Transkulturelle Kommunikation

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Das sich anschließende Kapitel befasst sich mit Regulationen und Infrastrukturen transkultureller Kommunikation. Inwieweit haben politische Agenden die Globalisierung der Medienkommunikation beschleunigt? Wie konnten globalisierte Infrastrukturen der Medienkommunikation entstehen? Für eine Auseinandersetzung damit ist ein vergleichender Blick auf die unterschiedlichen Mediensysteme der Welt von großem Vorteil. Die Beziehung zwischen Fragen transkultureller Kommunikation und Regulation kann aber nicht auf die Frage reduziert werden, wie bestimmte Medienpolitiken die Globalisierung der Medien befördert haben. Umgekehrt ist die Globalisierung der Medienkommunikation selbst für die (Medien-)Politik eine Herausforderung: Früh wurde dies in der medien- und kommunikationspolitischen Diskussion der UNESCO gesehen, wo bereits in den 1970er-Jahren die Forderung nach einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung laut wurde. Aktuell wird dieser Rückbezug an Konzepten einer Global Governance der Medien deutlich – also anhand von Versuchen, »globale Medien« durch selbst-»globalisierte Regulationen« zu steuern.

[16]Das Kapitel, »Medienproduktion und deren transkulturelle Kontexte«, setzt sich mit der Produktion transkultureller Kommunikation auseinander. Behandelt wird im weitesten Sinne, welche Unternehmen Medieninhalte anbieten, die »transkulturell verfügbar« sind und durch welche Produktionskulturen sich diese Medienkonzerne auszeichnen. Diskutiert wird weiter das Entstehen von transkulturellen Formen des Journalismus. Daneben interessieren – spätere Überlegungen im sechsten Kapitel vorbereitend – alternative Formen der transkulturellen Medienproduktion. Zum Schluss widmet sich das dritte Kapitel dem Phänomen globaler Medienstädte als herausragende Lokalitäten einer transkulturell orientierten Medienproduktion.

Von der Medienproduktion weg bewegt sich das darauffolgende Kapitel hin zu den Medienprodukten bzw., um konkreter zu sein, zu transkulturellen Medienrepräsentationen. Dabei beginnt das Kapitel mit dem Bereich, der immer wieder stark die Diskussion um transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet hat, nämlich dem des Films. Dieser wird anhand der Beispiele Hollywood, Bollywood und Nollywood fokussiert. Dann wechselt der Schwerpunkt zu Produktimporten und Formatadaptionen, durch die im fiktionalen Bereich weitere transkulturelle Kommunikationsbeziehungen geschaffen werden. Anschließend wird die Frage diskutiert, inwieweit transkulturelle Nachrichtenartikulationen und damit auch politische Öffentlichkeiten bestehen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Betrachtung von Medienereignissen – vielleicht dem Phänomen auf Repräsentationsebene, das für eine Auseinandersetzung mit Fragen transkultureller Kommunikation die höchste Relevanz hat.

Das folgende Kapitel »Medienaneignung und Transkulturation« beschäftigt sich mit transkultureller Kommunikation aus der Sicht des Medienhandelns von Menschen in deren Alltag. Zuerst wird hier ein Begriff von Medienaneignung als Prozess der kulturellen Lokalisierung erarbeitet. Dieses Verständnis ermöglicht es, die Diskussion um einen »digital divide« in mediatisierten Alltagswelten aus einer anderen Perspektive zu sehen als bisher. Dies führt dann zu sich mit transkultureller Kommunikation verändernden Gemeinschaften und Vergemeinschaftungen, den medienbezogenen Identitäten von Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten und sich hieraus ergebenden Herausforderungen für die (politische) Bürgerschaft.

Den Abschluss des Buchs bildet das Kapitel »Perspektiven transkultureller Kommunikation«. Hier werden die Kernpunkte der vorangegangenen Kapitel aufgegriffen und auf dieser Basis einige Anmerkungen dazu gemacht, welche Perspektiven der transkulturellen Kommunikation bestehen – sowohl im Hinblick auf den Gegenstandsbereich als auch im Hinblick auf die in diesem Buch umrissene wissenschaftliche Zugangsweise.

