Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg

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IV. Recht des Europarats und Völkerrecht

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Der Europarat setzt sich seit den Fünfzigerjahren für den Austausch von Studenten und Wissenschaftlern ein. Mit mehreren „Äquivalenzkonventionen“ und diversen Durchführungsakten um das Kernstück, die Lisbon Recognition Convention, soll die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Reifezeugnissen, akademischen Graden und Hochschulzeugnissen erleichtert werden.[46] Unterstützt wird dies durch das sog. ENIC-Network.[47] Durch die Erweiterungen der EU auf 28 Mitglieder sowie wegen des optionalen Charakters der Konventionen ist ihre Bedeutung begrenzt. In Einzelfällen Bedeutung entfalten kann hingegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere wegen des in ihr enthaltenen Rechts auf Bildung (Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls).

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Auf völkerrechtlicher Ebene Erwähnung verdient der Internationale Pakt vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Das in ihm enthaltene Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zum Hochschulunterricht ohne Unterscheidung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen spielte in Gerichtsverfahren gegen die Einführung von Studiengebühren in Baden-Württemberg eine Rolle, konnte letztlich jedoch nicht gegen diese ins Feld geführt werden.[48]

1. Kapitel Rechtsgrundlagen für die Hochschulen in Baden-Württemberg › B. Bundesrecht

B. Bundesrecht

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Die Rolle des Bundesrechts für das Hochschulwesen ist in Teilbereichen weiter im Umbruch. Schien es so, dass sie nach der Föderalismusreform von 2006[49] völlig neu bestimmt werden müsste, ist zurzeit wieder eine Gegenbewegung festzustellen. Schon vor 2006 galt der Grundsatz, dass Hochschulrecht grundsätzlich Ländersache ist; seit 2006 ist dies nunmehr auch tatsächlich ganz überwiegend der Fall. Die Einflussmöglichkeiten des Bundes sind insgesamt deutlich geringer geworden. Die Reform 2006 gipfelte in einem sogenannten Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern.[50] Allerdings sind seither einige offensichtlich praxisferne und die Länder überfordernde Regelungen modifiziert worden. Weiter Änderungen sind zu erwarten.

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Zuerst zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Grundrechte, insbesondere Art. 5 und 12, die dem Hochschulrecht der Länder Grenzen setzen und Vorgaben machen. Die Kompetenz für ein Hochschulrahmengesetz ist entfallen und die Gesetzgebungskompetenz beschränkt sich jetzt auf die Zuständigkeit für die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse (Art. 74 I Nr. 33 GG). Die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b – alt – GG wurden zunächst zu einer Finanzierungskompetenz für Forschungsvorhaben nach Art. 91b – neu – GG zusammengeschmolzen, wie generell eine Finanzierungskompetenz des Bundes in diesem Bereich besteht (Art. 74 I Nr. 13 GG zusammen mit der Ausbildungsförderung). Allerdings wurde 2015[51] diese Restriktion deutlich zurückgenommen. Nachdem auch die Bundeskompetenz für die Besoldung von Landesbediensteten entfallen ist, sind die Länder hier weit gehend allein Herr im Haus.

1. Kapitel Rechtsgrundlagen für die Hochschulen in Baden-Württemberg › B. Bundesrecht › I. Grundgesetz

I. Grundgesetz
1. Grundrechte

a) Allgemeines

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Der Hochschulbereich wird zunächst vor allem durch die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 III geprägt. Art. 12 ist im Hinblick auf den Hochschulzugang relevant.[52] Daneben haben auch die Art. 3, 9 und 14 Bedeutung für das Hochschulwesen. Zusammen mit anderen Grundrechten, Wertentscheidungen und sonstigen Staatsgrundprinzipien entsteht so eine umfassende Werteordnung, in die sich die Hochschulen einfügen.

