Erzählen-AG: 366 Geschichten

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Sechster März

Der meteorologische Frühling hat begonnen. Der kalendarische Frühling beginnt in zwei Wochen. Draußen ist es schon zu sehen. Die Sonne steht wieder früh auf. Für mich ist es noch zu früh.

Schon gegen fünf Uhr dreißig wird es langsam hell. Die Sonne steigt höher und höher. Es fällt Licht in mein Zimmer. Vor dem Licht soll mich eigentlich ein Rollo schützen, doch es ist zu dünn. Licht kommt trotzdem durch. Dazu muss die Sonne noch nicht einmal direkt in mein Zimmer scheinen.

Bedingt durch das dünne Rollo kommt mehr und mehr Licht ins Zimmer hinein. Es wird heller und heller. Meinen Wecker benötige ich heute nicht. Die Sonne weckt mich. Ich bin schon eine halbe Stunde vor meiner Aufstehzeit wach. Ich warte nur noch, bis mein Wecker klingelt. Früher aufstehen, macht für mich keinen Sinn.

Um sieben Uhr ist es soweit. Mein Wecker klingelt und ich stehe auf. Ich ziehe meine Hose an. Dann geht es erst einmal in die Küche. Dort sind Plastikrolläden befestigt. Sie lassen noch mehr Licht hindurch. Licht brauche ich in der Küche um die Uhrzeit nicht mehr anmachen.

In der Küche mache ich mir zunächst Kaffee. Ganz munter bin ich noch nicht. Wahrscheinlich fehlt mir der Schlaf, den die Sonne mir raubte. Ich mache mir auch ein Brötchen. Ich schneide es auf. Beschmiere es mit Butter. Dann kommt Marmelade drauf. Das Brötchen werde ich essen, wenn mein Kaffee auch fertig ist.

Der Kaffee dauert noch einige Minuten. In der Zeit kann ich die Rollos in meinem Zimmer und der Küche aufmachen. Da ich schon in der Küche bin, fange ich mit dem Rollo in der Küche an. Ich lasse die Sonne hinein.

Anschließend gehe ich in mein Zimmer. Ich mache das Rollo hoch. Nun muss die Sonne nicht mehr durchs Rollo und das Fenster in mein Zimmer scheinen. Jetzt reicht das Fenster.

Nachdem das Rollo oben ist, geht es zurück in die Küche. Der Kaffee ist mittlerweile fertig. Das Frühstück kann beginnen.

Ich brauche nicht lange für das Frühstück. Ein Brötchen ist schnell gegessen. Eine Tasse Kaffee ist schnell getrunken. Viel Zeit habe ich sowieso nicht. Es wird bald Zeit, zur Arbeit zu fahren.

Doch bevor es zur Arbeit geht, muss ich mich erst einmal richtig anziehen. Ich hole meine Kleidung für heute und gehe ins Bad. Zuerst dusche ich. Nach dem Duschen schnappe ich mir ein großes Handtuch. Mit dem Handtuch trockne ich mich ab. Dann ziehe ich meine Kleidung an. Zuerst ist meine Boxershort dran. Dann kommen meine Socken. Anschließend ziehe ich meine Hose an.

Dann putze ich mir erst einmal die Zähne. Ich nehme meine Zahnbürste. Ich nehme meine Zahnpastatube. Etwas Zahnpasta kommt auf die Zahnbürste. Dann kommt die Zahnpastatube wieder zurück. Die Zahnbürste halte ich kurz unters Wasser. Dann kann ich mir meine Zähne putzen.

Nach drei Minuten bin ich fertig. Ich spüle den Mund aus. Dann kommt die Zahnbürste zurück. Nun kann ich mein Shirt anziehen. Darüber kommt mein Pullover. Jetzt bin ich fertig. Es kann gleich zur Arbeit gehen.

Bevor es zur Arbeit geht, ziehe ich meine Jacke an. Vor der Tür stehen meine Schuhe. Ich schlüpfe hinein. Anschließend schließe ich die Tür hinter mir. Nun kann ich zur Arbeit gehen.

Siebter März

Die meisten Erwachsenen müssen täglich raus. Sie gehen montags bis freitags arbeiten. Die einen Erwachsenen arbeiten eher am Vormittag und die anderen eher nachmittags. Es gibt natürlich auch Menschen, die in der Nacht arbeiten oder am Wochenende ran müssen.

