Ich rocke den Lake Viktoria!

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Weiterrumpeln nach Kageye zu Sir Henry Morton Stanley (geboren 1841 als John Rowlands, 1904+). Er war britisch-amerikanischer Journalist, Afrikaforscher, Buchautor. Man nannte ihn auch Bula Matari (der Steine bricht). Bekannt wurde er für seine Suche nach David Livingstone und die Erschliessung des Kongo. Seine Reisen hielt der angeblich sehr cholerische Mann akribisch fest. In Kageye, Distrikt Mwanza, befand sich ein Basislager. Ich lausche die historischen Geschichten, ein toleriertes Zusammenleben zwischen den Arabern, den Weissen und den Einheimischen. Dieses war sogar fast vollkommen friedlich. Eine einzige Mutter widersetzte vehement, dass ihr Sohn sich mit auf die gefährliche Reise begibt – sie vergiftete ihn schlussendlich. Ich entdecke die Hausfrauen-Contest-Stones sowie verschiedene ungeschliffene Steine, welche als Grabmerkmale dienen. Henry Stanley verlor auf einer Rückreise von Zanzibar ein paar der Schleppsklaven wie auch einer seiner Vertrauenshüter. Hübsche Namensinschriften trägt der einzig gravierte Stein dazu: Verstorben durch Krankheit, durch Ertrinken oder Flucht, oder ... der Letzte: Killed at Beerparty (Klartext: Alkoholkonsum).

Ich sitze bei der Sklavenhaltungsmauer, stehe in Stanleys Zelt (in Beton nachgegossen) und raste auf dem damaligen Besuchsempfangsplatz. Am Strand zapple ich freudig kleinmädchenlike mit den Füssen im Lake Victoria; wie schööön! Und gwundrig kann ich nicht widerstehen, unüblich zu Bitten, auf den hohen ausladenden verastverwinkelten Baum zu klettern. Unter diesem berat der einstige grosse Männerrat zukunftsweisend; es fühlt sich stimmig an, hier oben zu sein!

Auf dem Retourweg machen wir eine kurze Cokepause. Das Restaurant versperrt mir deren Choo. Ihr Klo sei einer Mzungu unwürdig. Es dauert ein dringendes Weilchen, bis das geeignete Pinkelhäuschen ausfindig gemacht ist: Viereckige Konstruktion aus Ästen und löchrigen Plastikplanen. Privattoilette - tut befreiendermassen gleich gut. War das wieder ein interessanter Tag!

Da vergesse ich fast, das war lustig: Auf dem gestrigen Weg auf Abfahrt, sass ich im Daladala vorne beim Fahrer wartend. Ich ergatterte durchs Fenster ein Vanilleeis. Nach einer Weile fällt ein regelmässiges tiefes aufsteigendes und verebbendes Gebrummel auf. Mmh, was sagt Frau dazu: Links entfernt sitzt eine Horde Männer im Schatten und beobachtet kommentarlaut, als wäre ich – mmh – ein Fussballspiel! Na denn! Ein paar stichelnde laute Gesten auf beiden Seiten. Ich darf hinzubemerken, dass es keinesfalls um anstössige Gedanken ging. Es war die schlichte Freude, dass eine Frau sich ein Eis gönnt! Dennoch, ausgleichend gerecht finde ich die Szene in Kageye. Während des Rundgangs stehen wir ungewollt in einer starkbefahrenen Ameisenstrasse. Mir selbst krabbeln die kleinen Wesen nicht die Mzungu-Beine herauf, sie bevorzugen dunkle Haut. Folglich tanzen vor mir drei kratzend hüpfende Männer, welche zur endgültigen Befreiung die Hosen runterlassen!

Days fly. Der Abschluss gebührt üblicherweise dem Abendessen bei Mary in Kiseke PPF. Auf dem Weg dahin erfreut mich bei dem einen Anwesen eine warme, liebevolle Stimme. Sie klingt aus dem dunkeln (N)Irgendwo; mal von rechts, mal von links. Vollmondnah erhält sie einen schemenhaften Umriss: Ein älterer hagerer Mann in langem Bubu, der mir nachtblindes Huhn irgendwas in Swahili wünscht… Asante sana na Lala salama, danke und schlaf gut.