Verschweigen möchte ich in der Einleitung zu diesem Buch nicht, dass es in einer Haltung geschrieben wurde, die versucht, eine vorschnelle Wertung zu vermeiden. Gleichwohl ist aber allein die Entscheidung dafür, sich mit transkultureller Kommunikation zu beschäftigen, nicht frei von normativen Implikationen. Mir geht es[17] darum, die Möglichkeiten transkultureller Kommunikation auszuloten, weil ich diese für in hohem Maße wichtig halte für menschliche Kooperation in Zeiten fortschreitender Globalisierung. In einem solchen Sinne hat Richard Sennett (2012: x) festgestellt: »Dank moderner Kommunikationsformen haben wir mehr Kanäle zwischen den Menschen, aber verstehen uns immer weniger darin, gut zu kommunizieren.« Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leistet, diese Kommunikation, und damit auch die kulturübergreifende Kooperation, zu verbessern.


[18][19]2Zugänge zu transkultureller Kommunikation

Die Beschäftigung mit Medienkommunikation in ihrem globalen Kontext hat in den letzten Jahren einen Boom erfahren: Immer stärker ist ins Bewusstsein der Kommunikations- und Medienwissenschaft gerückt, dass ein Spezifikum medienvermittelter Kommunikation (kulturelle) Grenzüberschreitungen, aber auch neue Grenzziehungen sind. Mit Etablierung der Satellitenkommunikation, des Internets und zunehmend auch einer globalisierten Mobilkommunikation wurde deutlicher, dass viele Momente des aktuellen Medienwandels nicht an nationalstaatlichen oder nationalkulturellen Grenzen haltmachen, sondern per se grenzüberschreitend sein können. Gleichzeitig sind aber auch vielfältige neue Prozesse der Grenzziehung auszumachen. Während eine sich für globale Fragen interessierende Mediengeschichte zeigt, dass manches der Phänomene bei einem näheren Blick dann doch nicht ganz so neu ist (siehe Briggs/Burke 2009; Bösch 2011), kann man allerdings sagen, dass die fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung der letzten Jahre den Blick der Kommunikations- und Medienforschung für Fragen grenzüberschreitender Kommunikation geschärft hat.

Parallel zu diesem (empirischen) Relevanzgewinn finden wir eine Begriffsverschiebung in den Publikationen. Manche Studien arbeiten bis heute mit den Begriffen der »internationalen Kommunikation«, der »interkulturellen Kommunikation« und der »Entwicklungskommunikation«, betonen aber in jüngerer Zeit die globale Einbettung derselben. »Internationale Kommunikation« (Thussu 2006) legt dabei den Akzent auf eine die Landesgrenzen übergreifende produzierte Medienkommunikation, verbunden mit dem Gedanken, dass (öffentliche) Massenkommunikation primär nationalstaatlich orientiert ist (Esser/Pfetsch 2004). Bei der »interkulturellen Kommunikation« (Jandt 2012) rücken stärker auch Fragen der personalen, wechselseitigen Medienkommunikation in den Blick, und es gibt deutliche Übergangsbereiche zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft auf der einen Seite und Sprach- und Literaturwissenschaften auf der anderen Seite. Die »Entwicklungskommunikation« (McPhail 2009) befasst sich – durchaus getrieben von konkreten Problemen – zuerst mit der Frage, welchen Beitrag die Medien für eine »Modernisierung« (Lerner 1977) der damals sogenannten »Dritten Welt« leisten können, später mit der Nutzung von Medien als »Hilfe zur Selbsthilfe« (Servaes 1999). Letztlich werden Grenzziehungen und Entgrenzungen in all diesen Fällen aber primär national gedacht.

