Mörderische Eifel

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Landschaftstherapeutischer Park »Römerkessel«

Er ist bislang einzigartig in Europa: Der Landschaftstherapeutische Park »Römerkessel« in Bad Bertrich. Wer Ruhe und Entspannung sucht, ist hier genau richtig. Insgesamt gibt es im Park sieben verschiedene Themengärten (siehe dazu auch »Kann Spuren von Nüssen enthalten«), darunter einen Kräutergarten mit Feng-Shui-Pfad oder der Lavagarten, der an die vulkanische Vergangenheit Bad Bertrichs erinnern soll.

Informationen: www.bad-bertrich.de

Vulkaneifeltherme

2010 wurde dieses moderne Thermalbad in Bad Bertrich eröffnet. Die Innen- und Außenbecken werden von der einzigen Glaubersalztherme Deutschlands gespeist. Aber man kann hier nicht nur im 32°C warmen Wasser schwimmen und entspannen. Zusätzlich gibt es fünf Themensaunen mit unterschiedlichen Aufguss-Programmen und ein Dampfbad.

Informationen: www.vulkaneifel-therme.de

Entspannungscoaches

2009 entstand die Idee zum »Gesundland Vulkan­eifel«. Unter diesem Dach haben sich die Verbandsgemeinden Daun, Manderscheid und Ulmen zusammengetan, um sich gemeinsam als Gesundheitsregion zu präsentieren. Mittlerweile gibt es in der Region sogenannte Entspannungscoaches, die ganz verschiedene Führungen, Wanderungen, Meditationen und Stress-Coaching anbieten. Gesundland Vulkaneifel hat eine ganze Broschüre zusammengestellt, in der die einzelnen Entspannungscoaches, ihre Schwerpunkte, die Themen und die jeweiligen Regionen, in denen diese Angebote stattfinden, vorgestellt werden.

Weitere Informationen: www.gesundland-vulkaneifel.de.

Geologisch-Mineralogische Sammlung

Wer sich für Fossilien interessiert, sollte sich einmal diese Sammlung ansehen. In der Eifel herrschte vor Millionen von Jahren ein feucht-tropisches Klima, kein Wunder, dass man versteinerte Palmen und Korallen gefunden hat. In der Hillesheimer Sammlung werden Mineralien aus Deutschland und verschiedenen anderen Ländern gezeigt, außerdem Fossilien und vulkanische Gesteine.

Die Öffnungszeiten erfährt man unter www.hillesheim.de. Der Eintritt zur Sammlung ist frei.

Der Krammarkt

Bereits im Mittelalter war Hillesheim eine bedeutende Marktstadt. Geschützt von einer Stadtmauer und an zwei wichtigen Handelsrouten gelegen, war die Stadt ein wichtiger Umschlagplatz für Waren und Vieh.

Mitte des 19. Jahrhunderts zählte der Viehmarkt zu den größten Tiermärkten in der Eifel. So wurden beispielsweise im Jahr 1865 insgesamt 11.150 Stück Rindvieh und 9.220 Schweine verkauft.

2003 endete die Geschichte des Hillesheimer Viehmarktes. Geblieben ist der Krammarkt, der immer am ersten und dritten Donnerstag im Monat stattfindet und durch einen sogenannten Frischemarkt erweitert wurde.

Auf der Webseite der Stadt (www.hillesheim.de) gibt es einen Marktkalender, in dem auch alle zusätzlichen Veranstaltungen, wie die Sommerkirmes oder der Herbstmarkt, eingetragen sind.

Stadtmauer mit dem Hexenturm

Wie bedeutend die Stadt im Mittelalter war, belegt auch die hohe Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert. Schließlich war es eine kostspielige Sache, eine so starke Befestigung mit insgesamt zwölf hohen Türmen zu bauen und instand zu halten. Aber der Kurfürst in Trier wollte so seine Ansprüche sichern. Teile der Mauer sind bis heute erhalten geblieben, ein Teil des Wehrgangs wurde restauriert.

Der Hexenturm an der Südwestecke der Stadtmauer erinnert an die Hexenverfolgungen in der Eifel. Ähnlich wie in anderen Städten, wurde dieser Turm wohl als Kerker und Verhörraum genutzt.

Verschiedene Quellen sprechen davon, dass allein in den fünf Jahren zwischen 1587 und 1593 im kurtrierischen Gebiet rund 2000 »Hexen« nach grausamen Gerichtsverfahren und Folter verbrannt worden sind.

