Handbuch des Strafrechts

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bb) Zur Ermöglichung einer anderen Straftat

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Mit „Ermöglichung“ ist ein Zusammenhang zwischen Tötung und Begehung der anderen Straftat gemeint, bei der die Tötung Voraussetzungen schafft, ohne die die Begehung der anderen Tat entweder überhaupt nicht möglich wäre oder durch die die Begehung der anderen Tat erleichtert würde.[213] Handelt es sich bei der anderen Tat um die eines anderen Täters, nimmt der Täter der Tötung eine Gehilfenposition gegenüber dem anderen ein. Da die zu ermöglichende Tat eine „andere“ sein muss, ist das Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Taten von entscheidender Bedeutung. Die Rechtsprechung verfolgt zu diesem Punkt keine klare und einheitliche Linie und versucht mit zum Teil unklaren Kriterien dem Verhältnismäßigkeitsgebot einzelfallbezogen gerecht zu werden. Sicher ist, dass es auf Verschiedenheit der Straftatbestände nicht ankommen kann. Weder ist es schon dann eine andere Tat, wenn durch die Tötung zugleich noch ein anderer Straftatbestand – z.B. § 249 StGB – verwirklicht wird noch ist das Mordmerkmal ausgeschlossen, wenn auch die zu ermöglichende Tat eine vorsätzliche Tötung ist. Entscheidend ist die tatsächliche Trennung der Taten, für die als einziges Rechtssicherheit gewährendes Kriterium die Unterscheidung von Tateinheit (§ 52 StGB) und Tatmehrheit (§ 53 StGB) in Betracht kommt. Fallen Tötung und die zu ermöglichende Tat uno actu zusammen, gibt es im Verhältnis zur Tötung keine andere Tat.[214] In subjektiver Hinsicht bedeutet „Absicht“ dolus directus 1. Grades. Die Ermöglichung der anderen Straftat muss ein Ziel sein, auf dessen Erreichung es dem Täter ankommt. Dies ist jedoch nicht unvereinbar mit bedingtem Tötungsvorsatz, der gemäß § 15 StGB bei § 211 StGB zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes grundsätzlich ausreicht. Sperrt der Täter sein Opfer in einen Raum ein, um es als mögliches Hindernis der geplanten anschließenden Straftatbegehung aus dem Weg zu räumen, begeht er einen versuchten Mord, wenn er den Tod des Opfers für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Verstirbt das Opfer tatsächlich, weil es nicht rechtzeitig befreit wird, ist es ein vollendeter Mord. Die tatsächliche Begehung der durch Tötung ermöglichten Tat erzeugt eine Realkonkurrenz (§ 53 StGB) zweier Straftaten. Daher wird die zweite Tat doppelt zum Nachteil des Täters verwertet, nämlich als Gegenstand des Mordmerkmals „Ermöglichungsabsicht“ und als mit dem Mord realiter konkurrierende Straftat. Im Sanktionsbereich wirkt sich diese Doppelung nicht aus, da die Gesamtstrafe ohnehin lebenslange Freiheitsstrafe ist und die zweite Straftat sich nicht straferhöhend auswirken kann, § 54 Abs. 1 S. 1 StGB. Ist die zweite Tat eine Ordnungswidrigkeit, steht der Täter schlechter: wegen des Mordes wird er mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft, wegen der Ordnungswidrigkeit – die nicht gemäß § 21 OWiG von der Straftat verdrängt wird – kann gegen ihn eine Geldbuße festgesetzt werden.