Mit der fortschreitenden Globalisierung und Mediatisierung haben sich dann weitere Begriffe etabliert, insbesondere die der »transnationalen« und »transkulturellen Kommunikation«. Der Begriff der »transnationalen Kommunikation« trägt hierbei nach wie vor den Bezug zu Nationalstaat und Nationalkultur in sich, betont aber das Bestehen von Phänomenen, die weitergehend sind, als dass man sie im »Inter« von Nationen einordnen könnte (siehe bereits Schiller 1979). Der in diesem Buch im [20]Zentrum stehende Begriff der transkulturellen Kommunikation geht noch einen Schritt weiter. Das Kernargument lautet, dass die Etablierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation nicht einfach damit verbunden ist, dass es sich bei ihm um eine weitere Analyseebene vergleichender Kommunikations- und Medienforschung handelt. »Transkulturell« fasst also nicht nur das Interesse für kulturübergreifende Kommunikationsprozesse, wie im Englischen der Ausdruck »cross-cultural« in der Medien- und Kommunikationsforschung (Lewis 1999). Letztlich ist mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation eine grundsätzlichere Umorientierung verbunden. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich in diesem Kapitel in vier Schritten vorgehen. Zuerst werden die drei primären Diskursfelder, auf die sich der Ansatz der transkulturellen Kommunikation bezieht, rekonstruiert: die kommunikativen Folgen der Globalisierung, die Kritik des Postkolonialismus sowie die methodologische Reflexion bestehender vergleichender Forschungsansätze. Dies macht dann viertens – als integrierendes Fazit und Weiterführung der Diskussion zugleich – das Potenzial des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation in einer empirischen Analyse der kommunikativen Figurationen in globalisierten, mediatisierten Welten greifbar.

Damit bei dieser Darstellung keine Missverständnisse entstehen, erscheinen zu Beginn einige Klärungen notwendig. So ist im Weiteren der Begriff des Ansatzes bewusst im Sinne des englischen »approach« gewählt. Dieser Ausdruck soll verdeutlichen, dass es sich bei der transkulturellen Kommunikation nicht um eine geschlossene Theorie handelt (wie beispielsweise die Systemtheorie) oder um eine Schule von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (wie bei der Frankfurter Schule). Vielmehr hat sich um diesen Begriff herum in einem nun mehrere Jahrzehnte anhaltenden wissenschaftlichen Diskurs eine spezifische Zugangsweise auf Fragen der Medienkommunikation etabliert, die in einem offenen Sinne als ein Ansatz greifbar wird. Entsprechend geht es in diesem Kapitel um Zugänge zu transkultureller Kommunikation.

 

Dies erklärt auch, warum im Weiteren dieser Ansatz entlang von drei Diskursfeldern dargestellt wird bzw. wie diese in ihrer Beziehung zueinander zu sehen sind. Letztlich handelt es sich hierbei – und dies begründet ihre Auswahl – um die drei in einer rückblickenden Betrachtung greifbar werdenden primären Bereiche der Diskussion: um grenzüberschreitende und grenzziehende Kommunikation, in denen der Begriff der transkulturellen Kommunikation bzw. der Transkulturation Verbreitung fand und in deren Zusammenkommen sich transkulturelle Kommunikation als ein Ansatz konstituiert hat. Hierbei zeichnet sich jedes der drei Diskursfelder als Zugang zu transkultureller Kommunikation durch eine unterschiedliche Akzentsetzung aus, die gleichwohl eine wichtige Komponente des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation bedeutet: Dies ist die historisierende Zugangsweise im Diskussionsfeld der transkulturellen Kommunikation als Folge einer fortschreitenden Globalisierung der Medienkommunikation. Im Diskursfeld des Postkolonialismus ist dies das kritische Potenzial des Konzepts der Transkulturalität. Und bei der methodischen Diskussion geht es insbesondere um die Reformulierung des Instrumentariums der kulturübergreifenden[21] und kulturvergleichenden Medien- und Kommunikationsforschung. Solche unterschiedlichen Akzentsetzungen machen deutlich, warum es heuristisch sinnvoll ist, diese Diskursfelder voneinander zu unterscheiden. Gleichzeitig wird aber auch greifbar, inwiefern alle drei in einer Betrachtung von transkultureller Kommunikation zusammengehören: Erst die Gesamtheit der Kernaspekte dieser drei Diskursfelder macht den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus.