Die barocke Orgel der St. Martins Kirche

In den Jahren 1851 und 1852 wurde die Pfarrkirche St. Martin gebaut, und zwar auf und mit den Überresten einer sehr viel älteren Kirche aus dem Jahr 1500.

Das Besondere der St. Martins Kirche aber ist ihre Orgel. Sie stammt aus der Werkstatt der berühmten Orgelbauerfamilie Stumm, die über sieben Generationen hinweg Kirchenorgeln baute. Die Hillesheimer Barockorgel stammt aus dem Jahr 1772. Natürlich kann man die Stumm-Orgel auch heute noch bei Konzerten erleben. Informationen zu den Konzertveranstaltungen gibt es auf der Webseite der Stadt (s.o.).

Der Eiskeller

entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den Buntsandstein wurde ein großes Gewölbe geschlagen, um einen dauerhaft kühlen Platz zur Lagerung von Eisblöcken (daher der Name) und Lebensmitteln zu haben.

Die Eisblöcke wurden in den Wintermonaten aus den zugefrorenen Flüssen und Seen gesägt und im Eiskeller mit Strohschichten bedeckt, um sie so am allzu schnellen Schmelzen zu hindern. Der Hillesheimer Eiskeller diente auch als Lager für Bierfässer. Während der Kriegsjahre nutzten ihn die Einwohner als Schutzraum. Besichtigen kann man ihn heute nicht mehr, aber man darf einen Blick hineinwerfen.

Das deutsche Krimiarchiv

Sollten Sie krimisüchtig sein, ist dieser Ort sicher nichts für Sie – oder vielleicht gerade dann?

Im Dachgeschoss des Kriminalhauses befindet sich das deutsche Krimiarchiv. Mit rund 30.000 Büchern ist es die größte deutschsprachige Krimisammlung. Hier kann man stundenlang stöbern. Leider darf man kein Buch ausleihen, aber es ist erlaubt, in einem der gemütlichen Sessel in aller Ruhe zu schmökern. Neben der riesigen Büchersammlung gibt es noch eine Sonderausstellung mit Agatha-Christie-Büchern und die Sherlock-Holmes-Ausstellung.

Wer schließlich nicht mehr lesen möchte, kann eines von mehr als 70 Krimi-Brettspielen ausprobieren.

Öffnungszeiten und Informationen unter www.kriminalhaus.de.

Das Krimi-Hotel

Wenn Sie einmal im »James-Bond-Zimmer«, der »Arsen & Spitzhäubchen-Suite« oder dem »Die drei ???-Apartment« übernachten wollen, dann sind Sie im ersten Krimihotel Deutschlands richtig.

Im Krimihotel gibt es entsprechend dem jeweiligen Namenspatron individuell eingerichtete Räume. Darüber hinaus bietet das Hotel zahlreiche Veranstaltungen rund um Mord und Totschlag an – Krimi-Diner, Mörderjagd-Wochenenden oder die Organisation von »kriminellen« Weihnachtsfeiern.

Informationen über alle Veranstaltungen und die Zimmerangebote des Hotels findet man im Netz unter www.krimihotel.de.

Café Sherlock

Das Café befindet sich im Erdgeschoss des Kriminalhauses. Das »Sherlock« ist sicher eines der gemütlichsten Cafés in der Eifel, ganz sicher aber das kriminellste. Es gibt kaum Besucher, die nicht beim ersten Mal heimlich den Fotoapparat oder das Handy zücken, um die Einrichtung zu fotografieren. Der Kuchen hier ist hausgemacht, und die angebotenen Kaffeesorten mit klangvollen Namen wie »Schwarzer Tod«, stammen von der Kaffeerösterei in Daun (siehe auch »Mild-würzig oder tödlich scharf«).

Überall an den Wänden hängen liebvoll gerahmte Fotos und Filmplakate, aus den alten Ohrensesseln will man gar nicht wieder aufstehen. In einer Ecke ist sogar ein »Zugabteil« mit holzverkleideten Wänden aufgebaut. Für alle, die wie Sherlock Holmes ein drei-Pfeifen-Problem zu lösen haben, gibt es einen separaten Rauchersalon im ersten Stock.

Eifelkrimi-Wanderweg

Der Eifelkrimi-Wanderweg verbindet elf Krimi-Schauplätze miteinander, wobei er in zwei Routen von 18 bzw. 20 Kilometer Länge aufgeteilt ist. Bei der Tourist-Information kann man eine Begleitbroschüre kaufen, die Hintergrundinformationen zu den Schauplätzen, Übersichtskarten, eine Literaturliste sowie Wegbeschreibungen enthält.