cc) Zur Verdeckung einer anderen Straftat

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Dieses Mordmerkmal steht in einem nicht unproblematischen Spannungsverhältnis zu dem Selbstbegünstigungsprinzip, dem im Strafrecht grundsätzlich täterprivilegierende Relevanz zukommt.[215] Jedenfalls wenn der Täter eine eigene Straftat verdecken will, geht es ihm darum, durch die Tötung die ihm drohenden strafrechtlichen Konsequenzen der anderen Tat abzuwenden. Er begeht also den Versuch einer Strafvereitelung zu eigenen Gunsten, die den objektiven Tatbestand des § 258 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Letzteres ist Ausfluss des Selbstbegünstigungsprinzips. Beim Verdeckungsmord überwiegt hingegen die besondere Verwerflichkeit und auch Feigheit des Täters, der nicht für seine Verfehlung einstehen will und ein anderes Menschenleben opfert, um sich der Verantwortung zu entziehen:[216] „§ 211 StGB will bestimmte, ob des Beweggrundes, der Ausführungsart oder des Zwecks besonders verwerfliche Fälle der Tötung als Mord geahndet wissen. Als besonders verwerflich sieht das Gesetz auch die Vernichtung eines Menschenlebens zum Zwecke der Verdeckung einer anderen Straftat an (der eigenen des Täters oder einer fremden), weil eine solche Tat im höchsten Maße gewissenlos und verabscheuungswürdig ist.“[217] Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass dies nicht stimmt, jedenfalls trifft das Urteil „verabscheuungswürdig“ nicht in jedem Fall zu. Schon die mangelnde Differenzierung zwischen der Verdeckung einer eigenen Tat und der Verdeckung der Tat eines Dritten[218] hält der Abscheu-Probe nicht stand. Unverhältnismäßig ist die lebenslange Freiheitsstrafe vor allem bei Taten, deren Täter in einem Näheverhältnis zum begünstigten Vortäter steht. Tötet der Vater, um die Straftat seines Sohnes zu verdecken, ist das zweifellos vorwerfbares Tötungsunrecht und deshalb als Totschlag strafbar. Höchststrafwürdig ist diese Tat aber nicht. Daher ist dieses Mordmerkmal im Lichte der absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe neben der Heimtücke den stärksten Bedenken ausgesetzt. Eine restriktive Auslegung ist geboten. Dafür gibt es eine Reihe von Ansätzen, z.B. bei der Bestimmung dessen, was durch die Verdeckung verhindert werden soll. Nach zutreffender Ansicht bedeutet „Verdeckung“ die Verhinderung der Kenntniserlangung anderer von der Straftat oder der Identität des Täters. Relevant sind allerdings nur Kenntniserlangungen, von denen der Täter fürchtet, dass sie Auslöser einer Strafverfolgung sein können. Eine Straftataufdeckung, die der Täter vermeiden will, weil ihn der drohende Verlust gesellschaftlichen Ansehens stört, reicht nicht.[219] Aber auch hier ist zu bedenken, dass Gerichte auf die sonstigen niedrigen Beweggründe zurückgreifen könnten.[220]

