Unternehmenssanierung, eBook

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4. Kapitel Operative und strategische Sanierung

I. Prüfung von Insolvenzantragspflichten und Stabilisierungsmaßnahmen

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Die Prüfung, ob eine Insolvenzantragspflicht vorliegt oder sich abzeichnet, gehört, schon wegen der für die Organe gegebenen persönlichen Haftungsrisiken[1], zu den kritischen Aufgaben von Geschäftsführern und Vorständen. Zur Vermeidung von Risiken sind deswegen nach der ständigen Rechtsprechung des BGH[2] die Organe dazu verpflichtet, in angemessenen, ggf. sehr kurzen Abständen anhand der aktuellen Gegebenheiten zu überprüfen, ob Insolvenzantragsgründe vorliegen.[3] Dies ist in Krisenzeiten, d.h. wenn das gezeichnete Kapital weitestgehend aufgebraucht ist, sich bereits eine bilanzielle Überschuldung abzeichnet oder ergeben hat, wesentliche Verbindlichkeiten fällig werden und nicht ohne Probleme oder gar nicht refinanziert werden können, der Fall. Der IDW Standard S 11[4] weist darauf hin, dass die Organe den Nachweis führen müssen, jederzeit den Überblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu haben, in dem sie mit plausiblen Annahmen und realistischen Umsetzungsperspektiven vorausschauend planen. Spätester Anlass für eine solche Überprüfung sollte nach IDW PS 270[5] jede „nachhaltige Störung des finanziellen Gleichgewichtes eines Unternehmens oder durch die aufgrund einer nachhaltigen Beeinträchtigung seiner Ertragskraft verursachte Aufzehrung des Eigenkapitals“ sein. Eine Überprüfung der Insolvenzantragspflichten lediglich zu den Abschlussstichtagen reicht dann regelmäßig nicht aus.

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In Anbetracht der besonderen Komplexität der Aufgabe und der regelmäßig mangelnden Erfahrung sowie zur Risikominimierung neigen Organe von Gesellschaften dazu, die Feststellung, ob Insolvenzantragsgründe vorliegen, erfahrenen Beratern zu übertragen. Berater, denen diese Aufgabe übertragen wird, sind gut beraten, sorgfältig zu prüfen, ob sie über die für diese besondere Aufgabenstellung erforderliche Kompetenz und Erfahrung verfügen, da auch für den mit der Aufgabe betrauten Berater ggf. Haftungsrisiken bestehen.[6]

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Vor dem Hintergrund der Problematik einer Kreditgewährung in derartigen Situationen und wegen des resultierenden latenten Anfechtungsrisikos werden Aufträge dieser Art nur als Bargeschäfte i.S.d. § 142 InsO oder gegen Vorkasse durchgeführt werden können. Es sollte dabei nicht unerwähnt bleiben, dass in jüngster Zeit auch bei diesen Konstellationen von später bestellten Insolvenzverwaltern die Zahlungen angefochten und zurückgefordert wurden. Die in der Literatur zu findende Empfehlung, derartige Risiken durch eine Beauftragung von dritter Seite (Organe, Gesellschafter) auszuschließen,[7] birgt das Risiko von Interessenkonflikten aufgrund der nicht immer gleichgerichteten Interessenlagen in Krisensituationen. Zudem ist, je nach Auftragsumfang, auch fraglich, ob Dritte zur Übernahme der Honorare willens und in der Lage sind.

1. Logische Arbeitsfolge

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Das nachfolgende Schaubild zeigt die logische Abfolge einer Auftragsdurchführung und damit gleichzeitig auch die in einer Auftragsbestätigung abzudeckenden Inhalte.

Abb. 1: Antragsdurchführung


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Die dargelegten Bausteine sollten sinnvollerweise Gegenstand jeglicher Auftragsübernahme in Krisensituationen sein, auch wenn vom Unternehmen explizit lediglich eine Unternehmensanalyse, die Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes o.Ä. angefragt ist. Nur auf diese Art und Weise können mögliche Haftungsrisiken und Reputationsschäden vermieden werden. Der teilweise anzutreffende Ausschluss der Überprüfung von Insolvenzantragspflichten bei Aufträgen zur Unternehmensanalyse oder zur Erstellung eines Sanierungskonzeptes ist nur dann sinnvoll, wenn die Insolvenzantragspflichten von anderen Beratern geprüft werden oder zeitnah geprüft worden sind.