Ein Frischwarestand

Meine (bisherigen) permanenten Stars

Mary Consolata Kalikawe-Kalemera: ein Goldschatz! Eine Fighterin, unermüdlich, grosszügig, herzlich. Die 55-jährige ist Mutter zweier leiblicher erwachsenen Kinder, welche beide Design studierten (Aaron im IT-Graphikbereich lebt momentan in den USA, Kemi designed erfolgreich mit eigenem Modelabel in Dar-es-Salam). Mary lacht gerne, lässt sich gerne zum Lachen bringen, sucht jeden Tag xmal ihre Autoschlüssel und es sprudeln unendlich Gedankenblitze aus ihr. Das haben wir gemeinsam: Das ideenreiche Mundwerk. Mit ihren hundert auferlegten Aufgaben ist Vieles im allerletzten Moment und gesetzt unwichtig, drüber perfekt fertig - eine überaus souveräne Geschäftsfrau. Auch ihr soebiges Rumrennen in Dar lohnte sich: In der nationalen Tagesschau werden von der Medienkonferenz ungeschnittene zwei Minuten ihrer Rede übertragen.

Mary gründete vor neun Jahren Kiroyeratours & Consulting. Der Name entstand als Akronym aus Ekiro und Kyere: ’Licht ins Dunkel bringen’. Das Programm Ehrensache: Propoor-, Cultural-Tourism, Wildlife Ecology and Environment Conservation, Education and Training, Event Planning, Business Skills. Kiroyeratours startete in Marys Heimatstadt Bukoba (die Fährenüberfahrt entfernt). Ihr Business gewann (inter)nationale Preise, neben Marys Nomination unter den Top 10 African Business Women PAWII Pan African Women Invent and Innovation 2005. 2006, best Cultural Tourism Company by Tanzanian Cultural Trust Found Zeze Award; 2006 the UN Habitant MILGAP award for East Africa; 2004 international Tourism Trophy in Madrid Spain, etc. Von Anfang an weible ich mit, nun in Mwanza Fuss zu fassen. Mit Mary zu diskutieren, Ideen auszutauschen, vergnügt Szenen zu kreieren und vorzusprechen, erfüllt uns beide mit enorm Power. Nach jedem Meeting, nach jeder Tour, habe ich begeisternde Gedanken. Mary sinniert bedauernd, dass ich nur sechs Monate hier sei. „Obwohl ich nach zwei Wochen die Hände rang, du könntest zurückreisen, dein erwartetes Soll ist längstens erfüllt!“

Zu Pura(sidia): ‚Hausmädchen’, um die 25ig, selbst Mama. Knapp volljährig unverheiratet schwanger, übergab sie ihre Tochter Marina der Grossmutter und verliess die Familie um zu Arbeiten – nicht unüblich in Afrika. Mary beschreibt Pura als ihr Goldstück. Das ist Pura wirklich. Eine Hilfsbereitschaft aus einer natürlichen Selbstverständlichkeit heraus, wie man es selten erlebt. Amüsant mitanzusehen, wie das Goldstück bei Männerarbeiten voll mitanpackt und als Allrounder-Fundi überaus talentbestückt agiert! Werde ich sie jemals anders als in praktischen Hosen und Shirt sehen (ausser auf einem ururualten Foto)? Pura lacht laut rauh, ihr weicher Kern bleibt verborgen. Schade spricht sie kein Englisch. Ihr erstes sms „i mis yu, good neght“ werde ich sorgfältig hüten.

Jadida (Muslimin) zählt junge 19 Jahre. 13-jährig war sie, als Mary sie aufnahm und adoptiere. Die Greisin Khadija Khalfan hütete in Bukoba über 70 Kinder, allein! Kiroyera versuchte das Waisencenter zu schliessen. Die Schützlinge waren unterernährt, schmutzig, verlaust und krank. Adoptionsgesuche aus aller Welt lehnte die Hausmutter permanent ab. Sie selbst lebte gut vom Geld, welches sie für die Kinder erhielt. Mary fand zeitweise jeden Morgen bis 20 davongelaufene Kinder in ihrem Garten. Jadida konnte die regulären Schulen besuchen und macht momentan ein Sekretariatspraktikum. Im perfekten Kontrast zu Pura kleidet sie sich gerne sehr weiblich, stimmig zu ihrer soften Stimme. Jadida wird es zu was bringen; sie begleitet oft unser Business.

