Heiße Tage, heiße Nächte

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JASPER RETTEN

VON KELLY STEVENS

Das ist er.

Ich halte die Luft an, während mein Blick über ihn gleitet. Die Sonne scheint so auf ihn, dass das Spiel seiner Muskeln zu sehen ist. Er ist sehr dünn, seine Rippen zeichnen sich deutlich ab.

Jetzt hat er mich gesehen. Ein neugieriger Blick aus braunen Augen mit langen, schwarzen Wimpern trifft mich. Forsch kommt er auf mich zu. Sein Gang ist perfekt, alle Bewegungen wunderschön. Sein Kopf ist weniger als einen halben Meter von mir entfernt. Schwarze Haarsträhnen fallen ihm in die Augen; er schüttelt den Kopf und schaut mich dann wieder an.

Es ist Liebe auf den ersten Blick, zumindest bei mir.

Langsam streckt er den Hals vor, bis er mit seinen weichen Nüstern mein Gesicht berührt, als wolle er mich küssen. Er prustet leise, dann wandert er mit der Nase an mir herab, bis er den Kopf in meine Brust drückt und sich mit nach vorne gelegten Ohren an mich lehnt.

»Jasper«, flüstere ich mit belegter Stimme. Diese erste Begegnung ist intensiver als alles, was ich mir in meinen kühnsten, hoffnungsvollsten Träumen ausgemalt habe.

Er scheint mich auch zu lieben.

Langsam strecke ich meine Hand aus, berühre seinen Hals, klopfe ihn leicht. Eine Staubwolke steigt auf. Sein Fell ist stumpf, aber sein Wesen ist wach.

Ich zupfe ihm vertrocknete Gräser aus der Mähne, während er am Saum meiner Jacke kaut.

Achtzehnhundert Euro für sein Leben.


»Schon wieder Urlaub, weil du einen Gaul retten willst?«

Meine Chefin wirkt wenig erfreut, dabei weiß sie, dass ich alle paar Wochen für ein paar Tage nach Spanien fahre, genauer gesagt, nach Andalusien. Vor etwas über zwei Jahren ergab sich der Kontakt zu einer Deutschen, die dort eine Finca betreibt, auf der sie gerettete Pferde hält. Seit der Finanzkrise, die besonders in Spanien heftig war, müssen sich immer mehr Besitzer von ihren Pferden trennen, oftmals wunderschöne, vielversprechende Tiere mit gutem Stammbaum, die aufgrund der finanziellen Not ihrer Besitzer verwahrlosen, verhungern oder an Schlachtbetriebe verkauft werden. Susanne kauft sie mit Geld, dass ihr Helfer vorstrecken, päppelt sie auf und versucht parallel, sie in gute Hände nach Deutschland, Österreich oder die Schweiz zu vermitteln. All dies ehrenamtlich und ohne einen Cent daran zu verdienen, die Ablösesumme deckt in der Regel gerade einmal ihre Kosten.

Da ich gut Spanisch spreche und Pferdenärrin bin, habe ich meine Hilfe angeboten. In meinem Bürojob verdiene ich nicht viel, jedenfalls nicht genug, um mir ein eigenes Pferd leisten zu können – dachte ich zumindest, bis ich Jasper sah und finanzielle Überlegungen plötzlich keine Rolle mehr spielten. Wo die Liebe hinfällt, findet sich ein Weg.

Susanne helfe ich unentgeltlich, indem ich alle paar Wochen mit einem Pferdetransporter nach Spanien fahre und die Pferde, die vermittelt werden konnten, zu ihren neuen Besitzern bringe. Über viertausend Kilometer innerhalb von vier Tagen, nicht wirklich Urlaub und schon gar nicht erholsam, und genau das scheint plötzlich ein Problem für meine Chefin zu sein.

Doch diesmal geht es nicht um irgendein Pferd, sondern um meins.

»Es sind ja nur zwei Urlaubstage, weil wir über ein Wochenende fahren.« Nicht, dass ich hier besonders wichtig oder gar unersetzlich wäre. Ich habe meiner Chefin auch nur erzählt, was ich mache, weil die Fahrten von Susanne koordiniert werden und ich mir die Termine nicht aussuchen kann. Diesmal hat es sich sehr spontan ergeben, weil jemand, der ein Pferd gekauft hat, mit seinem eigenen Transporter zu ihr fahren möchte, um es persönlich abzuholen. Eine falbfarbene Stute, die in der Hohen Schule ausgebildet ist, was sehr ungewöhnlich ist – normalerweise werden Hengste bevorzugt. Ich habe Bilder von ihr gesehen, und obwohl sie sicher sehr wertvoll ist, lässt sie mich kalt. Mein Herz gehört Jasper.