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Dabei entfalten die Grundrechte sowohl ihre Dimension als Abwehr- wie als Teilhaberechte und stellen nicht zuletzt auch Institutsgarantien dar.[53] Als Abwehrrechte schützen sie Hochschulen, Wissenschaftler und Studierende zunächst vor staatlichen Eingriffen, daneben aber auch den Einzelnen gegenüber seiner eigenen Hochschule. In ihrer Funktion als Teilhaberechte sichern sie zum einen die Mitwirkung in Hochschulgremien,[54] zum anderen zumindest in gewissem Rahmen Zugangs- und Finanzierungsansprüche. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Numerus-Clausus-Urteil ausgeführt, dass dem Staat neben der Freiheitssicherung die Aufgabe zukomme, die finanziellen, organisatorischen und sozialen Bedingungen zur Realisierung von Grundrechten zu schaffen.[55] Schließlich enthalten die erwähnten Grundrechte auch die Garantie für das Bestehen von Hochschulen, in denen Wissenschafts- und Kunstfreiheit herrscht und die akademische Selbstverwaltung genießen, wenn auch keine individuelle Garantie für die einzelne Einrichtung.

b) Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 III 1 GG)

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Art. 5 III 1 garantiert neben der Kunst- die Wissenschaftsfreiheit, ohne diese selbst zu definieren. Explizit genannt werden Forschung und Lehre, allerdings neben der Wissenschaft, die den Oberbegriff zu ihnen darstellt. Der Schutzbereich ist im Wesentlichen unstrittig. So betrachtet das Bundesverfassungsgericht als Wissenschaft „die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“.[56] Wissenschaft ist ein von staatlicher Fremdbestimmung freier Bereich autonomer Verantwortung, die sich an ihrem Ziel, dem Bemühen um Wahrheit, ausrichtet. Geschützt ist sowohl die Erkenntnissuche (Forschung) wie die Weitergabe an Dritte (Lehre einschließlich Prüfungen). Die Lernfreiheit der Studierenden folgt nicht aus Art. 5 sondern aus Art. 12.[57]

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Personell schützt die Wissenschaftsfreiheit den Hochschullehrer, aber auch wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende, solange und soweit sie an wissenschaftlicher Forschung und Lehre teilnehmen.[58] Geschützt sind auch die Hochschulen selbst. Aus institutioneller Sicht schützt die Wissenschaftsfreiheit nicht nur die Universitäten, sondern auch die Pädagogischen Hochschulen und die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen)[59] so wie auch private Hochschulen, sofern sie dem Wissenschaftsbegriff genügen. Für die Duale Hochschule gilt diesbezüglich das Gleiche.[60] Die Universitätskliniken unterfallen Art. 5 III GG im Rahmen ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit.

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Sachlich schützt Art. 5 III GG zunächst vor Eingriffen, und zwar primär vor solchen des Staates, aber auch der staatlichen (Hochschul-) Verwaltung und der akademischen Selbstverwaltung in die Inhalte der Arbeit der Wissenschaftler.[61] Zwar hat der Staat das Recht, das Hochschulwesen umfassend zu regeln, jedoch muss er dabei auf die Hochschulautonomie Rücksicht nehmen.[62] Maßnahmen in administrativen Dingen, in Statusfragen oder zu sonstigen Rahmenbedingungen können dann ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit sein, wenn sie sich nicht im Äußerlichen erschöpfen, sondern Auswirkungen auf die inhaltliche Arbeit haben.

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Darüber hinaus verleiht die Wissenschaftsfreiheit auch positive Ansprüche, und zwar auf Mitwirkung und Einfluss der Hochschulangehörigen in der Selbstverwaltung. In seiner Rechtsprechung der Siebzigerjahre hat das Bundesverfassungsgericht hierzu teilweise äußerst detaillierte Vorgaben zur Gruppenuniversität gemacht.[63] Neben der Teilhabe folgt aus Art. 5 III GG auch der Anspruch auf eine Mindestausstattung an Personal- und Sachmitteln,[64] und zwar sowohl für den einzelnen Wissenschaftler wie für die Hochschule selbst, freilich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Staates. In Verbindung mit dem o.g. Art. 4 III EUV gehört hierzu auch das Recht und die Möglichkeit, Zugang zu EU-Mitteln zu erhalten. Ein konkreter Anspruch auf Bereitstellung von Kofinanzierungsmitteln im Einzelfall lässt sich daraus aber nicht ableiten, wohl aber die Gewährleistung der grundsätzlichen „Europafähigkeit“ der Hochschulen. Eine Bestandsgarantie für einzelne Hochschulen enthält Art. 5 GG nicht.