Die meisten Erwachsenen leben nicht auf der Arbeit. Sie pendeln jeden Tag zwischen Arbeit und Schlafplatz.

Einige Arbeiter fahren mit dem eigenen Auto. Andere Arbeiter werden von fremden Autos mitgenommen. Wieder andere können das Fahrrad nutzen oder zu Fuß gehen. Es gibt aber auch zahlreiche Arbeiter, die den öffentlichen Personennahverkehr nutzen. Für kurze Strecken reicht der Bus oder die Straßenbahn. Für längere Wege bietet sich der Zug an.

Auch ich fahre mit dem Zug. In den winterlichen Monaten nehme ich den Zug um acht Uhr fünfundzwanzig. Dieser Zug wendet in meiner Heimatstadt. Er kommt eigentlich schon um sieben Uhr siebenunddreißig an. Er fährt auf Gleis Eins ein. Knapp zwanzig Minuten später kommt ein anderer Zug auf dem selben Gleis an, der weiterfährt. Für diesen Zug muss mein Zug Platz machen.

Mein Zug fährt auf ein Abstellgleis. Dort wechselt der Lokführer seine Position. Gleich geht es in die andere Richtung. Gleich bedeutet in der Regel, dass der Zug kurz nach acht Uhr sich in Bewegung setzt und wieder auf Gleis Eins einfährt. Das ist heute aber anders.

Der Zug, der nach meinem Zug gegen acht Uhr ankommt, hat Verspätung. Durch eine Signalstörung erreicht der Zug erst um acht Uhr sechzehn den Bahnhof auf Gleis Eins. Der Ein- und Ausstieg dauert. Das liegt auch daran, dass der Zug selbst auch noch eine Störung hat.

Normalerweise sind auf der Strecke Lokomotiven mit fünf Wagen im Einsatz. Das ist auch heute der Fall. Der vorletzte Wagen ist aber verschlossen. Ob es eine Türstörung gibt, die Heizung ausgefallen ist, ich weiß es nicht. Ich sehe nur, dass der vorletzte Wagen dunkel ist und kein Mensch drin sitzt.

Warum ich das sehe? Ich bin meist gegen acht Uhr zehn am Bahnsteig. Zu der Zeit kommt mein Zug an, wenn er nicht sogar schon dasteht.

Durch den verschlossenen Wagen dauert der Ein- und Ausstieg bei dem anderen Zug länger. Um acht Uhr zwanzig ist es soweit. Der Zug setzt sich in Bewegung. Wenn er das Gleis freigemacht hat, kann mein Zug auf Gleis Eins einfahren. So denke ich es zu mindestens.

Es vergehen knapp zwei weitere Minuten. Dann kann ich Lichter sehen. Mein Zug hat sich in Bewegung gesetzt. Nicht einmal eine Minute später kehrt Ernüchterung ein. Es sind nicht die Lichter meines Zuges. Es sind die Lichter einer einzelnen Lok.

Glücklicherweise sehe ich kurz danach weitere Lichter. Dies muss jetzt aber mein Zug sein. Es ist mein Zug, der um acht Uhr vierundzwanzig bereitsteht. Endlich kann ich einsteigen.

Theoretisch wäre es möglich, dass mein Zug um acht Uhr fünfundzwanzig losfährt. Doch das tut er nicht. Als eine Minute später ein IC auf Gleis Zwei einfährt, denke ich mir, wir haben auf diesen Zug gewartet. Kurz nach dem Ankommen des ICs setzt sich mein Zug endlich in Bewegung. Um acht Uhr siebenundzwanzig und ein paar Sekunden geht es los. Die Arbeit werde ich trotz zweiminütiger Verspätung pünktlich erreichen - sofern es keine weitere Störung gibt. Davon gehen wir jetzt aber einmal aus.

Achter März

Es war vor vielen Jahren. Ich war in der neunten Klasse. In Deutsch mussten wir unser erstes Referat halten. Zehn Minuten sollte es lang sein. Über welches Thema wir sprachen, war uns überlassen. Wir konnten über Hinz und Kunz reden. Wir konnten über unser Lieblingsauto reden. Nur eines war nicht erlaubt: Wir durften den Computer nicht nutzen. Wir sollten den Vortrag analog halten.

