Fire&Ice 9 - Luce Suarez

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Aus der Reihe: FIRE & ICE #9
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Fire&Ice 9 - Luce Suarez
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Allie Kinsley

Fire&Ice 9 - Luce Suarez

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Bereits erschienen:

1 Prolog

2 Bewährung

3 Knapp verpasst

4 Freundschaft Plus

5 Immer Mehr

6 Aufgeflogen

7 Gespräche

8 Ende

9 Schmerz

10 Der Kampf

11 Schwere Zeiten

12 Ruhiger

13 Neue Schlachten

14 Neuigkeiten

15 Überraschungen

16 Wege

17 Der beste Tag?

18 Was jetzt?

19 Home

20 Trauer

21 Bergauf!

22 Freunde

23 Epilog

Bonuskapitel

Leseprobe

Für meine Mama.

Rechtliches, oder was keiner lesen will und trotzdem drin stehen muss ...

Impressum neobooks

Bereits erschienen:

Fire&Ice

Band 9

Luce Suarez

Allie Kinsley

Fire&Ice 1 - Ryan Black

Fire&Ice 2 - Tyler Moreno

Fire&Ice 3 - Shane Carter

Fire&Ice 4 - Dario Benson

Fire&Ice 5 - Brandon Hill

Fire&Ice 5.5 - Jack Dessen

Fire&Ice 6 - Chris Turner

Fire&Ice 6.5 - Gregor Zadow

Fire&Ice 7 - Logan Hunter

Fire&Ice 7.5 – Jonas Harper

Fire&Ice 8 - Julien Fox

Fire&Ice 9 - Luce Suarez

Fire&Ice 10 - Joey Parker

Fire&Ice 11 - Matthew Fox

Fire&Ice 12 - Fabio Bellini

Fire&Ice 13 - Alex Altera

Fire&Ice 14 - Taylor Falk

Sweet like Candy

Divided like Destiny

Protect Me - Brian

Protect Me - Ash

Protect Me - Ray

Protect Me - Dante

Protect Me - Chase

Protect Me - Levin

Protect Me - Dean

Protect Me - Thomas

Yearn for Adam

Yearn for Slade

Copyright © 2015 Allie Kinsley

All rights reserved.

Cover Foto: bigstockphoto.com, ID: 42356305, Rangizzz

1 Prolog

LUCE

Die Luft war heiß, stickig und genauso, wie der immer weiter ansteigende Lärm, der zu ihm drang, kaum auszuhalten.

Die Lagerhalle, in der sein heutiger Kampf stattfinden sollte, kannte er bereits. Immer wieder griff Salvatore, der sozusagen sein Chef war, auf diese Location zurück.

Luce mochte sie nicht. Sie war zu nah am Viertel, hatte zu große Fenster und rundherum nichts als Wiese. Es gab kaum Möglichkeiten unbemerkt hinein oder hinaus zu kommen.

Auch die vielen langen, labyrinthartigen Gänge, die von den Kellerräumen hinauf in die Halle führten, behagten ihm nicht. Eine schnelle, zielgerichtete Flucht war hier nicht möglich.

"Du solltest dich langsam bereit machen", sagte Tony, als er den Raum betrat, in dem Luce sich vorbereitete.

Hier gab es kein Fenster. Die Luft stand im Raum und es war beinahe unerträglich heiß.

Die Geräusche aus der Arena waren nun, da die Tür des alten Büros offen stand, noch lauter.

Viel musste er nicht tun. Aufgewärmt hatte er sich bereits. Er griff in seinen Nacken und zog sich das schwarze Hoody über den Kopf. Die Sweatpants, in der er immer kämpfte, hatte er schon zuhause angezogen. Während er sich die Knöchel an seinen Händen tapte, streifte er seine Schuhe ab.

