Handbuch des Aktienrechts

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1.7.2 Gesetzliches Bezugsrecht

1.7.2.1 Inhalt und Umfang



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Das gesetzliche Bezugsrecht des § 186 Abs. 1 AktG ist das dem Inhaber von Aktien auf Grund des Gesetzes zustehende Recht, Aktien im Falle einer Kapitalerhöhung mittels neuer Anteile originär zu bestimmten Bezugsbedingungen zu erwerben. Das Gesetz garantiert damit jedem Aktionär grds. die Möglichkeit, sich entsprechend des Nennwertes seiner Aktien am bisherigen Grundkapital an der Kapitalerhöhung der AG zu beteiligen. § 186 Abs. 1 AktG bewirkt dabei jedoch nicht, dass der Aktionär aufgrund des Bezugsrechts automatisch Zeichner der neuen Aktien würde. Dies widerspräche dem Grundsatz des § 54 Abs. 1 AktG, wonach kein Aktionär verpflichtet ist, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Eine solche automatische Teilnahme an der Kapitalerhöhung der AG findet lediglich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gem. § 212 AktG statt. Hierbei sind vom Aktionär keine die bereits bestehenden Einlagen übersteigenden notwendigen Leistungen zu erbringen. Es besteht demnach auch keine gesellschaftsrechtliche Pflicht des Aktionärs zur Teilnahme an einer Kapitalerhöhung. Zulässig ist es jedoch, dass die AG eine schuldrechtliche Vereinbarung mit dem Aktionär schließt, in der dieser sich zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet.



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Der Aktionär, der sein Bezugsrecht ausübt und einen wirksamen Zeichnungsschein einreicht, hat gegen die AG einen durchsetzbaren Anspruch auf Abschluss eines Zeichnungsvertrags zu den im Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegten Bedingungen. Das Bezugsrecht gewährt hingegen

keinen Anspruch auf die Zuteilung von Aktien

 zum geringsten Ausgabebetrag oder auf Zuteilung solcher Aktiengattungen, die den bisher von dem Aktionär gehaltenen Aktien entsprechen. Folglich erhalten bei Ausübung ihres Bezugsrechts Inhaber von Stammaktien ggf. stimmrechtslose Vorzugsaktien und umgekehrt. Werden verschiedene Aktiengattungen ausgegeben, so besteht das Bezugsrecht an einem entsprechenden Anteil jeder auszugebenden Aktiengattung, auch wenn bereits mehrere Aktiengattungen bestehen (sog. Mischbezugsrecht). Ein Machtzuwachs von z.B. bisher nicht stimmberechtigten Vorzugsaktionären wird durch einen in der Praxis häufig sogenannten „gekreuzten“ Bezugsrechtsausschluss vermieden, welcher durch die Wahrung der bisherigen Stimmrechts- und Vermögensverhältnisse sachlich gerechtfertigt ist.



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Die in § 186 AktG enthaltenen Regelungen zum Bezugsrecht sind zwingendes Recht und können nicht durch eine anders lautende Satzungsbestimmung geändert werden.



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Auch der

Umfang des gesetzlichen Bezugsrechts

 ist § 186 Abs. 1 AktG zu entnehmen. Danach hat der Aktionär nach Ausübung seines Bezugsrechts einen Anspruch gegen die AG auf Zuteilung so vieler neuer Aktien, wie dies seinem Anteil an dem bisherigen Kapital der Gesellschaft entspricht, d.h. er hat einen Anspruch auf die gleiche prozentuale Beteiligung am Grundkapital der Gesellschaft wie vor der Kapitalerhöhung. Dies folgt bereits aus dem Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG. Es entstehen in der Praxis regelmäßig Bruchteilsrechte, da das Grundkapital nur selten verdoppelt oder im Verhältnis 1:1 erhöht wird. Die Bruchteilsrechte können aber als solche nicht ausgeübt werden. Daher erhält jeder Aktionär zunächst ein nicht ausübbares Recht auf den Bruchteil einer neuen Aktie. In diesem Fall kann der jeweilige Aktionär weitere Bruchteilsrechte im erforderlichen Umfang hinzuerwerben oder aber mit anderen Bruchteilsberechtigten das Recht an einer Aktie gem. § 69 Abs. 1 AktG gemeinsam ausüben. Zudem ist ein teilweiser Bezugsrechtsausschluss zur Vermeidung von Bruchteilen zulässig, vorausgesetzt der Erhöhungsbetrag kann nicht so gewählt werden, dass praktikable Bezugsverhältnisse gegeben sind.