Bilder waren also erlaubt. Wir mussten diese ausdrucken und an die Tafel heften. Sie am Computer zu zeigen, war nicht erlaubt. Und auch nicht möglich. Im Deutschraum gab es keinen Beamer und nur wegen diesem Referat in den Computerraum umzuziehen, wollte unser Deutschlehrer nicht.

Jeder Schüler wählte sein Thema. Er oder Sie musste das Thema unserem Deutschlehrer nennen. Unser Deutschlehrer wollte nur sicher gehen, dass ein Thema nicht doppelt vorkam. Teamarbeit war nicht erlaubt. Auch keine versteckte.

Ich hatte damals ein Fable für Frankreich. Es war also klar, dass ich darüber ein Referat halten wollte. Ich stellte Frankreich ausführlich vor. Ich nannte die Hauptstadt Paris. Ich stellte einige Sehenswürdigkeiten des Landes vor. Zu den größten davon gab ich noch weitere Informationen. Unter anderem nannte ich den Ort, wo sie zu finden waren.

Eine kleine besondere Randnotiz gab ich zum Eiffelturm. Es war ein beliebtes Fotoobjekt. Ich zeigte vom Eiffelturm auch ein Bild. Es wurde beim Tag aufgenommen. Ich fragte die Klasse, warum ich ihn nicht bei Nacht zeigte. Die Klasse wusste es nicht. Ich klärte sie auf. Der Eiffelturm war bei Nacht urheberrechtlich geschützt. Dabei war es nicht der Eiffelturm an sich, er durfte fotografiert werden, aber nicht die Lichtinstallation. Diese war in der Nacht zu sehen. Private Fotos waren erlaubt, eine Veröffentlichung war aber nicht gestattet. Wer es doch tat, musste mit einer Strafe rechnen.

Natürlich konzentrierte ich mich nicht nur auf die Sehenswürdigkeiten von Frankreich. Auch die politische Ordnung stellte ich vor. Wer das Land führte, wie die einzelnen Departments verteilt waren. Ich ging natürlich auch auf das Wetter und das Klima ein. Ich nannte den größten Berg und zeigte von ihm auch ein Bild.

Ich nannte auch die angrenzenden Länder und Meere. Ich ging ein bisschen auf die Kultur ein. Allzu viel konnte ich nicht sagen. Nicht alles fand Platz in einem Referat, welches eine Länge von zehn Minuten aufweisen sollte.

Ich probte zu Hause meinen Vortrag. Ich kam auf neun bis elf Minuten. Das war in Ordnung. Zu mindestens zu Hause. Im Unterricht kam es dann anders. Ich brauchte keine elf Minuten. Ich brauchte auch keine neun Minuten. Ich war nach sieben Minuten fertig. Dies war viel zu kurz.

Unser Deutschlehrer dachte, ich müsste ziemlich viel sagen, weil ich ziemlich schnell sprach. Als ich aber nach sieben Minuten fertig war, merkte er, dass es nicht so sein konnte. Dies hätte mich fast eine gute Note gekostet. Ich sprach zu schnell, weil ich aufgeregt war. Weil ich zu schnell sprach, war ich zu früh fertig.

Es war nur ein kleiner Fehler, der Folgefehler verursachte. Deswegen sollte ich keine Zwei bekommen. Eine glatte Eins war es aber auch nicht. Ich bekam für meinen Vortrag eine Eins minus. Damit konnte ich leben. Vielleicht bin ich beim nächsten Mal besser. Mehr als Hoffen und meine Aufregung verstecken kann ich nicht, oder?

 

Neunter März

Jeder Mensch, der arbeitet, hat irgendwann Urlaub. Einige Menschen verteilen ihren Urlaub über das ganze Jahr. Sie machen jeweils nur eine Woche Urlaub. Das reicht ihnen. Andere Menschen machen weniger oft Urlaub. Dafür haben sie dann gleich zwei Wochen am Stück Urlaub.

Einige Menschen bleiben im Urlaub zuhause. Andere Menschen fahren fort. Dabei nutzen sie das Auto, einen Bus, den Zug oder ein Flugzeug. Es gibt auch Menschen, die ihren Urlaub auf einem Schiff verbringen.