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Fraglich sind die Schranken der an sich schrankenlos garantierten Wissenschaftsfreiheit. Unstreitig ist das Vorhandensein immanenter Schranken, insbesondere durch die Rechte anderer, sowie durch andere Verfassungsnormen und verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter.[65] Insbesondere die finanziellen Möglichkeiten des Staates bilden einen begrenzenden Rahmen. Auch muss es dem Staat erlaubt sein, das Hochschulwesen zu gestalten und erforderlichenfalls neu zu ordnen, selbst wenn dies Auswirkungen auf die Wissenschaftsfreiheit hat.[66]

c) Kunstfreiheit

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Die Kunstfreiheit, die in Art. 5 III GG sogar noch vor der Wissenschaftsfreiheit erwähnt wird, ist ähnlich strukturiert wie diese. Insbesondere gilt zu den Schranken das oben Gesagte. Im Hochschulbereich hat sie Bedeutung für die Kunst- und Musikhochschulen, aber auch für die Akademien des Landes.[67]

 

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Die besondere Schwierigkeit liegt in der Definition des Begriffes Kunst. Hier verfolgt das Bundesverfassungsgericht einen weiten, formalen Begriff, der sowohl den Werkbereich, die Kreation, wie den Wirkbereich, die Präsentation in der Öffentlichkeit umfasst:[68] Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Fantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.

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Geschützt sind auch hier Künstler und Lehrende, wie im Bereich der Wissenschaftsfreiheit ggf. aber auch Studierende der genannten Hochschulen. Umfasst ist wie oben der Schutz gegen Eingriffe des Staates oder der Hochschulorgane, aber auch der Anspruch auf Teilhabe an der Selbstverwaltung sowie auf eine Grundausstattung an Ressourcen. Einen individuellen Förderanspruch vermittelt die Kunstfreiheit zwar nicht,[69] wohl aber eine grundsätzliche Verpflichtung des Staates zur Pflege und Förderung der Kunst.[70]

d) Sonstige Grundrechte (insbes. Art. 12 I GG)

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Von den sonstigen Grundrechten ist im Hochschulbereich vor Allem Art. 12 I GG von Interesse. Hier findet sich die Lernfreiheit der Studierenden, aber auch die grundrechtliche Verortung des Hochschulzulassungsrechts. Im Numerus-clausus-Urteil[71] hat das Bundesverfassungsgericht ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium statuiert, sofern die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, und zugleich an objektive Zulassungsbeschränkungen äußerst strenge Anforderungen gestellt. Sie sind nur zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts statthaft und setzen eine erschöpfende Nutzung der vorhandenen Kapazitäten voraus,[72] wobei die Belange von Wissenschaft und Forschung zu berücksichtigen sind.[73] Das Teilhaberecht steht auch unter dem Vorbehalt des Möglichen, „… im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann“.[74] Das Urteil hat im Verlaufe der letzten gut drei Jahrzehnte zu einer umfänglichen Praxis geführt – von der Einrichtung der ZVS über den Erlass detaillierter Kapazitätsverordnungen bis hin zu zahllosen Gerichtsentscheidungen – und die Hochschulen an den Rand des Leistbaren und mitunter auch darüber hinaus getrieben. In jüngster Zeit hat das Gericht die Hochschulzulassung am Beispiel der Humanmedizin weiter ausgearbeitet.[75]

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Weitere Grundrechte, die im Hochschulraum Bedeutung entfalten können sind die Artikel 3, 9 GG (Vereinigungen der Hochschullehrer, aber auch der Studierenden; Personalvertretungen an Hochschulen als zulässige Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit[76]) sowie Art. 14 GG.

e) Beamtenrecht (Art. 33 GG)

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In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Tätigkeiten in Forschung und Lehre dem Funktionsvorbehalt des Art. 33 IV GG unterliegen. Dieser gilt anerkannter maßen nicht nur für die klassische Eingriffs- sondern auch für die grundrechtsrelevante Leistungsverwaltung.[77] Abweichungen von dieser Regel bedürfen einer Begründung. Dennoch kann im Hochschulbereich dieser Funktionsvorbehalt nicht gelten. Dies zeigt schon das Vorhandensein privater Hochschulen, aber auch die Praxis, gerade im Kunsthochschulbereich angestellte Professoren zu beschäftigen und generell der Blick über die Grenzen hinaus. Unter europäischem Blickwinkel ist Art. 45 IV AEUV im Auge zu behalten, der einen Funktionsvorbehalt für eigene Staatsangehörige nur für spezifisch hoheitliche Funktionen und nicht für einen ganzen Berufszweig zulässt.[78] Gerade Forschung und Lehre werden hier nicht als „öffentliche Verwaltung“ im Sinne der Ausnahmeklausel gesehen. Angesichts der Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers, die sich ja gerade gegen staatliche Eingriffe richtet und ihm die größtmögliche Unabhängigkeit von staatlichen Vorgaben sichert, wäre es auch widersinnig, beim Hochschullehrer von der gleichen Rechte-Pflichten-Konstellation auszugehen wie z.B. bei einem Ministerialbeamten.[79]

