Der unschickliche Antrag

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Aus der Reihe: E-Book-Edition ITALIEN
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Genuardis Schwiegervater, der den besseren Einsichten wohl nicht traute, hat in Genuardis Lager einen alten Vertrauensmann einstellen lassen, einen gewissen Calogero Jacono (genannt Caluzzè die Schrumpelfeige), der diesem über alles Bericht erstattet.

Nichts ist zu Lasten des Genuardi im Strafregister eingetragen. Mithin gilt er als nicht vorbestraft.

Hierdurch wird außerdem mitgeteilt, daß der Genuardi am 5. März diesen Jahres im Ortsbann Inficherna den Hirten Lococo Anselmo (genannt Sesè der Bleifuß, wegen seines langsamen Schrittes) angefahren, dessen linken Arm gebrochen und den Verlust zweier Ziegen aus der Herde verursacht hat. Der Lococo wurde jedoch überredet, keine Anzeige zu erstatten, da er ein hohes Schmerzensgeld erhielt, das ihm unverzüglich von Signor Emanuele Schilirò angeboten worden war.

Der Genuardi saß am Steuer eines motorisierten Vierrades der Marke Panard und Levassor, das er in Paris gekauft hat, und zwar für einen außerordentlich hohen Preis, weil es sich dabei praktisch um ein Unikat handelte. Ebenfalls in Paris, wohin er sich mit seiner Gattin angelegentlich der Weltausstellung von 1889 begab, hat er auch einen Phonographen Edison mit Wachsrolle gekauft, von dem Musik zu hören ist, wenn man ein beigefügtes Leitrohr ans Ohr führt.

Dieses alles führe ich nicht aus törichter Geschwätzigkeit auf, sondern um die oftmals eigenthümlichen Handlungen des Genuardi deutlich zu machen.

Politische Vorstellungen gibt es bei Genuardi keine. Er wählt entsprechend den Anweisungen seines Schwiegervaters, der ein Urgestein ist. In der Öffentlichkeit hat er seine Meinung noch nie geäußert.

Hochachtungsvoll

Der Leiter der Polizeidienststelle von Vigàta

(Antonio Spinoso)

Gesagtes eins


A (Giacomo La Ferlita – Pippo)

»Wozu haben Sie mich eigentlich hier runtergeschleppt, Signor La Ferlita?«

»Weil das hier das alte Archiv der Präfektur ist, hier runter kommt keine Sklavenseele. Und keiner kann uns sehen. Ich will mit Ihnen nämlich nichts zu schaffen haben. Vielleicht hat mein Bruder Sasà sich ja nicht deutlich genug ausgedrückt, Signor Genuardi?«

»Ihr Bruder hat sich absolut deutlich ausgedrückt. Sogar ein bißchen sehr deutlich.«

»Und wieso belästigen Sie mich dann in der Präfektur? Ich habe einen geachteten Namen, klar?«

»Kann man eigentlich mal erfahren, warum ihr euch alle in der Präfektur aufführt, als hätte euch der Hafer gestochen? Was hab ich getan? Hab ich vielleicht neben das Pinkelbecken gepißt, oder was?«

»Das fragen Sie mich? Sie wissen doch selber, was Sie angerichtet haben! Und außerdem, ich höre mir nicht gern säuische Ausdrücke an!«

»Was hab ich denn angerichtet?! Nichts hab ich angerichtet! Drei Briefe hab ich an den Präfekten geschrieben und ihn um Auskünfte gebeten, und da hat er sich gleich künstlich aufgeregt.«

»Ich glaube nicht, daß das allein ausschlaggebend ist. Commendatore Parrinello ist mir ernsthaft besorgt vorgekommen.«

»Die sollen sich doch beide in den Arsch ficken lassen, der und Seine Exzellenz!«

»Hören Sie, ich hab Ihnen schon mal gesagt, daß ich säuische Ausdrücke …«

»Na gut, dann bitte ich um Verzeihung und komme zum Grund meines Besuches. Schließlich bin ich ja nicht meinetwegen hier, Signor Giacomino. Ich bin hier wegen Ihres Bruders Sasà.«

»Hören Sie mir ja auf mit Sasà.«

»Das kann ich nicht! Wenn ich’s bloß könnte! Hier geht’s um Freundespflicht!«

»Hören Sie …«

»Nein, jetzt reicht’s, jetzt hören Sie mir zu. Ich muß Sasà warnen, daß ihn jemand sucht, der ihm das Fell über die Ohren ziehen will.«

