußert.[177] § 11a Abs. 1 RStV legt fest, was unter dem Begriff „Angebote“ zu verstehen ist. Neben den klassischen Hörfunk- und Fernsehprogrammen sind das die über das Internet verbreiteten Telemedien. Letztere sind daher seit dem 12. RÄStV im Anschluss an das „Zweite Rundfunkgebührenurteil“ des BVerfG[178] vom Programmauftrag des § 11 Abs. 1 RStV erfasst.

2.2.3.2 Telemedien nach § 11d RStV

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Mit dem 12. RÄStV wurde die Vorschrift des § 11d RStV eingefügt. In dessen Absatz 1 wird nochmals klargestellt, dass Telemedien zu den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehören. Insoweit wird nur bestätigt, was bereits § 11a Abs. 1 RStV bestimmt. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben nunmehr sogar die Pflicht, zur Erfüllung ihres Auftrags nach § 11 RStV Telemedien anzubieten. Allerdings hat der Auftrag nach § 11d Abs. 1 RStV nur das Angebot von journalistisch-redaktionell veranlassten und journalistisch-redaktionell gestalteten Telemedien im Blick. Angebote, die keinerlei Bezug zur öffentlichen Meinungsbildung haben, dürfen von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern nicht angeboten werden.

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Journalistisch-redaktionell veranlasste Telemedien sind durch eine planvolle, auf eine zeitnahe Herstellung und Weiterverbreitung eines Angebots gerichtete Tätigkeit gekennzeichnet. Dabei müssen sie einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung i.S.d. § 11 Abs. 1 RStV leisten. Journalistisch-redaktionell ist eine Tätigkeit, die recherchierenden, auswählenden und gewichtenden Charakter hat sowie eine systematisierende und strukturierende Aufbereitung eines die öffentliche Meinungsbildung berührenden Gegenstandes beinhaltet.[179]

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Journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien sind demgegenüber solche, die den Gegenstand eines Angebots auf eigenständige Weise in Text, Bild oder Ton darstellen. Somit fallen zufällige Anordnungen von Informationen auf einer Internetseite nicht in den Anwendungsbereich. Dennoch sind an die Gestaltung eines Telemediums keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist, dass das Gesamtbild als publizistisch sinnvolle Anordnung von Inhalten erkennbar ist.[180] Das gilt schon deshalb, weil die Telemedien im Unterschied zum Rundfunk kein lineares Angebot (geprägt durch einen Sendeplan) darstellen.

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Handelt es sich also um journalistisch-redaktionell veranlasste und gestaltete Telemedien, ist deren Zulässigkeit aber noch nicht geklärt. Vielmehr muss ein Telemedienangebot einer Prüfung der Vorgaben des § 11d Abs. 2 RStV unterzogen werden. Außerdem sind die Verbote des § 11d Abs. 5 S. 1–3 RStV sowie der in der Anlage zu § 11d Abs. 5 S. 4 RStV vorgesehene Negativkatalog unzulässiger Angebote zu beachten. Schließlich müssen öffentlich-rechtliche Telemedienangebote gem. § 11d Abs. 3 RStV eindeutig inhaltlich ausgerichtet sein, um sie von den Angeboten kommerzieller Anbieter abgrenzen zu können. Besonderer Aufmerksamkeit bei der Zulässigkeitsprüfung bedarf die Regelung des § 11d Abs. 2 RStV. So werden die in Nr. 1 und 2 des § 11d Abs. 2 RStV beschriebenen Telemedienangebote dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kraft Gesetzes übertragen. Davon erfasst sind nach Nr. 1 die Verlängerung der Ausstrahlung einer Sendung im Internet für die Dauer von sieben Tagen zum Abruf (für Fußballspiele der 1. und 2. Bundesliga gilt die 24-Stunden-Frist) sowie gem. Nr. 2 das Bereithalten von auf diese Sendung bezogenen Begleitangeboten in Form von Telemedien (sog. Seven-Days-Catch-Up).[181] Zeit- und kulturgeschichtliche Inhalte dürfen nach Nr. 4 hingegen zeitlich unbegrenzt archiviert und zugänglich gehalten werden. § 11d Abs. 2 Nr. 3 RStV erlaubt es, Sendungen und sendungsbezogene Telemedien auch nach Ablauf der in §§ 11d Abs. 2 Nr. 1 HS 1 und Nr. 2 RStV genannten Fristen in den Mediatheken anzubieten, wenn sie in Einklang mit § 11f RStV in einem entsprechenden Telemedienkonzept beschrieben und angebotsabhängig eine Befristung der Verweildauer festgelegt ist. So hält etwa die ARD seit Ende 2015 im Rahmen ihrer Multiplattformstrategie auf Grundlage des Telemedienkonzepts von Juni 2010[182] die „Tatort“-Krimis nunmehr 30 Tage in der Mediathek vor.[183]

