Der Psychocoach 8: Zu viel Erziehung schadet!

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Aus der Reihe: Der Psychocoach #8
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Hinzufügen möchte ich, dass die Eigenschaften des Sonnenzeichens, also des so genannten „Sternzeichens“, wahrscheinlich nicht mit der Geburt entstehen, sondern bei der Zeugung. Der errechnete Geburtszeitpunkt liefert also den Hinweis auf das Zeichen und bedeutet, dass Sie als Mutter bereits neun Monate lang einen Widder/Löwen/Wassermann und so weiter unter dem Herzen tragen und dieser entsprechend seiner Grundpersönlichkeit auf empfundene Grenzen reagiert. Das ist ungefähr so, als ob Sie Ihr Frühstück aufgrund von Zwischenfällen nicht um neun Uhr einnehmen können, sondern erst um zwölf Uhr. Damit ist es kein Mittagessen, sondern bleibt mit Toast, Eiern und Orangensaft ein Frühstück – zur falschen Zeit. Wenn Sie sich also nicht wiedererkannt haben, liegt das wahrscheinlich daran, dass Sie außerhalb Ihres natürlichen Geburtstermins zur Welt gekommen sind. Schauen Sie dann in der obigen Liste dort nach, wo Sie normalerweise zu finden wären, wenn Sie eine pünktliche Geburt gehabt hätten. Der Aszendent hingegen hat tatsächlich mit der Geburt zu tun, wirkt aufgrund der zeitlichen Unschärfe auch nicht so dominant wie das Sonnenzeichen.

Weshalb ich also dringend anrate, das Thema trotz aller Bedenken ernst zu nehmen, zeigt folgendes Beispiel, das mir aus erster Hand zugetragen wurde: Die beiden fünfjährigen Jungen Tim[3] und Pascal spielen Memory, ein Spiel, bei dem es darum geht, aus verdeckten Kärtchen möglichst viele Kartenpaare aus gleichen Motiven zu bilden. Hierbei muss man sich die Lage der vorübergehend aufgedeckten Karten für den nächsten Spielzug merken. Pascal, ein strukturbedürftiger, ordentlicher Jungfrau-Geborener, dreht spielregelgerecht zwei Karten um und bemüht sich redlich, Paare zu finden. Tim, ein innovativer und lösungsorientierter Wassermann, dreht entgegen den Regeln alle Karten gleichzeitig um, legt die offenliegenden Paare zusammen und sagt: „Fertig! Können wir endlich zum Spielplatz gehen?“ Für ihn ist die Aufgabe, viele Paare zu bilden, gelöst. Das Ganze wäre amüsant, wenn nicht Tims Vater, ebenfalls Jungfrau-Geborener, fast verzweifelt wäre und seinen Sohn für offenbar „entwicklungsgehemmt“ hielt und als „lernbehindert“ einstufte. Tim fiel auch weiterhin dadurch auf, dass er Mühe hatte, komplizierten und für ihn sinnlosen Regeln zu folgen. In der Schule setzte sich dann der Teufelskreis aus Missverständnis und Frustration fort. Viele andere Menschen, darunter beispielweise seine Großeltern, haben überhaupt keine Schwierigkeiten mit dem geistig hellwachen Jungen: Doch seit zwei Jahren bekommt der intelligente, aber missverstandene Tim von seinen Eltern die Schülerdroge Ritalin – ein Ende der Medikation ist dabei nicht absehbar. Hätte sein Vater gewusst und verstanden, dass sich Wassermänner generell mit sinnlosen Regeln schwertun, dafür aber unkonventionelle Problemlösungen finden, wäre er auf seinen Sohn womöglich stolz gewesen oder könnte ihn zumindest adäquat fördern.

Meine These zu den physikalischen Hintergründen des Tierkreiszeichen-Phänomens habe ich versucht, in einem Vortrag „Sternzeichen – Aberglaube oder Physik?“ zu erläutern (81 Min., MP3-CD, zu bestellen im Internet unter www.powerscout.net).