Da der Pferdetransport von Spanien nach Deutschland normalerweise noch einmal mit etwa tausend Euro zu Buche schlägt, hatte ich gedacht, noch ein paar Monate für Jasper sparen zu müssen, was seinen Ablösepreis erhöht hätte. Doch wenn ich als Beifahrerin mitfahre, kann ich ihn kostenlos dazustellen und spare mir weitere Kosten für seine Unterbringung bei Susanne, so dass es bei den achtzehnhundert Euro bleiben wird, plus tierärztliche Untersuchung. Das ist, wenn ich alles Geld, das ich besitze, zusammenkratze, gerade so eben drin, und der Rest wird sich ergeben. So eine Chance möchte ich mir nicht entgehen lassen.


»Bist du Maren?« Der Mann, der im Morgengrauen mit einem Pferdetransporter vor meinem Haus hält, blickt mürrisch.

Das kann ja heiter werden, immerhin werden wir die nächsten vier Tage und Nächte miteinander auf engstem Raum verbringen. Ich verkneife mir die Gegenfrage, wer wohl sonst um diese Uhrzeit alleine mitten auf einer Dorfstraße mit einer Reisetasche warten würde, und nicke, bevor ich einsteige.

Dies ist kein gewöhnlicher Pferdeanhänger, der einfach an einen stark motorisierten PKW angehängt wird. Dieses Vehikel erinnert eher an einen modernen Campingwagen. Über dem Fahrerhaus sehe ich einen Schlafplatz, hinter den Fahrersitzen gibt es einen Mini-Wohnraum mit einer hochklappbaren Bank, einem hochklappbaren Tischchen und einer Mini-Küche. So luxuriös bin ich noch nie nach Spanien gefahren, denke ich, während ich meine Reisetasche verstaue.

»Frank.« Kaum bin ich angeschnallt, fährt er auch schon los. Der Mann scheint nicht viel von Konversation zu halten.

Da er ein Navi hat, brauche ich ihm noch nicht einmal den Weg zu weisen, den ich nach über einem Dutzend Trips inzwischen gut kenne. »Wie hast du dir das mit dem Fahren vorgestellt?«

Sein Blick bleibt auf der Straße. »Ich will so schnell wie möglich hin und wieder zurück. Pausen nur zum Tanken, und auf dem Rückweg höchstens, wenn die Pferde unruhig sind. Versuch zu schlafen, vielleicht musst du mich später am Steuer ablösen.«

Was für ein unangenehmer Zeitgenosse. Ich werfe ihm einen schnellen Blick zu: geschätzt Anfang Vierzig und damit etwa doppelt so alt wie ich, kurze dunkle Haare mit ersten Spuren von grau, grimmiger Gesichtsausdruck, groß und schlank. Er ist leger gekleidet, Hemd, Hose, Steppweste, recht typisch für Reiter.

Da er gesagt hat, dass ich versuchen soll zu schlafen, schließe ich meine Augen, obwohl vor Aufregung nicht an Schlaf zu denken ist. Die Ablöse für Jasper ist überwiesen, alle Papiere vorbereitet, eine Box im örtlichen Reitverein, bei dem ich schon seit Jahren Reitunterricht nehme, angemietet. Alles, was fehlt, ist Jasper.


Ich wache erst wieder auf, als wir in Frankreich auf der Autobahn sind. Dabei wollte ich doch gar nicht schlafen!

»In etwa zehn Minuten mache ich einen Tankstopp. Danach kannst du mich ablösen.« Frank klingt kaum freundlicher als heute Morgen.

Während er tankt, gehe ich auf die Toilette. Der Transporter hat zwar einiges an Luxus zu bieten, aber eine eigene Toilette gehört leider nicht dazu. Dabei wäre mir die lieber als die Küche.

Mein Tee in der Thermoskanne ist noch warm. Dazu esse ich eins der belegten Brote, die ich gestern Nacht vorbereitet habe.