Egal wohin es geht, der Urlaub muss geplant werden. Die Reise mit dem Auto möchte geplant werden. Es müssen die Unterkünfte gebucht werden. Wenn es eine Busreise werden soll, dann sollte die Busreise gebucht werden. Am ersten Tag der Busreise vor dem Bus zu stehen, wird nicht reichen. Das Busunternehmen möchte schon vorher Geld sehen. Das Busunternehmen muss die Unterkünfte auch erst einmal buchen.

Für Reisen mit dem Zug oder dem Flugzeug, muss erst einmal klar sein, wohin es gehen soll. Wenn das Ziel klar ist, kann der Zug oder das Flugzeug gebucht werden. Die Unterkünfte dürfen aber nicht vergessen werden.

Wenn die Entscheidung gefallen ist, mit dem Schiff zu reisen, dann muss das Ziel ausgesucht werden. Wohin soll es gehen? Soll es nach Amerika gehen? Soll Australien besucht werden. Darf es Asien sein? Soll es eine Schiffsreise rundum Afrika sein? Bleiben wir in Europa?

In Europa gibt es auch mehrere Möglichkeiten. Das Schiff kann das Mittelmeer bereisen. Das Schiff kann entlang der Westküste fahren. Die Ostsee kann vom Schiff aus besichtigt werden. Es kann auch an der norwegischen Küste entlanggehen.

Ich weiß, mit welchem Verkehrsmittel ich in den nächsten Urlaub fahre. Ich werde das Taxi, den Zug und ein Flugzeug nutzen. Mein Ziel wird das Mittelmeer sein. Genauer gesagt werde ich mit dem Taxi zum Bahnhof fahren. Mit dem Zug fahre ich zum Flughafen. Das Flugzeug wird mich nach Barcelona bringen.

In Barcelona wird meine Kreuzfahrt beginnen. Meinen Urlaub werde ich also auf einem Schiff verbringen. Ich muss die Kreuzfahrt nur noch buchen.

Ich habe Ende Juni Urlaub. Ich habe von Freitag bis Freitag Urlaub. Es sind also sechs Urlaubstage, die ich genehmigt bekam. Den Urlaub hatte ich schon im Dezember eingereicht. Ich plante die Kreuzfahrt schon damals. Der Preis schreckte mich etwas ab. Ich buchte damals noch nicht.

Ich informierte mich. Der Preis sinkt normalerweise je näher die Kreuzfahrt kommt. Zu lange warten sollte ich allerdings nicht. Die Plätze auf einem Schiff sind begrenzt. Irgendwann ist kein Platz mehr frei. Das Schiff würde ohne mich fahren.

Aus diesem Grund setzte ich mir eine Deadline. Mitte März wollte ich buchen. Ich weiß, der neunte März ist nicht wirklich die Mitte, trotzdem buche ich heute die Kreuzfahrt.

Im Dezember erfuhr ich von einer Website. Sie half, die Preise einer Kreuzfahrt zu überwachen. Sank der Preis, so wurde ich darüber per E-Mail informiert. Das war heute wieder einmal der Fall. Bevor andere Urlauber mir meinen Platz auf der Kreuzfahrt wegnehmen, buche ich heute die Kreuzfahrt.

Ich besuche die Website der Reederei. Zuerst gebe ich den Zeitraum ein. Es folgt das Ziel. Dann klicke ich auf Suchen. Da ich die Zeit exakt eingegeben habe, wird mir nur ein Ergebnis angezeigt. Ich klicke auf buchen. Ich wähle die Kabinenkategorie Balkonkabine. Ich wähle den Start- und Zielflughafen aus. Ich gebe meine Daten ein. Dann klicke ich auf Buchen.

Wenige Sekunden später kommt eine E-Mail an. Dort steht der Anzahlungsbetrag. Diesen Betrag muss ich in den nächsten Tagen überweisen. Sechs Wochen vor der Kreuzfahrt zahle ich den Rest. Ab jetzt kann ich mich auf meine Kreuzfahrt im Sommer freuen. Die Kreuzfahrt kann mir keiner mehr nehmen.

Zehnter März

Es ist wieder einmal passiert. Einige Menschen meinen, eine rote Ampel kann ignoriert werden. Einige Menschen meinen, Schienen können überall überquert werden. Einige Menschen stellen sich voran. Viele Menschen leiden darunter.