Wer den Wanderweg nicht allein erkunden will, kann sich auch einer der Gruppen anschließen, die von geprüften Gästeführerinnen regelmäßig angeboten werden. Informationen zu den Führungen gibt es in der Tourist-Information oder im Internet unter www.eifelkrimi-wanderweg.de.

Krimi-Radtour

ist eine Rundtour, die von Hillesheim über Kordel, Bernkastel-Kues, Daun und Blankenheim zurück nach Hillesheim führt.

Das ganze Arrangement besteht aus den jeweiligen Tagesetappen und sechs Übernachtungen. Ein Gepäcktransfer sorgt dafür, dass man nicht allzu viel Gewicht auf dem Rad dabei haben muss. Zum Gesamtangebot gehören außerdem Lunchpakete, ein Radatlas, ein Eifelkrimi und ein Überraschungsgeschenk. Informationen und Buchungen unter www.eifel.info.

Tatort-Tour im Krimibus

Die Hillesheimer Tourist-Information organisiert die fast 100 Kilometer lange Rundtour zu den Schauplätzen und markanten Orten aus den Eifelkrimis.

Wer sich also auf die Fährte der Verbrechen machen möchte und endlich die Tatorte kennenlernen will, von denen er bislang nur gelesen hat, der ist bei dieser Bustour richtig.

»Schaurige Überraschungen und viel spannendes Ermittlungswissen erhalten die Gäste unterwegs, und natürlich müssen auch sie ihren kriminalistischen Spürsinn einsetzen«, schreibt der Veranstalter. Das Ganze dauert knapp vier Stunden. Informationen zur Bustour gibt es bei der Hillesheimer Tourist-Information (s.o.) und auf der Webseite www.krimiland-eifel.de.

Manderscheid und das historische Burgenfest

An verschiedenen Stellen habe ich lesen können, dass bereits Ende des 19. Jahrhunderts englische Reisejournalisten das Eifelstädtchen Manderscheid als »Perle der Eifel« bezeichnet haben. Ein Titel, auf dem man in der Stadt, die bereits im Jahr 973 erstmals urkundlich erwähnt wird, zu Recht stolz ist.

 

Warum ich Manderscheid für eine meiner Geschichten ausgewählt habe?

Dafür gab es gleich zwei Gründe: zum einen wollte ich gerne eine Geschichte schreiben, in der ein Mittelaltermarkt samt Turnier eine Rolle spielt. Zum anderen liegt das Kloster Himmerod nur wenige Kilometer von der Stadt entfernt.

Bei der Recherche zu einem meiner historischen Krimis durfte ich die Abtei näher kennenlernen. Pater Ignatius nahm sich damals die Zeit und erzählte mir viel über die Geschichte des Klosters im Salmtal. Als ich dann Orte suchte, in denen historische Feste organisiert werden, stieß ich auf Manderscheid.

Gleich zwei bedeutende Burganlagen bilden die Kulisse für das historische Burgenfest, das jedes Jahr rund 15.000 Besucher anzieht. Durch meine historischen Romane habe ich in den letzten Jahren viele Mittelaltermärkte kennengelernt. Auf solchen Märkten herrscht immer eine ganz eigene herzliche Atmosphäre, das historische Burgenfest in Manderscheid macht da keine Ausnahme. Hier kommen Spielleute, Handwerker, Geschichtenerzähler und Puppenspieler an einem Wochenende im August zusammen, und natürlich dürfen auch Ritter und Turnierkämpfer nicht fehlen. Ich wollte in meiner Geschichte aber keinem etwas Böses unterstellen, und deshalb habe ich meinen Krimi nicht auf dem realen Burgenfest, sondern auf einer ausgedachten Veranstaltung spielen lassen.

Natürlich haben Manderscheid und sein Umland noch mehr zu bieten als nur ein Ritterfest und die Abtei Himmerod. So gibt es in der Stadt zum Beispiel seit 1999 das Maarmuseum, in dem wissenschaftliche Fakten rund um die Eifel-Maare anschaulich erklärt werden. Und das ist nur ein Beispiel, für all das, was man entlang des kleinen Flüsschens Lieser als Besucher im sogenannten Manderscheider Burgenland erleben kann.

Weitere Informationen finden Sie im Netz unter:

Tourist-Information Manderscheid

Grafenstraße 23

54531 Manderscheid

Tel.: 06572-932665

www.manderscheid.de

Spectaculum oder: Wer einmal lügt …

Es war heiß unter dem Helm, heiß und stickig. Der Schweiß lief ihm in den Nacken. Ein Rinnsal suchte sich seinen Weg den Rücken herunter. Kein schönes Gefühl.