Frank kommt mit einem Becher Kaffee und einem belegten Baguette aus der Raststätte und hält mir die Schlüssel hin. »Susanne sagte, du kannst auch große Transporter fahren.«

Ich nicke, obwohl ich einen dieser Ausmaße noch nicht gefahren bin. Aber er lenkt sich leicht, und nach ein paar Minuten scheint Frank mir so weit zu vertrauen, dass er in die Schlafkoje klettert. Im Rückspiegel sehe ich, wie seine langen Beine nach oben verschwinden. Himmelbett on the road, denke ich belustigt, bevor ich mich wieder auf die Straße konzentriere. Vielleicht ist er nach einer Ruhepause besser gelaunt?

Tatsächlich. Als er nach einigen Stunden wieder herunterklettert, etwas verstrubbelt, und erst mal einen ordentlichen Schluck aus seiner Wasserflasche nimmt, wirkt er fast schon sexy. Auch meinem Vorschlag, am nächsten Rastplatz einen kurzen Toilettenstopp einzulegen, stimmt er zu.

Danach übernimmt er wieder das Steuer. Ich krame in meiner Tasche nach einer Banane, ziehe die Schale nach unten, schiebe mir etwa ein Viertel der Frucht in den Mund, lege die Lippen darum und beiße genüsslich ab.

»Tu das nicht«, sagt Frank plötzlich scharf.

Mir bleibt der Bananenbissen im Mund stecken. »Hmmm?«, nuschele ich durch den Brei in meinem Mund.

»Das. So. Abbeißen.«

Der Mann spricht in Rätseln. Ich kaue, schlucke, und betrachte das unschuldige Stück Obst in meiner Hand, bis mir etwas aufgeht.

»Genau. Ich bin ein Mann«, bestätigt Frank meinen Verdacht. »Also bitte … Es sei denn, du willst dich erkenntlich zeigen, dass ich dein Pferd mitnehme. Aber bitte nicht während der Fahrt.«

Du meine Güte. Wie gut, dass ich keine Salami dabei habe! Das wäre in seinen Augen bestimmt mehr als verkehrswidrig.

Ich breche das nächste Stück Banane ab und schiebe es mir mit den Fingern in den Mund. Von einem mürrischen Fahrer mit oraler Fixierung und sexuellen Fantasien am Steuer werde ich mich ganz bestimmt nicht vom Essen abhalten lassen!

Hat er mir eben echt Sex angeboten?

Es klang eher so, als solle nur ich ihm zu Diensten sein. Hat er’s so nötig, dass er schon seine Beifahrerin angraben muss?

 

Wenn er nicht so verbissen gucken würde, wäre er durchaus attraktiv. Aber nach so einem Spruch kann er Sex mit mir vergessen.

»Wirst du Floreana selber reiten?«, frage ich, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Der Name der Stute, die er gekauft hat.

»Nein, meine Tochter.«

Ein edles Pferd für sein geliebtes Töchterlein, denke ich etwas abfällig. Irgendwie wundert es mich, dass er Kinder hat – so abweisend, wie er sich verhält, hätte ich eher gedacht, dass er alle Frauen vergrault.

»Reitet ihr auch, du und deine Frau?«, versuche ich, Konversation zu betreiben.

»Meine Frau ist tot.«

Der Schuss ging nach hinten los. Ich beiße mir auf die Lippen und sage bis zur spanischen Grenze nichts mehr.

Gerade, als ich überlege, ob ich mich für eine Weile über dem Führerhaus hinlegen kann, unterbricht Frank das Schweigen. »Ich dachte, dass wir in Spanien zu Abend essen können. Eine Pause wird uns guttun.«

Hatte er nicht heute Morgen noch gesagt, dass er durchfahren wollte? Aber mir soll es recht sein. »Ich würde mir auch gerne mal die Beine vertreten. So lange zu sitzen …«

»Du hättest dich auch hinlegen können.« Sein Blick ist auf der Straße, aber ich bilde mir ein, dass sein Kopf eine winzige Bewegung nach oben gemacht hat.

»Vielleicht später«, weiche ich aus. Nach dem Spruch vorhin bin ich mir seiner Motive alles andere als sicher. In der Koje säße ich in der Falle, sollte er sich plötzlich auf mich stürzen wollen, um seine sexuellen Gelüste zu befriedigen.

Ich bin überrascht, als Frank nicht etwa an einer Raststätte anhält, sondern von der Autobahn abfährt. Kurz schlägt mein Herz schneller, doch sein Appetit ist eindeutig auf Essbares gerichtet, denn er parkt vor einem Restaurant.

»Warst du schon mal hier?«, frage ich, als wir in der Gaststube sitzen und Salmorejo essen, eine Variante der Gazpacho-Suppe, die mit gehacktem, gekochtem Ei und Schinken serviert wird.