Erworben und veränderbar: Der Charakter

Die Grundpersönlichkeit ist dieser Vorstellung nach also bereits im Mutterleib vorhanden und absolut unveränderlich. Hinzu kommt selbstverständlich noch der so genannte Charakter, also die „individuelle Handschrift“, mit der diese Grundpersönlichkeit ausgelebt wird. Dieser wird geprägt durch unsere Eindrücke und Erfahrungen, welche, so zeigt die Praxis, durchaus bereits in Zeiten vor der letzten Zeugung, also in „früheren Leben“, erworben sein können. Menschen aus allen Kulturkreisen können offenbar in einer einfachen leichten Ruhephase dazu angeregt werden, sich an ein Vorleben zu erinnern. Diese Einflüsse können sich über Hunderte von Jahren im Charakter bemerkbar machen, sind aber durch Erkenntnisse leicht zu verändern. Der Charakter ist also das, was Sie durch Erziehung beeinflussen können. Er wird beispielsweise geformt durch soziale Rollen, in die ein Mensch sich einordnet, durch die Art, wie wir behandelt oder beachtet werden, oder auch dadurch, ob sein Handeln erfolgreich ist oder zur Frustration führt. Hierbei zeigt sich in erschreckender Deutlichkeit, dass Frustrationen, Erniedrigungen und Zurückweisungen beim Kind eine wesentlich höhere emotionale Eindrucks-tiefe hinterlassen als Glücksgefühle und Erfolgserlebnisse. Von all den von uns befragten Probanden erinnert sich die überwiegende Mehrheit als „erste Kindheitserinnerung“ an ein negativ empfundenes Erlebnis. Der Charakter scheint also leichter durch unangenehme Eindrücke geformt zu werden – welche leider oftmals Ängste, also Blockaden und Rückzugsstrategien, erzeugen. Die Relevanz dieser Beobachtung erkannte schon der oben erwähnte Alfred Adler, dessen Individualpsychologie auf der Annahme basiert, dass alle erworbenen Psychopathologien einen frühkindlichen Ursprung haben müssen. So beschrieb Adler in seinem Buch „Menschenkenntnis“[4] bereits 1927, dass der Charakter des Menschen nicht angeboren sei, sondern bereits im Säuglingsalter sehr früh erworben werde, was in der Konsequenz eine sehr hohe Verantwortung für die Erziehungsaufgabe der Eltern bedeutet. Adler untersuchte bei seinem psychotherapeutischen Vorgehen immer das früheste Kindheitserlebnis seiner Patienten, um daraus das Grundmuster der Verhaltens- und Empfindensstörung abzuleiten. Leider zerstritt sich Alfred Adler damals mit dem immer einflussreicher werdenden Sigmund Freud, sodass seine Lehren trotz bahnbrechender Erfolge von der zeitgenössischen Psychotherapeuten-Szene vernachlässigt wurden. Doch genau auf Alfred Adlers Ansatz fußt unsere Methode, mittels der wir in unserem Institut heutzutage innerhalb von manchmal wenigen Minuten Verhaltensstörungen aufdecken und auflösen können. Der Charakter, die Art und Weise, mit der wir durchs Leben gehen, ist nun einmal veränderlich – und er bleibt es ein Leben lang. Es kommt dabei nur auf die emotionale Eindruckstiefe an, wie sehr und wie schnell sich ein Verhaltensmuster ändert. Je beeindruckender eine Erkenntnis ist, desto gründlicher ändert sich das betroffene Verhaltensmuster.

Die Frage, welche der drei Strategien Offensive, Defensive und Akzeptanz für Weiterentwicklung und Konfliktbewältigung zum Einsatz kommt, hängt also im Wesentlichen davon ab, welche positiven Erfahrungen ein Kind im Umgang mit Konflikten gemacht hat. Selbstwertgestörte Menschen, denen bereits geringster Widerstand wie eine unüberwindbare Grenze vorkommt, haben meist enorme Schwierigkeiten, das kindliche Strategiemuster zu verlassen. Diplomatische Lösungen, Souveränität und Akzeptanz scheiden aus dem Repertoire eines Selbstwertgestörten aus.