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Ein Telemedienangebot gilt als sendungsbezogen i.S.d. § 11d Abs. 2 Nr. 2 RStV, wenn ein unmittelbarer Bezug zu einer im Fernsehen ausgestrahlten konkreten Sendung vorliegt. Der Begriff der Sendung wird in § 2 Abs. 2 Nr. 2 RStV definiert. Eine Sendung ist danach ein inhaltlich zusammenhängender, geschlossener und zeitlich begrenzter Teil eines Rundfunkprogramms. Darauf muss sich das Telemedium beziehen. Der Bezug auf eine bestimmte Sendung muss dabei klar erkennbar sein. Außerdem ist § 11d Abs. 2 Nr. 2 RStV und damit die Zulässigkeit eines Telemediums kraft Gesetzes nur gegeben, wenn es sich ausschließlich aus Materialen und Quellen zusammensetzt, die für die in Bezug genommene Sendung genutzt wurden. Schließlich muss ein sendungsbezogenes Telemedium die Sendung unterstützend begleiten und vertiefen. Dabei darf es sich aber nicht so weit von der zugrundeliegenden Sendung entfernen, dass es als eigenständiges Telemedium i.S.d. § 11f Abs. 3 RStV einzustufen ist. Liegen diese drei Voraussetzungen kumulativ vor, handelt es sich um ein kraft Gesetz zulässiges sendungsbezogenes Telemedium.[184] Ein Telemedium, das sich nicht in den Grenzen des § 11d Abs. 2 Nr. 2 RStV hält (was in der Praxis häufig der Fall ist, da Telemedienangebote oftmals nicht nur unterstützend begleiten und vertiefen), kann nur nach erfolgreich durchlaufenem Drei-Stufen-Test i.S.v. § 11f Abs. 4 RStV zulässig sein.

 

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Unter den Voraussetzungen von § 11d Abs. 2 Nr. 3 2. HS und Nr. 4 RStV wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Möglichkeit eröffnet, auch nichtsendungsbezogene Telemedien anzubieten, sofern diese einem Drei-Stufen-Test nach § 11f RStV Stand gehalten haben. Das gilt aber nicht für presseähnliche nichtsendungsbezogene Telemedien nach § 11d Abs. 2 Nr. 3 letzter HS RStV. Das Angebot derartiger Telemedien ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausdrücklich untersagt, um unerwünschte Wettbewerbsvorteile des gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber der Presse zu verhindern.[185] Der Vorteil der Gebührenfinanzierung ist nämlich nur in den Bereichen gerechtfertigt, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk die ihm zugewiesene Aufgabe der Grundversorgung erfüllen muss. Diese Regelung war im Vorfeld des 12. RÄStV heftig umstritten. Insbesondere von Seiten der Zeitungsverleger wurde ein weites Verständnis des Begriffs gefordert, um durch einen möglichst weitgehenden Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem Bereich des Online-Journalismus die eigene Marktposition zu sichern.[186] Nach der nunmehr geltenden Lösung hat sich kein gänzliches Verbot presseähnlicher nichtsendungsbezogener Telemedienangebote durchgesetzt. Die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 20 RStV bestimmt, dass ein „presseähnliches Angebot nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen“, umfasst. Angesichts der Medienkonvergenz kann diese Definition höchstens Anhaltspunkte für eine Abgrenzung liefern. Jedenfalls muss auf die (besonders textbezogene) Gestaltung des Gesamtbilds eines Angebots abgestellt werden, da die sonstigen Merkmale wenig trennscharf sind. Im Sommer 2010 wurde der Streit um die Online-Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch ein von der GVK in Auftrag gegebenes Gutachten zur Erstreckung des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrags wieder aktuell, in dem der ehemalige Präsident des BVerfG Papier die weitreichende Auffassung vertritt, der öffentlich-rechtliche Grundversorgungsauftrag erstrecke sich von Verfassungs wegen auf jegliche Berichterstattung im Internet.[187] Höchstrichterlich geklärt ist inzwischen die Kontroverse diverser Zeitungsverleger mit ARD und NDR über den Umfang dieses Auftrags im Hinblick auf die Zulässigkeit der Tagesschau-App unter dem Aspekt der Presseähnlichkeit.[188]