Wichtig sind im Rahmen einer solchen Argumentation im Vorfeld aber auch je eine kurze Anmerkung zum Kultur- und Kommunikationsbegriff. Der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist in der Folge des von Jan Nederveen Pieterse (1998) so bezeichneten translokalen Kulturbegriffs einzuordnen. Diesen translokalen Kulturbegriff hat Nederveen Pieterse von einem territorialen Kulturbegriff abgegrenzt. Territoriale Konzepte von Kultur sind innenorientiert und endogen, fokussiert auf eine Organität, Authentizität und Identität von Kultur. Es geht also um Vorstellungen von Kultur als einem »funktionalen Organismus« – zumeist als Nationalkultur und bezogen auf nationale Gesellschaften. Translokale Konzepte von Kultur hingegen sind außenorientiert und exogen, fokussiert auf Hybridität, Übersetzung und fortlaufende Identifikation. Das Bild von Kultur ist ein anderes, das stärker deren Prozesshaftigkeit und Unabgeschlossenheit betont. In einem solchen Rahmen bewegt sich der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation. Deshalb wird hier davor gewarnt, den Begriff der Kultur unhinterfragt mit Vorstellungen von Nationalkulturen territorialer Staaten gleichzusetzen. Kultur hat zuerst einmal immer etwas mit alltagsweltlicher Bedeutungsproduktion zu tun. In Anlehnung an den britischen Sozial- und Kulturforscher Stuart Hall (2002) können wir darunter so viel wie die »Summe« der verschiedenen »Klassifikationssysteme« und »diskursiven Formationen« verstehen, auf die sich unsere alltagsweltliche Bedeutungsproduktion bezieht. Klassifikationssysteme sind letztlich Muster des systematischen Zusammenhangs von Zeichen (wobei der Zeichenbegriff hier in einem sehr weiten Sinne verstanden wird, also nicht nur sprachliche Zeichen meint). Diskursive Formationen sind weitergehende, musterhafte Konstellationen des Gebrauchs dieser Zeichen in sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken. Es geht bei Kultur also immer auch um die Praxis, das »Doing« der Bedeutungsproduktion.

In einem solchen Sinne werden im Weiteren Kulturen als Verdichtungsphänomene begriffen (siehe Hepp 2013a: 66–68). Damit ist gemeint, dass die vielen kulturellen Muster, die empirisch auftreten, für unterschiedliche Kulturen charakteristisch bzw. in der einen oder anderen Weise bei verschiedenen Kulturen zu finden sind. Entsprechend gehen Kulturen fließend ineinander über bzw. sind an ihren Rändern unscharf. Trotz solcher Unschärfen wird im Kern der Verdichtung einer Kultur greifbar, was diese charakterisiert, wodurch sie sich von anderen Kulturen unterscheidet. Wenn im Folgenden in diesem Zusammenhang dann nicht nur von Kultur sondern von Medienkultur gesprochen wird, bezeichnet dies all solche Kulturen, deren primäre Bedeutungsressourcen mittels technischer Kommunikationsmedien vermittelt werden und[22] die durch diese Prozesse auf unterschiedliche, je zu bestimmende Weisen »geprägt« werden. Medienkulturen sind also im Sinne unserer eingangs formulierten Definition durch Mediatisierung gekennzeichnete Kulturen. Und mediatisierte Welten sind diejenigen Ausschnitte des Sozialen, in denen sich Medienkulturen in der Alltagspraxis konkretisieren.

Bezogen auf den Begriff der Kommunikation ist zu sagen, dass mit dem Ansatz der transkulturellen Kommunikation ein handlungs- bzw. praxistheoretischer Kommunikationsbegriff verbunden ist. Kommunikation bezeichnet entsprechend jede Form der symbolischen Interaktion, bewusst und geplant wie habitualisiert und situativ vollzogen (Reichertz 2009: 94). Das heißt, dass Kommunikation auf den Gebrauch von Zeichen verweist, die Menschen in ihrer Sozialisation erlernen und die als Symbole meist arbiträr sind, d. h., auf sozialen Regeln beruhen: Es gibt keinen natürlichen Grund, warum der Baum »Baum« heißt. Interaktion bezeichnet das wechselseitig aufeinander bezogene soziale Handeln von Menschen. Gemeint ist damit, dass Menschen aneinander orientiert etwas tun. Kommunikation ist grundlegend für die menschliche Wirklichkeitskonstruktion, d. h., wir »erschaffen« uns unsere soziokulturelle Wirklichkeit in vielfältigen kommunikativen Prozessen. Wir werden in eine Welt geboren, in der vor uns Kommunikation besteht, wir erlernen das, was diese Welt (und ihre Kultur) auszeichnet, in dem (kommunikativen) Prozess des Spracherwerbs, und wenn wir dann in dieser Welt handeln, so ist dies immer auch kommunikatives Handeln.