Theo(dora), etwa 20ig, burschikos erscheinend, hat in Jeans ewiglange Beine in den Himmel hinauf. Sie ist eine verwandte Nichte und wohnt während den Ausbildungsferien bei Mary. Sie absolviert eine Schule für Kellnerinnen. Mary bedauert, wie Theo sich scheut, englisch zu sprechen, sie könnte es. Ich bemerke, das rührt vielleicht daher, dass sie sich ‘schämt’, den Mund vor Fremden zu öffnen. Sie hat neben zwei fehlenden, zwei rötlich gefärbte Zähne (Fluormangel). Ich überrumple Theo mal und kreiere spontan die unterschiedlichsten Gasttypen in den verschiedensten Rollen. Theos englisch ist solala unbefriedigend, ihr Wille zum Versuchen-zu-Lächeln und sich zu verbessern, wächst. Wir spielen einige Abende. Theo scheint happy für meinen zwinkernden, halberhobenen Zeigefinger.

Bwana Mango: keine Ahnung warum. Am Eck bei Marys Grundstück steht ein junger Mangobaum. Ein Normaler, keine Verwinkelungen, keine Astbilder - ein normaler junger Mangobaum eben. Jedesmal beim Vorbeilaufen berühre, und grüsse ich ihn kurz. Wenn ich dies verpasse, ‘muss’ ich zurücklaufen. Merkwürdig.

Da kommen wir zu Nsajigwa, seines Zeichens ‘Freidenker’. Ich erkannte das nicht an seiner Art Mütze und bin verurteilt. Nsajigwa bedeute in seinem Dialekt ‘der Gesegnete’. Er übersetzt dies brusthebend ins arabische Suaheli: Barack. Nsajigwa zählt 46 Jahre, war nie wirklich liiert; bei vier Bibis konnte er nicht landen, bei anderen Vier war es umgekehrt. Vor zehn Jahren absolvierte er drei Monate in Japan einen Touristenguidekurs und vor fünf Jahren ebenso lang in Holland ein Philosophieseminar (suspekt, seine fehlenden Erinnerungen an beides). Er ist spindeldürr, zwei paar Hosen, drei T-Shirts wie löchrige Socken besitzend (wovon das eine Paar die Urgrossmutter nicht mehr stopfen würde). Unserer beider unterschiedlichen Jobs, laufen auch ineinander. Dabei darf ich bemerken, dass für meinen Part keine Aufgaben vorgegeben sind; ich habe absolut freie Hand und könnte auch einfach sechs Monate lang Nichts-Tun. Im Gegensatz zu Nsajigwa, er soll mit ausgeklügelten Touren guiden und für künftige Reiseleiter ein einjähriges Schulungskonzept erstellen. Seine Entwürfe beurteile ich als unbrauchbar. Kritikfähig – wehe. Am liebsten würde er sich passiv mir anhängen, um dann meine Ideen aktiv als die Seinen zu verkaufen. Das Gute am Ganzen, ich mache mich allein auf, und bin ehrlich gesagt, erfolgreicher. Mary teilt die Beobachtungen bezüglich Mister. Nsajigwa ist schlicht ein typischer Einzelgängertyp; wir werden schauen, wie/mit was/in welchem Umfang wir ihn beschäftigen (können).

 

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Madaraka Nyerere, eine weitere Persönlichkeit: fünfzig, jüngster Sohn des ersten Staatspräsidenten Julius Nyerere, selig. Madaraka, ein super angenehmer Mann, sein unerwartetes explodierendes Lachen ein ansteckendes Geschenk. Locker gekleidet, pilgert er für mich nach Kiseke. Butiama liegt eine Halbtagesbusfahrt entfernt. ’Das Heu liegt auf derselben Bühne’, keine Frage! Er ist begeistert von meinen Arbeiten (und mir). Er schlägt vor, einen Monat Butiama zu unterstützen. Das nationale Museum und des Vaters J. N. Mausoleum dürfte ich umgestaltungsmässig unter die Lupe nehmen. Das werden freudige Herausforderungen.