Warum musste es gerade heute so warm sein?

Selbst hier im Westerwald waren die Temperaturen auf fast 30 Grad geklettert. Eine ganz andere Frage war, warum der Veranstalter ausgerechnet in der Mittagszeit den Höhepunkt des Turniers ansetzen musste. Warum fand jetzt, wo jeder mit ein bisschen Verstand im Schatten Abkühlung suchte, der Finalkampf Mann gegen Mann statt?

Die Kappe aus grobem Wollstoff fing an zu jucken. Das Leinenhemd unter dem gesteppten Waffenrock und dem Brustharnisch klebte praktisch an seinem Körper.

Die Wiese mit ihren verdorrten braunen Flecken nahm er nur durch eine handbreit große gelochte Visieröffnung im Helm wahr. Toll – alles sah so aus, als würde er durch ein Küchensieb gucken. Was hatte er sich nur bei der Wahl dieses bekloppten Helms gedacht? Der Helm hatte im Laden authentisch und cool ausgesehen.

Cool – bei dem Gedanken musste er selber schon sarkastisch grinsen. Jetzt trug er das ganze Zeug schon seit mehr als vier Stunden. Er hatte die Nase voll von diesem Scheißturnier. Was er wollte, war eine Dusche, Shorts, T-Shirt und ein kaltes Bier – und zwar in der Reihenfolge.

»Stolze Recken, edle Damen, Mägde, Knechte – Volk des Westerwaldes«, die Stimme des Herolds riss ihn aus seinen Gedanken, »mein Name ist Dieter von Greifenklau, und ich habe die Ehre, Euch den letzten Kampf anzukündigen. Lasst mich Euch die mutigen Kämpfer vorstellen. Auf der Seite mit der grünen Fahne steht Bruno von Waldhaus, Ritter des Goldenen Löwen und Sieger des letzten Turniers. Erhebt Eure Stimme, lasst Eurer Begeisterung freien Lauf.«

Aus den Reihen der Zuschauer war vereinzeltes Klatschen zu hören. Was für ein armseliger Haufen, Begeisterung sah weiß Gott anders aus, dachte er grimmig.

»Soll das der ganze Respekt sein, den Ihr den edlen Kämpfern unseres Turniers zollt?«

Zugegeben, dieser Greifenklau machte seine Sache gut, der wusste, was man von ihm erwartete.

»Spendet Beifall. Handgeklapper, ich will Euch johlen und kreischen hören. Nicht ganz so ehrbare Mägde dürfen gern auch Tücher und andere Kleidungsstücke unseren Kämpfern als Treuepfand zu Füßen werfen.«

Das Klatschen wurde deutlich lauter. Immerhin – Greifenklau hatte sein Ziel erreicht.

»So, und nun, wo Ihr Eure Aufgabe kennt, haltet Euch mit Eurer Begeisterung nicht zurück, denn hier, auf der Seite mit der roten Fahne, steht er, der Herausforderer, Wolfgang von Woooolfenstein! Sein Wappentier ist der Heulende Wolf vor einer dreizackigen Krone. Er hat heute bereits acht ehrbare Gegner besiegt. Beifaaalll!«

Er machte zwei Schritte nach vorne, verbeugte sich, so weit es die Metallteile seiner Rüstung zuließen, und reckte dann die Faust mit seinem Schwert in die Luft. Da waren tatsächlich unter den Zuschauern einige ganz hübsche Dinger in engen Miedern und langen Röcken, die ihm belustigt ein paar Kusshände zuwarfen.

He, ihr süßen Schnecken, ich merk mir eure Gesichter. Wenn ich aus dieser Blechbüchse wieder draußen bin, zeig ich euch mal, wo der Frosch die Locken hat, dachte er zufrieden. Er verbeugte sich ein zweites Mal vor den kreischenden Mägden, nur um zu zeigen, dass er sie bemerkt hatte, und wandte sich dann seinem Gegner zu.