Folgen der Globalisierung

In einem ersten Diskursstrang kommt der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation als im weitesten Sinne zu verstehende Folge der Globalisierung (von Medienkommunikation) auf. Exemplarisch kann für den deutschen Sprachraum auf die Arbeiten des Soziologen und Kommunikationsforschers Horst Reimann (1992) verwiesen werden. Dieser versuchte, mit transkultureller Kommunikation die Spezifik der zunehmenden globalen Kommunikationsprozesse in einer »Weltöffentlichkeit« nachzuempfinden. Referenzpunkt ist dabei für ihn die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die wegen des zumindest prinzipiell grenzüberschreitenden Charakters heutiger Kommunikation von der Existenz einer Weltgesellschaft ausgeht: Indem »immer weitere Kommunikationsmöglichkeiten […] sich nicht auf regionale Grenzen festlegen lassen« (Luhmann 1997: 150) und die Grenzen einer Gesellschaft in dieser Perspektive durch die Grenzen der anschlussfähigen Kommunikation bestimmt werden, kann von der Existenz einer Weltgesellschaft gesprochen werden. Diese ist durch vielfältige transkulturelle Kommunikationen gekennzeichnet.

Mit ihrem Bezug zu den Cultural Studies und der europäischen Kulturphilosophie theoretisch ganz anders verortet sind die Veröffentlichungen der Kommunikationsund [23]Medienwissenschaftler Kurt Luger und Rudi Renger (1994), die ebenfalls mit dem Konzept der transkulturellen Kommunikation arbeiten (Luger 1994). In ihrer sich stark an den Philosophen Wolfgang Welsch anlehnenden Argumentation werden gleichwohl ebenfalls die Bezüge zur Globalisierungstheorie deutlich. Die Kernüberlegung ist, dass mit der Globalisierung an die Stelle von »Kulturen alten Zuschnitts« – also National- oder Regionalkulturen – diverse (neue) »Lebensformen« (Welsch 1992: 5) getreten sind: u. a. durch Markenkommunikation, globalisierte populäre Medieninhalte oder Werbung-gestützte Lebensstile. Transkulturalität ist dann ein Konzept, um solche Phänomene zu analysieren.

Aber auch im englischsprachigen Raum ist der Begriff des Transkulturellen bereits früh stark mit Fragen der Globalisierung verbunden. Neben Ansätzen einer »transkulturellen Psychologie« (Kiev 1972) stehen hierfür sich auf praktische Fragen des Managements beziehende Publikationen. In diesen wird beispielsweise transkulturelle Kommunikation als Teil einer »transkulturellen Führung« (Simons et al. 1993) behandelt, die in durch Globalisierung gekennzeichneten Unternehmen notwendig wird. Transkulturell wird dabei definiert als »Verankert-Sein in der eigenen Kultur bei gleichzeitigen allgemein-kulturellen wie kultur-spezifischen Fähigkeiten, um effektiv in multikulturellen Umgebungen zu leben, zu interagieren und zu arbeiten« (Simons et al. 1993: 245). Noch deutlicher werden solche Bezüge in kommunikations- und medienwissenschaftlichen Publikationen. So macht der amerikanische Kommunikations- und Medienforscher James Lull – Bezug nehmend auf Néstor García Canclini (1995) – mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation eine Transkulturalisierung aus (Lull 2000: 242). Und auch der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marwan M. Kraidy (2005: 38–44) entwickelt sein Verständnis transkultureller Kommunikation in Auseinandersetzung mit der Globalisierung der Medien.