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Eine weitere Frage ist, wie sich die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG) auf die dienstrechtliche Stellung des Hochschullehrers auswirken. Unstreitig gelten diese Grundsätze auch für ihn, wenn auch in einer speziell seinem Status Rechnung tragenden Weise. Grundlegendes wie Treuepflicht[80] und im Gegenzug Alimentations- und Schutzpflicht sind mit dieser Maßgabe anwendbar. Darüber hinaus wurden eine Vielzahl von Einzelregelungen auf ihre Zugehörigkeit zu den hergebrachten Grundsätzen“ überprüft.[81]

2. Bundesstaatliche Kompetenzordnung

a) Der Grundsatz: Hochschulwesen als Sache der Länder

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Das Grundgesetz sieht das Hochschulwesen als Ländersache an. Diese schon immer geltende Aussage ist durch die Föderalismusreform von 2006[82] noch bestätigt und verstärkt worden. Der Bund hat von engen Ausnahmen abgesehen nicht die Kompetenz, eigene Hochschulen zu betreiben.[83] Allgemein gelten die Grundregeln der Art. 30, 70 und 83 GG. Verwaltungszuständigkeiten sind dem Bund nicht zugewiesen; die Hochschulen werden als ländereigene Verwaltung von Landesgesetzen geführt. Im Bereich der Gesetzgebung finden sich wenige Zuständigkeiten vor allem im Bereich Hochschulzugang und Abschlüsse, Forschungsförderung und Ausbildungsbeihilfen. Im Bereich der Finanzierung besteht eine Gemeinschaftsaufgabe in Art. 91b GG. Auch in beamtenrechtlichen Fragen sind dem Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz sowie die Zuständigkeit für Besoldung und Versorgung abhanden gekommen. Art. 74 I Nr. 27 GG weist ihm nur noch die Kompetenz für Statusfragen zu.

b) Art. 74 I Nr. 33 GG: Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse

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Diese Materie, die bis 2006 in den Bereich der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes fiel, ist nunmehr der dem Bund einzig verbliebene Teil des Hochschulrechts. Das Hochschulrahmengesetz (HRG) gilt zwar zunächst weiter, kann aber jederzeit durch Landesrecht ersetzt werden (Art. 125a I GG). In Baden-Württemberg ist dies teilweise durch das Erste (EHFRUG) und Zweite (ZHFRUG) Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulwesen geschehen.[84] Auch von den bundesrechtlichen Regelungen im Rahmen der neuen Kompetenz darf durch Landesrecht abgewichen werden (Art. 72 III Nr. 6 GG). Andererseits ist eine „Erforderlichkeitsprüfung“ i.S.d. Art. 72 II GG nicht durchzuführen, da insoweit von der Erforderlichkeit einer Bundesregelung ausgegangen wird.

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Durch die Kompetenz soll das absolut erforderliche Mindestmaß an Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit zwischen den Ländern hergestellt werden. Insbesondere kann der Bund bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen Vorgaben für die Ermittlung und die vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten machen sowie die Vergabe von Studienplätzen und das Auswahlverfahren einheitlich regeln. Die Regelung von Studiengebühren ist davon nicht erfasst, ebenso wenig wie Regelungen, die wegen ihres Bezugs zum Schulwesen Ländersache sind (also insbesondere das Abitur). Die Kompetenz für Hochschulabschlüsse erlaubt die Regelung der Abschlussniveaus und der Regelstudienzeiten. Nicht hierunter fallen die akademischen Grade und die grundsätzliche Organisation des Studiums.[85] Durch Bundesgesetz umgesetzt wurde diese Kompetenz bislang nicht.

c) Art. 74 I Nr. 13 GG: Ausbildungsbeihilfen und Förderung der wissenschaftlichen Forschung