2. Überprüfung der aktuellen und kurzfristigen Fortbestehensfähigkeit

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Der Berater sollte bei der Auftragsannahme oder allerspätestens bei Beginn der Auftragstätigkeit die aktuelle und kurzfristige Fortbestehensfähigkeit des Unternehmens angemessen und sorgfältig überprüfen. Sicherzustellen ist dabei, dass das Unternehmen während der Laufzeit des Auftrages, mindestens aber bis zum voraussichtlichen Abschluss der Arbeiten zur Überprüfung der Insolvenzantragspflichten, über die für ein geordnetes Fortbestehen des Geschäftsbetriebes notwendige Liquidität verfügt.

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Für die Überprüfung sollte die kurzfristige Liquiditätsplanung des Unternehmens zugrunde gelegt werden. Hierzu ist eine Liquiditätsplanung erforderlich, die den Cash-Flow nach der direkten Methode, d.h. durch Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben, ermittelt und die Zahlungsein- und -ausgänge idealerweise auf Tagesbasis, mindestens aber auf Wochenbasis darstellt. Für den hier diskutierten Zweck muss diese Planungsrechnung mit besonderer Sorgfalt durchgeführt werden und auch durch mindestens Stichprobenprüfungen verifiziert werden, da Unternehmen in finanziell kritischen Situationen durchaus dazu neigen, fällige Zahlungen in derartigen Planungen nicht fristgerecht zu berücksichtigen und auch die zeitnahe Erfassung von Verbindlichkeiten vielfach nicht mehr vollständig gegeben ist. Es hat sich deshalb bewährt, ergänzend abzufragen, wann bestimmte kritische Zahlungen zuletzt erfolgt sind und für welchen Zeitraum sie geleistet wurden.

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Im Einzelnen sind dies:


- Löhne und Gehälter,
- Sozialversicherungsbeiträge,
- Lohnsteuer,
- Umsatzsteuer,
- Mieten.

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Des Weiteren lohnt es sich zu ermitteln, ob Gläubiger Ansprüche bereits klageweise geltend machen, Mahnbescheide vorliegen oder bereits tituliert wurden und ob und in welchem Umfang „letzte“ Mahnungen bereits eingegangen sind.

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Ergeben diese Prüfungen keine Auffälligkeiten, so empfiehlt es sich, weiter zu überprüfen, ob die genannten kritischen Zahlungen auch innerhalb der kurzfristigen Zukunft gesichert sind und hierfür ausreichende Liquidität zur Verfügung steht.

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Führt vorstehend geschilderte Überprüfung der kurzfristigen Fortbestehensfähigkeit zu einem negativen Ergebnis, so sind vor einer weiteren Auftragsdurchführung unverzüglich Maßnahmen zur Beseitigung der akuten Liquiditätsprobleme und damit der Stabilisierung des Unternehmens erforderlich.

3. Möglichkeiten zur kurzfristigen Generierung von Liquidität

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Für eine kurzfristige Stabilisierung und Liquiditätsbeschaffung sollten jene Personen oder Unternehmen gezielt angesprochen werden, die im Falle einer Insolvenz besondere Nachteile zu gewärtigen hätten. Neben den Gesellschaftern und großen, wesentlichen Kreditgebern können dies auch Großkunden oder wesentliche Lieferanten sein. Angesichts des regelmäßig äußerst engen Zeitrahmens ist die Ansprache bisher nicht Beteiligter oder größerer Kreise kaum erfolgversprechend und deshalb nicht sinnvoll. Zudem sind zu diesem Zeitpunkt die Fakten typischerweise nicht oder nur bedingt geklärt, und die erforderliche Finanzierung ist deshalb mit einem so hohen Risiko behaftet, dass nur die Ansprache an einer Unternehmensfortführung dringend oder zwingend interessierter Personen oder Unternehmen zielführend ist.