Textbox 1: Verständnisse von Transkulturalität und Transkulturation

Transkulturalität in philosophischer Perspektive:

»›Transkulturalität‹ will beides anzeigen: dass wir uns heute jenseits der klassischen Kulturverfassung befinden und dass die neuen Kultur- bzw. Lebensformen durch diese alten Formationen wie selbstverständlich hindurchgehen.« (Welsch 1992: 5)

Transkulturalität in anthropologischer Perspektive:

»[…] das Wort Transkulturation beschreibt besser die unterschiedlichen Phasen des Übergangsprozesses von einer Kultur in eine andere, da es nicht lediglich das Erwerben einer anderen Kultur umfasst, was das englische Wort der Akkulturation impliziert; im Gegensatz schließt dieser Prozess notwendigerweise auch den Verlust von oder das Entwurzeln aus einer vorherigen Kultur mit ein, was man als Dekulturation definieren könnte. Zusätzlich trägt Transkulturation die Vorstellung[24] einer sich in der Folge ergebenden Herstellung neuer kultureller Phänomene in sich, die man Neokulturation nennen könnte.« (Ortiz 1970: 102 f.; Herv. i. O.)

Transkulturalität in wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive:

»›Transkulturelle Führung‹ füllt eine Lücke in der Managemententwicklung. Es geht bei ihr darum, wie Vielfalt unsere alltäglichen Handlungen beeinflusst. Es geht um Gespräche, Sitzungen, Unterredungen, das Treffen von Entscheidungen ebenso wie um das Erlangen von Einvernehmen, das Lösen von Streit, angemessenes Training und Leistungseinschätzungen. Das Konzept sagt uns, wie wir mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund umgehen, ob bei der Planung, Arbeit oder dem gemeinsamen Essen.« (Simons et al. 1993: xv)

Transkulturalität in kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive:

»Im Gegensatz zur interkulturellen Kommunikation, die dazu tendiert, Kontakte zwischen Individuen unterschiedlicher, als einzelne Entitäten gedachter Kulturen zu studieren, geht transkulturelle Kommunikation davon aus, dass alle Kulturen grundsätzlich gemischt sind. [Das Konzept] versucht die Tiefe, Reichweite und Ausrichtung verschiedener Ebenen von Hybridität in sozialer – und nicht individueller – Hinsicht zu verstehen. Kritischer Transkulturalismus integriert sowohl diskursive als auch politisch-ökonomische Analysen in die Untersuchung von internationaler Kommunikation und Kultur.« (Kraidy 2005: 149)

Die Etablierung des Begriffs der transkulturellen Kommunikation verweist demnach auf eine spezifische Reflexion von medialer Globalisierung (siehe die Beiträge in Hepp/Löffelholz 2002): Wenn wir von einer Globalisierung der Medienkommunikation ausgehen können, so müssen wir in der Konsequenz anders über grenzüberschreitende Kommunikation nachdenken, als dies mit klassischen Paradigmen der internationalen und interkulturellen Kommunikation der Fall war. An dieser Stelle treffen sich bemerkenswerterweise so unterschiedliche Theorietraditionen wie die der Systemtheorie, der Cultural Studies und der Medienanthropologie.

 

Für ein angemessenes Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation erscheint es hilfreich, sich zuerst einmal die Genese dieses Konzepts zu vergegenwärtigen. So wird hierunter nicht einfach in einer ökonomischen Konzeptionalisierung das Entstehen von global agierenden Medienkonzernen und deren sich steigernde weltweite Macht gefasst. Das Konzept ist ungleich komplexer. Zu sehen ist es erst einmal in der Kritik des Ansatzes des Kulturimperialismus, wonach eine zunehmende weltweite Verbreitung von Medienkommunikation letztlich mit der (kulturellen) Machtausübung einer Nation im Zentrum über eine Nation in der Peripherie gleichzusetzen wäre (Galtung 1972: 35), was gerne als Amerikanisierung gedacht[25] wird. So endet der britische Kultursoziologe John Tomlinson (1991: 175) seine umfassende Darstellung der Entwicklung dieses Ansatzes des Kulturimperialismus mit dem Satz: »Was Imperialismus ersetzt, ist Globalisierung.« Diese zugespitzte Aussage verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt ihrer Äußerung die weltweite grenzüberschreitende Kommunikation ein Maß an Komplexität erreicht hat, mit der diese nicht (mehr) hinreichend mit Vorstellungen national-imperialer Strukturen gefasst werden kann: Das Hollywood-Studio COLUMBIA PICTURES ENTERTAINMENT INC. wurde mit SONY von einem japanischen Unternehmen übernommen, aber auch lateinamerikanische bzw. indische Medienunternehmen begannen in den Westen »zurückzukommunizieren« (siehe überblickend zu dieser Thematik Boyd-Barrett/Thussu 1992; Tomlinson 2002). Das Konzept der Globalisierung der Medienkommunikation versprach eine größere Komplexität der Theoriebildung als das des Kulturimperialismus.