Er war froh, wenn er endlich wieder aus diesem Höllenloch verschwinden konnte. Nicht nur weil die Location absolut beschissen war, er wollte auch so wenig Zeit wie möglich in Salvatores Gesellschaft verbringen.

Das Ende des schwarzen Tapes drückte er besonders fest, damit es sich während dem Kampf nicht lösen konnte.

Fertig. Nun war er endgültig bereit für seinen Kampf.

Er sah genau in dem Moment auf, als Sandro an der Tür vorbei huschte.

Was zum Teufel will der hier?

"Sandro!", rief er dem jungen Mann, der aussah wie eine jüngere Version von ihm selbst, hinterher. Er hätte ihn überall erkannt.

Als keine Reaktion kam, sprang er auf und schrie erneut: "Sandro! Ich hab dich gesehen! Halt an!"

Luce rannte hinaus in den Flur und sah ihn am Ende des Ganges.

"Sandro! Verdammt nochmal!"

Der junge Mann, den er in seiner kleinen Werkstatt angestellt hatte, blieb stehen. Seine Haltung war aufrecht, die Schultern angespannt und die linke Faust um einen Rucksackträger geballt.

"Was zum Teufel willst du hier, Sandro?", fragte er drohend und ging in langen Schritten zu ihm hinüber.

Er hatte hier nichts zu suchen. Er bezahlte ihm nicht einen Haufen Geld, gab ihm eine Arbeit und eine Unterkunft, damit er sich hier in illegale Dinge verwickeln ließ.

Noch immer rührte er sich keinen Millimeter. "Antworte!", befahl er scharf.

Die Schultern des Jüngeren sackten nach unten, genauso wie sein Kopf. Langsam kam er zu Luce.

"Was ist in dem Rucksack?", fragte er, seinem Instinkt folgend.

Als sich Sandros Faust fester darum schloss, riss Luce den Rucksack an sich. Beinahe widerwillig öffnete er den Reißverschluss.

"Marihuana?", fragte er fassungslos.

Nicht gerade wenig. Eindeutig nicht für den eigenen Bedarf.

Sandro rieb sich über den Nacken, man sah ihm sofort an, dass er fieberhaft nach einer Ausrede suchte.

"Halt deine Klappe. Ich will keine Lügen hören. Ich investiere nicht so viel für dich, damit du dann für irgendeinen Wichser mit diesem Shit dealst!", schrie er, außer sich vor Wut.

"Boss ... ich ...", begann er zu stammeln.

Mit der flachen Hand schlug er ihm auf den Hinterkopf. "Du bist ein Trottel, Sandro! Willst du dir alles versauen? Soll ich dich rausschmeißen?"

Panisch schüttelte er mit dem Kopf. "Das ist das erste Mal. Ich schwöre es! Es ist nur ..."

"Luce, wir müssen jetzt los", sagte Tony, der hinter ihm aufgetaucht war.

"Wir sprechen später weiter. Du gehst jetzt nach Hause, ohne Umwege, hast du mich verstanden?"

"Ja."

"Das ist deine letzte Chance, Sandro. Wenn ich von irgendjemandem im Viertel höre, dass du da draußen noch rumgeschlichen bist, fliegst du, kapiert?"

Sandro nickte. Er wusste genau, dass es keine Chance gab, dass Luce nichts davon erfahren würde. Dafür genoss er auf den Straßen zu viel Respekt. Den meisten davon kurioserweise noch nicht einmal von den Anhängern des Rings, sondern bei denen, die versuchten, sich so weit wie möglich, aus diesem Dreck, den die Banden und Gangs heraufbeschworen, herauszuhalten.

Er schubste Sandro grob von sich, sodass dieser den Rucksack loslassen musste. Mit hängendem Kopf joggte der junge Mann den Gang hinunter.

Dann ertönte schon die Stimme des Ansagers über die Lautsprecher. Er musste los. Lieber hätte er dafür gesorgt, dass Sandro in seiner Werkstatt ankam, aber er hatte einen Job zu erledigen.