Der Herold trat zwischen die beiden Kämpfer. Mit gesenkter Stimme sagte er: »Ihr kennt ja die Regeln. Ein Hieb zählt hier nur als Treffer, wenn er, mit einer scharfen Waffe ausgeführt, eine ernsthafte Verletzung zur Folge gehabt hätte. Passt eure Hiebe der Rüstung eures Gegners an. Auf ungeschützte Körperteile will ich keine Hiebe mit voller Wucht sehen. Und dies ist kein Vollkontakt-Turnier, also denkt daran, es gilt die kleine Trefferzone, damit meine ich Kopf, Oberkörper, Oberarm und Oberschenkel.«

Der Herold streckte beide Arme in die Höhe und rief laut: »Die Recken sind bereit, um den Sieg und die Ehre zu kämpfen. Möge der Bessere gewinnen.«

Na, dann los, dachte Wolfgang von Wolfenstein und fixierte durch das gelochte Visier seinen Gegner, der mit breiten Schritten auf ihn zustapfte. Gedämpft hörte er durch den Helm das Johlen der Menge. Jetzt zählten nur die nächsten Minuten – der Schweiß, die Hitze, die Mädels im Mieder und sogar das kalte Bierchen waren vergessen. Als Bruno von Waldhaus nur noch zwei Schritte entfernt war, nahm Wolfgang die Grundstellung zum Schwertkampf ein. Die Arme gehoben, die Klinge über dem Kopf nach vorne in Richtung Gegner gestreckt, bereit, Brunos ersten Hieb zu parieren. Der kam auch prompt, allerdings anders, als er das erwartet hätte. Bruno schlug einen Bogen, verfehlte ihn um fast einen halben Meter, es war, als hätte der auf einen unsichtbaren zweiten Mann neben ihm eingeschlagen.

»Höh, Bruno«, durch den Helm klang Wolfgangs Stimme dumpf und blechern, »biste besoffen, oder was? Hier steh’ ich.«

Bruno von Waldhaus hob erneut sein Schwert, aber langsam, viel zu langsam. Was soll’s – wenn der so luschig kämpfen will, ist das nicht mein Problem, Wolfgang schlug zu. Bruno machte keine Anstalten sich zu verteidigen. Wolfgangs Klinge traf ihn mit der Breitseite am Oberarm, und ein zweiter Hieb donnerte gegen seinen Helm. Zack, direkt noch ein dritter Treffer auf die andere Seite. Ein vierter Hieb ging ins Leere, denn Bruno von Waldhaus war zu Boden gegangen. Langgestreckt wie eine gefällte Eiche. Ohne sich abzufangen, donnerte er mit voller Wucht auf den ausgedorrten Rasen.

Für einen Moment herrschte auf dem ganzen Turnierplatz atemloses Schweigen, dann johlte die Menge los.

Mit beiden Händen nahm Wolfgang endlich den bekloppten Helm ab und schnappte gierig nach Luft. So konnte er genau sehen, wie plötzlich das Gesicht des Herolds, der neben Bruno am Boden kniete, käsig bleich wurde. Ganz unmittelalterlich schrie der plötzlich: »Ach du Scheiße! Einen Arzt, schnell, wir brauchen einen Arzt.«

Wolfgang von Wolfenstein, mit bürgerlichem Namen Wolfgang Schmertbach, Inhaber des Elektroinstallationsbetriebes Schmertbach, hatte sein erstes Turnier gewonnen. Allerdings hätte er nie damit gerechnet, dass sein Finalgegner bewusstlos mit einem Rettungswagen und Blaulicht ins Krankenhaus geschafft werden müsste. So kräftig waren seine Hiebe schließlich auch nicht gewesen.

Zwei Stunden später, ohne Rüstung und mit einem Krug Bier in der Hand, wollte Wolfgang gerade die Mädels ansteuern, als ihm der Herold die Hand von hinten auf die Schulter legte. »Alles klar, ich hab gerade einen Anruf aus dem Krankenhaus bekommen. Unserem Bruno geht’s schon wieder besser. War wohl ein Kreislaufkollaps.«

Wolfgang nickte: »Da bin ich aber froh.«

»Ich auch, kannste mir glauben. Ein Turnierteilnehmer, der einfach umkippt, begeistert zwar das Publikum, aber für mich als Veranstalter ist das versicherungstechnisch immer ’ne heikle Sache.«

»Ach, du hast das hier alles organisiert?«

»Ja, die Mittelalter-Spektakel & Turnier GmbH gehört mir. Hab die MS&T im letzten Jahr gegründet. Ich bin der Dieter und würde mich mal gern in Ruhe mit dir unterhalten. Ich hätte da nämlich einen Vorschlag …«