»Aber wieso denn?«

»Was heißt das, wieso denn? Spielen Sie jetzt den Ahnungslosen, oder was? Ja, wissen Sie denn nicht, daß Ihr Bruder Sasà die halbe Welt in den Arsch gefickt hat? Wissen Sie nicht, daß er ganz Sizilien Geld schuldet?«

»Das weiß ich. Aber er begleicht seine Schulden regelmäßig. Die sollen Geduld haben und warten, früher oder später kriegen die ihr Geld schon zurück.«

»Bringen Sie mich doch nicht zum Lachen, Lachen schlägt mir auf die Leber! Dann wissen Sie also auch nicht, daß Ihr Bruder Sasà, jeden, ganz gleich wen, um sein Geld betrügt, ganz nach Lust und Laune? Auch Nino Longhitano, den Bruder von Commendatore Don Lollò, hat er um zweitausend Lire geprellt.«

»Oh, der Wichser, der verdammte Wichser.«

»Was denn, so unflätig? Nehmen Sie jetzt etwa säuische Ausdrücke in den Mund?«

»Ausgerechnet den Bruder von Don Lollò Longhitano mußte diese Gurke von Sasà um zweitausend Lire prellen? Da frag ich mich doch und sag: Bruder mein, gebenedeiter, mußtest du denn ausgerechnet da, wo das Feuer brennt, reintappen?«

»Was wollen Sie da machen? So ist er eben. Aber Sie wissen sehr gut, daß Commendatore Longhitano jemand ist, mit dem man nicht scherzen darf. Er will, daß sein Bruder Nino honoriert wird. Ich habe von Sasà nur seine alte Adresse in Palermo, die an der Piazza Dante, die neue hat er mir noch nicht schreiben können. Wenn ich warte, bis er sie mir schreibt, kann es womöglich zu spät sein.«

»Heilige Madonna! Zu spät wofür?«

»Für das, was Sie ganz richtig verstanden haben. Commendatore Longhitano läßt Sasà nicht nur das Fell über die Ohren ziehen, sondern ihm das Laster womöglich ein für allemal austreiben! Es ist an Ihnen, verehrter Signor Giacomino La Ferlita, ob Sie das Leben Ihres Bruders auf dem Gewissen haben wollen oder nicht.«

»Gut, dann schreib ich ihm gleich heute noch.«

»Was wollen Sie?«

»Ihm schreiben.«

»Was geht eigentlich in Ihrem Kopf vor? Sie greifen zum Federhalter und schreiben! Zunächst mal wissen wir doch gar nicht, wann der Brief ihn erreicht, stimmt’s? Ist doch gut möglich, daß der Brief von Vigàta nach Palermo eine Woche braucht. Und dann ist es zu spät. Und danach, wenn die Fakten Fakten sind und die Carabinieri zur Tatortbesichtigung kommen, entdecken sie Ihre wunderschöne Warnung. Dann können Sie sich Ihre Karriere in der Präfektur in die Haare schmieren. Sobald Sie sich aber entscheiden, mir zu sagen, wo zum Teufel Sasà sich aufhält, nehm ich den Zug und besuch ihn. Begreifen Sie doch, Signor La Ferlita: Ich selber setze meine Existenz aufs Spiel, um Sasà zu helfen. Geben Sie sich einen Ruck!«

»Na, gut. Mein Bruder Rosario wohnt auf dem Corso Tukory, auch in Palermo. Nummer fünfzehn, bei Familie Bordone.«

»Das hat aber lange gebraucht! Wo zum Teufel geht es raus aus diesem Scheißlabyrinth?«


B (Polizeipräsident – Commendatore Parrinello)

»Ich danke Ihnen, lieber Commendatore Parrinello, daß Sie meiner Bitte zu kommen so schnell entsprochen haben.«

»Dazu bin ich doch da, Herr Polizeipräsident.«

»Ich komme gleich zum Punkt. Ich verhehle Ihnen nicht, wie sehr der Brief Seiner Exzellenz, des Präfekten Marascianno, mich aufgeregt hat. Hier, schauen Sie ihn sich selbst an.«

»Ich kenne ihn bereits. Der Präfekt hat die Güte, mir alles zu lesen zu geben, was er schreibt. Sogar seine Gedichte.«