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Die 1969 eingefügte Kompetenzzuweisung gibt dem Bund das Recht, die Gewährung individueller Ausbildungsbeihilfen zu regeln. Grundlage für eine institutionelle Förderung von Hochschulen ist diese Vorschrift nicht. Der Bund hat von dieser Kompetenz durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) Gebrauch gemacht.[86] Die – bislang nicht umgesetzte – Kompetenz zum Erlass eines Forschungsförderungsgesetzes würde den Bund zum Erlass von Regelungen über finanzielle, planerische und organisatorische Aspekte der Forschungsförderung ermächtigen; strukturelle Regelungen im wissenschaftlichen Bereich wären davon nicht erfasst.[87] Ungeachtet des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage verwendet der Bund erhebliche Beträge für die Forschungsförderung.[88]

d) Art. 74 I Nr. 27 GG: Statusrechte und -pflichten der Landesbeamten

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Die ursprünglich in Art. 74a GG enthaltene konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Landesbeamten ist mit der Föderalismusreform von 2006 entfallen; diese Materien sind nunmehr Länderzuständigkeit. Auch die Kompetenz zum Erlass eines Beamtenrechtsrahmengesetzes aus Art. 75 I Nr. 1 alt GG besteht nicht mehr. Als Restkompetenz des Bundes findet sich nur mehr Nr. 27 des Art. 74 I GG, der sich auf Statusfragen der Landesbeamten[89] beschränkt. Eine besondere Bedürfnisprüfung nach Art. 72 II GG muss nicht erfolgen; ein Abweichungsrecht der Länder besteht nicht.

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Statusfragen i.S.d. Kompetenz sind gemäß der amtlichen Begründung Wesen, Voraussetzungen und Rechtsform der Begründung; Arten, Dauer sowie Nichtigkeits- und Rücknahmegründe des Dienstverhältnisses; Abordnungen und Versetzungen zwischen den Ländern sowie Bund und Ländern; Voraussetzungen und Formen der Beendigung des Dienstverhältnisses; statusprägende Pflichten und Folgen der Nichterfüllung; wesentliche Rechte, Bestimmung der Dienstherrenfähigkeit, Spannungs- und Verteidigungsfall und Verwendungen im Ausland.[90] Die Kompetenz wurde durch das Beamtenstatusgesetz umgesetzt, das am 1.4.2009 in Kraft getreten ist[91] und insoweit das Beamtenrechtsrahmengesetz ablöste. Damit haben die Länder die lange reklamierte Zuständigkeit, durch entsprechende Ausgestaltung des Dienstverhältnisses der Wissenschaftler, vor allem was deren Bezahlung betrifft, in den Wettbewerb um die besten Köpfe einzutreten.

e) Art. 91b I GG: Zusammenwirken bei Förderung von Wissenschaft und Forschung und zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens

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Die Föderalismusreform von 2006 hat auch den Bereich der Gemeinschaftsaufgaben radikal durchforstet. Die ursprünglich in Art. 91a alt GG verankerte Kompetenz zur Hochschulbauförderung ist ebenso entfallen wie der alte Art. 91b GG zu Bildungsplanung und Forschungsförderung. Der danach zunächst für den Hochschulbereich einzig noch einschlägige Art. 91b neu GG erlaubte in Fällen überregionaler Bedeutung das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Förderung von Vorhaben von Wissenschaft und Forschung innerhalb und außerhalb der Hochschulen sowie bei Forschungsbauten und Großgeräten an Hochschulen. Die institutionelle Förderung der wissenschaftlichen Forschung war nur außerhalb der Hochschulen erlaubt (Nr. 1 im Gegensatz zu Nr. 2). Von den ursprünglich vorgesehenen Mitteln des HBFG wurden 70 % (695 Mio. Euro) auf die Länder übertragen; 30 % (298 Mio. Euro) setzte der Bund für die neuen Fördertatbestände ein. Zur Umsetzung der neuen Gemeinschaftsaufgabe wurde am 14.6.2007 ein Verwaltungsabkommen zur Gründung einer neuen Bund-Länder-Einrichtung – der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) – als Nachfolgeorganisation der seit 1970 bestehenden BLK geschlossen.[92] Mit einer weiteren Grundgesetzänderung wurde im Jahre 2014 diese enge Begrenzung gelockert.[93] Die Differenzierung zwischen Einrichtungen und Vorhaben wurde aufgegeben. Bund und Länder können nunmehr aufgrund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken; Vereinbarungen, die im Schwerpunkt Hochschulen betreffen, bedürfen allerdings der Zustimmung aller Länder. Auf der Grundlage von Art. 91b wurden Verwaltungsvereinbarungen zur Finanzierung von Forschungsbauten,[94] über den Hochschulpakt 2020[95] und die Exzellenzinitiative[96] abgeschlossen.

 

1. Kapitel Rechtsgrundlagen für die Hochschulen in Baden-Württemberg › B. Bundesrecht › II. Bundesgesetze