1.7.2.2 Rechtsnatur und Übertragbarkeit



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Ebenso wie der Anspruch auf Gewinnbeteiligung, das Stimmrecht und das Auskunftsrecht gehört das gesetzliche Bezugsrecht zu den allgemeinen Mitgliedschaftsrechten des Aktionärs. Es ist ein nicht abtrennbarer Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts und deshalb nicht selbstständig und isoliert von den dazugehörigen Aktien auf Dritte übertragbar. Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des sogenannten

Bezugsanspruchs

, welchen der Aktionär mit dem wirksamen Kapitalerhöhungsbeschluss erwirbt. Der Bezugsanspruch stellt ein persönliches Forderungsrecht des Aktionärs gegen die AG dar. Der Bezugsanspruch ist damit ein reines Gläubigerrecht, d.h. ein schuldrechtlicher Anspruch des einzelnen Aktionärs gegen die AG auf Abschluss eines förmlichen Zeichnungsvertrages gem. § 185 AktG über neue Aktien gemäß den Bedingungen des Kapitalerhöhungsbeschlusses. Obwohl der Anspruch aus dem allgemeinen Mitgliedschaftsrecht hervorgeht, kann er als selbstständiges Recht auch selbstständig übertragen und vererbt und ebenso gepfändet und verpfändet werden. Der Aktionär kann auf den konkreten Bezugsanspruch daher auch der Gesellschaft gegenüber verzichten. Die Satzung der AG kann die Übertragbarkeit des Bezugsanspruchs nicht ausschließen, sondern höchstens gem. § 68 Abs. 2 AktG beschränken.



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Die Übertragung des Bezugsanspruchs erfolgt gem. §§ 413, 398 ff. BGB. Zumeist wird die AG aber bei der Ausübung des Bezugsrechts verlangen, dass der Bezugsberechtigte ihr seinen Gewinnanteilsschein als Legitimationspapier vorlegt. In diesem Fall ist der Gewinnanteilsschein als echtes Wertpapier anzusehen, weshalb dann die sachenrechtlichen Vorschriften der §§ 929 ff., 935 Abs. 2 BGB zu beachten sind.



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Handelt es sich bei den bisher ausgegebenen Aktien um vinkulierte Namensaktien und sollen auch die neu auszugebenden Aktien vinkulierte Namensaktien sein, bedarf die Übertragung der Bezugsansprüche gem. § 68 Abs. 2 AktG der Zustimmung der AG. Zweck der Vinkulierung ist es, der AG die Möglichkeit zu geben, den zukünftigen Aktionärskreis begrenzt halten zu können. Zwingend ist dies nicht. Die AG hat auch die Möglichkeit, bei der Ausgabe neuer vinkulierter Namensaktien auf diese Mitentscheidung zu verzichten. Dann muss jedoch im Kapitalerhöhungsbeschluss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass für die Bezugsrechte keine Vinkulierung besteht. Für den Fall, dass die bisher ausgegebenen Aktien vinkuliert waren, dies für die neuen Aktien jedoch nicht gelten soll, muss auch dies im Kapitalerhöhungsbeschluss klar und deutlich zum Ausdruck kommen. Die Übertragbarkeit der Bezugsrechte für die neuen Aktien bestimmt sich dann nach den auf die neuen Aktien anwendbaren Regelungen, sodass die Übertragbarkeit nicht der Zustimmung der AG bedarf. Im umgekehrten Fall, d.h. bei bisher bestehenden nicht vinkulierten Aktien und der geplanten Ausgabe von vinkulierten Aktien, erfasst die Vinkulierung im Zweifel auch das Bezugsrecht. Insoweit findet wiederum die Vorschrift des § 68 Abs. 2 AktG Anwendung, und die AG muss bei einer Übertragung des Bezugsanspruchs auf Dritte zustimmen.