»O Gott, er schreibt Verse?«

»Jawohl. Für seine gottselige Gattin.«

»Die erste.«

»Was für eine erste, mit Verlaub?«

»Seine erste Gattin, natürlich. Die, die gestorben ist. Die zweite ist doch mit irgend einem durchgebrannt.«

»Verzeihen Sie mir, Herr Polizeipräsident, ich verstehe nicht ganz. Soweit ich weiß, ist Seine Exzellenz nur ein einziges Mal verheiratet gewesen. Dann wurde er Witwer.«

»Aber wenn er es mir doch selbst geschrieben hat! Haben Sie diesen verdammten Brief nun gelesen oder nicht?«

»Geben Sie ihn mir kurz her. Nein, diesen Brief hat er mir nicht gezeigt. Es ist eindeutig, daß er einen Brief geschrieben und einen anderen abgeschickt hat.«

»Wollen wir nicht erst mal ein bißchen Klarheit schaffen? Ihrer Meinung nach ist die Geschichte mit seiner zweiten, der treulosen Gattin also völlig frei erfunden?«

»Ich würde sagen, ja. Jedenfalls hat er mir immer gesagt, er sei Witwer, und Punkt und Schluß.«

»Hören Sie, kümmern wir uns nicht weiter um diese Angelegenheit. Ich werde Nachforschungen anstellen lassen, dann wird sich die Sache klären. Allerdings gießt diese Phantasterei mit der hypothetischen treulosen Gattin nur noch weiteres Öl ins Feuer.«

»Tja.«

»Und im Büro, wie benimmt er sich da?«

»Was soll ich sagen? Zwei, drei Tage ist er ruhig, dann, urplötzlich, rastet er aus.«

»Wie bitte?«

»Er explodiert, redet wirres Zeug, im wahrsten Sinn. Manchmal drückt er sich mir gegenüber mit Fratzen aus, dabei fällt kein einziges Wort.«

»Sie meinen, er macht sich durch Grimassenschneiden verständlich?«

»Nein, Herr Polizeipräsident, unter Fratze verstehen wir hier, wie soll ich sagen, die Kabbala. Und um ihn zu verstehen, behelfe ich mir dann mit einem wertvollen Büchlein des Cavaliere De Cristallinis, das vor rund zwanzig Jahren in Neapel veröffentlicht worden ist. Einer Fratze eben.«

»O mein Gott. Sagen Sie mir, hatten die Postulanten, ich meine die, die mit dem Präfekten sprechen, Gelegenheit, etwas zu erahnen?«

»Der eine oder andere leider ja, obwohl ich nach besten Kräften versuche, ihm den Rücken freizuhalten. Wenn ich merke, daß es an einem bestimmten Tag schwierig werden kann, erfinde ich Entschuldigungen und sage Verabredungen ab. Aber das klappt nicht immer. So ist es mir zum Beispiel nicht möglich gewesen, das Gespräch mit dem Generale Dante Livio Bouchet und dem Grande Ufficiale Pipìa, Präsident unseres Gerichtes, zu verhindern.«

 

»Mithin haben diese Herren mit Sicherheit bemerkt, daß … Sie meinen nicht?«

»Nein. Sehen Sie, was den Präsidenten Pipìa angeht, braucht man sich wirklich keine Sorgen zu machen. Denn als der Präsident und Seine Exzellenz zusammengekommen sind, war es vier Uhr nachmittags.«

»Na und?«

»Kennen Sie den Präsidenten Pipìa?«

»Ich bin ihm zweimal begegnet.«

»Um wieviel Uhr, verzeihen Sie?«

»Lassen Sie mich nachdenken. Beide Male vormittags. Aber wieso ist die Uhrzeit denn so wichtig?«

»Sie ist wichtig. Präsident Pipìa leert zum Mittagessen eine ganze Ballonflasche Wein. Hab ich Ihnen eine verständliche Beschreibung der Lage gegeben?«

»Überhaupt keine.«

»Er trinkt zuviel, der Herr Präsident. Er hebt gern einen, wie man das in seiner Gegend nennt.«