Konditionierungen und Verhaltensmuster

In den ersten 36 Monaten des Lebens (ab Zeugung gerechnet) verfügt der Mensch über keinerlei rationales und zeitliches Erfassungsvermögen. Weder Zukunft noch Vergangenheit fließen in die kontextuelle Orientierung des Kindes mit ein. Die US-Forscher Yuko Munakata, Christopher Chatham und Michael J. Frank von der University of Colorado in Denver zeigten in einer Studie, dass Kinder bis etwa zum sechsten Lebensjahr nur sehr begrenzt eine Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft herstellen können. Erst mit rund 18 Jahren gelingt es einem Menschen aufgrund eigener präziser Zukunftsvoraussagen, gezielt proaktiv (also selbstauslösend, anstelle von reaktiv) zu handeln. Doch in den ersten drei Jahren, so zeigt die Praxis, fehlt diese Fähigkeit völlig, sodass es noch gänzlich sinnlos ist, einem Vorschul-Kind Vorsichtsmaßnahmen wie „Zieh dir eine Jacke an, draußen ist es kalt“ nahebringen zu wollen. Das Kind muss erst erleben, dass es kalt ist, und handelt danach dementsprechend. „Ab etwa vier Jahren entwickeln Kinder genügend Einfühlungsvermögen, um sich vorstellen zu können, was andere denken und fühlen. Dann erst sind sie in der Lage einzusehen, dass sie vielleicht selbst noch etwas warten müssen, weil dringende Bedürfnisse anderer (zum Beispiel der knurrende Magen des hungrigen Brüderchens) zuerst erfüllt werden müssen. Kinder haben nun die Möglichkeit, ihre Handlungen zu planen. Wenn es ihnen Vorteile bringt, sind sie sogar freiwillig bereit zu warten. So wurden in einem Experiment drei- und vierjährige Kinder vor die Wahl gestellt, entweder einen Sticker sofort zu bekommen oder vier Sticker etwas später. Dreijährige wollten ihren Aufkleber sofort und gaben sich dafür mit nur einem zufrieden. Vierjährige warteten lieber, um dann mehrere Sticker zu bekommen. Ab etwa vier bis fünf Jahren haben Kinder zudem die Fähigkeit entwickelt, sich einer anderen Sache zuzuwenden, ohne ihr ursprüngliches Bedürfnis aus den Augen zu verlieren. Sie sind dann in der Lage, etwas anderes zu machen, bis Mama, Papa oder die Erzieherin im Kindergarten Zeit für sie hat.“[5] Bis die zeitlich-kontextuelle Wahrnehmung sich zu entwickeln beginnt, werden beispielsweise auch punktuelle Gefahren als absolute und andauernde Gefahren empfunden. Emotionales Erleben wird stets als Gegenwart empfunden. Deshalb werden genau in dieser Zeit unterbewusst Verhaltensmuster aufgrund von Erlebnissen und Erfahrungen gebildet, die ein Leben lang aufrechterhalten bleiben können. Dies bedeutet folglich: Macht ein Kind innerhalb genau dieser drei Jahre traumatische Erfahrungen – dazu gehören bereits Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen genauso wie frühkindliche Krankenhausaufenthalte oder schmerzhafte Erlebnisse –, so bildet sich hierdurch beim Kind eine besonders hohe Sensibilität für potenzielle Gefahrensituationen aus. Gefahren haben deshalb generell in unserer Wahrnehmung einen höheren Stellenwert als gute Nachrichten, weil ein Mensch ohne besondere Positivmeldungen zumindest überleben kann – in Gefahr ist dies rasch fraglich.

 

Meiner Erfahrung nach liegt der Ursprung von Kontrollverlustangst immer in der Kindheit und kann sich völlig unterschiedlich in diversen Schweregraden ausprägen. Auch zieht dieses auf Angst basierende Verhaltensmuster nicht automatisch eine Gier nach Katastrophen nach sich – das Gegenteil kann ebenso eintreten: Der Mensch legt seine „Scheuklappen“ an und hält sich fern von allem, was abenteuerlich, riskant und gefährlich sein kann – nachdem sein unterbewusstes „Radar“ ihn davor gewarnt hat.

Die Erkenntnis, dass ein Kind in den ersten Jahren des Lebens sogar ganz besonders anfällig für Traumatisierungen ist, steht konträr zu der leider weit verbreiteten Ansicht des Schweizer Philosophen Johann Georg Sulzer (1720 – 1779), welcher im Jahre 1748 schrieb: „Diese ersten Jahre haben unter anderem auch den Vorteil, dass man da Gewalt und Zwang brauchen kann. Die Kinder vergessen mit den Jahren alles, was ihnen in der ersten Kindheit begegnet ist. Kann man da den Kindern den Willen nehmen, so erinnern sie sich hiernach niemals mehr, dass sie einen Willen gehabt haben.“[6] Es steht zu befürchten, dass es aufgrund der „Systemträgheit“ noch eine ganze Reihe von Jahren dauern wird, bis dieser verheerende Irrtum endgültig aus den Köpfen der Menschen getilgt ist. Bis dahin werden wohl noch Millionen von Kindern unwissentlich traumatisiert.