Frank guckt schon wieder grimmig. »Nein.«

Dann eben nicht. Ich breche ein Stück Weißbrot ab. »Wie bist du denn auf die Idee gekommen, ausgerechnet ein andalusisches Pferd zu kaufen?«

»Meine Tochter hat Floreana im Internet gesehen und liegt mir seit Wochen in den Ohren, dass sie die Stute unbedingt haben will.«

»Ungesehen?«, rutscht es mir heraus.

Er zuckt mit den Schultern. »Es gab ein kurzes Video.«

»Und da fährst du einfach so los durch halb Europa und holst sie ihr?«

»Sie wird nächste Woche achtzehn.«

Nur ein paar Jahre jünger als ich. Ich schlucke. So einen Vater hätte ich auch gerne, der mir zum Geburtstag mal eben ein Pferd schenkt, denke ich, als Frank weiterspricht: »Seit dem Tod ihrer Mutter zeigte sie an nichts mehr Interesse – außer an Floreana. Ich hoffe, dass sie durch die Stute wieder zurück ins Leben findet.«

Ich schiebe meinen halb vollen Teller von mir. Mir ist der Appetit vergangen. Auch Frank wirkt unruhig und zahlt schnell.

Bevor wir wieder einsteigen, zögere ich einen Moment. »Nach der langen Sitzerei brauche ich ein bisschen Bewegung.«

»Woran hast du gedacht?«, fragt er, und wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gedacht, dass in seinen Augen Begehren aufflackert.

Doch ich muss mich getäuscht haben. »Ich würde gerne ein paar Minuten Spazierengehen.«

»Ich komme mit«, überrascht er mich.

Viel zu sehen gibt es nicht. Wir laufen schweigend die Straße einmal hoch und einmal runter. Als wir wieder am Transporter ankommen, öffnet Frank mir die Beifahrertür.

»Soll ich fahren?«, frage ich.

»Die Nacht ist noch lang.«

Ich werfe ihm einen schnellen Blick zu, wie er das meinen könnte, aber er ist schon um den Transporter herumgegangen und steigt auf der Fahrerseite ein.

Um kurz vor Mitternacht steht der nächste Tankstopp an. Da Frank erschöpft wirkt, biete ich erneut an, zu übernehmen. Diesmal lässt er mich ans Steuer. Wieder verschwinden seine langen Beine, als er sich über dem Führerhaus schlafen legt.

Ich stelle leise Musik an, um mich wach zu halten. Die Straßen sind relativ frei, das Fahren einfach. Meine Gedanken schweifen zu Jasper, den ich einige Wochen lang nicht gesehen habe. Ob er mich wiedererkennen wird? Dann schweifen sie zu dem Mann, der über meinem Kopf schläft. Anscheinend habe ich ihn falsch eingeschätzt. Er scheint auf einer Mission zu sein, der Mission, seine Tochter zu retten, nicht nur ein Pferd.


Zwei Stunden später helfen auch Musik und Gedanken an Jasper nicht mehr. Ich steuere den nächsten Parkplatz an, bevor ich riskiere, am Steuer einzuschlafen.

Natürlich wacht Frank auf, als ich anhalte und den Motor ausstelle. »Gibt es ein Problem?«

»Es tut mir leid, aber ich kann nicht mehr. Ich muss ein paar Stunden schlafen.«

Er gähnt und fährt sich mit den Fingern durch die Haare, was ihn erneut attraktiv verstrubbelt aussehen lässt. »Wie weit noch?«

»Etwas über vierhundert Kilometer.«

Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. Es ist viertel nach zwei in der Nacht. Auch er sieht nicht fit aus.

»Wir machen ein paar Stunden Pause«, beschließt er zu meiner Erleichterung und verschwindet wieder in seiner Himmelbett-Höhle.

Tja, und wo soll ich schlafen? Der Beifahrersitz lässt sich nicht in einen Liegesitz verwandeln. Auf dem Boden der Mini-Wohnküche könnte ich mich zusammenrollen, aber nicht ausstrecken. Wie sieht es hinten aus? Noch habe ich den Bereich, in dem bei der Rückfahrt die Pferde stehen werden, nicht gesehen, aber dort dürfte Platz genug sein.

Tatsächlich. Man kommt sogar vom Fahrerraum durch eine kleine Tür dort hinein. Der Boden ist mit Stroh bedeckt. Ich rolle meinen Schlafsack aus, ziehe Hose und Schuhe aus und schlüpfe hinein. Wenige Minuten später bin ich eingeschlafen.