»Ein Glück, daß die Prozesse morgens stattfinden.«

»Nicht immer. Im vergangenen Jahr war einer unmittelbar nach dem Mittagessen angesetzt, und er wollte jemanden, der drei Kartoffeln gestohlen hatte, und ich meine wirklich drei, zu dreihundert Jahren Zuchthaus verurteilen. Hundert für jede Kartoffel.«

»Und wie ist es ausgegangen?«

»Unter Gelächter, Herr Polizeipräsident. Alle, Staatsanwalt und Advokaten, haben so getan, als habe der Präsident einen Witz machen wollen.«

»Also, bliebe nur noch General Bouchet.«

»Kennen Sie ihn?«

»Ich bin ihm im vergangenen Jahr bei der Militärparade vorgestellt worden. Wir haben gerade mal ein paar Worte gewechselt.«

»Mit Verlaub, aber das ist unmöglich. Sie werden gesprochen haben, und der General hat sich darauf beschränkt, irgend etwas zu knurren. Der General redet nicht, er knurrt, ja, er murrt, wie man hier sagt. Und wissen Sie, warum er das tut?«

»Ich habe nicht den blassesten Schimmer.«

»Weil er stocktaub ist. Wenn er nicht antwortet, ist er geschützt. Einmal fragte der General Seine Exzellenz: ›Wie ist die Lage in der Provinz?« Da sagte der Präfekt, weil es gerade mal wieder einer seiner Tage war: ›43‹, was bedeutet: angespannt, nervös. Der General hatte wohl verstanden ›heiß und herzlich‹ oder so was in der Art und strich sich zufrieden über den Schnauzbart.«

»Was machen wir, Commendatore?«

»Ich kann nur meine Arme zum Himmel strecken.«

»Und ich kann nicht einmal das, weil mir die Arme herunterfallen. Machen wir es doch so: Überdenken wir die Sache ein paar Tage, dann treffen wir eine Entscheidung. Doch in der Zwischenzeit müssen wir unbedingt enge Verbindung halten.«

»Zu Ihren Diensten, Herr Polizeipräsident.«


C (Don Nenè – Caluzzè)

»Eurexellenz, Gott segne Euch, Don Nenè.«

»Unseren Gruß, Caluzzè.«

»Eurexellenz wollen mir gütig verzeihen, wenn ich Euch an Eurem Schreibtisch störe, wo Eurexellenz doch sicher zu tun haben.«

»In diesem Augenblick hab ich nichts zu tun, Caluzzè. Gibt’s was?«

»Jaje.«

»Ahje! Was für eine neue Schmierenwichserei hat er wieder auf dem Gewissen, mein Tochtermann Pippo?«

»Nichtsnicht. Don Pippo Genuardi hat sich in letzter Zeit auf keine Schmierenwichserei mehr eingelassen. Aber weil Eurexellenz von mir über alles und jedes informiert wollen werden, was im Lager von Don Pippo, Eurem Tochtermann, vor sich geht, muß ich Euch zur Kenntnis bringen, daß er einen Brief von der Präfektur in Montelusa erhalten hat.«

»Hast du ihn lesen können?«

»Jaje, Eurexellenz. Weil doch Don Pippo nach Fela mußte, hatte ich alle notwendige Zeit, um ihn zu lesen. Fast eine Woche hab ich dafür gebraucht.«

»Was stand in dem Briefe?«

»Der Brief sagte, daß Euer Tochtermann, Don Filippo, statt sich an die Präfektur zu wenden, an die Post- und Telegraphenverwaltung schreiben muß. Er hat sich geirrt, mit einem Wort.«

»Und was zum Teufel will er von der Post- und Telegraphenverwaltung?«

»Die Bewilligkeit für einen Telephonanschluß.«

»Bist du sicher, daß du richtig gelesen hast?«

»Dafür leg ich meine Hand ins Feuer.«

»Was will Pippo denn mit einem Telephon? Mit wem will er denn sprechen, dieser ausgekochte Hurenbock?«

»Im Briefe stand davon nichtsnicht.«

»Hier müssen wir auf der Hut sein, sehr auf der Hut sein. Behalt ihn weiterhin im Auge, Caluzzè, laß nicht locker. Berichte mir alles, jede Kleinigkeit.«

»Eurexellenz können ganz ruhig sein.«

»Da, Caluzzè, nimm.«

»Aber warum wollen Eurexellenz sich nur so viele Umstände machen?«

»Nimm schon, Caluzzè. Und wie gesagt: Augen auf.«


D (Pippo – Taninè)