Ein Erlebnis, welches den gleichen Kriterien entspricht wie die allererste erlebte Erschütterung der Sicherheit, das Urtrauma, kann übrigens ein solches verschüttetes Trauma „antriggern“, also wachrufen und damit das seit Jahren angelegte Angstmuster zur Ausprägung bringen. Daher fürchten sich Kinder oftmals in Situationen, in denen wir Erwachsene keinerlei Gefahrenanzeichen wahrnehmen können. Enge Fahrstühle erinnern an Geburtskomplikationen, Spritzennadeln rufen dieselben Gefühle wie bei der ersten Blutentnahme wenige Minuten nach Geburt wach; hohe Brücken und Schwimmbadsprungtürme triggern das Gefühl an, welches ein Baby hat, wenn es von einem fremden Menschen an den Füßen hochgehalten und ihm auf den Po geschlagen wird, nur damit es seinen ersten Atemzug macht. Man kann sich diesen Zusammenhang auch umgekehrt vorstellen: Jemand, der nicht weiß, was das rote Licht einer Ampel bedeutet, wird sich wundern, dass alle anderen davor stehen bleiben.

Und damit sind wir im Bereich der Verknüpfungen oder auch Konditionierungen.

Was eine Konditionierung ist, schlagen wir im Internet nach. Da lesen wir beispielsweise etwas umständlich:

„Unter Konditionierung versteht man in der behavioristischen Lernpsychologie das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern (Stimulus-Response). Grundlage dieser Lerntheorien ist die Annahme, innere Vorgänge wie Gefühle und Gedanken niemals wissenschaftlich untersuchen zu können, das so genannte Black-Box-Modell. Man unterscheidet zwei Grundtypen der Konditionierung: die Klassische Konditionierung, die ausgelöstes Verhalten betrifft (der lernende Organismus hat keine Kontrolle über den Reiz oder seine Reaktion), und die Instrumentelle beziehungsweise Operante Konditionierung, die ursprünglich spontanes Verhalten betrifft, das je nach wahrgenommener Konsequenz zielgerichtet wird.“[7]

Ich möchte Ihnen das Prinzip der Konditionierung mit meinen eigenen Worten etwas simpler beschreiben:

Sie nehmen etwas wahr, auf das Sie mit einem bestimmten Gefühl reagieren (etwa einen kleinen Stromschlag), und zeitgleich etwas Bestimmtes, das Ihnen bislang völlig gleichgültig war (vielleicht das Wort „Zick“). Je öfter das geschieht, desto eher glauben Sie, dass das bislang Gleichgültige Ihr Gefühl erzeugte: Das heißt, Sie zucken zusammen, wenn Sie nur das Wort „Zick“ hören. Durch das ständige Zusammentreffen beider Reize wird die emotionale Bedeutung des ersten einfach auf einen weiteren Reiz ausgeweitet. So kommt es dann, dass Menschen tatsächlich glauben, Zigarettenrauch würde das Ausschütten von Glückshormonen erzeugen, obwohl ihnen jeder Nichtraucher beim Einatmen von Qualm etwas husten würde und somit bestätigt, dass nicht der Qualm glücklich macht. Der Raucher ist darauf konditioniert, dass Rauchen offenbar nur Erwachsenen erlaubt ist und in kleinen Pausen stattfindet: Er fühlt sich, sobald er qualmt, frei von Erwartungsdruck.

Machen Sie die Augen auf: Unser Kopf ist voller Konditionierungen. Beispielsweise bekommen fast alle Menschen einen Adrenalinstoß, wenn man sie anschreit – dabei ist eine laute Stimme keinesfalls bedrohlich, wie jeder, der schon einmal einen Operntenor live singen gehört hat, bestätigen kann. Das eigentlich Bedrohliche an der lauten Stimme haben Menschen oftmals bereits im Mutterleib erfahren. Mütterliche Stresshormone werden zeitgleich mit „angeschrien werden“ ausgestoßen – und das auch nur, weil noch weiter früher bei der Kindeserziehung nicht nur geschrien, sondern auch geschlagen und verletzt wurde.