Ich wache auf, weil mein Bett sich bewegt.

Einen Moment schaue ich mich orientierungslos in der Dunkelheit um, dann ist mir wieder klar, wo ich bin.

Ich mache Licht an. Es ist kurz nach sechs. Vier Stunden Schlaf sind nicht wirklich viel, aber ich möchte Frank gegenüber keine Schwäche zeigen, deshalb zupfe ich mir ein paar Strohsträhnen aus den Haaren, rolle meinen Schlafsack zusammen und schlängele mich wieder in den Fahrerraum. »Morgen.«

Frank brummt eine Antwort, ignoriert meine Anwesenheit ansonsten aber, bis ich sage: »Könnten wir bald einen Toilettenstopp machen, bitte?«

Einen Kaffee hätte ich auch gerne, aber die Frage danach verkneife ich mir. Glücklicherweise hält er nicht an einem normalen Parkplatz, sondern tatsächlich an einer Raststätte.

Während er tankt, mache ich eine Mini-Katzenwäsche und besorge für uns beide Kaffee, was Frank mit einem kurzen Kopfnicken zur Kenntnis nimmt. Ansonsten habe ich noch ein paar Äpfel in meiner Tasche. Das muss fürs Frühstück reichen und ist auch nicht so problematisch wie Bananen.

Dachte ich zumindest, bis ich meine Zähne in das Fruchtfleisch grabe und der Saft mit einem Knacken in alle Richtungen spritzt. Ich ziehe ein Papiertaschentuch aus meiner Tasche und wische hastig die Armaturen ab. Dabei fühle ich Franks Blick auf mir. Verdammt, der Mann macht mich nervös! Dabei versuche ich, ihn wirklich nur mit den essentiellsten Grundbedürfnissen wie Nahrung, Schlaf und Körperhygiene zu belästigen.

Sex ist auch ein Grundbedürfnis, schleicht sich ein ungebetener Gedanke in meine Überlegungen. Wie Sex mit Frank wohl wäre? Nicht, dass das vorstellbar wäre. Er ist, falls das überhaupt möglich ist, noch unnahbarer als gestern.

»Soll ich dich noch mal ablösen?«, biete ich an.

»Nein, ich bin fit.«

Dem Mann ist echt nicht zu helfen. »Dann schlafe ich noch eine Runde, ich hatte eine kurze Nacht.«

»Du kannst oben schlafen, das ist bequemer als im Stroh«, bietet er zu meiner Überraschung an.

Heißt das, er hat mich gesehen, wie ich im Anhänger geschlafen habe? Wieso? Wollte er sichergehen, dass ich noch da bin?

Leicht verunsichert ziehe ich meine Schuhe aus und klettere in die Schlafkoje. Es gibt eine dünne Matratze, ein Kopfkissen und sogar eine Decke. Kein Himmelbett, wie ich mir in meiner Fantasie ausgemalt hatte, aber zum Schlafen reicht es.

Das Bett riecht nach Frank. Ich atme seinen Geruch ein, während ich eindöse.


»Maren, wach auf, wir sind gleich da«, weckt mich eine Stimme. Ich schrecke hoch und stoße mir prompt den Kopf an der niedrigen Deckenkoje. Der Himmel über diesem Bett hängt tief!

Trotzdem klettere ich motiviert nach unten. In ein paar Minuten bin ich bei Jasper!

Schon erkenne ich die Zufahrt zu Susannes Finca. Auf den Koppeln stehen einige Pferde, aber Jasper ist nicht darunter. Erst, als wir um die Ecke biegen und vor dem Haus anhalten, sehe ich ihn. Ich reiße die Tür auf, springe aus dem Transporter und laufe auf ihn zu. »Jasper!«

Tatsächlich, er enttäuscht mich nicht. Einen Moment wittert er, dann kommt er langsam auf mich zu und lässt sich hinter den Ohren streicheln, während er mich abschnobert und den Apfelkitsch aus meiner Hand frisst.

»Dein Traummann hat schon sehnsüchtig auf dich gewartet«, höre ich Susannes belustigte Stimme hinter mir.

»Ja, ist er nicht wunderbar?«

Ich habe kaum Augen für Susanne, Frank oder das zweite, falbfarbenes Pferd auf der Koppel. Am liebsten würde ich vor Freude quietschen und die ganze Welt umarmen, aber für den Moment reicht es mir, Jasper zu umarmen.