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Hochumstritten ist, ob Mord mit Verdeckungsabsicht als unechtes Unterlassungsdelikt begangen werden kann und von welchen Voraussetzungen das abhängt.[221] Der BGH hatte in einer früheren Entscheidung die Verwirklichung dieses Mordmerkmals in einem Fall verneint, in dem der Verursacher eines Verkehrsunfalls sich vom Unfallort entfernt hatte, um auf diese Weise der Strafverfolgung zu entgehen. Das schwer verletzte Unfallopfer, dem gegenüber der Täter aus Ingerenz eine Garantenstellung hatte, verstarb infolge der schweren Verletzungen. Höchstwahrscheinlich wäre der Verletzte auch gestorben, wenn der Täter sich pflichtgemäß sofort um Rettung bemüht hätte.[222] Der Täter hatte es für möglich gehalten, dass unverzügliche Rettungsmaßnahmen lebenserhaltend gewesen wären. Der BGH interpretierte das Mordmerkmal „Verdeckungsabsicht“ so, dass der Tod des Opfers für den Täter das Mittel zur Verdeckung der anderen Straftat sein müsse. Daran fehle es, wenn es dem Täter zur Vermeidung der Tataufdeckung nicht unbedingt auf den Tod des Opfers ankomme, weil dieses keine ihn belastende Beobachtungen hatte machen können: „Er hat demgemäß den als möglich vorausgesehenen Tod des Verunglückten nicht als Mittel zur Verdeckung des Unfalls eingesetzt, sondern nur als Folge der Flucht in Kauf genommen. Solche pflichtwidrige Gleichgültigkeit gegenüber fremdem Leben ist zwar wie jeder Tötungsvorsatz verwerflich; ihr mangelt aber die Kennzeichnung besonderer Verwerflichkeit, die sich im Sinne des Gesetzes dann ergäbe, wenn sich der Täter gerade durch die Vernichtung des Lebens strafrechtlicher Verantwortung hätte entziehen wollen. Der innere Tatbestand des Mordes ist auch deshalb nicht erfüllt, weil der Angeklagte die Hilfeleistung nicht unterlassen hat, um die fahrlässige Tötung zu verdecken. Der Täter, der sich – wie der Angeklagte – bloß vom Tatorte entfernt, verdeckt dadurch noch nicht die Tat. Der Begriff des Verdeckens hat nämlich einen anderen Inhalt als den des Nichtaufdeckens. Zu ihm gehört, wie die Grundbedeutung des Wortes richtig erkennen lässt, ein Zudecken der Tat, also ein Unkenntlichmachen von Tatspuren oder ein Unschädlichmachen von Menschen, die zur Aufdeckung beitragen könnten. Wer die Pflicht zur Abwendung des tödlichen Erfolges seiner eigenen Straftat nur deshalb verabsäumt, um seine Täterschaft nicht selbst aufzudecken, will somit die Tat nicht verdecken, sondern bloß dem Geschehen seinen Lauf lassen. Sein pflichtwidriges Unterlassen, Hilfe zu leisten und damit sich selbst der Strafverfolgung zu überantworten, erreicht nicht den Unrechtsgehalt der besonderen Verwerflichkeit, der den Begehungsformen des Mordes insgesamt eigen ist.“[223]

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Die Entscheidung ist in der Literatur überwiegend auf Ablehnung gestoßen[224] und auch der BGH selbst ist von ihr später abgerückt. Die Verneinung der Verdeckungsabsicht in diesem Fall ist aber richtig, wenngleich dies vom BGH missverständlich begründet worden ist. Der wahre Grund ist, dass der Straftatverdeckungserfolg nach der Vorstellung des Täters nicht auf einer „Tötung“ (durch Unterlassen) beruht.[225] Es fehlt also der Kausalzusammenhang zwischen dem todesverursachenden Verhalten und dem erstrebten Verdeckungserfolg. Im subjektiven Tatbestand genügt dolus eventualis bezüglich der Tötung. Mit dem Erfordernis des dolus directus 1. Grades hinsichtlich des Verdeckungserfolges ist das nicht unvereinbar. Der Täter kann den Verdeckungserfolg unbedingt erstreben und dennoch den Tod des Opfers nur billigend in Kauf nehmen, wenn dieser Erfolg für ihn nicht als unverzichtbare Bedingung der Straftatverdeckung erscheint.[226]

 

h) Unterlassen

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Mord ist ein Erfolgsdelikt und kann deshalb ebenso wie Totschlag als unechtes Unterlassungsdelikt begangen werden.[227] Voraussetzung dafür ist eine Garantenstellung und eine Modalitätenäquivalenz im konkreten Einzelfall („Entsprechung“). Hinsichtlich der Garantenstellung ist auf die allgemeinen dogmatischen Erkenntnisse zu § 13 Abs. 1 StGB zurückzugreifen. Das Bedürfnis nach restriktiver Anwendung des § 13 StGB ist bei § 211 StGB wegen dessen extremer Sanktionsregelung besonders stark.[228] Es kommen alle Arten von Beschützergaranten und Überwachergaranten in Betracht. Schaut der Ehemann (Beschützergarant) untätig zu, wie seine Ehefrau infolge eines Unglücks zu Tode kommt, ist neben der Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen auch Strafbarkeit wegen Mordes durch Unterlassen in Erwägung zu ziehen. Lässt der Halter eines „Kampfhundes“ (Überwachergarant) das Tier ein kleines Kind anfallen und zu Tode beißen, anstatt rettend einzugreifen, gilt dasselbe. Wie beim Begehungsdelikt hängt das Ergebnis letztlich von der Erfüllung eines Mordmerkmals ab. An dieser Stelle ist auf die Entsprechungsklausel des § 13 Abs. 1 StGB einzugehen. Es handelt sich dabei um ein noch recht unerforschtes Gebiet. Hinsichtlich jedes einzelnen Mordmerkmals muss geklärt werden, ob es in Form der Tötung durch Unterlassen erfüllt werden kann.