Es ist wieder einmal jemand über Schienen gelaufen. Ein Zug kam und nahm die Person mit. Unfreiwillig. Der Zugführer hatte es bemerkt. Er führte noch eine Zwangsbremsung durch, doch das war zu spät. Ein Zug hält bei hoher Geschwindigkeit nicht in zehn Metern. Wenn schon Autos mit einem Gesamtgewicht von zwei Tonnen knapp vierzig Meter bis zum Stehen aus einhundert Kilometer pro Stunde brauchen, dann wird ein Zug deutlich länger benötigen.

Die Folge des Personenunfalls ist eine Streckensperrung. Es fährt kein Zug mehr. Alles steht für zwei bis drei Stunden. Die Menschenmassen stehen am Bahnhof.

Die Information zum Unfall braucht seine Zeit. Wie es dann weitergeht, ist vielen unbekannt. Ein Ersatzverkehr wird eventuell eingerichtet, doch das braucht seine Zeit. Manche Menschen möchten, dass es schneller geht. Das höre ich immer wieder. Doch wie soll es schneller gehen?

Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Menschenkörper sicherlich in ein paar Stücke gerissen. Die Leichenteile müssen erst einmal geborgen werden. Ein zweiter Zug muss nicht darüber fahren. Möchtest Du einen Verwandten in Einzelteilen bekommen, wo etwas fehlt? Sicherlich nicht.

So behelfen sich die Menschen. Sie organisieren sich Taxis. Sie nehmen alternative Verkehrsmittel. Sie wissen, dass die Bahn Zeit benötigt, einen Ersatzverkehr einzurichten. Es stehen ja nicht überall Busse herum. Selbst wenn es Busse in der Nähe gibt, Busse fahren noch nicht selbstständig. Es wird noch ein Fahrer benötigt. Ein Bus wird zudem selten reichen. Es werden sicherlich mehrere Busse benötigt.

Einige Menschen müssen nicht einmal zur Arbeit gehen. Sie haben den Unfall früh genug mitbekommen. Sie arbeiten von Zuhause. Das ist für manche Menschen möglich.

Auch ich sehe frühzeitig den Unfall. Ich fahre nicht zum Bahnhof. Ich arbeite von zu Hause. Ich logge mich auf Arbeit ein. Dann arbeite ich.

Ich habe immer einen Blick darauf, wann der Zugverkehr wieder beginnt. Ich möchte nicht die ganze Zeit von zu Hause arbeiten. Manche Dinge mache ich lieber vor Ort. Das geht vor Ort viel schneller.

Der Personenunfall ereignete sich gegen sechs Uhr. Die Streckensperrung wird gegen acht Uhr dreißig langsam aufgehoben. Die Strecke ist zunächst eingleisig befahrbar. Es kommt natürlich noch zu Verspätungen. Dadurch kommt es teilweise auch noch zu Ausfällen.

Mein Zug wäre acht Uhr dreißig gefahren. Der Zug fiel aus. Er kam gar nicht an der Unfallstelle vorbei. Der nächste Zug fährt um neun Uhr. Nehme ich ihn oder nehme ich ihn nicht?

Da ich die aktuellen Fahrplaninformationen im Blick habe, sehe ich, dass einzelne Züge fahren. Mein Zug fiel aus. Der Zug um neun Uhr dreißig soll auch ausfallen. Entweder fahre ich mit den Neun-Uhr-Zug oder mit dem Zehn-Uhr-Zug.

Ich entscheide mich für den Neun-Uhr-Zug. Ich muss um acht Uhr vierzig los. Mein Bus fährt sieben Minuten später. Um neun Uhr fährt mein Zug pünktlich los. Vor der Unfallstelle bleibt der Zug stehen. Er wartet auf den Gegenzug. Die Strecke ist noch immer nur eingleisig befahrbar.

Wir stehen fünf Minuten. Dann kommt der Gegenzug. Es geht weiter. Wir fahren an der Unfallstelle vorbei. Am nächsten Bahnhof stehen wir wieder. Scheinbar gibt es eine Türstörung. Sie kostet uns weitere fünf Minuten. Dann geht es weiter.