"Nimmst du den für mich?", fragte er und drückte Tony, der seine Klamotten bereits trug, den Rucksack in die Hand.

Dieser nickte und schwang ihn sich auf die Schulter.

Nach dem Kampf würde er Salvatore den Stoff zurückgeben. Er sollte sich jemand anderen suchen, der seinen Shit verkaufte und seine Jungs in Ruhe lassen.

So geladen, wie er in diesem Moment war, würde es eine kurze Runde werden. Keine Show, wie Salvatore es so gern mochte.

 

Selbst Schuld.

Sein Chef kannte die Bedingungen, unter denen Luce für ihn kämpfte. Dazu zählte nun einmal, dass dieser seine erweiterte Familie nicht mit hineinzog.

Er ließ die Schultern kreisen, während er in den improvisierten Ring stieg.

Die Worte des Ansagers schallten noch immer durch die Boxen, drangen aber nicht zu ihm durch. Er hatte sie genauso ausgesperrt, wie das Gejubel und Gekreische der Zuschauer.

Die Menge um ihn herum verschwamm und einzig sein Gegner stach daraus hervor.

Wie so oft in diesem Moment, dachte er daran, wie viel einfacher sein Leben wäre, wenn er nur an sich denken würde.

Er könnte es genauso wie Ty machen, sich abseilen und seinen eigenen Weg gehen ... könnte, wären da nicht so viele Leute, die ihn brauchten.

Ty hatte sich umgedreht und nicht mehr zurück gesehen.

Es hatte ihn nicht interessiert, wer die Lücke füllte, die er hinterlassen hatte. Er selbst konnte das nicht. Nicht um seiner selbst willen, das Risiko würde er eingehen, aber jemand musste die, die zurück geblieben waren, beschützen. Genau das tat er Tag für Tag, sofern es ihm möglich war.

Manche wollten auch schlicht nicht gerettet werden. Er hoffte nur, dass Sandro nicht zu denen gehörte, die es nicht schafften.

Er konnte die, denen es egal war, was mit den schwächeren Gesellschaftsmitgliedern passierte, nicht verstehen. Für ihn war es eine natürliche Verpflichtung. Der Starke muss für die Schwächeren einstehen. Es war eine Sache der Ehre, etwas, dass er von klein auf gelernt hatte. Wenn niemand die Schwächsten beschützte, würden sie in den Mühlen der Gangs zerquetscht werden.

Die Glocke riss ihn aus seinen Gedanken. Sein Gegenüber kannte er nicht. Kurz ließ er seinen Blick über ihn wandern und analysierte Vor- und Nachteile.

Er war groß und extrem massig. Zu massig, vermutete Luce, so langsam wie er sich bewegte.

Schwerfällig stürzte sein Gegner sich auf ihn, doch Luce wich ihm ohne Probleme aus. Aus der Drehbewegung heraus, trat er nach ihm und traf den Koloss am Knie.

Dieser erholte sich schnell wieder, hob seine Fäuste und taxierte ihn. Besonnener jetzt, als versuche er, sich erst jetzt ein Bild über seinen Gegner zu machen, doch damit würde er nicht weit kommen.

Einen Moment tänzelten sie umeinander, dann riss dem Sack der Geduldsfaden und er holte erneut weit aus. Die Lücke in der Deckung nutzte Luce sofort und platzierte eine Gerade auf dessen Nase.

Blut spritze und der Bulle taumelte einige Schritte zurück. Sofort setzte Luce nach. Seinem Gegner gelangen einige harte Körpertreffer, während Luce ihn immer weiter zurückdrängte.

Die Lippe und Schläfe des Bullen bluteten bereits nach wenigen Minuten heftig. Der Kampf würde deshalb nicht abgebrochen werden. Er endete erst, wenn einer von beiden zu Boden geschickt wurde.