*

Ein Jahr später

»Wolfgang Schmertbach, alias Wolfgang von Wolfenstein ist bei den Events der MS&T dick im Geschäft. Allerdings gab es bislang noch keinen weiteren Gegner mit einem Kreislauf-Kollaps. Was mich ehrlich wundert. Die lassen sich mitten im Hochsommer die Sonne auf ihre Blechhelme knallen und vergessen dabei zu trinken. Wahrscheinlich, weil die Blase sonst drückt und es ein elendiges Gefummel ist, bis man mal die Rüstung abgelegt hat und pinkeln gehen kann. Dass da nicht mehr umkippen …«

Carsten Weller schaute kurz zu seinem Kollegen auf dem Beifahrersitz hinüber, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte und beschleunigte. Sven Drohmke war ungefähr in seinem Alter, Anfang 30, und sie arbeiteten jetzt schon seit mehr als zwei Jahren zusammen.

»Und was haben wir damit zu tun? Gab es Haftungsansprüche?«

»Nee«, Carsten schüttelte den Kopf, »Dieter zu Greifenklau, bürgerlicher Name Dieter Feldkirch, hat zwar bei uns diverse Versicherungen, aber der unglückliche Ausgang des Turniers im Westerwald blieb für ihn ohne Folgen.«

»Ja, aber dann verstehe ich nicht, warum wir ins Spiel kommen?«

Bevor Carsten antwortete, schaltete er gekonnt zwei Gänge runter und nahm die Haarnadelkurven, als gelte es, auf dem Nürburgring Bestzeit zu fahren. Sven Drohmke unterdrückte ein Stöhnen, spürte aber, wie sich die Currywurst-Pommes vom Mittagessen unangenehm bemerkbar machte. Carsten trat wieder aufs Gas, und die Beschleunigung des Audi TT presste Sven in den Ledersitz, er rülpste leise.

»’tschuldigung, Carsten, muss du hier die letzte DTM nachfahren oder geht’s auch ein bisschen langsamer?«

»Was denn? Macht dir das keinen Spaß?«

»Mir schon, aber meinem Magen mit der Currywurst-Pommes nicht. Und wenn du nicht ausprobieren willst, ob deine neuen Ledersitze abwaschbar sind, nimmst du die nächsten Kurven mal weniger schnittig.«

Carsten Weller brummte ein wenig missmutig, nahm aber den Fuß vom Gas und die nächsten Kurven deutlich gefühlvoller.

Sven Drohmke atmete erleichtert auf.

»So, und jetzt noch mal zum Mitschreiben. Dieser Veranstalter von Mittelaltermärkten, dieser Feldkirch, hat bei uns Versicherungen, aber es ist nix passiert. Was sollen wir dann in Manderscheid?«

»Diese Turniergeschichte war im letzten Jahr im Westerwald. Im Herbst wurden ihm dann bei einem Mittelaltermarkt in der Nähe von Karlsruhe drei Stände demoliert. Mitten in der Nacht, natürlich hat keiner was gesehen, da haben wir gezahlt. Und jetzt will er in Manderscheid ein ganz großes Event aufziehen, soll eine Konkurrenzveranstaltung zu dem traditionellen historischen Burgenfest werden, hab ich mir jedenfalls sagen lassen. Vor drei Tagen hat sich Feldkirch bei uns gemeldet und seine Versicherungsprämie noch einmal erhöht.«

»Warum denn das?«

»Er hat aus einer Privatsammlung zwei sogenannte Kugelschnepper als Leihgabe bekommen, die sollen ausgestellt werden.«

»Ach so, ich verstehe. Wir können uns keinen Versicherungsfall im Rahmen eines großen Festes mitten in der Eifel leisten, womöglich noch mit Unbeteiligten als Opfer.« Jetzt wurde Sven Drohmke auch klar, warum er mit seinem Kollegen Weller unterwegs in die Eifel war.

 

»Du sagst es. Und wir sollten sehen, dass wir ankommen, bevor der Trubel losgeht«, bestätigte Carsten, gab wieder Gas und ignorierte das leise Stöhnen, das vom Beifahrersitz kam.

Dieter Feldkirch schaute sich zufrieden um. Das hier war seine Welt. Auf dem Hof standen zwei Sattelschlepper und drei Kastenwagen. Alles war verladen und abfahrbereit: Tribünen, zwei Tavernen, eine Wildschweinbraterei, die sogenannte Schatzkammer, Verkaufsbuden, Zelte für die Turnierkämpfer. Er würde nicht zulassen, dass etwas schief ging. Manderscheid würde sein Durchbruch sein. Die MS&T würde in den kommenden Jahren den Markt für Mittelalter-Events aufmischen, da konnten die anderen alle einpacken. Was ihm noch fehlte, war das nötige Startkapital, aber auch dafür hatte er eine Lösung gefunden. Ein Dieter Feldkirch fand immer eine Lösung, und als Dieter von Greifenklau würde er in die Annalen der Mittelaltermärkte eingehen, so viel stand fest.