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Mord durch Unterlassen schließt neben Totschlag durch Unterlassen stets auch Aussetzung (§ 221 StGB) mit ein. Die Variante „Im-Stich-lassen“ (§ 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist ebenfalls ein Unterlassungsdelikt. Den Unterschied zwischen Mord durch Unterlassen und Aussetzung durch Unterlassen (mit Todesfolge, § 221 Abs. 3 StGB) macht der Tötungsvorsatz aus. Ist dieser vorhanden, tritt Aussetzung (mit Todesfolge) hinter Mord durch Unterlassen zurück. Fehlt er, liegt Mord durch Unterlassen nicht vor, strafbar ist der Täter nur wegen Aussetzung (mit Todesfolge).

i) Täterschaft und Tatbeteiligung

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Für die strafbare Beteiligung am Mord gelten die allgemeinen Regeln der §§ 25 ff. StGB. Eine herausragende Bedeutung hat das umstrittene Zusammenspiel der §§ 28, 29 StGB mit den verschiedenen Mordmerkmalen des § 211 Abs. 2 StGB. Alleintäter eines Mordes ist, wer die Tötungshandlung selbst begeht und dabei auch ein Mordmerkmal selbst verwirklicht, § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Mord in mittelbarer Täterschaft (§§ 211, 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) ist die Veranlassung einer Tötung durch einen Menschen, der die Eigenschaften hat, die ihn nach den Regeln über die mittelbare Täterschaft zum „Werkzeug“ oder „Tatmittler“ machen. Wer von den beiden Beteiligten – mittelbarer Täter und Tatmittler – das Mordmerkmal erfüllen muss, hängt von dem konkret erfüllten Mordmerkmal ab. Die Mordmerkmale der 1. und der 3. Gruppe muss der mittelbare Täter selbst erfüllen, die Mordmerkmale der 2. Gruppe kennzeichnen die Art der Tatausführung und sind deshalb mit dem todesursächlichen Handeln des Werkzeugs verknüpft. Allerdings sind die Gesinnungskomponenten „feindselige Willensrichtung“ (Heimtücke) und „rohe, unbarmherzige Gesinnung“ (Grausamkeit) Strafbarkeitsvoraussetzungen, die der mittelbare Täter persönlich erfüllen muss. Die Rolle des „Werkzeugs“ kann ein Totschläger einnehmen, der selbst aus § 212 StGB strafbar ist, aber kein Mordmerkmal erfüllt. Man spricht bei einer solchen Konstellation vom „Täter hinter dem Täter“.[229] Die „Überlegenheit“ des Hintermannes ergibt sich in einem solchen Fall daraus, dass er allein das erhöhte Unrecht des Mordes verwirklicht.[230] Die Konstellation des Zusammenwirkens eines Mörders mit einem Totschläger kann jedoch auch als Mord in Mittäterschaft (§§ 211, 25 Abs. 2 StGB) behandelt werden. Denn selbst die Rechtsprechung hält es für möglich, dass jemand Mittäter eines Mordes ist, obwohl sein Komplize nur den Tatbestand des Totschlags erfüllt. „Mittäter begehen gemeinschaftlich ‚die Straftat‘ (§ 25 Abs. 2 StGB). Hierunter ist nicht ein bloßer einheitlicher geschichtlicher Vorgang, eine Tat im prozessualen Sinne zu verstehen; gemeint ist der Straftatbestand des sachlichen Rechts. Aber Mittäterschaft ist nicht akzessorisch, die rechtliche Beurteilung der einzelnen Tatbeiträge kann auseinanderfallen. Die gemeinsame Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt deshalb nicht notwendig die Verletzung (nur) des gleichen Strafgesetzes voraus. Bei Verletzung unterschiedlicher Strafnormen kann es sich um die gleiche Straftat handeln, wenn von jenen die eine vollständig in der anderen enthalten ist, die Täter insoweit also (auch) gemeinsam einen identischen Straftatbestand verletzen. Wird der von beiden Beteiligten erfüllte Tatbestand bei einem Täter, dem zusätzliche Merkmale zuzurechnen sind, durch einen weitergehenden Tatbestand verdrängt, so bedeutet das nicht, daß auch bezüglich des gemeinsam erfüllten Delikts verschiedene ‚Straftaten‘ begangen worden sind – es handelt sich vielmehr um einen Fall von Gesetzeskonkurrenz. Die in beiden Tatbeständen gleichermaßen enthaltene einheitliche Straftat kann demnach in Mittäterschaft begangen werden. Wenn das Zusammenwirken insoweit auf gegenseitigem Einverständnis beruht, wird bei arbeitsteiliger Tatbegehung ein Mangel im objektiven Tatbestand durch die Zurechnungsnorm des § 25 Abs. 2 StGB ausgefüllt. Jede rechtsverletzende Handlung eines Beteiligten, die über dieses Einverständnis hinausgeht, ist nur diesem (als Einzeltäter) zuzurechnen.“[231]

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Ist an der Tötungstat ein Anstifter oder Gehilfe beteiligt, kommt bei einigen Mordmerkmalen § 28 StGB zur Anwendung. Da die verschiedenen Mordmerkmale in einem unterschiedlich stark ausgeprägten Bezug zur Person des Täters oder zur Ausführung der Tötungstat stehen, erfasst der Anwendungsbereich des § 28 StGB nicht alle Mordmerkmale. Nach h.M. sind „besondere persönliche“ Merkmale i.S.d. § 28 StGB die Mordmerkmale der 1. und der 3. Gruppe.[232] Die Mordmerkmale der 2. Gruppe sind tatbezogen und unterfallen daher dem § 28 StGB nicht.[233] Verwirklicht der Täter das Mordmerkmal „heimtückisch“, „grausam“ oder „mit gemeingefährlichem Mittel“, ist auch der Anstifter oder Gehilfe aus § 211 StGB strafbar, sofern sein Vorsatz die Mordmerkmalserfüllung durch den Täter umfasst.[234] Kompliziert ist die Rechtslage, wenn der Teilnehmer von der Erfüllung des tatbezogenen Mordmerkmals durch den Täter keine Kenntnis hat, aber selbst ein personenbezogenes Mordmerkmal erfüllt (dazu unten). Bei den personbezogenen Mordmerkmalen kommt dem Anstifter und Gehilfen § 28 StGB zugute, wenn er ein solches Mordmerkmal nicht persönlich erfüllt. Immer noch ist zwischen Rechtsprechung und Lehre streitig, ob § 28 Abs. 1 oder § 28 Abs. 2 StGB die richtige Norm ist. Der Bundesgerichtshof steht auf dem Standpunkt, dass Mord und Totschlag zwei eigenständige Tatbestände seien, die von der Dogmatik nicht in eine Grundtatbestands-Qualifikations-Beziehung gedrängt werden könnten.[235] Konsequenz dieser Sichtweise ist die Einschlägigkeit des § 28 Abs. 1 StGB. In der Literatur herrscht demgegenüber schon lange die Auffassung vor, dass Totschlag der Tötungsgrundtatbestand sei, auf dem Mord als Qualifikation aufbaue.[236] Daraus folgt, dass Mordmerkmale die Strafbarkeit nicht begründen, sondern schärfen und somit § 28 Abs. 2 StGB anzuwenden sei.[237]