»Taninè, wir müssen reden.«

»Iß erst, Pippo, dann reden wir. Hier, schau, ich hab dir Fisch gemacht, den magst du doch so gern. Stockfisch nach Feinschmeckerart und in Essig gedämpfte Köhlchen.«

»Taninè, du mußt mir verzeihen, aber ich kann nichts essen. Die Kehle ist wie zugeschnürt, das Essen geht einfach nicht runter.« »Was ist denn nur? Hast du im Luftzug gestanden? Bekommst du eine Erkältung? O Pippù, mach mir keine Angst!«

»Es ist keine Körperkrankheit, es sitzt im Gemüt. Hör zu, ich leg mich hin, das ist besser.«

»Ganz sicher willst du nichts essen?«

»Neiiin! Muß ich’s dir erst Vorsingen?«

»Na, gut. Wenn du mit mir reden mußt, red.«

»Taninè, ich brauche Hilfe.«

»Ich bin doch da.«

»Du mußt mit deinem Vater reden, mit Don Nenè.«

»Und was soll ich ihm sagen?«

»Daß wir seine Hilfe brauchen.«

»Oh nein, Pippù, über Geld rede ich mit meinem Vater nicht. Der Allmächtige allein weiß, was es mich gekostet hat, ihn um das Geld für das motorisierte Vierrad zu bitten, als du dir die Flause in den Kopf gesetzt hattest, das Ding zu kaufen! Weißt du, was Papa mir gesagt hat, als er mir das Geld gab? ›Das ist das letzte Mal, sag das diesem ehrlosen Herumlungerer von Pippo, deinem Mann.‹ Genau das hat er gesagt.«

»Ehrlos? Herumlungerer? Und das, wo ich mir von morgens bis abends den Arsch aufreiße in diesem Saustall von Holzlager! Saustall, jawohl! Wenn du das Lager der Brüder Tanterra in Fela hättest sehen können! Das, ja, das ist ein Lager! Drei Angestellte und fünf Gehilfen! Und Holz, das aus Kanada kommt und aus Schweden! Dagegen muß ich mich mit vier Brettern aus den Bergen der Madonìe zufriedengeben und mit einem absolut beschissenen Lagergehilfen wie Caluzzè, der Schrumpelfeige! Ich ersticke ganz einfach! Ich muß mich vergrößern! Ich muß mich ausdehnen! Deshalb mußt du mit deinem Vater reden!«

»Fängst du schon wieder an! Nein und nochmals nein, ich rede nicht mit ihm! Weißt du, was er mir antwortet? ›Wenn Pippo Geld braucht, dann soll er das motorisierte Vierrad nehmen und verkaufen. Einen anderen Scheißkerl, der’s ihm abkauft, findet er allemal.‹«

»Ja, seid ihr denn völlig verrückt geworden, du und dein Vater? Das Vierrad stellt was dar, verleiht Prestige! Weißt du, was in Fela passiert ist, als ich mit dem Automobil da ankam? Der Teufel war los! Die waren völlig aus dem Häuschen! Alle sind sie gekommen, um mich anzugaffen! Sogar die Brüder Tanterra sind mit offenem Maul aus dem Lager gekommen! Wenn ich geh und es verkaufe, sagen doch alle, daß ich vor dem Bankrott stehe, daß mir das Wasser bis zum Hals reicht.«

»Kannst du dir das Geld denn nicht von der Bank leihen?«

»Das hab ich ja, aber jetzt will sie es zurück. Reden wir nicht weiter drüber, Taninè. Ich geh und leg mich ein bißchen hin und hoffe, daß ich schlafen kann. Wie steht’s mit dir, kommst du?« »Ich räum nur noch den Tisch ab, wasch mich, sprech die Gebete, dann komm ich. Wart auf mich, bleib wach.«

»O Gott o Gott Gott mein Gott Gott ist das gut ist das gut o Gott o Gott nochmal nochmal und nochmal o Gott genau so genau so genau so ja ja ja jaaa ich sterbe ich sterbe ich bin schon ganz tot und tot mach ich noch weiter Pippù mach weiter Pippù o Gott o Gott was machst du da was machst du denn da warum hörst du auf?«