Hiermit fügte sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft in den allgemeinen Diskurs der Sozialwissenschaften ein. Verschiedene sozialwissenschaftliche Theoretiker forderten, den bestehenden sozialwissenschaftlichen Begriffsapparat im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung zu überdenken (siehe beispielsweise Appadurai 1996; Beck 1997; Giddens 1996; Hannerz 1996). Solche Überlegungen aufgreifend argumentiert insbesondere John Tomlinson (1999) dafür, im kulturellen Bereich Globalisierung nicht mit der Homogenisierung einer »globalen Kultur« (Featherstone 1990) gleichzusetzen. Umgekehrt kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass Globalisierung kulturell folgenlos wäre. Globalisierung bezeichnet in einer solchen Perspektive – wie bereits in der Einleitung formuliert – die Zunahme einer »komplexen Konnektivität« nicht nur von Eliten, sondern ebenso auf der Ebene des Alltagslebens einer großen Zahl von Menschen. Diese Konnektivität hat verschiedene Dimensionen. Entsprechend ist es möglich, die Globalisierung der Medienkommunikation als die weltweite Zunahme einer kommunikativen Konnektivität zu begreifen (Hepp 2004: 125–135; siehe auch Hepp et al. 2005). Mit dieser geht als Kulturwandel eine Deterritorialisierung einher, d. h. ein Aufweichen der scheinbar natürlichen Beziehung zwischen Kultur und geografischen bzw. sozialen Territorien (García Canclini 1995: 229). Konkret wird dies an Beispielen von Kulturprodukten wie (Welt-)Musiktiteln, die durch die Konnektivität des Internets an fast allen Orten verfügbar sind, an Fernsehformaten wie »Idol«, die in verschiedensten Ländern Verbreitung finden, an Bollywood-Filmen, die weit über den indischen Kontinent hinaus Zuschauerinnen und Zuschauer haben, oder an Kontakten vieler Reisender und Migrantinnen bzw. Migranten, die sich über Internet und Social Web managen und aufrechterhalten lassen. Dies darf aber nicht zu verkürzenden Vorstellungen verleiten, die Globalisierung der Medienkommunikation mit einer Grenzenlosigkeit derselben gleichsetzen (Hafez 2005). Wir haben es beispielsweise in Bezug auf die arabische Welt mit einer Reterritorialisierung einer panarabischen Öffentlichkeit zu tun. Gleichwohl bedeutet die Globalisierung der Medienkommunikation, dass wir diese[26] nicht in einer rein westlichen Perspektive erfassen können. Ein »De-Westernizing« der Kommunikations- und Medienforschung erscheint notwendig (Curran/Park 2000; Gunaratne 2010; Nyamnjoh 2011; Ray 2012; Thussu 2009). Gemeint ist damit, dass hinterfragt werden sollte, inwieweit die anhand westlicher Medienkulturen und Mediensysteme entwickelten Begrifflichkeiten hinreichend sind, um Medienphänomene in der gesamten Welt zu erfassen.