3.1 Gesellschafter

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Die erste logische Ansprache richtet sich an die Gesellschafter. Sie sollten das größte Interesse an einer Fortführung des Unternehmens haben. In fortgeschrittenen Krisensituationen ist es allerdings häufig der Fall, dass die Gesellschafter ihre finanziellen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft oder sogar überstrapaziert haben und insoweit nicht in der Lage sind, weitere Beiträge zu leisten. Zudem haben die Gesellschafter aufgrund der Gesetzeslage keine Möglichkeiten, ihre Beiträge abzusichern. Sollte es nicht zu einer nachhaltigen Lösung für die Unternehmenskrise kommen, so sind auch diese weiteren Mittel unweigerlich verloren. Dies gilt, gleichgültig, ob die Beiträge als Einlage oder als Gesellschafterdarlehen geleistet wurden.[8]

3.2 Gläubiger

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Da Liquiditätsprobleme regelmäßig auf ein zu hohes Maß an fälligen Verbindlichkeiten zurückzuführen sind, ist es naheliegend, zur Beseitigung der akuten Liquiditätsprobleme auf Gläubiger zuzugehen. Dabei ist dringend davon abzuraten, alle Gläubiger oder einen größeren Kreis der Gläubiger anzusprechen. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen mit Warenkreditversicherern sind Lieferanten mit versicherten Forderungen regelmäßig gehalten, Stundungsvereinbarungen unmittelbar an den Warenkreditversicherer zu melden. Soweit der Warenkreditversicherer nicht ohnehin schon auf das Unternehmen aufmerksam geworden ist, wird er spätestens jetzt die Kreditlimits reduzieren oder gar die weitere Kreditierung vollständig einstellen. In solchen Fällen führt dann die ursprünglich beabsichtigte Stundung und damit einhergehende Entschärfung der Liquiditätssituation zu einer dramatischen Verschlechterung der Lage, da nunmehr die Lieferanten in großem Umfang zügigere Zahlungen oder Vorkasse für neue Lieferungen einfordern werden. Sollte die Ansprache von kreditversicherten Lieferanten zwingend erforderlich sein, so sollte der Kreditversicherer proaktiv angesprochen werden und in die Gespräche eingebunden sein.

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Wenn Mieten einen wesentlichen Teil der Liquiditätsabflüsse ausmachen, sollte versucht werden, eine Stundung von Mietzahlungen herbeizuführen. Vorteil ist, dass die Ansprache der Vermieter nicht die Aufmerksamkeit von Warenkreditversicherern auf sich zieht und es den Vermietern vor dem Hintergrund, der ihnen in der Regel zur Verfügung stehenden Kautionen und des ihre Ansprüche sichernden Vermieterpfandrechtes leichter fällt, temporäre Verzögerungen der Mietzahlungen zu billigen.

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Die Ansprache von Gläubigern sollte sich insoweit auf möglichst wenige große und an einer Unternehmensfortführung besonders interessierte Gläubiger beschränken.

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Ohne die vorstehend geschilderten Probleme befürchten zu müssen, können Finanzgläubiger, typischerweise Kreditinstitute, angesprochen werden. Eine temporäre Aussetzung von fälligen Zins- und Tilgungszahlungen ist hier vergleichsweise leicht erreichbar, da, wenn die unmittelbare unausweichliche Alternative ein Insolvenzantrag ist, dies auch für die Kreditgeber leicht nachvollziehbar ist. Deutlich anders ist die Situation, wenn die Zuführung neuer Liquidität erforderlich ist. Hier sind zudem längere Verhandlungen zu erwarten. Erfahrungsgemäß ist frische Liquidität nur zu erlangen, wenn bereits in diesem Stadium den Finanzgläubigern eine belastbare grundsätzlich positive Prognose gegeben werden kann, was in der Regel schwierig ist. Hilfreich ist es auch, wenn noch werthaltige und freie Sicherheiten für eine Absicherung eines Neukredites zur Verfügung stehen. Dies ist erfahrungsgemäß nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben. Zur Unterstützung von derartigen Gesprächen mag es auch sinnvoll sein, die öffentliche Hand (Stadt oder Land) anzusprechen. Zwar sind diese aufgrund der strengen Reglementierung von öffentlichen Beihilfen durch die Europäische Union nur bei kleinen und kleinsten Unternehmen in der Lage, selbst zu helfen (hierzu 5. Kap. Rn. 150 ff.), sie haben aber häufig Möglichkeiten oder Zugang zu Entscheidungsträgern, um die Verhandlungen mit Kreditinstituten hilfreich zu moderieren.

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Es versteht sich von selbst, dass eine Vereinbarung über Stundungen und Zahlungspläne, zumindest kurz schriftlich und verbindlich festgehalten werden sollte. Auch wenn der BGH in einem sehr besonderen Fall festgehalten hat,[9] dass auch informelle faktische Stundungen eine Zahlungsunfähigkeit beseitigen können, so ist dies schon aufgrund der Unsicherheiten und möglichen Missverständnisse in keiner Weise empfehlenswert.