»Kommt erst mal rein, trinkt was, esst was, erholt euch. Drinnen können wir alles Weitere besprechen.«

Nur schwer trenne ich mich von Jasper. Der wendet uns prompt sein Hinterteil zu und trottet ans andere Ende der Koppel.

Frank hingegen hat Floreana kaum eines Blickes gewürdigt. Der Mann ist echt seltsam.

Der Rest des Tages vergeht schnell. Jasper ist gerade erst angeritten, lässt sich aber gut führen und kennt alle Grundkommandos. Er ist willig, verspielt und lernbegierig, ein absolutes Traumpferd. Unter Susannes strengem Blick trainiere ich eine Weile mit ihm, bis sie sicher ist, dass wir gut harmonieren. Danach putze ich ihn, woraufhin er sich direkt wieder im Sand wälzt und dabei alle Viere in die Luft streckt. Aber da er so aussieht, als würde er sein Leben genießen, lasse ich ihn gewähren.

»Du darfst ihm nicht alles durchgehen lassen«, rügt Frank mich.

»Das sind eben meine Erziehungsmethoden«, entgegne ich. Immerhin lässt er seiner Tochter auch einiges durchgehen.

»Und, wie kommt ihr beide so miteinander zurecht?«, fragt Susanne mich, während wir das Abendessen zubereiten. Eine Nacht werden wir hier verbringen, bevor wir früh am nächsten Morgen aufbrechen.

»Er ist ein absolutes Traumpferd«, entgegne ich. »Danke, dass du ihn mir gegeben hast.«

Susanne lacht. »Ich meinte nicht Jasper, sondern Frank.«

Ich werde rot und muss ein paar Sekunden über eine Antwort nachdenken. »Irgendwie gar nicht«, gebe ich dann zu. »Er ignoriert mich, und ich versuche, mich möglichst unsichtbar zu machen.«

»Ihm geht es momentan nicht so gut. Er hat in den letzten Monaten ein paar schwere Schicksalsschläge gehabt. Gib ihm etwas Zeit.«

Zeit? Ich bin froh, wenn ich ihn ab Sonntag nie wieder sehen muss. »Er hat mir erzählt, dass seine Frau gestorben ist und seine Tochter sich seitdem einigelt.«

»Ja, wirklich ein tragischer Unfall.« Susanne scheint wie selbstverständlich davon auszugehen, dass ich Details kenne. Ich lasse sie in ihrem Glauben.

Da Susanne nur ein Gästezimmer hat, biete ich an, auf der Schlafcouch im Wohnzimmer zu schlafen, doch Frank, ganz Gentleman, überlässt mir das Gästezimmer. Das Badezimmer müssen wir uns teilen, und da die Tür sich nicht abschließen lässt, platze ich versehentlich hinein, während er gerade unter der Dusche steht. Der Duschvorhang hängt halb zur Seite und zeigt seinen erstaunlich durchtrainierten Körper und den knackigen Hintern, über den das Wasser rinnt.

Mit hochrotem Kopf stammele ich eine Entschuldigung und ziehe mich schnell zurück. Nicht, dass er denkt, ich laufe ihm nach!

 

Obwohl ich sehr müde bin, verfolgt mich das Bild von Franks nacktem Körper noch im Schlaf.


Susanne ist ebenfalls früh aufgestanden, um Frühstück zu machen und uns mit den Pferden zu helfen. Während Floreana sich anstandslos verladen lässt, zeigt Jasper, dass ihm der Transporter nicht ganz geheuer ist. Ich bin froh, dass er nach einigen Minuten trotzdem hineingeht – das hätte mir noch gefehlt, dass Frank uns zurücklässt!

Die erste Zeit verbringe ich hinten, um mich davon zu überzeugen, dass es den Pferden trotz des Gerumpels und den ungewohnten Bewegungen und Geräuschen gut geht. Während Floreana vor sich hin döst, ist Jasper unruhig. Ich rede ihm beruhigend zu und erzähle ihm, was für schöne grüne Weiden, leckeres Futter und tolle Ausritte ihn zuhause erwarten.

Um Franks Mund liegt ein leicht spöttisches Lächeln, als ich mich endlich wieder auf dem Beifahrersitz niederlasse. »Hast du es immer so nötig, dich den Männern anzubiedern?«

Ich erröte. Daran, dass Frank zugehört hat, habe ich gar nicht gedacht. »Das mache ich nur bei denen, die es wert sind«, antworte ich mit so viel Würde, wie mir gerade noch geblieben ist, und nehme einen Schluck aus der Wasserflasche, um weiterer Konversation vorzubeugen.