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Die Möglichkeit der freien Übertragbarkeit des Bezugsanspruchs ermöglicht einen

Handel mit Bezugsrechten

 am Kapitalmarkt. Für den Fall, dass ein Aktionär – aus welchen Gründen auch immer – von einer Ausübung seiner Bezugsrechte absieht, besteht für ihn die Möglichkeit, für die Verwässerung seiner bisherigen Aktien durch den Verkauf seiner Bezugsansprüche insoweit eine finanzielle Kompensation zu erhalten. Er kann auch nur einen Teil seiner Bezugsansprüche veräußern, um mit den dann vorhandenen finanziellen Mitteln die übrigen Bezugsrechte auszuüben. Bei zum Börsenhandel zugelassenen Altaktien können auch die Bezugsansprüche während der Dauer der Bezugsfrist an der Börse gehandelt werden. Zu Beginn der Bezugsfrist wird das Bezugsrecht rechnerisch von der Aktie getrennt. Beim Kurs der bisher bestehenden Aktie entsteht dann ein Bezugsrechtsabschlag. Der Wert des an der Börse gehandelten Bezugsrechts kann von verschiedenen Faktoren abhängig sein. Dazu zählen u.a. der Emissionspreis der neuen Aktien, der Kurs der alten Aktien und das Bezugsverhältnis, welches aus dem Verhältnis des Kapitalerhöhungsbetrages zur Höhe des bisherigen Gesellschaftskapitals ermittelt wird. Daneben hängt der Wert des gehandelten Bezugsrechts weiterhin von den Faktoren ab, welche den Wert der Aktie der Gesellschaft an der Börse bestimmen. Dazu zählen die generelle Lage des Unternehmens und die Erwartung der Börse an die Gesellschaft sowie die allgemeine Stimmung an den Aktienmärkten. Gleiches gilt für die erwartete Rendite des neuen Kapitals, die Kosten der Aktienausgabe und steuerliche Faktoren.






1.7.2.3 Bezugsberechtigte



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Das gesetzliche Bezugsrecht des § 186 Abs. 1 AktG ist untrennbar mit den mitgliedschaftlichen Rechten des Aktionärs verbunden. Es steht demnach jedem Aktionär der Gesellschaft im Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses zu. Dabei ist es unerheblich, ob verschiedene Aktiengattungen bestehen. Bezugsberechtigt sind Aktionäre aller Aktiengattungen, auch wenn die neuen Aktien nur einer der bisher bereits bestehenden Aktiengattungen angehören. Auch Inhaber von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht gehören zu den Bezugsberechtigten, weil diese gem. § 140 AktG mit Ausnahme des Stimmrechts alle aus der Aktie folgenden Mitgliedschaftsrechte haben. Das Bezugsrecht der Inhaber stimmrechtsloser Vorzugsaktien kann nicht durch die Satzung der AG ausgeschlossen werden.

 



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Sollen im Rahmen der Kapitalerhöhung verschiedene Gattungen neuer Aktien geschaffen werden und sollen Aktionäre, die bisher nur Aktien einer bestimmten Gattung hatten, nur ein Bezugsrecht für neue Aktien dieser Gattung erhalten, so bedarf es hierzu gem. § 186 Abs. 3 und 4 AktG einer besonderen Regelung im Beschluss der HV.



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Da der AG an

eigenen Aktien

 gem. § 71b AktG keine Rechte zustehen, kann sie insoweit auch kein Bezugsrecht aufgrund eigener Aktien haben. Gleiches gilt gem. §§ 71d S. 1, 4, 71b AktG für Aktien, die einem Dritten für Rechnung der Gesellschaft gehören. Es ist daher in den vorgenannten Fällen nicht möglich, das Bezugsrecht auf Dritte zu übertragen. Stattdessen stehen die auf diese Aktien entfallenden Bezugsrechte den übrigen Aktionären entsprechend ihrer Beteiligung verhältnismäßig zu.



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Bei abhängigen oder in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen darf die Untergesellschaft ein Bezugsrecht auf neue Aktien der Obergesellschaft nicht ausüben, da es die Aktien der Obergesellschaft nicht zeichnen darf (§ 56 Abs. 2 AktG). Es besteht für die abhängige oder in Mehrheitsbesitz stehende Gesellschaft jedoch die Möglichkeit, trotz des Zeichnungsverbotes den Bezugsanspruch an Dritte zu veräußern und damit den Wert des Bezugsrechts zu reduzieren.