»Ich hab keine Lust mehr, ich bin müde.«

»Was machst du denn da, holst du ihn etwa raus? Holst du ihn wirklich raus? Nein nein nein um Gottes willen steck ihn wieder rein steck ihn wieder rein Pippù so ja so o Gott mein Gott genau so ganz rein ganz rein und nochmal und nochmal o Gott mein Gott …«

»Redest du mit deinem Vater, du alte Sau?«

»Ja ja ja ja ich red mit ihm sag mir nur nochmal du alte Sau.«


E (Pippo – Commendatore Longhitano)

»Pippo Genuardi! Erlauben Sie, auf ein Wort?«

»Commendatore Longhitano! Was für ein glücklicher Zufall! Genau zu Ihnen wollte ich eben.«

»Und ich wollte eben zu Ihnen. Damit steht es unentschieden zwischen Ihnen und mir.«

»Sie sind gut aufgelegt, Commendatore! Nie und nimmer werde ich je in der Lage sein, ein Unentschieden mit Ihnen zu erreichen, Sie sind immer der Überlegene, ich bin im Vergleich dazu nur eine winzige Ameise.«

»Sprech ich zuerst oder Sie?«

»Sie, Commendatore. Mit der schuldigen Hochachtung.«

»Nun denn. Die Information, die Sie mir neulich abends im Club freundlicherweise geneigt waren zu geben, hat sich als richtig herausgestellt. Ich schickte gleich zwei Freunde nach Palermo, zur Adresse an der Piazza Dante. Doch sie kamen zu spät, sie trafen ihn nicht mehr an, er hatte die Wohnung gewechselt, wie Sie es mir im übrigen ja auch schon durch Ihren Brief aus Fela mitgeteilt hatten. Keiner der Nachbarn konnte meinen Freunden sagen, wohin der Signor Buchhalter, diese miese Ratte, sich verkrochen hatte. Geduld. Trotzdem will ich Ihnen danken … Apropos, hat die Präfektur Ihnen geantwortet?«

»Ja, Commendatore.«

»Und warum lachen Sie dann so genüßlich? Würden Sie mir das liebenswürdigerweise erklären? Wenn jemand mir ins Gesicht lacht und ich mir den Grund dafür nicht erklären kann, werde ich ziemlich nervös.«

»Wollen Sie mir gütigst vergeben, Commendatore, ich bitte Sie um Verzeihung.«

»Ich will Sie davon in Kenntnis setzen, daß die Tatsache, daß meine Freunde unseren Buchhalter nicht angetroffen haben, nicht bedeutet, daß das Spiel zu Ende ist. Denn, sehen Sie, keiner darf sich einen dummen Scherz mit mir erlauben, keiner darf mich an der Nase herumführen. Und die Nase meines Bruders Nino, der ein gutmütiger und liebenswerter Mensch ist, ist wie meine eigene.

Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

»Vollkommen.«

»Es geht nicht um die elendigen zweitausend Lire, um die Sasà La Ferlita meinen Bruder geprellt hat, sondern um das Beispiel. Verstehen Sie mich?«

»Im Fluge.«

»Gut so. Folglich ist es Ihre Pflicht, wenn Sie zufällig erfahren sollten, wohin dieser verdammte Hurensohn umgezogen ist, mich entsprechend zu informieren.«

»Commendatore, Sie wollen mich grundlos beleidigen. Ich kenne meine Pflicht, ohne daß Sie mich an sie gemahnen müssen. Erinnern Sie sich, daß ich eben gelacht habe? Ich habe gelacht, weil Sie mich nicht nach dem Grund gefragt haben, warum ich Sie besuchen wollte.«

»Und was ist der Grund? Erklären Sie sich genauer.«

»Da gibt es so gut wie nichts zu erklären. Signor Buchhalter Rosario La Ferlita. Bei Familie Bordone. Corso Tukory. Fünfzehn. Palermo.«

»Sind Sie sich da ganz sicher?«

»Wie das Evangelium.«

»Dann passen Sie auf: Wir beide haben uns nicht gesehen und haben nicht miteinander gesprochen. In Ihrem eigenen Interesse. Bei nächster Gelegenheit werde ich’s Ihnen vergelten.«

»Commendatore, verzeihen Sie mir, wenn ich Sie danach frage. Aber kennen Sie jemanden in Palermo, der bei der Post- und Telegraphenverwaltung arbeitet? Es ist nämlich so, vor etwa zehn Tagen habe ich einen Antrag weggeschickt…«