Victa: Pikipiki-Driver. Mit ihm erlebte ich die allererste Mototaxi-Fahrt über Sieben-Holterpolter-Kilometer in Kiseke hinein. Ich werde feststellen, dass er die Kiseke-Crew leitet. Eigenartig, wie stets er ums Eck driftet, egal auf welchem Streckenabteil, egal zu welcher Tageszeit. Und wenn ich am Quartierende an der Kreuzung Soko Sabasaba auf einen Bus Richtung Stadt warte, lehne ich an seinem Töff und geniesse die gestenreichen Diskussionen wie Streitgespräche unter den Drivern - und inzwischen auch meinen Bekanntheitsgrad. Der Eine, mit einem Silberblick von lieblichsten, gesellt sich jedesmal zu mir, er nimmt mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sagt, … wie gerne würde ich es verstehen… es fühlt sich umsorgt und behütet an.

Auch der einzige Nachtdriver für unser Quartier ist in sehr dunkler Stunde Zuhause genügend wach, um mich zuverlässig auf meinen Call hin abzuholen.

Eva, ausgewanderte Schwedin. Ich schätzte sie auf Ende vierzig, stimmen tut sechzig. Vor unzähligen Jahren lernte sie durch die sanitären Ingenieurarbeiten ihres Ehemannes die Region Mwanza kennen. Nach der Trennung besuchte sie Mwanza alle Jahre für ein paar Wochen, seit zwei Jahren lebt sie hier. Eva engagiert sich äusserst lebhaft für den Tourismus Mwanza, sie verliebte sich in diese Stadt - ich auch! An den freien Tagen spaziert Eva ausgiebig, hört chillig Mozart. Sie ist immer begleitet von Silale, ihrem Securityguy, ein älterer, traditionsgekleideter Masai. Oftmals sind die als sehr vertrauenswürdig geltenden Masai Türsteher, Kassenbetreiber, Wach- oder Medizinmänner.

Josephine, 53ig, Mutter von vier Kindern, meine Hauseigentümerin. Power hat sie. Musikmusikmusik, Samstag und Sonntag Dartspielen oder die Kirchenbank betanzen. Sie mag Pflanzen, ihre sehr kahle Dünn-Rasta-Frisur und ein, zwei, drei Whiskeys durch den Tag. Sie tourt in Ostafrika für Erziehungs-/Aufklärungsprogramme umher. Ich merke, dass sie der Typ Mensch ist, der alles unternimmt, solange ihr Bart geschmeichelt wird. Unfähig für jegliche Kritik, hat sie dafür umbiegendes Reden zu eigenen Gunsten umso cleverer intus. Sie verlangte die Mieten für sechs Monate im Voraus. Auf Marys Rat dealte ich fünf aus. Meine stattliche Summe verspricht sie, in die Einrichtung des Häuschens zu investieren. Leere Worte. Nach sechs Wochen hängen zumindest eine Art schnell dahingefertigter Vorhänge und zu meiner Halbzeit Mwanza liegt eine Glasplatte auf dem Tisch. Was ich vehement als allerletzte Priorität begründete, war ein Kühlschrank. Zweifelsfrei ist das neue silberne Riesenungetüm einer! Ich nütze ihn als Küchenschrank (für eine handvoll abgekochte Trinkliter brauchts kein kostspieliger Stromverschleiss). Auch vorbildlich gilt Josephine im Telefon aufhängen und Türen knallen - meine Freundin bist und wirst du nicht.

Hendry, 28ig, Lehrer und Shave-Salonbesitzer. Momentan bildet er sich an der Universität St. Augustine (SAUTI) weiter. Er büffelt seit zwei Semestern in Mwanza. Sein Tribe kommt aus Moshi, aufgewachsen ist er in Dar. Sein erster eigener Laden eröffnete er im Village Kiseke, deshalb nächtigt er zeitweise bei seiner Schwester in einem der PPF-Häuser. Dorthin eine defekte alte 450er Honda stossend, begegneten wir uns. Mit Hendry rumzutouren, auszugehen und shoppen ist Fun. Die überaus starken Booster-PC-Speakers vom Onkel waren mit 8 Schweizerfranken mit Sicherheit unter dem Einkaufspreis berechnet. Es ist aufregend, mit Hendry, sowie auch mit seinen Studentenkollegen, ausgiebig über kontinentale Unterschiede zu diskutieren. Aufpassen muss ich nur, dass sich Hendry nicht endgültig in mich verknallt.