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Der Nießbrauch an einer Aktie erstreckt sich nicht auf das Bezugsrecht. Wird das Bezugsrecht ausgeübt, muss der Aktionär aber dem Nießbraucher auf dessen Verlangen auch an den neuen Aktien einen Nießbrauch mit einer Quote bestellen, die dem Verhältnis zwischen dem Wert der neuen Aktien und dem Wert des Bezugsrechts entspricht. Wird der Bezugsrechtsanspruch veräußert, so ist der Nießbrauch am Veräußerungserlös zu bestellen.



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Für das Pfandrecht an Aktien gelten die gleichen Grundsätze wie für den Nießbrauch, d.h. das Pfandrecht gibt dem Pfandgläubiger keine Berechtigung zur Ausübung oder Verwertung des Bezugsrechts. Bei Ausübung des Bezugsrechts ist jedoch auch an den neuen Aktien gemäß vorgenannten Grundsätzen ein neues Pfandrecht zu bestellen.



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Anders verhält es sich beim Sicherungseigentum, bei dem der Sicherungseigentümer zugleich auch Bezugsberechtigter ist. Soweit keine abweichenden Sicherungsabreden bestehen, ist der Sicherungseigentümer zur Ausübung des Bezugsrechts befugt und sogar verpflichtet, soweit ihm der Sicherungsgeber die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt. Die neuen Aktien werden dann Treugut. Für den Fall, dass der Sicherungsnehmer vom Sicherungsgeber nicht die für die Ausübung des Bezugsrechts erforderlichen Mittel erhält, hat er ein Wahlrecht, d.h. er kann von einer Ausübung des Bezugsrechts absehen oder zu dessen Ausübung eigene Mittel einsetzen. In letzterem Fall ist der Veräußerungserlös für die neuen Aktien bzw. der Wert der neuen Aktien abzüglich der eingesetzten Mittel mit der gesicherten Forderung zu verrechnen.






1.7.3 Ausübung des Bezugsrechts



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Gem. § 186 Abs. 1 S. 1 AktG ist zur Ausübung des Bezugsrechts durch den Aktionär eine

Bezugserklärung

 erforderlich. Bei der Bezugserklärung handelt es sich um eine empfangsbedürftige, keinen gesetzlichen Formvorschriften unterworfene einseitige Willenserklärung, mit welcher der Bezugsberechtigte sein Bezugsrecht geltend macht und die AG zugleich auffordert, ihm ein Zeichnungsangebot zu machen und ihm die dazu erforderlichen Unterlagen zuzusenden. Die Bezugserklärung ist nicht zu verwechseln mit der Zeichnungserklärung. Der Aktionär erklärt mit der Bezugserklärung lediglich, dass er einen Zeichnungsvertrag abschließen möchte. Eine Verpflichtung, die Aktien tatsächlich auch zu zeichnen, entsteht dadurch noch nicht. Zeichnet der Aktionär jedoch trotz erfolgter Bezugserklärung die Aktien nicht, so kann er sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen.



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Gem. § 186 Abs. 1 S. 2 AktG muss für die Ausübung des Bezugsrechts durch den Vorstand, wenn Satzung und Kapitalerhöhungsbeschluss keine andere Regelung treffen, eine Frist von mindestens zwei Wochen bestimmt werden. Durch die Frist soll die Gesellschaft die Möglichkeit erhalten, sich einen Überblick über die Anzahl der zeichnungswilligen Aktionäre zu verschaffen. Ausübungsfrist und Zeichnungsfrist müssen dabei nicht identisch, die Zeichnungsfrist darf aber nicht kürzer als die Ausübungsfrist sein. Die Frist beginnt frühestens mit der Bekanntmachung nach § 186 Abs. 2 AktG, die AG kann aber einen späteren Fristbeginn festlegen.



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Die Ausübungsfrist des § 186 Abs. 1 S. 2 AktG ist eine Ausschlussfrist. Nach Ablauf der Frist erlischt der Bezugsanspruch. Sofern der Bezugsanspruch erloschen ist, kann der Vorstand nach freiem Ermessen die nicht bezogenen Aktien Dritten, aber auch nochmals den (vormals) bezugsberechtigten Aktionären, zum Bezug anbieten. Letztere haben dann allerdings keine Vorrechte mehr gegenüber weiteren Interessenten.



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Zur Ausübung des Bezugsrechts muss sich der Aktionär gegenüber der AG als Bezugsberechtigter legitimieren. Dies geschieht meist durch die Vorlage eines Gewinnanteilsscheins, welcher bei der Gesellschaft zusammen mit der Bezugserklärung einzureichen ist.