3.3 Kunden

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Häufig übersehen wird die Möglichkeit, auch durch die Ansprache von Kunden kurzfristig benötigte Liquidität zu generieren.

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Bei Krisenunternehmen wird häufig das systematische und konsequente Inkasso der eigenen Forderungen nur noch unzureichend betrieben. Zudem ist häufig die Neigung zu beobachten, sich mit Kunden in die Diskussion über strittige Spitzenbeträge zu verstricken und so mögliche größere Zahlungseingänge zu blockieren. Ein stringentes zielgerichtetes Inkasso und ein pragmatischer Umgang mit strittigen Forderungen sind in vielen Fällen geeignet, binnen kurzer Frist wesentliche Zahlungseingänge zu generieren.

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Reicht dies nicht aus, so sollten wichtige Schlüsselkunden identifiziert werden, die an einer Fortführung des Unternehmens besonders interessiert oder von ihr gar abhängig sind. Bei solchen Kunden sollte über eine Verkürzung von Zahlungsfristen gesprochen werden. Es ist häufig anzutreffen, dass die wichtigsten Kunden recht großzügige Zahlungskonditionen haben. So werden beispielsweise Automobilzulieferer klassisch jeweils einmal monatlich Mitte des Folgemonats von ihren Kunden bezahlt. Hier ist es wegen der besonderen Abhängigkeiten in der Regel möglich, auf wesentlich kürzere Zahlungsfristen umzustellen.

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Eine weitere Möglichkeit, Liquidität zu generieren, ergibt sich im Bereich des Anlagenbaus oder bei Projektgeschäft. In solchen Fällen ergibt sich die Möglichkeit der projektgebundenen Finanzierung, entweder durch ein Kreditinstitut oder auch den Auftraggeber. Durch entsprechende Gestaltung ist es auch möglich, dem Finanzierer hierbei Sicherheiten einzuräumen.

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Weitere Finanzierungsmöglichkeiten können sich in bestimmten Situationen dadurch ergeben, dass man bisher getätigte wesentliche Materialeinkäufe durch den Kunden beistellen lässt. Bei entsprechender vertraglicher Gestaltung ist auch in diesen Fällen das sich ergebende Risiko für den Kunden überschaubar.

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Zur generellen Verbesserung der Liquiditätssituation sollte zudem darauf geachtet werden, dass Kunden mit kurzen Zahlungszielen oder besseren Margen bei der Ansprache und der Auftragsabarbeitung erhöhte Priorität eingeräumt wird.

3.4 Nicht zwingende Ausgaben

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In einzelnen Fällen lässt sich eine Entspannung der Liquiditätssituation auch dadurch herbeiführen, dass die anstehenden wesentlichen Zahlungen kritisch analysiert werden. Es mag im Einzelfall möglich sein, durch Leasingfinanzierung anstehender Anlageinvestitionen wesentliche kurzfristige Ausgaben zu vermeiden. Auch Sonderzahlungen an leitende Mitarbeiter (Boni), Sponsorenzahlungen etc. sollten in der Regel aufschiebbar sein oder wenn möglich ganz entfallen können.

3.5 Nicht betriebsnotwendiges Vermögen

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Eine weitere Möglichkeit, Liquidität zu generieren, liegt grundsätzlich in der Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Die Lösung von Liquiditätsproblemen auf diese Art und Weise findet nach persönlichen Beobachtungen des Autors allerdings häufiger in der Literatur als in der Praxis statt. Zum einen ist etwaig tatsächlich vorhandenes nicht betriebsnotwendiges Vermögen im Laufe einer Unternehmenskrise typischerweise bereits veräußert worden und des Weiteren ist die Vermarktung von nicht betriebsnotwendigen Vermögenspositionen in der Regel nicht kurzfristig möglich.

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Dennoch sollte bei der Suche nach kurzfristiger Liquidität der Bestand an Waren und Vorräten kritisch betrachtet werden. Etwaig vorhandene Überbestände an nicht (mehr) marktgängigen Vorräten sollten konsequent und zügig vermarktet werden.

3.6 Sale-and-Lease-Back-Geschäfte

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Sale-and-Lease-Back-Transaktionen sind grundsätzlich sehr gut dazu geeignet, einem Unternehmen kurzfristig wesentliche Liquidität zuzuführen. Wegen der damit verbundenen regelmäßig sehr hohen Folgekosten ist allerdings Zurückhaltung geboten. Eine auch nur annähernd sinnvolle Relation von kurzfristiger Liquiditätszuführung und Folgekosten wird sich in der Regel nur erzielen lassen, wenn es sich bei dem Objekt um einen objektiv werthaltigen Vermögensgegenstand handelt, der auch allgemein vermarktet werden kann.