Manraj: 29ig, Inder in der dritten Generation Mwanza, Kettenraucher (wortwörtlich), wohl-habend (offensichtlich). Seine Familie sei eine der Reichsten in der Provinz Mwanza, steckte mir Mary. Manraj Clan fliegt jährlich nach Indien, steckt er mir – don‘t forget your roots. Diese hätte er unabhängig davon fast verloren. Keiner rechnete mehr damit, dass er bald seinen Dreissigsten feiern kann. Er trank übermässig Spiritus eine ewig gefühlte Zeitperiode lang… Das Hotel Tilapia ist Familienbetrieb. Schade liegt die Anlage um weite Ecken, ich würde gerne täglich gratis den Pool benutzen. Manraj ist Mitglied der MTTF Mwanza Tourism Task Force und liiert mit Kathy (english, cozy soft). Kathy hält ein waches Auge auf ihren Liebsten. Geld scheint, zwar nicht hübscher, doch wenigstens sexy zu machen. Galant war, wie er nach der Schlangenaufführung Nsajigwa und mich auf einen (für ihn alkoholfreien) Drink in das Tilapia einlädt und uns anschliessend heimfährt. Dafür klingelt er zur tiefnächtlichen Uhrzeit den Garagenwächter wach. Der Regen grüsst kräftig. Durch die Woche verabschiedete sich eine weitere Strasse in Kiseke und Nsajigwa behauptet, der eine Weg sei richtig. Falsch... Wir steigen aus und müssen ein buckliges Stück querbeet im Regen laufen. Manraj lässt die Scheinwerfer den endlosen Weg leuchten, bis wir in der grauen Luft mystisch verschwinden. Schade, kann ich seine kurzfristigen Einladungen zur eigenen Luxuslodge in der Serengeti wegen anderen Verpflichtungen nie annehmen…

Und da sind der … und die … und … und … & es folgen … La vie est belle!!!



Mary im Ofisi & Jadida, Theo, Pura bei der Aussenküche

Tierisches und anderes Feines…

Tierisches und Feines... Es summt, brummt, neue Geräusche, neue Gestalten. Ein erster ungebetener Besuch ist eine tief purpurrote Hornisse, und nach zwei Tagen in die Fensterscheiben flirrend einfach tot. Diese Spezie sei unstechend; deshalb lasse ich draussen die Genossinnen den baumelnden Wohnblock weiterbauen. Die Farbe auch eingetauscht haben die Hummeln: In Weiss oder Knallorange vollwuschelig, hübsch und laut.

Es fressen da die unterschiedlichsten Heuschrecken und Grasshoppers: Kleine hellmaisgelbe doppelschnalzen beim Vorwärtshüpfen, kleine Grasgrüne und Braune halten rasensprengerklingend Rast und die daumengrossen beigen fetten Krickets musizieren ihr Abschlusskonzert Dezibel grenzwärtig, bevor sie von den Ameisen verschlungen werden.

Spinnen&Co? Ja, selbstverständlich krabbeln Spiders. Teils enorm platt, ich staune, so flachförmig existieren zu können. Und falls du deine Schuhe vor der Haustüre platzierst, schaue vor dem Reinschlüpfen rein: Ich erwischte soeben, hoppla, einen kinderfaustgrossen, knorrigen, wunderschönen Panzerkäfer, wie der von der Decke fallend exakt einlochte.

Neben dem Dämmerungszirpen gibt’s daily das Moskitosummen, der erste Hahnenschrei drei Uhr morgens und das nächtliche Hundegeheul auch ohne Vollmond. Ich schlafe göttlich eingebettet in dieser natürlichen Geräuschkulisse. Bis gottesfürchtig klingts dagegen aus geräuschvoller Nachbarschaft. Bei durchluftigen Glasjalousiefenstern wird kaum Geräusch gedämpft. Around sieben Uhr rufen die Stimmen der Gärtner, Handwerker sowie hausierenden Menschen ‘Habari za asubuhi’. Ebenfalls ‘Guten-Morgen’. Und zwischendurch, egal welche Tages- oder Nachtzeit, spürt Mensch das Bedürfnis nach powerhaftem Sound. Bongo-Gospel vom Feinsten schallt eine Geisterstunde lang bei Josephines Rückkehr.