In einer solchen allgemeinen Diskussion wurde verstärkt der historische Charakter der Globalisierung von Medienkommunikation betont. An dieser Stelle ist auf die Arbeiten des französischen Kommunikations- und Informationswissenschaftlers Armand Mattelart zu verweisen. Dieser verortet die Anfänge der gegenwärtigen »globalen Vernetzung« im Aufbau der ersten Telegrafenleitungen des 19. Jahrhunderts (Mattelart 1999: 15–36). Ebenso zeigt er, dass heutige Vorstellungen der Informationsgesellschaft ihre Wurzeln in Utopien des 17. und 18. Jahrhunderts haben (Mattelart 2003: 9–26). Wir müssen gegenwärtige Schübe der Globalisierung der Medienkommunikation also in ihrem weiteren historischen Kontext sehen, der letztlich auf eine – wenn auch nicht linear – fortschreitende Mediatisierung von Kultur und Gesellschaft verweist (Krotz 2005): Umfassende Kommunikationsbeziehungen zwischen verschiedenen Regionen der Welt bestanden auch früher. Mit der technischen, sich mehr und mehr vervielfältigenden Vermittlung dieser Kommunikationsbeziehungen besteht die Differenz allerdings einerseits in der alltagsweltlichen Reichweite der heutigen kommunikativen Konnektivität. Andererseits besteht die Differenz darin, dass diese kommunikative Konnektivität in Echtzeit möglich ist und so eine umfangreiche medienvermittelte Synchronität gestattet. In einer solchen Einordnung ist die Globalisierung der Medienkommunikation kein vollkommen neues Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts. Allerdings findet in diesem Zeitraum eine umfassende »Radikalisierung« derselben statt: Wir haben es mit einer durch die elektronischen Medien sprunghaft steigenden Zunahme der alltagsweltlichen Relevanz und Synchronität von kommunikativer Konnektivität zu tun.

Insgesamt können wir damit ein ambivalentes Verhältnis zwischen den Konzepten der Globalisierung der Medienkommunikation und dem der transkulturellen Kommunikation ausmachen: So ist die umrissene Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation der weitergehende Horizont eines Diskursstrangs, in dem sich das Konzept der transkulturellen Kommunikation etablierte und zu einem Ansatz entwickelte. Gleichzeitig allerdings versucht Letzterer die Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation fortzuführen und zu konkretisieren. Mit der Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation ist der Versuch verbunden, die in der Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation allgemein konstatierte, zunehmende weltweite kommunikative Konnektivität genauer zu fassen. Wodurch zeichnet sich Medienkommunikation aus, wenn diese kulturübergreifend geschieht? Wie ist transkulturelle Medienkommunikation empirisch adäquat zu beschreiben? Es sind solche, auf eine empirische Kommunikations- und Medienforschung [27] zielende Fragen, die mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation verbunden sind.


Postkoloniale Kritik

Ein zweites Diskursfeld des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist das der postkolonialen Kritik. Wie der Begriff schon verdeutlicht, handelt es sich dabei um ein interdisziplinäres Feld, zu dem neben Arbeiten der Kommunikations- und Medienforschung auch die der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie und literaturwissenschaftliche Untersuchungen gehören. In diesem Feld ist allerdings weniger der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation verbreitet, als der der Transkulturalisierung (engl. »transculturation«) etabliert. Dieser geht insbesondere auf eine Studie des kubanischen Kulturanthropologen Fernando Ortiz aus dem Jahr 1940 zurück. In seiner Untersuchung mit dem englischen Publikationstitel »Cuban Counterpoint« (orig. 1940: »Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar«) befasst sich Ortiz damit, wie das Wechselverhältnis der Produktionskulturen von Tabak und Zucker in Kuba zu verschiedenen neuen Kulturformen beiträgt. In dieser Analyse steht »Zucker« für das mit der Kolonialisierung importierte industrielle System mit Disziplinierung, maschineller Produktion und mechanisierter Zeit. »Tabak« steht für die indigenen Produktionsweisen mit einheimischer Kontrolle des Produktionsprozesses, individueller handwerklicher Kompetenz und jahreszeitlich bestimmten Arbeitsrhythmen (Mackenthun 2011: 134). Das Zusammenkommen dieser beiden Produktionsweisen ist ein komplexer dialektischer Prozess. Um diesen zu fassen, entwickelt Ortiz den Begriff der Transkulturation, den er gegen den der Akkulturation im Sinne des Hineinwachsens in eine Kultur stellt (siehe hierzu das Zitat in der Textbox 1).