Doch Frank ist auch heute nicht gesprächiger. Ich schließe die Augen und döse vor mich hin, wie es Floreana und hoffentlich auch Jasper tun.


Der Rückweg zieht sich, nicht nur, weil ich immer wieder nach den Pferden schaue und mir wünsche, dass die für sie anstrengende Fahrt endlich vorbei ist. Frank scheint durchfahren zu wollen, aber obwohl wir uns beim Fahren abwechseln, sind wir um kurz nach ein Uhr in der Nacht immer noch in Frankreich und beide völlig fertig.

Missmutig betrachte ich den Beifahrersitz, der von Minute zu Minute unbequemer geworden ist. Diesmal kann ich nicht hinten schlafen, weil dort die Pferde stehen. Bleibt nur der Fußboden hinter den Sitzen.

»Unsinn, über dem Fahrerraum haben wir beide Platz«, widerspricht Frank.

»Da bekomme ich Platzangst«, wehre ich ab.

»Dann schlaf an der Kante«, antwortet Frank und klettert nach oben, wo er sich an die rückwärtige Wand legt, so dass die halbe Matratze frei ist.

Dieses Angebot nicht zu nutzen, wäre auch Verschwendung. Außerdem sind wir beide fast vollständig bekleidet. Ich lege mich neben ihn und decke mich mit meinem Schlafsack zu.

Franks Körper strahlt Wärme aus. Ich rutsche ein winziges Stückchen näher zu ihm.

Es ist lange her, dass ich mein Bett mit einem Mann geteilt habe. Die meisten verlangten, dass ich das Reiten aufgab, um ständig Zeit mit ihnen zu verbringen. Im Klartext: ich durfte sie bekochen, bespaßen und mich um alles kümmern, während sie sich einen Dreck darum scherten, wie es mir ging.

Mit grimmigen Gedanken an meine Ex und Vorfreude auf Jasper schlafe ich schließlich doch ein.


Im ersten Moment denke ich, dass das Geräusch, das mich weckt, von den Pferden kommt. Jasper! Hastig richte ich mich auf und stoße mir schon wieder den Kopf an der niedrigen Decke.

Während ich noch versuche, mich zu orientieren, merke ich, dass die Laute von dem Mann neben mir ausgehen. Frank scheint einen Albtraum zu haben. Er bewegt sich unruhig, redet unverständliches Zeug und stöhnt, dass es mir durch Mark und Bein geht.

Um ihn zu beruhigen, lege ich eine Hand auf seine Schulter. Beziehungsweise, ich dachte, es sei seine Schulter. Stattdessen scheine ich seine Brust erwischt zu haben. Unter meinen Fingern schlägt sein Herz wie nach einem schnellen Galopp. Er schwitzt und atmet hastig.

Schnell ziehe ich meine Hand zurück. Vielleicht ist er krank?

»Frank?«, flüstere ich. Als er nicht reagiert, wiederhole ich seinen Namen etwas lauter.

Einen Moment fühlt es sich an, als wolle er hochschrecken, doch er stöhnt nur.

Langsam wird mir mulmig zumute. Ich lege ihm erneut die Hand auf die Brust. »Frank, wach auf!«

Stattdessen ergreift er meine Hand und hält sie fest.

Vorsichtig ziehe ich, doch er gibt mich nicht frei. Stattdessen führt er meine Hand an seinem Körper entlang nach unten. Unter dem Reißverschluss seiner Hose spüre ich eine deutliche Wölbung.

Obwohl es dunkel ist, bin ich mir ziemlich sicher, dass Frank immer noch schläft. Das muss wirklich ein merkwürdiger Traum sein, wenn er gleichzeitig Angst hat und erregt ist.

Resolut versuche ich, meine Hand erneut wegzuziehen, aber es gelingt mir nicht. Stattdessen kann ich die Konturen seiner Erektion deutlicher fühlen. Hätte ich gar nicht gedacht, dass Mr. Schweigsam ein so großes Geheimnis in seiner Hose hat.

Unwillkürlich muss ich kichern, als mir die Absurdität der Situation bewusst wird. Angst vor Frank habe ich keine, aber auch keinen Plan, wie ich aus dieser Situation wieder rauskomme, ohne dass es für uns beide peinlich wird.