»He Chef, sollen wir jetzt los?«, rief einer der Fahrer. Dieter schaute sich ein letztes Mal prüfend auf dem Hof um, dann nickte er und winkte zustimmend, bevor er selber in sein großes Wohnmobil einstieg. Zahllose Ritterfans lagerten ja gern in Zelten, aber so weit ging seine Begeisterung nicht. Auf dem Turnierplatz versicherte er jedem, wie sehr er ein authentisches Ambiente schätzte, aber nach Feierabend wollte er sein kaltes Bier, einen scharfen Porno zum Entspannen und sein geliebtes Wasserbett.

Er hatte schon Oktoberfeste im Ruhrgebiet, Damen-Schlammcatchen in Ostdeutschland und Schlagerfestivals an der Ostsee organisiert, aber mit Mittelalter war das große Geld zu holen. Und das würde er sich nicht entgehen lassen.

Als Carsten endlich bremste und den Motor ausstellte, sprach Sven ein stummes Dankgebet und nahm sich fest vor, darauf zu bestehen, bei der Rückfahrt am Steuer zu sitzen.

Carsten schien von der Erleichterung und der grünlichen Gesichtsfarbe seines Kollegen nichts zu bemerken. Er stieg aus und schaute sich um. »Na, das ist aber doch wirklich eine hübsche Gegend. Kein Wunder, dass der Feldkirch hier sein Mittelalterspektakel aufziehen will.«

Vor ihnen lag eine große Wiese, und im Hintergrund erhoben sich die Überreste von gleich zwei Burgen.

»Das da hinten ist die Oberburg«, Sven deutete auf eine höher gelegene Ruine samt Bergfried, »die gehörte dem Kurfürsten in Trier, und da drüben die tiefer liegende Ruine und die ganzen Mauern, die du da siehst, das ist die Niederburg der Grafen zu Manderscheid. War nicht immer so friedlich hier, die haben sich ganz schön oft in die Haare gekriegt, und getrennt werden die Burgen ja nur von der Lieser, die dort fließt.«

»Mensch Sven, ich wusste ja gar nicht, dass du dich so für Geschichte interessierst«, staunte Carsten.

Sven zuckte mit den Schultern. »Nee, ich habe nur mit meinen Eltern hier in der Eifel früher Urlaub gemacht, und vor unserer Abfahrt habe ich gegoogelt, was es noch gibt. Als 14-Jährigem gefallen dir natürlich die Burgen. Im Heimatmuseum gibt es sogar ein Großmodell von ihnen, das fand ich spannender als die ausgestellte Eifeler Bauernküche. Mein Vater ist Oberstudienrat – Erdkunde und Chemie. Der interessierte sich nur für die Vulkane und die Geologie. Wir haben Stunden im Maarmuseum verbracht, das war damals ganz neu. Ich glaube, das versteinerte Urpferdchen hätte mein Vater am liebsten mit nach Hause genommen. Ich hab gelesen, dass es jetzt sogar eine private Stein- und Fossiliensammlung gibt. Da hättest du meinen alten Herrn wahrscheinlich mit Gewalt raustragen müssen.«

Carsten sah den gequälten Gesichtsausdruck seines Kollegen und fing an zu lachen. »Schau mal, es hat dir nicht geschadet, und es ist sogar noch was Anständiges aus dir geworden. Ich war mit meiner Frau und der Kleinen nur einmal für ein Wochenende hier. Und meine beiden Damen wollten nichts anderes sehen als das Puppenmuseum in Laufeld.«

Jetzt musste auch Sven lachen. »Na gut, du hast gewonnen, mein Lieber. Und was machen wir jetzt?«

»Jetzt sehen wir zu, dass wir zwei Zimmer bekommen, und dann statten wir Dieter Feldkirch einen Besuch ab.« Carsten deutete mit der Hand auf zwei Sattelschlepper, die von Gabelstaplern abgeladen wurden. »Ich vermute mal, die bauen gerade auf, da wird der Chef bestimmt nicht weit sein.«

Dieter Feldkirch kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Soso, und Sie beide sind also von der Versicherung?« Er musterte die beiden Männer. Sie waren gut einen Kopf größer als er, wirkten durchtrainiert, entspannt und locker, so als wüssten sie genau, dass sie mit jeder Situation fertig würden. Solche Männer kannte er, die durfte man nicht unterschätzen.