So differenziert und so nachhaltig können sich Konditionierungen auswirken. Noch ein Beispiel für ein erlerntes Reiz-Reaktions-Paar?

Orale Stimulation und Mutterliebe werden so lange verknüpft, bis das Kind tatsächlich glaubt, ein Schnuller im Mund würde beruhigen, und womöglich bis zum Lebensende das Gefühl hat, bei Einsamkeit oder Hilflosigkeit etwas essen zu müssen – selbst wenn der Körper bereits ein Übergewicht mit sich herumträgt.

Nun wissen Sie, dass Sie im Umgang mit lernfähigen Kindern sehr behutsam sein müssen, da diese nach kurzer Zeit automatisch davon ausgehen, dass A und B zusammengehören. Die Konditionierung ist leider ein unglaublich mächtiger Faktor beim Erlernen von Verhaltensweisen – sie begleiten einen Menschen oftmals bis zum Ende. Daraus resultierende Verhaltensmuster nehmen ihren Ursprung in der Kindheit und werden durch Wiederholung, Bestätigung und tiefe emotionale Eindrücke verstärkt und unterbewusst auf weitere Reize generalisiert. Solche unterbewussten Verknüpfungen lassen sich mittlerweile, dank moderner Coachingtechniken, jedoch gut und schnell wieder auflösen.

Das „Selbstwertcoaching“ (CD 2) aus meinem Coachingprogramm „Power-Box: Entdecke dein Selbst!“ leistet hier eine gute Hilfestellung, um den „obersten Richter im Kopf“, nämlich das personalisierte schlechte Gewissen, zu entdecken und unschädlich zu machen. Außerdem finden sich auf der CD einige anschauliche Beispiele für „Reframing“ – das Verändern von Gefühlen und dem daraus resultierenden Verhalten durch Einnehmen einer anderen Perspektive.

Suggestionen – Trojanische Pferde im Kopf

Leider gibt es noch einen weiteren ernsten Faktor, der Ihrem Kind das Leben schwermachen kann: die Suggestion. Was das ist? Wenn Sie schon einmal einen Bühnenhypnotiseur live erlebt oder im Fernsehen gesehen haben, kennen Sie das. Der Show-Hypnotiseur ist in der Lage, einem Menschen mit gezielten Suggestionen einzureden, er sei nun auf der Bühne ein gackerndes Huhn, das auf sein frisch gelegtes Ei aufpasse, oder ein halb verdurstender Wanderer in der Wüste, der unter der heißen Sonne schwitze. Auch die Suggestion, man könne bestimmte Worte, Zahlen oder seinen eigenen Namen nicht erinnern und zudem nicht von seinem Stuhl aufstehen, sind Klassiker der Unterhaltungshypnose – und sie funktionieren leider am besten bei sehr autoritär erzogenen Menschen, da diese gewohnt sind, ihre Verantwortung an jemand anderen abzugeben. Niemand würde Suggestionen ernsthaft als Bestandteil von Erziehung bezeichnen – und doch sind unsere Köpfe voll mit Suggestionen aus Kindheit und Jugend. Im falschen Moment geäußerte Sätze wie „Du wirst niemals gut in Mathe sein“ oder „Aus dir wird nie etwas, wenn du dich nicht anstrengst“ entpuppen sich leider nur zu oft als Suggestionen, die jahrelang unterbewusst realisiert werden. Jeder, dem das Kind Autorität oder besonderes Vertrauen zuspricht, befindet sich leider auch automatisch in der Gefahr, dem Kind versehentlich dauerhaft etwas einzureden. Vermeiden lassen sich Suggestionen wohl kaum, dennoch können Sie natürlich darauf achten, dass Sie Ihre Befürchtungen und Ermahnungen nicht versehentlich in Stein meißeln. Die Worte „wirst“, „musst“ und „sollst“ setzen den Menschen unter Entscheidungsdruck – er muss somit reagieren, entweder mit Zustimmung oder mit Gegenwehr. Formulierungen wie „könntest“, „wenn du möchtest“ oder „ich bitte dich“ funktionieren meist besser, um jemanden freiwillig zum Handeln zu motivieren. Natürlich ist es schwierig, immer jedes seiner Worte genau zu kontrollieren. Dies ist auch nicht notwendig. Wichtig ist, dass Ihre Aussagen nicht zu dogmatisch sind und Sie dem Kind dabei Wahlmöglichkeiten lassen. Suggestionen sind auf einen emotionalen Gemütszustand angewiesen. Je angespannter oder nervöser ein Mensch ist, desto leichter platziert sich ein solches „Computervirus“ auf der geistigen Festplatte. Die Auswirkungen können bis hin zur völligen Realitätsverkennung reichen. Suggestionen (Einredungen und Befehle) lassen sich zwar ebenso wie Konditionierungen (unterbewusste Symbolverknüpfungen) wieder rückgängig machen, aber dies erfordert gezieltes fachmännisches Vorgehen. Hypnosetherapeuten arbeiten leider oft mit (gut gemeinten) direkten Suggestionen, um einen Menschen vom Rauchen oder von Süßigkeiten abzubringen. Auch hier muss ein Verantwortungsgefälle vorliegen, damit die Suggestionen greifen können – der Patient muss dem Hypnotiseur emotionale Macht über sich einräumen.