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Im Einzelnen sind folgende Kombinationen zu unterscheiden:[238] (1) Der Täter verwirklicht ein personenbezogenes Mordmerkmal (z.B. Habgier), der Teilnehmer nicht. Nach der Rechtsprechung ist der Teilnehmer aus § 211 StGB strafbar, wobei gemäß § 28 Abs. 1 StGB seine Strafe zu mildern ist. Die h.M. in der Literatur legt der Bestrafung des Teilnehmers § 212 StGB zugrunde, § 28 Abs. 2 StGB.[239] (2) Der Täter verwirklicht kein Mordmerkmal, der Teilnehmer verwirklicht ein personenbezogenes Mordmerkmal. Nach der Rechtsprechung sind Täter und Teilnehmer aus § 212 StGB zu bestrafen. Die Literatur bestraft den Täter aus § 212 StGB und den Teilnehmer aus § 211 StGB.[240] (3) Der Täter verwirklicht ein tatbezogenes Mordmerkmal, wovon der Teilnehmer keine Kenntnis hat. Der Teilnehmer verwirklicht ein personenbezogenes Mordmerkmal. Die Rechtsprechung kann den Teilnehmer nur aus § 212 StGB bestrafen, obwohl er selbst ein Mordmerkmal verwirklicht. Stellt sich der Teilnehmer irrtümlich vor, der Täter verwirkliche ein personenbezogenes Mordmerkmal, soll nach der Rechtsprechung versuchte Teilnahme (Anstiftung, § 30 Abs. 1 StGB) am Mord gegeben sein.[241] Die Literatur hat wegen § 28 Abs. 2 StGB keine Probleme mit der Strafbarkeit des Teilnehmers aus § 211 StGB. (4) Täter und Teilnehmer verwirklichen unterschiedliche personenbezogene Mordmerkmale. Hier operiert die Rechtsprechung mit der gekünstelten Konstruktion „gekreuzter Mordmerkmale“[242] und vermeidet so die Strafmilderung gemäß § 28 Abs. 1 StGB.[243] Voraussetzung dafür sei aber, dass der Teilnehmer Vorsatz bezüglich des vom Täter verwirklichten – anderen – personenbezogenen Mordmerkmals hat.[244] Bei Fehlen dieser Kenntnis kommt demnach nur Strafbarkeit aus § 212 StGB in Betracht. Das vom Teilnehmer selbst verwirklichte Mordmerkmal könne nur bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.[245] Die Literatur bestraft den Teilnehmer in jedem Fall aus § 211 StGB.[246]

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Die unterschiedliche dogmatische Behandlung der persönlichen Mordmerkmale durch Rechtsprechung und Literatur wirkt sich auch in Fällen des § 30 StGB aus. Nach der Rechtsprechung ist der Versuch einer Anstiftung zu einer Tötung, die nur der Täter aus Habgier begehen soll, versuchte Anstiftung zum Mord, die aus einem Strafrahmen geahndet wird, der wegen § 28 Abs. 1 StGB und § 30 Abs. 1 S. 2 StGB zweimal gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 StGB zu mildern ist: sechs Monate bis elf Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe.[247] Nach der Literatur ist der Anstifter aus §§ 212, 30 Abs. 1 StGB zu bestrafen. Der zugrunde liegende Strafrahmen beruht auf einer einmaligen Milderung gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB und reicht von zwei Jahren bis elf Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe, § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB. Im umgekehrten Fall – nur der Anstifter handelt aus Habgier – kommt die Rechtsprechung zur Strafbarkeit aus §§ 212, 30 Abs. 1 StGB mit einem – gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB einmal gemilderten – Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. Nach der Literatur ist der Anstifter hingegen wegen versuchter Anstiftung zum Mord (§§ 211, 30 Abs. 1 StGB) aus einem – gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB einmal gemilderten – Strafrahmen von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen, § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Den offenkundigen Wertungswiderspruch – bei §§ 212, 30 Abs. 1 StGB höhere Mindeststrafe als bei §§ 211, 30 Abs. 1 StGB – versucht die Rechtsprechung mittels einer „Sperrwirkung“ der Strafrahmenuntergrenze der versuchten Anstiftung zum Totschlag zu verhindern.[248]