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Sollten alle Bemühungen zur Beseitigung einer vorhandenen oder sich kurzzeitig abzeichnenden offensichtlichen Zahlungsunfähigkeit nicht zu einer Lösung führen, so sind die gesetzlichen Vertreter des Mandanten auf die bestehende Insolvenzantragspflicht in dokumentierter Form hinzuweisen. Dies sollte ausführlich und schriftlich geschehen. Der bisher vereinbarte Auftrag wird an dieser Stelle im beiderseitigen Einvernehmen abgebrochen. Die weitere Beratung kann sich sinnvollerweise nur noch auf eine Beratung bei der Stellung des Insolvenzantrages und hinsichtlich der möglichen Ausgestaltung eines Insolvenzverfahrens erstrecken. Dabei gilt es zu bedenken, dass aufgrund der umfangreichen Optionen und der zum Teil sehr umfassenden Anforderungen der Gerichte für die Ausfertigung eines Antrages durchaus 1 bis 2 Arbeitswochen erforderlich sind.

4. Zahlungsunfähigkeit

4.1 Definitionen

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Für die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit und damit der Insolvenzantragspflicht sollten vorab die Begrifflichkeiten geklärt werden, bei denen immer wieder Unklarheiten und Missverständnisse auftreten. Sorgfältig zu unterscheiden sind die Zahlungseinstellung, die Zahlungsunfähigkeit und die Zahlungsstockung.

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– Zahlungseinstellung

Von einer Zahlungseinstellung ist auszugehen, wenn der Schuldner die Zahlung von fälligen und überfälligen Verbindlichkeiten im Wesentlichen eingestellt hat.

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– Zahlungsunfähigkeit

Die Definition der Zahlungsunfähigkeit findet sich in § 17 InsO. Danach ist ein Schuldner dann zahlungsunfähig, „wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“. Auch wenn die explizite Gesetzesformulierung keinen Hinweis auf das Kriterium der Wesentlichkeit gibt, so hat der BGH doch in ständiger Rechtsprechung entschieden,[10] dass dann nicht von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, wenn die Deckungslücke zwischen fälligen und überfälligen Verbindlichkeiten und der frei verfügbaren Liquidität nur unwesentlich ist. Dabei ist grundsätzlich eine Deckungslücke von bis zu 10 % der fälligen und überfälligen Verbindlichkeiten nach der Rechtsprechung des BGH als nicht wesentlich anzusehen.

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– Zahlungsstockung

Liegt Zahlungsunfähigkeit vor, zeichnet sich dabei aber ab, dass diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit kurzfristig wieder überwunden werden kann, so ist lediglich eine Zahlungsstockung gegeben. Als kurzfristig ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von maximal 3 Wochen anzusehen.

4.2 Prüfung der Zahlungsfähigkeit

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Ausgangspunkt für die Prüfung der aktuellen Zahlungsfähigkeit ist regelmäßig eine Gegenüberstellung der frei verfügbaren Liquidität und der fälligen und überfälligen Verbindlichkeiten. Auf dieser Ausgangsbasis ist die zukünftige Entwicklung der Liquidität, vorzugsweise tagesweise, mindestens aber auf Wochenbasis, am besten für die nächsten 3 Monate, fortzuschreiben. Dabei werden Einzahlungen und Auszahlungen in allen wesentlichen Punkten einzeln und zahlenmäßig aufgeführt. Angesichts der bei solchen Planungsrechnungen nicht erreichbaren Präzision und zur Sicherstellung eines pragmatischen Ansatzes hat es sich bewährt, solche Rechnungen auf Tausend oder Millionen-EURO Basis durchzuführen.

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Erfahrungsgemäß findet man in jedem Krisenunternehmen eine Liquiditätsplanung vor. Zur Vermeidung unnötiger Kosten und Zeitverluste ist daher im ersten Angang zu überprüfen, inwieweit die im Unternehmen vorhandene Liquiditätsplanung den vorstehenden Ansprüchen gerecht wird. Ist dies der Fall, so ist die vorliegende Liquiditätsplanung hinsichtlich ihrer wesentlichen Annahmen sorgfältig zu überprüfen.

 

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Die wesentlichen Schritte zur Prüfung einer Liquiditätsplanung sind: