Die Zukunft ist menschlich

Text
Aus der Reihe: Dein Business
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Algorithmus

Was ist eigentlich ein Algorithmus? Das Gabler Wirtschaftslexikon sagt, es sei ein

Lösungsverfahren in Form einer Verfahrensanweisung, das in einer wohldefinierten Abfolge von Schritten zur Problemlösung führt.

Algorithmen beschreiben also eine Verfahrensanweisung zur Lösung eines Problems. Sie erkennen nicht das Problem, geschweige denn, dass sie es (eigenständig) lösen – dazu müssten sie es ja »verstehen«. Ein Problem besteht immer in einem gewissen Kontext, den es ebenfalls zu durchschauen gilt. Ein Kaugummi ist etwa im Supermarktregal oder im Mund (sofern Sie gerne Kaugummi kauen) eine gute Sache. Unter dem Schuh klebend nicht. Abgesehen davon, dass uns kein Algorithmus der Welt den Kaugummi von der Schuhsohle kratzen wird, ist die Einordnung, ob »Kaugummi« etwas Gutes oder Schlechtes ist, nur im Kontext machbar. Dem Menschen gelingt das sehr leicht, Maschinen müssen dies vom Menschen lernen.

Schauen wir auf ein Beispiel aus meinem Alltag, um den Begriff »Algorithmus« besser zu verstehen. Mit einem Algorithmus könnten Sie etwa einen Tagesablauf in Form von Schritten beschreiben mit all den Aufgaben, die auf Sie warten (es müssen ja nicht immer gleich »Probleme« sein, wie o. g. Definition beschreibt). Manche Aufgaben können Sie erst erledigen, wenn zuvor eine bestimmte Bedingung eingetreten ist. »WENN – DANN« oder »SOLANGE« sind typische Lösungsverfahren in Algorithmen.

Hier mein Beispiel: Meine kleinste Tochter plant ihren Übernachtungs-Kindergeburtstag mit Freundinnen. Und der sieht in etwa so aus:

WENN alle Kinder da sind,

DANN Flaschendrehen UND Geschenke auspacken,

SOLANGE noch Geschenke da sind.

DANN Marmorkuchen essen.

DANN Schatzsuche usw.

Wenn man sich die einfache Abfolge des Kindergeburtstags anschaut, erkennt man ein Regelwerk, das vermutlich jeder von uns kennt. Die Maschine folgt Algorithmen, wie wir Menschen etwa Ritualen. Es gibt kleine Unterschiede und Abweichungen, die man klar beschreiben kann. Insofern ist der Algorithmus etwas, was uns zutiefst vertraut sein sollte. Nur dann nicht, wenn man dazu eine gesonderte Sprache lernen muss, nämlich die, die die Maschine versteht. Nichts anderes ist ein Computerprogramm: ein Algorithmus oder ein Regelwerk in einer bestimmten (Programmier-)Sprache.


Die Planungen meiner Jüngsten zu ihrer Geburtstagsfeier

Mit Algorithmen kann man also viele logische und auch sehr komplizierte Aufgaben beschreiben, wie etwa das Sortieren von Zahlen, Verzweigungen (WENN – DANN – SONST), Berechnungen oder Wiederholungen.

Hinter der Fassade nahezu aller neueren Geräte in unseren Haushalten arbeitet eine digitale Steuerung. Berechnungen erfolgen in Millisekunden, sei es, dass Ihr Auto Sie bei einem Parkvorgang unterstützt, das Handy eine Nachricht versendet oder der Kühlschrank die Temperatur im Eisfach regelt und anzeigt.

Dabei sind Computerprogramme nie komplex, höchstens kompliziert. Der Unterschied zwischen komplex und kompliziert ist, dass alles Komplizierte einem festen Regelwerk folgt. Ein Schweizer Uhrwerk bspw. mag ein Wunder sein mit seinen vielen Zahnrädern und auch ein wenig undurchschaubar für den Laien. Es ist aber »nur kompliziert«, denn die Zahnräder greifen – solange die Uhr nicht kaputt ist – auf immer gleiche Art und Weise ineinander und bewegen so die Zeiger der Uhr. Auch eine Steuererklärung ist kompliziert, nicht komplex – auch wenn es sich anders anfühlt. Denn es sind einfach unglaublich viele Regeln, die zu beachten sind. So viele, dass selbst der beste Finanzbeamte wohl manches Mal den Überblick verlieren dürfte.

Komplex wird etwas, wenn es unvorhersehbar oder nicht beherrschbar ist. Oder wenn mehrere Einflussfaktoren gleichzeitig einwirken. Oft sind es sogar wir Menschen, die die Dinge komplex werden lassen. Vielleicht eine ganz sympathische Unberechenbarkeit und ein Unterschied zur Maschine. ;-)

Ein Beispiel: Nehmen wir Abläufe in großen Unternehmen, in denen viele verschiedene Menschen in unterschiedlichen Funktionen miteinander arbeiten. Komplex wird es schon, wenn nicht nur zwei Menschen oder Institutionen miteinander zu tun haben, sondern eine dritte hinzukommt. Geschweige denn es werden noch mehr Partner. Das kennen Sie sicher.

Die beste Lösungsstrategie für komplexe Situationen ist übrigens, den gesunden Menschenverstand einzusetzen, nämlich mit dem Ziel, komplexe Situationen zu vereinfachen.

Gehen wir zurück zu der Frage, ob ein Algorithmus Probleme lösen kann, denn auch in der öffentlichen Diskussion klingt es manches Mal so, als wären die digitalen Maschinen allwissend und es sei nur eine Frage der Zeit, bis sie Probleme so wie wir Menschen lösen – oder gar besser.

Wenn wir eine Reihe unsortierter Zahlen als Problem bezeichnen und ein Sortieralgorithmus diese in Ordnung bringt, wäre das eine Lösung für ein definiertes Problem. Wenn wir allerdings wahre Probleme aus unserem Leben oder der Weltgesellschaft herausgreifen, wie etwa die Global Goals: keine Armut, kein Hunger, sauberes Wasser oder gute Bildung, dann fällt es schwer, hier irgendeine einfache Lösung per Algorithmus zu ermitteln. Erst recht wird der Computer das Problem nicht selbstständig erkennen, denn Maschinen »verstehen« die Welt nicht, wie etwa ein Mensch sie versteht. Nicht einmal wir Menschen verstehen sie schließlich alle in gleicher Weise. Diese wahrhaft komplexen Probleme bedürfen sehr vieler kleinerer Maßnahmen. Sicher können digitale Hilfsmittel Teil der Lösung sein.

Jedes vom Computer zu lösende Problem wird vom Menschen im Rahmen gesetzter Regelwerke definiert – wie etwa Gesetze eines Landes. Definierte oder auch undefinierte Normen gelten bspw. innerhalb von Institutionen wie Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, Kulturinstitutionen, Kindergärten, Schulen oder Universitäten, aber auch im Kontext subjektiver Anschauungen oder in einem ethischen Rahmen. Und Letzteren überträgt der Mensch in die Maschine. Er trainiert sie im wahrsten Sinne des Wortes mit den Regeln, die sie befolgen soll, und mit Daten, die er kennt. Dies sollte uns stets bewusst sein, sei es als Anwender oder als Gestalter von digital unterstützten Produkten oder Dienstleistungen.

Der Mensch wird gebraucht

Schauen wir auf ein Beispiel, in dem der Mensch als führende Kraft von der Maschine ersetzt wird. Diese Dystopie kommt bereits in Science-Fiction-Filmen vor (und vielleicht in Angst-Szenarien in unseren Köpfen), aber ich möchte ein Szenario aus unserer realen Welt nehmen. Was wäre also, wenn die Maschine zukünftig die Führung übernimmt, etwa in einer Institution, die wir kennen: ein Museum für moderne Kunst?

Stellen Sie sich vor, es handelt sich um ein Museum, das jahrelang ein Schattendasein führte. Wurde es früher noch regelmäßig gut besucht von Kulturinteressierten, Schulklassen und Veranstaltungsbesuchern, so nahm die Zahl der Besucher über die Jahre stark ab. Vielleicht waren die Menschen zu beschäftigt, ins Museum zu gehen, vielleicht bemerkten sie auch zu selten, welche spannenden Ausstellungen es dort zu sehen gab. Mit dem Museum starb die damals gut florierende Museumsgastronomie. Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein Museum auch für die Museumskultur der Menschen. Keiner ging mehr hin.

Im menschlichen Szenario tritt ein neuer, menschlicher Museumsdirektor auf die Bildfläche. Jung, noch recht unbekannt in der Szene. Aber er kommt mit Ambitionen und bringt richtig Schwung in den Laden. Er organisiert Ausstellungen, die Aufmerksamkeit erregen. In der Stadt fallen die bunten Plakate mit außergewöhnlichen Themen auf. Er bringt Kunst neu ins Gespräch, sucht selbst das Gespräch mit den Menschen und setzt neue Akzente. Und es kommen wieder erstaunlich viele Besucher in das Museum. Es ist wieder belebt.

Im dystopischen Szenario eines Maschinenzeitalters folgt ein digitaler Museumsdirektor. Statt des ambitionierten Menschen gelangt die Maschine, womöglich in Roboterform, in die Position und führt von nun an mit ihrem Regelwerk. Der Algorithmus hat das Problem erkannt und registriert, dass täglich immer weniger Menschen ein Ticket kaufen und Einnahmen fehlen. Dann checkt er das Budget, prüft also, wie viel Geld für den Betrieb des Museums nötig ist und – bei Kulturbetrieben üblich – wie viele Zuschüsse von der Stadt oder einem Mäzen vorliegen. Er rechnet – das kann er gut: Wenn weiterhin so wenige Menschen kommen, dann hat das Museum zu wenig Geld für den Betrieb zur Verfügung. Was kann der Algorithmus (übrigens vom Menschen geschrieben) dann tun? Etwa eine automatische Nachricht an die Geldgeber senden: »Zu wenig Geld vorhanden.« Ohne weitere Begründung, den Kontext hatte er nicht. Die Empfänger der Nachricht – auch Maschinen – schauen in ihre digitalen Kassen und schicken innerhalb von Sekunden ein »Leider kein höheres Budget möglich« zurück. Wie könnte die Museumsmaschine das Problem angehen?

Vielleicht ist die Maschine sogar »kreativ« geworden und hat – mit dem letzten Rest Budget – noch eine Marketingkampagne gestartet. Der »digitale Museumsdirektor« hat seinen digitalen Kollegen »Marketingdirektor 2.0« angestoßen mit dem Hinweis: »Brauche mehr Besucher, gebe x Euro.« Dieser errechnet, wie viele Plakatflächen er mit dem verfügbaren Budget belegen kann, kalkuliert anhand der Passantenströme und vergangener Werbeschaltungen die optimale Belegung und macht sich daran, das Motiv zu entwerfen.

 

Sie ahnen schon: Wie gut stellen Sie sich das Ergebnis vor? Und was meinen Sie, wie sehr wären Sie als Mensch angesprochen? Aber lassen wir das mal einen Moment dahingestellt.

Nun, es gibt Algorithmen, die Kunst entwerfen können. Stellen wir uns vor, das Plakat »Kommen Sie ins Museum!« wäre von einer künstlichen Intelligenz entworfen und automatisch ausgesteuert an die digitalen Leinwände gebracht (jede Bus- oder Bahnhaltestelle wird bald damit bestückt sein, aber auch die Plakate an den großen Straßenzügen sind digital), die in der Stadt und umliegenden Region zur Verfügung stehen. Gibt es vielleicht trotzdem einen Unterschied? Liegt der Grund, sich Kunstwerke anzusehen, vielleicht vor allem an dem Menschen dahinter, an seiner Geschichte und der Erzählung, die er uns mit seinem Kunstwerk vermittelt?15 Ich bin überzeugt davon. Nehmen wir die weltberühmte Mona Lisa von da Vinci, das Kunstwerk im Louvre in Paris. Es berührt die Menschen, davor zu stehen, es zu bewundern und sich in die Renaissance um das Jahr 1503 zurückzuversetzen, in der es entstand. Die Geschichte bewegt die Besucher. Ist das nicht mehr als ein x-beliebiges Kunstwerk aus dem digitalen Pinsel ohne Gesicht?

Meine Prognose für das digital geführte Museum lautet: Kein Mensch geht hin, Maschinen haben ohnehin kein Interesse an Kunst, in der Folge schließt es. Ich bin überzeugt: Es ist ein riesengroßer Unterschied, ob Mensch oder Maschine am Werk sind. Die Maschine wird, auch auf lange Sicht, nicht verstehen, wie sehr Persönlichkeit, Emotion und Haltung eines Menschen ein Museum unterstützen können. Gleiches gilt für Unternehmen, Schulen, Behörden usw. Sie brauchen einen Menschen mit Werten und Visionen, der die Geschicke inhaltlich gestaltet. Kreativität und Gestaltung sind zutiefst menschliche Fähigkeiten, und ich bin sicher, dass wir das Menschliche auch genau wahrnehmen, ja brauchen.

Der Mensch, der etwas gestaltet, berührt uns. Die Maschine nicht. Wir sagen »uns geht etwas unter die Haut«, wenn uns etwas emotional bewegt. Ein Erlebnis, mit dem wir Emotionen verbinden, erinnern wir besser.16 Ja, es ist inzwischen nachweisbar, dass dies sogar für demenzkranke Menschen gilt.

Durch eigene Erfahrungen entwickeln wir Menschen uns ständig weiter, die Neuroplastizität des Gehirns haben wir ja bereits angesprochen. Und genau diese Eigenschaft hat die Maschine nicht. Sie lernt laut Regelwerk, das der Mensch ihr gibt, und damit viel eintöniger und langsamer als der Mensch. Auch das schauen wir uns noch etwas ausführlicher an.

Das Digitale betrifft uns alle

Eine Besonderheit der neuen digitalen Realität ist, dass sie uns alle betrifft. Im Job (wie sich unsere Arbeit neu gestaltet), in der Freizeit (wie wir uns informieren, kommunizieren und unseren Alltag gestalten), in der Bildung (wie und was wir lernen wollen), in puncto Gesundheit (wie wir länger fit und gesund bleiben) oder in der Mobilität (wie wir uns fortbewegen). Die Digitalisierung bewegt sich quer durch alle Lebensbereiche, Branchen, Abteilungen in Unternehmen und Institutionen oder Schulfächer in der Schule.

Wir können die Digitalisierung für uns nutzen, um ein noch lebenswerteres Leben zu führen – wenn wir uns aktiv einbringen. Dies geschieht nicht, indem wir passiv geschehen lassen und die Gestaltung des Digitalen einigen wenigen Experten überlassen, die »das Digitale« beherrschen, Programmiersprachen verstehen oder »sprechen« (bzw. tippen). Stattdessen sollte jeder Einzelne sich auf die Veränderung einlassen, ja, diese selbst in die Hand nehmen.

Die Entwicklung der digitalen Welt vollzieht sich anders als andere historische Innovationen. Weil das Digitale wirklich alle Lebensbereiche durchdringt, ist es notwendig, dass auch jeder sich damit auseinandersetzt. Wenn früher Herr Daimler das Automobil erfand und Henry Ford es massentauglich und -produzierbar machte, war dies das Spielfeld der Autoexperten. Die digitale Welt aber wird in der Zukunft sowohl im Auto als auch in allen anderen Branchen eine Rolle spielen, ja, jede Einzelne davon revolutionieren. Deshalb ist es elementar, dass wir alle diese Sprache sprechen oder die Logik grundlegend verstehen.

Jetzt werden Sie sagen: »Ja, wie denn? Das ist ja wie eine Reise in ein fernes Land, dessen Sprache ich nicht spreche.« Und Sie haben recht. Die Herausforderung ist groß. Schließlich rollt die Digitalisierungswelle auf uns zu, manche sagen sogar »über uns hinweg«. Vielleicht mag es auf den ersten Blick eine gute Strategie sein, sich wegzuducken und abzuwarten, bis die Welle vorbei ist. Aber wäre es nicht viel schöner, wenn wir alle Surfer wären und statt unter der Welle auf der Welle surfen würden? Wenn wir uns unser Surfbrett maßschneidern und einfach großen Spaß dabei haben und wenn wir das Gefühl bekommen, Herr der Lage zu sein?

Die Neurowissenschaften kennen den Unterschied. Wer das Gefühl hat, selbst nichts verändern zu können, gerät in eine Abwärtsspirale, und es tritt ein, woran man glaubt. Glaube ich, dass ich es nicht mehr schaffen kann, das Digitale selbst zu gestalten? Dann tritt auch genau dies ein.

Meine Wahrnehmung lässt mich sagen, dass wir an einem Wendepunkt stehen. Zu viel »Das geschieht mit mir« oder »Ich kann nichts tun« und zu wenig »Ich kann das begreifen«. Das Bild vom Hamsterrad kommt mir in den Sinn. Es gibt einige Ratgeber, die diese passive oder gar abwehrende Haltung verstärken. Tipps wie »Handys aus« in der Schule oder am Feierabend reichen aber nicht, denn die Welt rennt derweil weiter. Jeder Einzelne und wir als Gesellschaft laufen Gefahr, wie betäubt zuzusehen, wie andere die Welle reiten.

Bei einem fremden Land, dessen Sprache Sie nicht sprechen und das Sie vielleicht auch gar nicht interessiert, können Sie sagen: »Sollen doch andere dorthin reisen. Ich brauche das nicht.« Das können Sie halten, wie Sie mögen. Bleiben Sie einfach daheim oder reisen Sie dorthin, wo es Ihnen mehr behagt und die Sprache gesprochen wird, die Ihnen geläufig ist. Vielleicht wollen Sie auch gar nicht so weit in die Welt hinaus – auch das ist völlig legitim.

Die Digitalisierung aber kommt sicher zu Ihnen. Ganz nah an Sie heran. Und vielleicht ist es das, was so beängstigend ist. Sie umzingelt uns und ist allgegenwärtig, weil sie sich eben in alle Lebensbereiche drängt. Wegducken gilt nicht, es verbessert nicht und schützt nicht. Die Wellen werden größer, bis zu dem Augenblick, in dem Sie eine einzige große Welle über sich spüren, aus der Sie nicht mehr herausschauen können. Sie werden von einem Gefühl der Ohnmacht gepackt, als ob Sie wie von einem Tsunami überrollt werden von »den anderen«, zum Beispiel anderen Nationen, die die digitalen Entwicklungen viel entschlossener und mutiger anpacken. Das soll nicht passieren. Deshalb möchte ich – als bekennende Nichtsurferin ;-) – Ihnen einen Weg zeigen, wie Sie oben auf der Welle bleiben. Wie Sie und ich dieses fremde Land der Digitalität bereisen.

Auch wenn Sie skeptisch sind, ob das eine gute Idee ist. Wir sind mutig, treten als Reisegruppe, ja vielleicht sogar als ganze Nation die Expedition an. In unserer Vorstellung ist es ein Dschungel voller unbekannter Pflanzen und Tiere, das Klima dort ist vollkommen unbekannt. Die Frage zu Beginn der Expedition ist: Was packen wir ein? Welche Kompetenzen sind in der Gruppe notwendig? Welche Rolle will ich einnehmen und wie müssen wir alle uns vorbereiten, um in diesem unbekannten Land klarzukommen? Was würde bewirken, dass wir diese Reise immer wieder antreten und an ihr wachsen?