1.7.4 Bekanntmachung



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In den Gesellschaftsblättern (§ 25 AktG) ist durch den Vorstand eine Bezugsaufforderung zu veröffentlichen, welche den Ausgabekurs und die Frist für die Ausübung des Bezugsrechts enthält. Selbiges gilt für eine eventuelle Anordnung, dass die Bezugserklärung nur durch die Vorlage eines förmlichen Zeichnungsscheins ausgeübt werden kann. Die Pflicht zur Veröffentlichung bezieht sich nur auf den Ausgabebetrag von Aktien, für die ein Bezugsrecht besteht. Vorgenannte Veröffentlichungspflichten sind in ihrer isolierten Form jedoch für die Aktionäre allein unverständlich. Deshalb muss die Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern zusätzlich mindestens die Tatsache enthalten, dass es überhaupt einen Kapitalerhöhungsbeschluss gibt. Ebenso sind der Erhöhungsbetrag und das Bezugsverhältnis anzugeben. Aus § 186 Abs. 2 S. 2 AktG ergibt sich, dass die Angabe des Ausgabebetrags zunächst entfallen kann. Dann ist jedoch spätestens drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist der Ausgabebetrag in den Gesellschaftsblättern und über ein elektronisches Informationsmedium bekannt zu machen. Für die Bekanntmachung über ein elektronisches Informationsmedium ist die Verbreitung der Information auf der unternehmenseigenen Internetseite ausreichend.






1.7.5 Mittelbares Bezugsrecht

1.7.5.1 Allgemeines



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Beim

mittelbaren Bezugsrecht

 werden die bei einer Kapitalerhöhung auszugebenden neuen Aktien den bisherigen Aktionären nicht von der Gesellschaft direkt, sondern zumeist von einer Bank oder einem Bankenkonsortium zum Bezug angeboten. Diese Vorgehensweise entsprach schon lange der in der Praxis vorherrschenden Methode zur Durchführung einer Kapitalerhöhung, was der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 186 Abs. 5 AktG, welcher das mittelbare Bezugsrecht regelt, berücksichtigt hat.



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§ 186 Abs. 5 AktG stellt klar, dass der zwischenzeitliche Bezug der Aktien durch eine Bank- oder ein Emissionskonsortium keinen Bezugsrechtsausschluss darstellt, sondern lediglich Teil einer Bankdienstleistung ist. Von einem Bezugsrechtsausschluss könnte man zunächst ausgehen, da § 186 Abs. 1 AktG eigentlich ein direktes Bezugsrecht der Aktionäre statuiert. Die Aktionäre sind jedoch beim mittelbaren Bezugsrecht nicht schlechter gestellt als beim unmittelbaren Bezugsrecht, weil ihnen auch beim mittelbaren Bezugsrecht ein Anspruch auf die Zuteilung neuer Aktien entsprechend ihrem bisherigen Aktienanteil an der Gesellschaft zusteht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass den Aktionären diese neuen Aktien nicht von der Gesellschaft direkt, sondern von der Bank angeboten werden. § 186 Abs. 5 AktG stellt dabei sicher, dass eine Anwendung der Vorschriften zum Bezugsrechtssauschluss gem. § 186 Abs. 3 und 4 AktG nicht erfolgen muss. Die Rechte der Aktionäre werden dabei auch deshalb gewahrt, weil die Emissionsbank bzw. das Konsortiumsmitglied bei der Gewährung der Bezugsrechte der Aufsicht der BaFin unterstehen.



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Für die AG hat das mittelbare Bezugsrecht Vorteile. Nicht nur der Organisationsaufwand ist für die direkte Erfüllung der Bezugsrechte der Altaktionäre erheblich, weil u.a. die Formalien der Zeichnung junger Aktien kompliziert sind. Hinzu kommt die Gefahr, dass die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung nicht rechtzeitig oder, weil der Erhöhungsbetrag nicht voll aufgebracht wird, überhaupt nicht ins Handelsregister eingetragen wird. All diesen Schwierigkeiten kann die AG mit Hilfe des mittelbaren Bezugsrechts und unter Einschaltung einer Emissionsbank entgehen. Die Bank übernimmt zunächst das gesamte aus der Kapitalerhöhung stammende Aktienpaket, sodass für die Gesellschaft die Kapitalerhöhung bereits mit der Übernahme der Aktien durch das Emissionsinstitut durchgeführt und damit erfolgreich ist. Die übernommenen Aktien bietet die Emissionsbank dann den Aktionären entsprechend ihrer bisherigen Beteiligungsquote zum Bezug an. Dabei wird zumeist ein mit der AG zuvor vereinbartes Aufgeld verlangt. Die Bank führt den so erlangten Erlös an die AG ab und erhält für die erbrachte Dienstleistung eine Provision. Fehler bei der Abwicklung lassen die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung unberührt.