Er stand nicht mehr allzu sicher, als Luce ihn erneut traf. Trotzdem gelang es ihm, Luce einen starken Kick in die Nieren zu verpassen.

Für einen Moment zog er sich zurück, um zu Atem zu kommen.

"Was soll das? Der taumelt ja jetzt schon, Luce!", fluchte Salvatore hinter ihm.

Zorn loderte erneut hell in ihm auf. Er war diesem Arsch überhaupt nichts schuldig, wenn dieser sich nicht an die Abmachung hielt.

Luces gesamter Körper spannte sich an, als er erneut auf seinen Gegner losging.

Die Wut trieb ihn in ungeahnte Höhen, während er einen Schlag nach dem anderen auf den Bullen einprasseln ließ. Dessen Deckung fiel immer weiter in sich zusammen und machte es Luce noch leichter, seine Fäuste zu platzieren.

Als der Bulle die Arme kaum noch auf Kopfhöhe halten konnte, setzte Luce zu einem Highkick an und schickte seinen Gegenüber damit zu Boden.

Das Publikum hielt den Atem an, kein Ton war zu hören, bis der riesige Mann mit einem dumpfen Geräusch auf dem Betonboden aufschlug. Dann kreischte die Menge los.

Luces Brustkorb hob und senkte sich heftig, als er sich zu Salvatore umdrehte.

Der Moderator kam zu ihm und riss seinen Arm in die Höhe. Jubel ertönte, als der Sieger bekannt gegeben wurde, doch Luce bekam es kaum mit.

Sein Blick fixierte Salvatore, der ihn missbilligend anstarrte, ehe er aufstand und den Raum kommentarlos verließ.

Oh nein, so schnell kommt er mir nicht davon!

Noch völlig außer Atem vom Kampf, zog er sich Hoody und Sneakers an.

Dann schnappte er sich den Rucksack und folgte Salvatore durch die engen Gänge.

Er hörte die Rufe der Zuschauer, doch in diesem Moment hatte er kein Interesse dran, mit ihnen zu feiern, es gab wichtigeres. Er musste Salvatore stoppen, bevor dieser noch weiter gegen die Abmachung verstieß.

Er drückte sich durch die Zuschauer, presste sich an Männern und Frauen vorbei, bis er endlich durch die Eingangstüren der Lagerhalle trat. Dann joggte er los in Richtung der Parkplätze.

Auf dem Rasen vor der Halle angekommen, sah er gerade noch, wie Salvatores Wagen davon fuhr.

Verdammte Scheiße!

Er würde versuchen, ihn am nächsten Tag zu kontaktieren, spätestens aber, wenn er seinen Anteil des Geldes bekommen würde, das an diesem Abend mit den Wetten eingespielt wurde.

Er wechselte die Richtung und ging über den Rasen zurück in Richtung seiner Werkstatt, über der er ein kleines Zimmer hatte, wenn er nicht mehr in seine Wohnung fahren wollte.

Sein Atem hatte sich langsam wieder beruhigt und auch seine Wut hatte er wieder unter Kontrolle. Erst dann fiel es ihm auf.

Es war still ... beinahe zu still. Keine Menschenseele schien im Viertel unterwegs zu sein. Das war für gewöhnlich ein sehr schlechtes Zeichen.

Er beschleunigte seine Schritte, nur eine Sekunde, bevor er die Sirenen und Blaulichter, die sich der Lagerhalle näherten, bemerkte.

Zügig ging er weiter, rannte aber nicht, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

"Hey! Du da! Bleib stehen!", rief eine Stimme hinter ihm. Unbeirrt lief er weiter. Er musste es nur bis zu dem kleinen Waldstück im Park schaffen, dann könnte er unentdeckt zwischen den Bäumen in die Vorgärten verschwinden.

"BPD. Bleib sofort stehen!", rief der Polizist und Luce hörte, wie dieser zu rennen begann.

Verdammt! Weg hier!