Diesen Fragen will ich nachgehen. Und am Ende finden Sie meinen Methodenkoffer und ein Manifest, wie Sie die Digitalisierung konkret gestalten können und erfolgreich den Alltag in der Digitalität meistern. Ich freue mich sehr, wenn darin einige Punkte sind, die Ihr Leben bereichern. Denn ich bin sicher, dass jeder Einzelne dazu beitragen und vor allem von dem großen Wandel, den wir alle durchleben, profitieren kann. Lassen Sie es uns angehen.

Digitalisierung verändert Märkte – die Einfach-mal-machen-Ära

Der Umbruch durch die neue, digitale Realität zeigt sich besonders in einer klassischen Branche, die zudem wesentlich für die Information und Urteilsfindung der ganzen Gesellschaft ist: den Nachrichtenmedien. Auch wenn die Vertrauenswürdigkeit traditioneller Kanäle, wie Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine oder öffentlich-rechtliche Fernsehsender, deutlich über allen Online-Angeboten liegt,17 so geht das Interesse langsam, aber kontinuierlich zurück18 und wir informieren uns heute schon deutlich häufiger per Suche im Internet, als Berichte im Fernsehen zu schauen oder eine Zeitung / Zeitschrift zu lesen.19

Während vor über 300 Jahren die erste Tageszeitung erschien, um wichtige Nachrichten unter die Leute zu bringen, leben wir heute mit einer vielfältigen Beliebigkeit an Informationen. Damals wurden Redaktionen aufgebaut, um Informationen zu sammeln, Wichtiges zu selektieren, aufzubereiten und zu drucken. Nur wer journalistischen Verstand besaß, sich eine Druckerpresse kaufen und den nötigen Vertriebsweg aufbauen konnte, konnte Verleger werden. Die Investitionen lagen weit über einem »Das mach ich mal eben«. Der Aufwand, eine mediale Stimme zu haben, war ungleich höher als heute.

Dieser Medienmarkt produziert seit jeher Inhalte und hofft, sich am Markt durchzusetzen. Marktanteile werden in Einschaltquoten oder verkaufter Auflage gemessen. Ein Titel will mehr gekauft werden als ein anderer, Marktführerschaft wird angestrebt, zumindest abseits staatlich geförderter Medienanstalten. Und Formate, die eine ausreichend große Zielgruppe finden, setzen sich durch bzw. finanzieren sich ausreichend.

Wenn Prozesse digital umgesetzt oder automatisiert werden, nennen wir dies die Digitalisierung der ersten Welle. Die Digitalisierung ist dabei, das Mediengeschäft ganz grundlegend zu ändern. Zunächst erlaubten die digitalen Druckprozesse, deutlich flexibler und günstiger zu drucken. Inzwischen lassen sich auch kleine Auflagen herstellen und kleinere Zielgruppen erreichen. Aber dies ist zunächst »nur« eine Verbesserung des Druckprozesses.

In der Zwischenzeit hat sich auch der Nachrichtenmarkt ganz grundlegend geändert. Druckerpresse und eigenes Vertriebsnetz sind verzichtbar, beides ersetzt das Internet. Heute kann jeder binnen weniger Minuten eine eigene Webseite anlegen (statt Druckerpresse) oder eine App gestalten und ist über das weltweit umspannende Internet (Vertriebsnetz) erreichbar. Es kostet nahezu nichts, Inhalte online zu stellen. Einfach mal machen, lautet die Devise. Ich habe sogar schon von Unternehmen gehört, die »Jede Woche eine neue App!« zum Ziel haben.

Und was passiert? Jeder kann sich in der digitalen Welt jederzeit durch Unmengen an Informationen durchklicken. Meist ist es zu viel. Wurde im klassischen Medium durch den Journalisten der Inhalt ausgewählt, so wird diese Last zunehmend auf den Leser abgewälzt. Oft entscheidet sogar der Algorithmus, was mir als Erstes angezeigt wird. Doch woran mache ich fest, was ich genauer anschaue und ob eine Quelle vertrauenswürdig ist? Als Anbieter von Informationen ist es heute ungleich schwieriger, seiner Stimme Gehör zu verschaffen.