Frozen Hearts: Arctic Heat

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Aus der Reihe: Frozen Hearts #3
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Essen zu teilen, klang für Quill verdächtig nach einem Date, aber mit Hattie und anderen tat er es ständig, also sollte er sich wohl einfach nicht so anstellen. »Klar.«

»Du hast gesagt, du hättest zu Hause Bud Light getrunken? Du stammst nicht ursprünglich aus Alaska?«

»Ich—«

»Möchten Sie bestellen?« Die Kellnerin war zurück, bevor er antworten konnte – Quill nahm denselben Burger mit Elchfleisch, den er immer aß, und Owen den gegrillten Lachs.

Nachdem sie gegangen war, lehnte Owen sich vor. »Was wolltest du sagen?«

»Nein, ich bin ursprünglich nicht aus Alaska. Bin nur schon seit zwanzig Jahren hier. Aber aufgewachsen bin ich in Spokane, Washington.« Weitere Erinnerungen blitzten auf, Dinge, an die er nicht denken wollte, also gab er sich große Mühe, um seine Stimme neutral, sogar distanziert zu halten.

»Wie bist du in Alaska gelandet?«

»Auf Umwegen. Ich wusste, dass ich irgendwie in der Natur arbeiten wollte, als Ranger oder Ähnliches, entweder für einen bestimmten Bundesstaat oder national. Bin in Seattle aufs College, hab meinen Abschluss in Ressourcenmanagement gemacht und in den Sommern ein wenig im Nordwesten gearbeitet. Nach dem Abschluss habe ich dann eine Sommerstelle als Ranger in Denali angenommen. Ich wollte mich nicht wirklich irgendwo niederlassen, aber gerade, als ich wieder nach etwas Neuem suchen wollte, kam ein Job für den Bundesstaat daher und seitdem bin ich hauptsächlich in Mat-Su stationiert. Schätze, es passt mir hier.«

Er hatte viele wesentliche Punkte ausgelassen wie etwa die Tatsache, dass er vor so vielem weggelaufen war – dem Tod seines Dads, JP, vor allem vor den Erwartungen seiner Familie –, als er den Job in Denali angenommen hatte, und dass er gern bei diesem Lebensstil und dabei geblieben war, was er hier über sich selbst herausgefunden hatte. Die Jahre hier hatten einen großen Teil des Lärms vertrieben, die weniger guten Erinnerungen waren verblasst und zahllose Augenblicke hatten bewiesen, dass er mehr war als er gedacht hatte. Während der letzten zwei Jahrzehnte hatte er diesen Ort in seine Adern und seine Psyche gelassen, bis er sich nicht mehr vorstellen konnte, irgendwo anders zu sein.

»Sieht ganz danach aus.« Unter Owens prüfendem Blick hätte Quill am liebsten nervös herumgezappelt. »Seltsam, wie das Leben so zu laufen scheint. Wie es uns zur richtigen Zeit an den richtigen Ort bringt. Ich hatte als Student keine Ahnung, was ich tun wollte. Bin in den ersten zwei Jahren von einem Hauptfach zum anderen gesprungen, bis meine Eltern mir gesagt haben, ich sollte ernst machen. Ich hatte mich mit einer Menge Wirtschaftsstudenten angefreundet und bevor ich mich's versah, war ich auf bestem Weg zum MBA – aber das könnte auch etwas mit einem süßen Kerl zu tun gehabt haben.«

»Ah.« Sein Nacken wurde heiß und kribbelte, obwohl er nicht allzu überrascht war. Es brauchte kein besonders starkes Gaydar, um zu merken, dass sich vermutlich ein gewisses Interesse hinter Owens warmen Blicken und lässigen Bemerkungen versteckte.

»Das mit ihm hat nicht einmal bis zum Abschluss gedauert.« Owen winkte beiläufig mit der Hand. »Was ist mit dir? Hast du eine Frau? Kinder?«

»Mit der Arbeit verheiratet.« Es war die Antwort, die er immer gab, um heikle Fragen zu vermeiden. »Ich habe keine Zeit für irgendetwas anderes.«

»Für gar nichts?« Owens dunkle Augen funkelten.

»Nicht wirklich.« Das war keine Lüge – er war seit JP zwar nicht keusch gewesen, hatte aber auch keine Dates gehabt, seit er hierhergekommen war. Es gab eine Bar in Anchorage, die er gelegentlich besuchte, aber er war beschissen darin, Kerle anzugraben, und würde sich auch keine dieser Handy-Apps holen und seine Aktivitäten auf Cyberflirting ausweiten, wenn er oft nicht einmal einfachen Small Talk schaffte. Es war nicht so, dass er keinen Sexualtrieb hatte, aber Sex war… chaotisch. Kompliziert. Und ließ ihn oft noch einsamer zurück als zuvor, also begnügte er sich meistens mit seiner eigenen Gesellschaft, die ihn noch nicht enttäuscht hatte.

»Das ist schade.« Owen schüttelte den Kopf, aber sein entspanntes Lächeln verriet, dass Quills Singlestatus eine alles andere als unerwünschte Neuigkeit war.

Dann kamen das Bier und die Vorspeisen und Quill war mehr als erleichtert über die Ausrede, das Thema wechseln zu können. Aber das Essen zu teilen, war noch größere Folter, als es die Berührungen mit Owen im Erste-Hilfe-Kurs gewesen waren – jedes Mal, wenn sich ihre Hände streiften, als sie nach den Fritten griffen, schickte knisternde Elektrizität in Körperteile, die wirklich keinen weiteren Anreiz brauchten, von Owen Notiz zu nehmen. Es half nicht, dass Owen beim Essen kleine glückliche Laute ausstieß und damit bewirkte, dass Quill alle möglichen gefährlichen Dinge wollte, die er nicht haben konnte. Er hatte seine zwei Kategorien, Arbeit und Privatleben, und hatte Jahrzehnte daran gearbeitet, diese voneinander zu trennen. Und wenn er bedachte, wie enttäuschend zwanglose Begegnungen für ihn waren, hatte er keinerlei Verlangen, diese Barrieren einzureißen, aber Owen schaffte es irgendwie, an seiner Entschlossenheit vorbeizuschlüpfen. Ja, wenn das so weiterging, überlebte er vielleicht nicht einmal die Vorspeise.

Kapitel 4

Quill war genau die Herausforderung, nach der Owen sich gesehnt hatte. Er hatte immer noch nicht herausgefunden, ob Quills Zurückhaltung Schüchternheit war oder er sich einfach gern kurzfasste, aber es gefiel ihm, dass er sich Mühe geben musste, um Quill zum Reden zu bringen und dazu, sich zu öffnen. Wenn er dann etwas sagte, klang seine Stimme großartig, tief und voll und selbstsicher. Die Schüchternheit, wenn es denn eine solche war, war subtiler – eine Art Befangenheit in den Augen, die immer mehr verschwand, je mehr er redete, nur um dann schlagartig zurückzukehren, wenn Owen ihn nach Dingen wie seinem Beziehungsstatus fragte.

Owen interpretierte mit der Arbeit verheiratet als verdammt tief im Schrank, aber das war in Ordnung. Es war ja nicht so, als wollte er eine epische Liebesgeschichte mit dem Kerl, daher musste er Quill nicht analysieren und herausfinden, ob er einfach ein zurückhaltender Mensch war oder ob die Sache tiefer ging. Owen mochte ihn weit mehr als manch andere seiner zwanglosen Partner, aber seit der Enttäuschung mit seiner letzten Trennung ging er diese Dinge pragmatischer an. Geoutet oder nicht, sie konnten immer noch einen angenehmen Abend miteinander verbringen, wenn Quill offen dafür war, und wenn nicht, nun, dann war es auch gut, einfach ein nettes Gespräch zu führen.

»Du hattest recht. Der Fisch ist wirklich gut.« Owen genoss es immer, neues Essen und überhaupt neue Dinge auszuprobieren, egal, ob Vorspeisen oder Sportarten oder sexuelle Praktiken, aber das Essen des Restaurants, das Quill ausgesucht hatte, war wirklich köstlich. »Und du hast Elch? War es schwierig, dich an die regionale Küche zu gewöhnen, als du hierhergezogen bist?«

»Ich esse schon den größten Teil meines Lebens Wild.« Quill zuckte mit den Schultern. »Also nein. Mein Großvater war ein großer Jäger. Er hat immer darauf geachtet, dass wir Wildbret in der Kühltruhe hatten und im Sommer auch Fisch. Ich hatte den Jagdschein lange vor dem Führerschein. Wenn du hier überwinterst, wirst du allerdings sehen, dass es meistens bescheidenes Essen gibt, vor allem, wenn man nicht rausgehen kann. Das ist etwas, das ich vom Campen und einfachen Essen schon gewöhnt war, aber für manche kann es eine Herausforderung sein.«

»Abgesehen von der Abneigung gegen schweres Fleisch kann ich fast alles essen. In meiner Kindheit und Jugend hat meine Großmutter eine Menge traditioneller vietnamesischer Gerichte gekocht und meine Mum hat alles Mögliche zubereitet. Außerdem hatte ich viele Freunde aus anderen Kulturen. Ich werde schon klarkommen.«

Quill wirkte skeptisch, sagte aber nur: »Wahrscheinlich. Wenn du eine Lieblingssüßigkeit hast oder so, deck dich hier in der Stadt damit ein, bevor du rausfährst. Ein kleiner Trick, den ich von Hattie gelernt habe. Wenn es mehrere Abende hintereinander dieselbe Dosensuppe gibt, ist es leichter zu ertragen, wenn du etwas für später hast, das du gerne isst.«

»Arbeitest du schon lange mit Hattie zusammen?«

»Fünfzehn Jahre im Außendienst.« Quills Ton wurde distanziert und ernst, während er seinen halb gegessenen Burger musterte. »Viele gute Jahre. Sie gehört zu den besten Menschen, die ich kenne.«

»Es ist toll, solche Freunde zu haben. Ohne meine Leute hätte ich es nie geschafft. Und auch jetzt hilft es zu wissen, dass ich Leute habe, die mich anfeuern.«

»Sie feuern dich an? Niemand hat versucht, dir die ehrenamtliche Arbeit auszureden?«

»Oh, meine Eltern halten mich für verrückt.« Owen tat die vielen Jahre, in denen ihm ihre Meinung zu wichtig gewesen war, und all die Arbeit, die er hineingesteckt hatte, bis er mehr oder weniger Frieden mit seinen eigenen Entscheidungen geschlossen hatte, mit einem Lachen ab. »Aber auch sie wissen, wie viel mir das bedeutet. Und meine Freunde verfolgen mich in den sozialen Medien und fiebern mit.«

»Unterstützung ist gut.« Etwas in Quills Ton sagte, dass er die in seinem eigenen Leben nicht immer gehabt hatte, und Owen verspürte ein Ziehen tief in der Brust.

»Das ist sie wirklich. Ich hätte die letzten Jahre nie überstanden, wenn ich nicht Leute gehabt hätte, auf die ich zählen konnte.«

»Ach ja?« Quill klang neugierig, aber nicht drängend, und dafür war Owen ihm dankbar. Er nahm ein paar Bissen von seinem Essen, bevor er antwortete, und versuchte zu entscheiden, wie viel von seiner Geschichte er teilen wollte.

»Vor zwei Jahren hatte ich Krebs«, erklärte er schließlich. »Und es stimmt, was gesagt wird, dass es einen Unterschied macht, wenn man ein Dorf auf seiner Seite hat. Ich hatte Freunde, die mich zu Terminen gebracht, Verwandte, die mir Essen gemacht, entfernte Kontakte, die witzige Nachrichten geschickt haben. Ich bin nicht sicher, ob ich es ohne sie geschafft hätte.«

 

»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Quill sachlich und nicht übertrieben mitleidig. »Ist der Krebs jetzt weg?«

»Ja. Es war Hodenkrebs und wurde früh erkannt, also war die Überlebensrate hoch, aber die Chemo und damit verbundenen Behandlungsabläufe waren trotzdem kein Witz.«

Das war normalerweise der Punkt, an dem die Leute viel zu neugierig wurden und persönliche Fragen darüber stellten, welche Körperteile Owen noch hatte und wie sie funktionierten, aber Quill nickte nur. »Ich habe meinen Großvater an Prostatakrebs im Spätstadium verloren. Es war… schrecklich. Ich bin froh, dass sie deinen früh entdeckt haben.«

»Danke. Wie auch immer, als ich am Tiefpunkt war, habe ich so etwas wie eine Bucket List aufgestellt – mit allem, was ich immer ausprobieren wollte, aber aus Feigheit nicht gemacht habe. Ich weiß, es klingt wie ein Klischee aus einem schlechten Lied, aber es hat mich wirklich durch einige schlechte Tage gebracht, wenn ich daran gedacht habe, was ich mit einer zweiten Chance anfangen würde.«

»Es ist gar nicht zu albern.« Quill nickte knapp. »Also hast du die Welt des Investmentbankings hinter dir gelassen?«

»Ja. Eigentlich war es keine so schwierige Entscheidung. Ich hatte Glück, dass sich einige Investitionen ausgezahlt haben und ich mir ein paar Jahre für meine Bucket List nehmen konnte. Früher oder später muss ich wahrscheinlich wieder einen richtigen Job finden, aber ich habe das Glück, dass ich mir Zeit für die Frage nach dem Was und Wo nehmen kann.«

»Nett«, sagte Quill so geistesabwesend wie jemand, der seinen Platz in der Welt nie infrage gestellt hatte und ohne eine ähnliche existenzielle Krise durch seine Dreißiger gesegelt war. Owen bemitleidete und beneidete solche Menschen. Er bemitleidete sie, weil ihnen eine Menge Spaß und Experimente entging, und beneidete sie, weil sie sich nicht mit der Unsicherheit herumschlagen mussten, lange nach der Studienzeit immer noch nicht zu wissen, was sie mit ihrem Leben anstellen sollten.

Beide wandten sich einige Minuten lang dem übrigen Essen zu, aber dann überraschte Quill ihn mit der Frage: »Also, was war auf der Liste? Ich meine, wenn es nicht zu privat ist … Ich bin nur neugierig.«

»Neugier ist in Ordnung«, versicherte Owen ihm. Verdammt, Quill war wirklich süß, wenn er unsicher war. »Falls du das noch nicht gemerkt hast, ich bin irgendwie ein offenes Buch. Ich rede gerne.«

»Ist mir aufgefallen.« Quill sah ihn mit hochgezogener Braue an.

»Ja, schuldig.« Owen lachte. »Wie auch immer, es war eine Mischung aus kleinen und großen Sachen: zum Karneval nach Rio fahren, Brotbacken lernen, einen Dreier haben, in Aspen Ski fahren, die New-York-Pride-Parade mitgehen, an einem Space Camp teilnehmen, einen Triathlon absolvieren und natürlich das hier, ein Winter in Alaska.«

Quill hustete. »Ich frage besser nicht, was du davon schon abgehakt hast.«

»Oh, du kannst fragen«, neckte Owen ihn unwillkürlich zurück. »Ich habe den Sommer ehrenamtlich auf dem Space Camp gearbeitet. Mein innerer Achtjähriger war im siebten Himmel. Und was den Rest betrifft…« Er warf Quill einen vielsagenden Blick zu. »Ich komme gut voran.«

»Gut.« Quills Ohrspitzen liefen rot an und Owen musste sich mit aller Kraft zurückhalten, um ihn nicht anzufassen.

»Was ist mit dir? Hast du irgendetwas auf deiner persönlichen Liste stehen, das du gerne tun würdest, bevor dein Leben vorbei ist?«

»Ach nein.« Quill schob seinen beinahe leeren Teller weg. »Ich bin nicht der Typ für Listen oder Reisen.«

»Wirklich? Gar nichts?« Owen versuchte, ihm mit Blicken zu vermitteln, dass er es sich gerne anhören würde, wenn Quill irgendeinen sexy Punkt auf seiner Liste verschwieg.

»Nachtisch?«, fragte die Kellnerin, als sie an ihren Tisch kam, um die Teller abzuräumen, sodass Quill nicht antwortete. »Vielleicht etwas zum Teilen?«

»Nichts für mich. Und wir zahlen getrennt.« Quill rutschte von Owen weg, scheinbar um zu verhindern, dass die Kellnerin annahm, sie wären auf einem Date.

»Ich bin satt.« Owen mochte Süßes, aber die riesigen Portionen waren mehr als sättigend gewesen.

Sie zahlten beide ihren Anteil und verließen das Restaurant. Das Licht schwand langsam, die Mitternachtssonne des Sommers war schon lange verschwunden und bei der Kälte in der Luft wünschte Owen sich, er hätte etwas Wärmeres mitgenommen als nur seinen Kapuzenpulli.

»Ist dir kalt?«, fragte Quill, als Owen sich die Arme rieb.

»Ein wenig, ja.« Wärm mich auf. Bitte.

»Ich kenne eine Abkürzung durch ein paar Seitengassen zum Hotel.«

»Geh voran.« Owen folgte ihm, als er in eine schmale Gasse abbog, und dann gingen sie zu schnell, um viel zu reden.

»Achtung.« Quills Arm schoss vor und hielt Owen zurück, als ein Auto unerwartet rückwärts in die Gasse einbog. Quill zog Owen mit sich in einen dunklen Hauseingang und starrte das Fahrzeug stirnrunzelnd an, das die Gasse nur gemächlich wieder verließ, langsam genug, dass Owen Quills Wärme und Nähe spürte und mehr von diesem klassischen, berauschenden Duft roch. Auf engem Raum war ihr schwerer Atem noch attraktiver. Die geladene Luft um sie herum wurde mit jeder flüchtigen Berührung ihrer Arme schlimmer.

»Bist du sicher, dass du nichts auf deiner Bucket List hast?« Als das Auto endlich verschwunden war, drehte Owen sich, um Quill den schnellsten Fluchtweg zu verstellen. »Nichts, bei dem ich helfen kann?«

»Ich weiß nicht.« Quill stieß zischend die Luft aus. Was definitiv kein eindeutiges Nein war, also trat Owen näher.

»Ich bin sehr… aufgeschlossen. Und diskret. Du könntest es mir sagen.«

»Du bist wirklich unglaublich«, flüsterte Quill, aber er klang dabei eher bewundernd als anklagend.

»Das höre ich oft.« Owen ging ein Risiko ein, legte eine Hand auf seine Schulter und war erleichtert, als Quill nicht sofort zurückzuckte oder ablehnte. »Komm schon, versuch es. Nichts, auf das du neugierig bist?«

»Wie zum Beispiel?« Quills Stimme war ein heiseres Flüstern.

»Hmm.« Owen tat so, als müsste er nachdenken, während er sich dicht genug an ihn lehnte, um mit den Lippen seinen Hals zu streifen. Quill war größer als er, aber nicht so groß, dass Owen sich übermäßig strecken musste. Seine Haut schmeckte gut. Warm. Eine winzige Spur salzig. »Das vielleicht?« Er schnalzte mit der Zunge gegen Quills Ohrläppchen. »Oder das? So viele köstliche Möglichkeiten…«

Ein Schauder durchfuhr Quills Körper, aber er wich immer noch nicht zurück. Sagte auch nichts, sondern atmete nur scharf ein. Selbstsicherer reckte Owen sich, um Quills Wangen eine nach der anderen mit den Lippen zu streifen, wobei er absichtlich den Mund ausließ. Und als Quill mit einem frustrierten Laut den Kopf drehte, war er bereits da, um sich den Sieg zu nehmen.

***

Quill wusste, dass der Kuss auf ihn zukam, wusste theoretisch, dass ihn zwei Schritte nach links von dieser Versuchung befreit hätten, aber er konnte sich nicht bewegen, als hätte er gut zweihundert Jahre alte Tannenwurzeln ausgetrieben. Owen war vielleicht aggressiv – auf die bestmögliche Art und Weise –, aber er hatte Quill auch mehr als genug Zeit gegeben, um zu protestieren oder zurückzuweichen. Und Quill hatte nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass er keine Bucket List hatte, aber in diesem Moment schoss die Frage, wie Owen wohl schmeckte, an die Spitze seiner bis dahin nicht existierenden Liste.

So sehr, dass Quill als Erster aus Überraschung darüber aufkeuchte, wie sehr er es wollte, als sich ihre Lippen schließlich trafen. Owen nutzte sein Keuchen aus, um den Kuss zu vertiefen.

Er schmeckte süß, als hätte er heimlich ein Minzbonbon eingeworfen, und küsste wie ein Mann, der genau wusste, was er tat, und nicht abwarten würde, bis Quill sich gefangen hatte oder die Kontrolle übernahm. Aber er beeilte sich auch nicht, wie andere es vielleicht tun würden, preschte nicht voran, sondern erkundete langsam, als würden sie nicht in einem Hauseingang in der Kälte stehen. Er küsste, als könnten sie das vielleicht wiederholen, als wäre es sehr wichtig herauszufinden, was Quill mochte und worauf er reagierte. Obwohl er definitiv die Kontrolle hatte, nahm Owen ihm nichts weg – er war großzügig und schien es darauf abgesehen zu haben, so viel Lust zu bereiten, wie er nur konnte.

Und wie sich herausstellte, war das verdammt viel Lust. Das Gleiten warmer Lippen, das Reiben einer wendigen Zunge, der feste Griff starker Hände, gut platziertes Knabbern oder Saugen, das Quill zum Stöhnen brachte. Scheinbar ermutigt von Quills Lauten drückte Owen ihn an die Tür und Quill hieß den Druck seines Körpers glücklich willkommen. Als die Überraschung nachließ, erwiderte er Owens Küsse bereitwilliger, gab so viel, wie er konnte, und war befriedigt, als Owen ein tiefes, halb gequältes, halb lüsternes Stöhnen ausstieß.

»Fuck. Du bringst mich noch um.« Owen gab Quill keine Chance zu antworten, bevor er erneut seinen Mund beanspruchte und ihn küsste, als hätte er das so lange nicht mehr getan wie Quill. Auf der Liste der Dinge, die Quill an regelmäßigem Sex nicht zu vermissen versuchte, stand Küssen ganz oben. Vor allem Küsse wie diese – verzweifelt und hungrig und verzehrend.

Irgendwo in der Gasse heulte ein Motor auf. Fuck. Quill hatte vergessen, dass sie im Freien waren. Ein weiteres Auto könnte jederzeit vorbeikommen und es war zwar dunkel, aber das bedeutete nicht, dass die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, bei null lag.

»Wir können das nicht hier tun«, keuchte er an Owens Mund, da er den Kontakt nicht unterbrechen wollte, aber die Vernunft kehrte in unerwünschten Wellen zu ihm zurück und brachte eine gesunde Dosis Reue und Scham mit sich.

»Richtig.« Owens Grinsen war selbst im trüben Licht der Gasse zu sehen. »Wie wär's mit einem Wettlauf zu meinem Zimmer?«

»Das geht nicht.« Quill schob Owen sanft zurück, brauchte den Abstand, wenn er auch nur darauf hoffen wollte, wieder klar zu denken.

»Oh doch, das geht.« Owen trat weiter zurück und streckte eine Hand aus. »Du bist single. Ich bin single. Kein Grund, warum wir heute nicht Spaß haben können.«

»Ich glaube, ich habe dir einen falschen Eindruck vermittelt…« Quill kratzte sich am Kopf und versuchte, seine letzten verbleibenden Gehirnzellen in Gang zu bekommen.

»Einen falschen Eindruck?« Owen schüttelte den Kopf und die Skepsis war deutlich in seinem Ton zu hören. »Es ist irgendwie schwierig, etwas anderes herauszulesen, als dass du mehr davon wolltest, nachdem deine Zunge in meinem Mund war und ich deinen harten Schwanz gespürt habe, ist es schwierig, etwas anderes herauszulesen, als dass du mehr davon willst. Ganz zu schweigen von den sexy Lauten, die du ausgestoßen hast.«

»Ich mache das nicht.«

»Niemals? Denn tut mir leid, aber du kannst mir nicht weismachen, dass das dein erster Kuss war.« In Owens Grinsen lag zu gleichen Teilen Humor und Frustration.