Hätte er dieses verdammte Gras nicht in diesem verdammten Rucksack, könnte er sich problemlos herausreden, aber so?

Es blieb ihm nichts anderes übrig. Er rannte los.

Die Schreie hinter ihm wurden immer lauter und es war klar, dass er mit dieser Aktion, die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Aber eine Alternative hatte es nicht gegeben.

So schnell er konnte, rannte er in der Dunkelheit, durch die Bäume, die das Grundstück von den Wohnblocks trennten.

Plötzlich rammte ihn etwas von der Seite. Im vollen Lauf verlor er das Gleichgewicht, kam ins Stolpern und fiel schließlich zu Boden. Er konnte sich gerade noch über die Schulter abrollen.

Dann traf ihn etwas hart im Rücken. Automatisch versuchte er sich frei zu kämpfen, erntete dafür einen harten Schlag auf seine Schläfe.

Schmerz schoss durch seinen Kopf, machte ihn nur noch entschlossener, von hier weg zu kommen.

Wieder wollte er sich instinktiv wehren, besann sich aber eines besseren, als zwei weitere Schläge auf seinen Kopf krachten.

Seine Arme wurden grob auf seinen Rücken gedreht und das kalte Metall der Handschellen traf auf seine Handgelenke.

Seine sowieso schon lädierte Schulter schmerzte unter der rüden Behandlung. Wie Stromschläge peitschte jede Bewegung an seinem Arm durch seinen Körper und er konnte ein Aufstöhnen kaum noch unterdrücken.

Die Polizisten sprachen miteinander und auf ihn ein, während einer von ihnen seinen Rucksack durchsuchte. Ihre Worte waren unverständlich, zu schnell rannten seine Gedanken.

Der Bulle, der auf seinem Rücken kniete, richtete sich auf und zog ihn auf die Beine. Wieder brannte seine Schulter und alles um ihn herum drehte sich. Dann leierte er seine Rechte herunter.

Blablabla. Den Text kannte er zu genüge. Nichts was die beiden ihm sagen würden, konnte neu sein.

Luce schwieg. Alles was er sagen würde, würde ihn nur weiter in die Scheiße reiten.

In diesem Moment gab es nur einen einzigen Menschen, der seinen Arsch retten konnte.

Aber es würde noch eine Weile dauern, bis er seinen Anruf tätigen durfte und bis dahin, schaltete Luce einfach auf Durchzug.

Mat, Matthew Fox. Ebenfalls ein Fire&Ice Mitglied, wie er und Ty. Mat war einer seiner wenigen Freunde außerhalb des Viertels. Mat würde ihn aus dieser Scheiße rausholen. Er schaffte es immer ... irgendwie.

2 Bewährung

LUCE

Genervt zerrte er an seiner Krawatte. Er hasste Anzüge in jeder Art und Weise. Es reichte schon, dass er diese ekelhaft einengenden Dinger immer auf Cats Wohltätigkeits-Dingern tragen musste. Bei jedem anderen Anlass waren sie inakzeptabel.

Zu seiner Abneigung gegen Anzüge, kam seine Abneigung gegen Gerichtsgebäude und Gerichtsverfahren. Wie Mat das den ganzen Tag aushalten konnte, war ihm unerklärlich.

"Verdammte Scheiße!", fluchte er und riss die ersten beiden Knöpfe des viel zu steifen Hemdes ab, beim Versuch, es aufzumachen.

"Reg dich nicht auf, Luce. Eigentlich ist es gar nicht so schlecht gelaufen!" Mat strich seinen sowieso schon tadellos sitzenden Anzug glatt. Er sah aus, als wäre er in dem steifen Ding geboren worden.

"Nicht schlecht gelaufen? Sechs Monate Bewährung wegen etwas, das theoretisch gesehen noch nicht einmal mein Vergehen ist, nennst du nicht schlecht gelaufen?", fluchte er.