1.7.5.2 Voraussetzungen und Durchführung



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Das

mittelbare Bezugsrecht

 ist gem. § 186 Abs. 5 S. 1 AktG in dem Kapitalerhöhungsbeschluss (vgl. Wortlaut des § 186 Abs. 5 S. 1 AktG: „nach dem Beschluss“) festzusetzen. Das reguläre Bezugsrecht wird im Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen, ohne dass dabei die Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 und 4 AktG zu beachten wären. Zuständig für den Beschluss über das mittelbare Bezugsrecht ist weiterhin ausschließlich die HV.



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Der Kapitalerhöhungsbeschluss, in dem das mittelbare Bezugsrecht festgesetzt wird, muss weiterhin festlegen, dass die Bank vom Vorstand der AG verpflichtet werden muss, die neuen Aktien den Aktionären zum Bezug anzubieten. Durch die Verpflichtung der Bank müssen die Aktionäre letztendlich so gestellt werden, als würde ihnen ein unmittelbares Bezugsrecht zustehen. Der Vertrag, den die AG und die Emissionsbank bzw. das Emissionskonsortium abschließen, ist nach allgemeiner Ansicht als echter Vertrag zugunsten der Aktionäre als Dritte i.S.v. § 328 BGB auszugestalten. Der Vertrag zugunsten Dritter muss sich dabei auf alle neuen Aktien beziehen und jedem Aktionär eine Bezugsmöglichkeit verschaffen. Die Weitergabe der Aktien muss unverzüglich erfolgen (§ 186 Abs. 5 AktG).



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§ 186 Abs. 5 AktG macht zum sonstigen Inhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses keine weiteren Vorgaben. Die HV kann in dem Beschluss den Emissionskurs bzw. den Ausgabekurs gegenüber dem Emissionsinstitut und den Bezugskurs für den Bezug der Aktien durch die Aktionäre von der Bank festlegen. Zulässig ist auch, die Kompetenz für diese Festlegungen auf den Vorstand zu übertragen und dabei einen Mindest- und einen Höchstbetrag festzulegen. Der

Bezugskurs

, d.h. der Kurs, zu dem die Aktionäre schließlich die Aktien bei der Bank zeichnen, darf – wenn mit der Bank nicht bereits eine feste Provision vereinbart ist – jedoch nur soweit über dem Emissionskurs liegen, als damit eine angemessene Vergütung für die Dienstleistung der Bank gewährt wird. Dies folgt aus § 186 Abs. 5 AktG, welcher nur der technischen Vereinfachung dient. Wäre die Marge der Bank unangemessen hoch, so würde das mittelbare Bezugsrecht hauptsächlich deren wirtschaftlichen Interessen und nicht mehr denen der AG dienen. Konsequenterweise müsste ein solches Vorgehen als faktischer Bezugsrechtsausschluss angesehen und müssten die Vorschriften der §§ 186 Abs. 3 und 4 AktG angewendet werden. Liegt der von den Aktionären zu zahlende Bezugspreis über dem tatsächlichen Wert der Beteiligung und verpflichtet sich die Bank, den Emissionserlös, welcher über ein angemessenes Entgelt hinausgeht, an die AG wieder zurückzuführen, so ist dieses Verfahren zulässig und der zurückgeführte Erlös wie ein sonstiges Aufgeld in die Kapitalrücklage der Gesellschaft einzustellen (§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB).

 



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Soweit die HV keine Festlegung zum Emissions- und Bezugskurs trifft, ist der Vorstand im Rahmen vorgenannter Grenzen zu deren Bestimmung berechtigt.



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Die Abwicklung des mittelbaren Bezugsrechts darf als Emissionsgeschäft i.S.v. § 1 Abs.