Ja, Musik. Ein wahrer Genuss sind die Gezwitscher der Vögel. Manchmal vernehme ich komplett neue Kompositionen, virtuosissimo. Die Spatzen sind doppelt so bauchig wie die unsrigen. Mein gefederter Favorit ist ein männliches kanarienkleines Vögelchen, oben anthrazit, bauchig blau gefärbt, mit Rotkäppchen-Bäckchen. Genauso unterschiedlich sind die Echsenarten. Es gibt die meterlangen im Wasser – aaaii, was hüpfte ich, als es neben mir pflatscht – die fast invisiblen sandbeigen Kleinen mit lieblich schwarzen Knopfaugen, die langweilig Braunen, die flinken Grünen, die Längsgestreiften und die modebewussten Knallorange-Violetten.

Auch super schön sind die leisen Herden der Kühe. Die gemütliche Schar ist gespickt mit gedämpft meckernden Zieglein; beide Gattungen jeglichen Alters, jeglicher glatter oder gesprenkelter Farbstruktur, mit langen Hörnern, mit kurzen Stummeln. Friedlich sind sie alle und entsprechend ’polepole’ lässt man diese links, rechts streifend an sich vorbeiziehen.

Da wir bei Viechern sind: Fleisch schmeckt weniger als mehr zart, dafür garantiert Bio. Das Kuku (Huhn) gibts mager, das Mishkaki (Rindsgeschnetzeltes) mitteltrocken, das Nguruwe (grunz grunz) feiss und selten. Vegetarier haben es schwerer, Pescetarier einfacher: Samaki (Fisch), da liebe ich den Tilapia (Buntbarsch), seine Geräte sind gross und dick, damit könnte man stricken. Der ‘böse’ Victoriafisch Sangala Nilbarsch, welcher bei seiner Aussetzung im Lake Viktoria seinen über dreissig Artgenossen ratzeputz an die Flossen ging, den bevorzuge ich in der geräucherten Variante. Mein Glück, dass mangels Kühlschränke die Ware vielfach auf diese Weise frischgehalten wird. Dann gibt’s die getrockneten silbernen Frischwassersardinchen Dagaa, die erfreuen weniger meinen Geschmack, ob in Suppen oder als Snack. Oft gibt es die roten Windbohnen anstelle von Fisch oder Fleisch; sie werden ihrem Namen nicht gerecht. Besonders ausgezeichnet schmeckt mir der Kochbananeneintopf, entsprechend dem Tribe mit Erdnüssen versetzt. Wali oder Ugali (Reis oder Maisbrei) sind die täglichen Beilagen. Zum Frühstück, Mittag- oder Abendessen auswärts ist Chipsi Mayai (Omelette mit Kartoffeln) beliebt; das Eigelb glänzt oftmals farblos. Bei meinem Frühstückshonig wurden als Herstellergarantie einige Produzenten mit in die Flasche gepackt. Für das geschmackvolle Gemüse und die saftigen Ananasi&Mango&Friends fand ich meinen Stammstand wie auch für die leckeren handgerollten Sesam-in-Honig-Bällchen.

Und was ist der wahrlich grösste Genuss: mit den Händen essen!

Trinken? Wasser, Wasser und Wasser, daheim abgekocht, draussen gekaufte PET-Flaschen. Bei einer Pause gönne ich mir zwischendurch eine Coke (keine zero, light oder diet, die gibt es in überteuerten Supermärkten) oder ein Tangawizi Ingwersoda. Frischer Avocadosaft entdecke ich für zwischendurch und abends schmeckt ein Bierchen – ich als Biertrinkerin, ganz was Neues!!

Apropos Köstlichkeiten Fischauge, meine Neugierde war stärker: Es schmeckt wie weiches Ossobucco-Mark in Rosmarin mariniert…


Mein wunderschöner Schuhgast