Ich bin vierzig Minuten später als normal auf Arbeit. Hoffentlich verläuft die Heimreise normal. Ich drücke mir die Daumen.

Elfter März

Der Frühling hat begonnen. Frühling? Der beginnt doch erst in ein paar Tagen. Richtig, der kalendarische Frühling beginnt erst in ein paar Tagen. Der meteorologische Frühling hat aber schon am ersten März begonnen.

Doch nicht nur die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf. Nicht nur Bären werden wach. Es blühen nicht nur alle Blumen dieser Welt. Es wird nicht nur wärmer. Die Tage werden nicht nur länger. Auch das Leben in mir erwacht.

Man nennt es wohl Frühlingsgefühle. Mein Herz beginnt zu schlagen. Es will sich verlieben. Nicht nur das, es will auch eine Freundin finden. Eine feste Freundin, nicht nur für eine Nacht.

In meinem Leben hatte ich bisher nur eine Freundin. Dafür war ich wohl früher dran als andere Jungs. Ich hatte im Kindergarten noch keine feste Freundin. Auch in der ersten oder zweiten Klasse hatte ich noch keine Freundin. Ende der dritten Klasse hatte ich ein Mädchen an meiner Hand. Wir verbrachten viel Zeit miteinander. In der Schule und auch außerhalb. Wir gingen gemeinsam ins Kino. Sahen uns tausend Filme an. Anfangs waren unsere Eltern dabei. Manchmal nur ihre, manchmal nur meine Eltern. Manchmal war auch nur ihr Vater dabei, manchmal nur meine Mutter.

Manchmal waren wir auch alleine im Kino. Je älter wir wurden, desto häufiger waren wir zu zweit im Kino. Unsere Eltern blieben Zuhause. Gingen ins Theater. Ins Museum oder einfach nur schick essen. Dann konnten wir alleine sein. Im Kino. Manchmal auch nur Zuhause.

Wir genossen unsere Zeit. Für die Schule lernten wir gemeinsam. Wir machten zu zweit unsere Hausaufgaben. Kam meine Freundin einmal nicht weiter, half ich ihr. Kam ich einmal nicht weiter, so half sie mir. Wenn wir nichts für die Schule machen mussten, genossen wir unsere Zweisamkeit. Zuhause, im Kino oder im Schwimmbad.

Vor allem im Sommer waren wir im Schwimmbad. Rutschten mehrmals eine Rutsche herunter. Veranstalteten ab und zu ein Wettschwimmen. Mal gewann sie, mal ich.

Unsere gemeinsame Zeit war nicht ewig. Alles endete irgendwann. Nichts ist für die Ewigkeit. Alles ist vergänglich. Vanitas! Doch so war das Leben. Wir hatten eine schöne gemeinsame Zeit. Wir waren in der Grundschule vereint. Dritte bis sechste Klasse. Wir waren auch noch in der siebenten Klasse zusammen. In der achten Klasse trennten wir uns. Sie hatte sich in einen anderen Jungen verliebt. Ich ließ sie ziehen. Freunde blieben wir trotzdem.

Seit der achten Klasse war ich Single. Seit heute bin ich dreiunddreißig. Heute darf ich feiern, dass ich ein Jahr älter geworden bin. Dass ich dem Tod ein Jahr näher gekommen bin. Das muss gefeiert werden! So wie es andere tun!

Also ging ich am frühen Abend in einen Club. Lauschte der Musik. Trank etwas. Tanzte. Lernte andere Menschen kennen. Darunter war auch sie. Sie war ebenfalls Single. Sie feierte heute ebenfalls ihren dreiunddreißigsten Geburtstag. Alleine, weil keiner ihrer Freunde Zeit hatte.

Wir Zwei verstanden uns sofort. Ich fand sie interessant. Sie mich wohl auch. Den restlichen Abend verbrachten wir zusammen. Zu zweit lauschten wir der Musik im Club. Tranken etwas zu zweit. Tanzten gemeinsam. Bis in die Nacht hinein.

Der neue Tag hatte noch nicht begonnen, da gingen wir schon nach Hause. Hand in Hand zu ihr. Ob sich etwas Festes entwickelt, was Jahre hält? Ich weiß es nicht. Ich hoffe es. Die Zeit mit ihr werde ich nutzen. Tag und Nacht. Carpe noctem und carpe diem!