Carsten Weller nickte und deutete auf die Visitenkarten, die er und Sven gerade eben erst überreicht hatten. »Ganz genau, Herr Feldkirch.«

»Sie können natürlich gern bei der Zentrale anrufen und nachfragen«, ergänzte Sven. Er beobachtete, wie es in dem Gesicht des Veranstalters arbeitete. Mit seinem grauen Spitzbart und dem hageren Gesicht könnte Feldkirch gut den Mephisto auf einer Bühne geben, dachte Sven.

»Nein, nein«, winkte Feldkirch ab, »ich … also, ich meine das ist das erste Mal, dass ein Versicherungsvertreter vor Ort auftaucht.«

»Herr Feldkirch, wir sind nicht im Verkauf. Wir gehören zu den Ermittlern. Glauben Sie mir, wir haben nichts mit Neuverträgen zu tun. Wir kommen bei einem auftretenden Versicherungsfall ins Spiel oder wie jetzt, wenn ein Vertrag mit einer größeren Summe abgeschlossen wurde. Da überzeugen wir uns gern selber davon, dass alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.« Carsten lächelte, aber Sven war der drohende Unterton in der Stimme seines Kollegen nicht entgangen. Ihrem Gegenüber offenbar auch nicht, denn Dieter Feldkirch zuckte kurz zusammen, bevor er wieder lächelte. »Natürlich, das kann ich gut verstehen. Kommen Sie doch bitte mit, dann zeige ich Ihnen alles.«

Während um sie herum zahllose Helfer Verkaufsstände zusammenschraubten und Zelte errichteten, lief Feldkirch zielstrebig auf ein bereits aufgebautes Holzgebäude zu.

Das Ganze sah aus wie eine kleine Kapelle mit schmalen Bogenfenstern, in denen Butzenscheiben eingesetzt waren.

»Darf ich vorstellen: unser Glanzstück. Die Schatzkammer, hier präsentiere ich bei jedem Event kleine Kostbarkeiten. Zuerst sollte alles wie der Teil einer Burg aussehen, aber ich wollte mich nicht nur mit einem ›Teil‹ zufrieden geben. Deshalb die Burgkapelle, übrigens ein eigener Entwurf. Zuerst wird aus Stahlplatten der Innenraum zusammengeschraubt, dann kommt die Holzverkleidung außen und innen davor. Alles soll ja authentisch wirken.« Feldkirch zwinkerte den beiden Ermittlern verschwörerisch zu. »Hinter den Butzenscheiben ist Panzerglas, die Tür hier«, Feldkirch schlug mit der flachen Hand gegen eine Eichentür, die mit Eisennägeln und breiten schmiedeeisernen Bändern versehen war, »hat ebenfalls einen Stahlkern, das Eichenholz ist nur vier Millimeter stark. Hier gibt es eine elektronische Schließanlage, Bewegungsmelder und einen Feueralarm.«

Als sie eintraten, staunten Carsten und Sven über den Innenraum. Es roch sogar nach altem Holz, sie wären nie auf die Idee gekommen, dass sie sich gerade in einem garagengroßen Tresor aufhielten. Im Innenraum der Kapelle standen kleine Bänke, Ritterrüstungen, Waffen und Bilder hingen an den Wänden. Da, wo sonst in einer Kapelle der Altar gestanden hätte, war ein großer Glaskasten aufgebaut worden.

»Hier, meine Herren, sind sie: die Glanzstücke der Sammlung, der ganze Stolz des Dieter von Greifenklau.« Feldkirch verbeugte sich theatralisch. »Zwei Kugelschnepper aus dem späten 15. Jahrhundert, wahrscheinlich gehörten sie dem französischen König Ludwig XI.«

Sven und Carsten traten neugierig näher an den Glaskasten. Vor ihnen lagen zwei merkwürdig geformte Armbrüste.

»Die Kugelschnepper verschossen Eisen- oder Steinkugeln, auf eine Entfernung von zehn Schritten durchschlugen sie sogar noch einen Brustharnisch. Sie bilden sozusagen den Übergang zwischen den traditionellen Armbrüsten und den Schwarzpulverbüchsen. Diese beiden hier besitzen Einlegearbeiten aus Gold. Ich konnte sie für meine Ausstellung nur bekommen, weil der Besitzer ein großer Mittelalterfan ist und möchte, dass mehr Menschen diese wunderbaren Waffen bewundern können.«