Ich habe gerade beschlossen, mich schlafend zu stellen, als Frank mit der anderen Hand beginnt, seine Hose zu öffnen. Im nächsten Moment fahre ich mit meinen Fingerspitzen durch sein Schamhaar, bevor sie auf heißes, festes Fleisch treffen.

Automatisch umschließen meine Finger seinen Schaft. Frank stöhnt erneut, diesmal eindeutig erregt und nicht mehr albtraumhaft.

Ich riskiere einen Blick zu seinem Gesicht, doch es ist zu dunkel, um seinen Gesichtsausdruck wahrnehmen zu können. Kann es etwa sein, dass er immer noch schläft?

Die Situation ist eindeutig surreal. Doch das, was unter meiner Hand zu noch größerem Ausmaße heranwächst und sich verlangend in meine Hand schmiegt, ist eindeutig real. Meine Finger erkunden seine Länge, seine Breite, die feinen Äderchen, die samtige Kuppe. Wie lange ist es her, dass ich so einen schönen Schwanz verwöhnen durfte?

Meistens nörgelten die Männer, mit denen ich zusammen war, immer an meiner Technik herum: zu vorsichtig, zu forsch, zu langsam, zu schnell, zu wenig Druck, zu viel Druck. Frank hingegen schweigt. Nur an der auffordernden Bewegung seiner Hüften merke ich, was ich tun muss, um ihm Lust zu bereiten.

Ich schalte mein Gehirn aus und konzentriere mich in der Dunkelheit aufs Fühlen. Mit seiner Hand gibt Frank den Druck vor, mit dem ich seine Länge massiere, mit seinen Hüften die Geschwindigkeit. Eigentlich ganz einfach, wenn man sich auf den Partner einlässt, denke ich erstaunt. Wie oft war Sex ein Krampf, um es meinem jeweiligen Freund recht zu machen. Frank und ich hingegen verstehen uns ohne Worte, alles geschieht wie selbstverständlich. Schon spüre ich, wie sein Schwanz unter mir pocht und zuckt. Im nächsten Moment ergießt sich sein Samen auf meine Hand.

Ich lasse meine Hand noch eine Weile auf seinem langsam erschlaffenden Glied liegen, fast wie um ihn zu beruhigen. Es fühlt sich gut und richtig an.

An Franks gleichmäßigem Atem merke ich, dass er jetzt ruhig und entspannt schläft. Langsam ziehe ich meine Hand zurück, die er inzwischen nicht mehr festhält, und wische sie an meinem T-Shirt ab.

Dass ich sexuell unbefriedigt zurückbleibe, liegt in der Natur der Sache. Aber mein Selbstbewusstsein als Frau hat einen Riesensatz nach vorne gemacht.

Lächelnd liege ich in der Dunkelheit, viel zu aufgekratzt, um zu schlafen.

Hinten im Transporter schlägt ein Pferd mit den Hufen wiederholt an die Wand. Wahrscheinlich Jasper, der ungeduldig wird, weil er immer noch in dem Transporter eingesperrt ist.

Ich klettere nach unten, um nach ihm zu sehen. Tatsächlich, es ist Jasper, der mir einen verspielt-vorwurfsvollen Blick zuwirft. Ich vergewissere mich, dass beide Pferde Futter und Wasser haben, rede ein paar Minuten beruhigend auf ihn ein, und entscheide mich dann, weiterzufahren. Wach bin ich sowieso, dann kann ich mich auch nützlich machen.

Zuerst aber wechsele ich mein T-Shirt und trinke einen Schluck.

Frank wacht nicht auf, als ich den Motor starte und anfahre. Auf Radio verzichte ich, um ihn nicht unnötig zu wecken, obwohl ich nach der Episode eben denke, dass ihn wahrscheinlich noch nicht einmal eine Explosion wach bekäme.

Erst als die Sonne schon längst aufgegangen ist, regt sich über meinem Kopf etwas. Frank erscheint, wie immer lange Beine voran, verstrubbelte Haare zuletzt. »Du meine Güte, ich habe geschlafen wie ein Toter! Das ist mir seit dem Tod meiner Frau nicht mehr passiert.«

Er macht keinerlei Andeutungen über das, was passiert ist. Kann es etwa sein, dass er tatsächlich nichts davon mitbekommen hat? Oder er hat es – vielleicht im Unterbewusstsein – doch mitbekommen, will es sich aber nicht eingestehen und tut deshalb so, als sei nichts gewesen?

Von mir aus. Erspare ich mir die Diskussionen am Morgen danach, wenn der Mann gar nicht schnell genug wieder verschwinden kann.

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