Immer wieder gibt es Klienten, die mich darum bitten, ihnen per Suggestion das Rauchen zu verleiden. Einer von ihnen war ein älterer Herr, der allen Ernstes wollte, dass ich ihm per „hypnotischem Befehl“ die Erinnerung daran lösche, dass er je geraucht hatte – sein Verantwortungsgefühl tendierte gegen Null. Es stellte sich heraus, dass er in der Kindheit einen extrem despotischen und rechtskonservativen Vater erlitten und sich diesem leider angepasst hatte. Nun hoffte er, für seinen gesundheitlichen Raubbau durch Kettenrauchen keinerlei Konsequenzen tragen zu müssen. Da ich mir vorbehalte, mit wem ich arbeite und wem ich mit meinem Coaching weiterhelfe, stellte ich meinen Kunden vor die Wahl: Entweder werde er rauchfrei nach meinem Ansatz oder müsse sich einen anderen Coach suchen. Er entschied sich für Letzteres und raucht, soweit ich weiß, heute noch, obwohl er allein durch mein Einführungsgespräch einige Tage lang nur noch zehn – statt vorher dreißig – Zigaretten täglich rauchte.

Ein anderes Beispiel für eine nachhaltig wirksame und leichtfertig ausgesprochene Suggestion erlebte meine Kundin Sibylle. Sie hatte in der Jugend von ihrer Mutter immer zu hören bekommen: „Kind, zieh dir keinen Minirock an, du holst dir sonst eine Blasenerkältung.“ Ob der Hintergrund dieser Warnung echte Gesundheitsbedenken oder eher nur Prüderie waren, sei dahingestellt. Jedenfalls wurde diese absolut unsinnige Aussage zu einer handfesten Suggestion, die ihre Wirkung nie verfehlte: Wann immer Sibylle sich einen Minirock anzog, etwa zum Tanzen in der Disco oder auf Partys, beklagte sie meist schon am Tag darauf einen schmerzhaften Harnwegsinfekt. Medizinisch gesehen entsteht ein solcher Infekt aber nicht durch kurze Röcke, sondern durch Bakterien, die in die Harnwege gelangen und gegen die der Körper keine eigene Abwehr hat. Hat Mutters Ermahnung die körpereigene Abwehr geschwächt? Möglich. Vielleicht hat sich Sibylle aber einfach nur an das gehalten, was Mutter sagte, und Symptome aufgrund einer nicht vorhandenen, aber befürchteten Krankheit entwickelt.

[1]Mystic Medusas Sternenkompass, Goldmann 2008[2]Anfangs- und Enddaten variieren etwas, je nach astrologischer Auffassung.[3]Namen und biografische Angaben sind aus Gründen des Datenschutzes stark verändert.[4]Alfred Adler: „Menschenkenntnis“, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1966[5]www.elternwissen.com/erziehung-entwicklung/erziehung-tipps/art/tipp/keine-geduld-so-lernt-ihr-kind-zu-warten.html[6]J. G. Sulzer: „Versuch von der Erziehung und Unterweisung der Kinder“ (1748)[7]http://de.wikipedia.org/wiki/Konditionierung

 
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