»So habe ich es nicht gemeint.« Quill war nicht fähig, Owen direkt anzulügen – etwas an ihm zerrte Wahrheiten an die Oberfläche, die Quill normalerweise problemlos für sich behielt. »Ich meine, ich fange nichts mit Kollegen an. Nie.«

»Genau genommen bin ich kein Kollege – ich bin ja nur freiwillig hier – und habe ja schon gesagt, dass ich diskret bin, wenn es nötig ist.« Das war keine Lüge. Die Helfer für den Winter bekamen eine Unterkunft und Geld für den Lebensunterhalt, wurden jedoch nicht als Angestellte eingestuft. »Eine Nacht. Wahrscheinlich siehst du mich nie wieder. Warum nicht etwas Spaß haben?«

Fuck. Quill war nicht sicher, ob er je so versucht gewesen war, alle Vorsicht in den Wind zu schlagen. Aber er kannte sich selbst und wusste, dass ihn der restliche Fußweg zum Hotel aus seinem lusttrunkenen Zustand reißen würde und dass er es morgen nicht noch stärker bereuen wollte. Es war nicht so sehr, dass er glaubte, Owen würde sich verplappern, aber er hatte zwei Jahrzehnte lang für seinen Ruf gearbeitet und würde das nicht für ein paar leidenschaftliche Stunden aufs Spiel setzen. Er war ohnehin schon zu weit gegangen.

»Ich bin nicht wirklich der Typ für Spaß.« Er fügte nicht hinzu, dass Sex seiner Erfahrung nach ein gutes Gefühl bringen, ein Ventil sein oder für kurze Zeit ein Verlangen befriedigen konnte, aber nicht gerade Spaß bedeutete. Und die Leere, die er danach oft verspürte, war offen gesagt beschissen. Er musste das nicht zu den Dingen hinzufügen, die er nach diesem Fehler mit Sicherheit bereuen würde.

 

»Ich könnte dich vom Gegenteil überzeugen.« Owens selbstsichere Worte schossen direkt in Quills bereits pochenden Schwanz. Und vielleicht konnte er das, vielleicht war er derjenige, der ihm zeigen konnte, dass er sich in seiner Auffassung von Sex und Spaß geirrt hatte. Aber das spielte keine Rolle, denn Quill würde es nicht herausfinden.

»Nein, danke. Tut mir leid.« Er gab nicht vor, kein Interesse zu haben, denn sie wussten beide, dass das gelogen wäre. »Hör mal, wir sollten besser zurückgehen.«

»Wie du meinst, aber geh ruhig vor. Ich werde noch ein wenig die Gegend erkunden.«

Fuck. Das einzig Schlimmere, als mit Owen in sein Zimmer zurückzukehren, war der Gedanke daran, dass Owen mit jemand anderem dorthin zurückkehren würde. Heftige Eifersucht, wie er sie seit Jahren nicht verspürt hatte, durchströmte ihn und er musste sich daran erinnern, dass er kein unbesonnener Mensch war. Owen gehörte nicht ihm, würde nie ihm gehören und wie Owen ja gesagt hatte, sahen sie einander vielleicht nie wieder. Quill hatte kein Recht, sich darum zu kümmern, wie Owen seinen restlichen Abend verbrachte.

»Na gut.« Die Worte klangen eher wie ein Knurren, denn offenbar kümmerte es ihn doch. Sehr. Und Owens hochgezogene Brauen verrieten, dass er ihn durchschaut hatte.

»Bis morgen.« Owen ging durch die Gasse zu den Restaurants und Bars zurück.

Morgen. Fuck. So viel dazu, dass sie einander wahrscheinlich nie wiedersehen würden. Er musste immer noch die morgige Schulung durchstehen, bevor er dieses ganze Chaos hinter sich lassen konnte.

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