"Ja, Luce. Genau das. Du hast nicht kooperiert, du hattest eine nicht gerade kleine Menge Marihuana dabei und, so ungern ich es auch sage, du bist eben Latino und nicht weiß." Mat verzog das Gesicht.

Luce wusste, dass Mat dieses Rechtssystem, oder besser gesagt die Auslegung des Rechtssystems, genauso wenig passte wie ihm selbst, aber keiner von beiden würde etwas daran ändern können.

Zudem wusste Luce nur zu gut, dass es ohne Mat noch viel schlimmer ausgegangen wäre. Viele der Jungs aus seinem Viertel hatten für kleinere Vergehen mehr Strafe bekommen.

"Du musst jetzt einfach sechs Monate die Füße still halten, das müsste doch machbar sein, oder?", fragte Mat angespannt.

Luce wusste, dass es Mat überhaupt nicht passte, ihn immer wieder aus der Scheiße ziehen zu müssen. Niemand wollte sehen, wie Freunde kurz davor waren, ins Gefängnis zu gehen.

Luce kannte dieses Gefühl nur allzu gut. Viel zu oft hatte er dabei zusehen müssen, wie seine Jungs oder seine Freunde hinter Gitter kamen und sich dabei grundlegend veränderten.

In den seltensten Fällen zum Positiven.

"Klar", brummte er und stieg auf der Beifahrerseite von Mats Wagen ein. Mat liebte schnittige Sportwagen, entsprechend eingeengt fühlte Luce sich in dem Porsche Carrera.

Luce selbst bevorzugte BMW. In denen hatte er zumindest das Gefühl, dass sein Kreuz nicht doppelt so breit wie der Sitz war.

"Gut. Kommst du noch mit zu Chris?", fragte Mat und fuhr zurück auf die Hauptstraße.

Luce sah auf die Uhr. Es war bereits nach acht. "Okay. Ich will erst nach Hause und aus dieser Zwangsjacke raus. Ich komme dann nach."

Mat nickte lachend.

Seit über einer Stunde war er bereits in Chris' Chase Club.

Der Abend ödete ihn an, genauso wie die meisten Abende in den letzten Jahren.

Er fand es immer schwerer, sich für etwas zu begeistern. Die Reize waren abgeflacht, die gesteckten Ziele hatte er erreicht und alles was über diese Ziele hinausging, stand nicht zur Debatte. Mehr konnte er aus seinem Leben einfach nicht mehr herausholen, ohne grundlegend etwas zu verändern.

Wollte er das? Nein. Im Großen und Ganzen mochte er sein Leben genau so wie es war. Und die Teile, die ihm nicht gefielen, hatte er sich selbst ausgesucht.

Alles wurde von dem großen Schatten verdunkelt, der sein Leben lang über ihm hing. Genau wie an diesem Tag.

Im Club seines Freundes Chris angekommen, hatte er es sich im VIP Bereich auf einem der tiefen schwarzen Ledersofas bequem gemacht. Die Arme hatte er auf der Rückenlehne ausgebreitet. Sowohl zu seiner rechten, als auch zu seiner linken Seite saß eines dieser grausamen kichernden Mädchen.

 

Hübsch waren sie, aber das war auch schon alles. Er kannte diese Sorte Mädchen, seit er mit den Jungs von Fire&Ice herum hing. Manchmal kam es ihm so vor, als hätten sie bei einer der diversen Fettabsaugungen aus Versehen das Gehirn erwischt.

Die beiden saßen sehr nah bei ihm und berührten ungeniert seine Oberschenkel. Dabei unterhielten sie sich über ihn hinweg.

Über was genau, interessierte ihn nicht. Anfangs hatte er noch versucht solchen Gesprächen zu folgen. Nach der hundertsten Diskussion über Haar-Extensions und Gelnägel, hatte er die Hoffnung auf intelligentes Leben aufgegeben.

Er ließ sie gewähren, als ihre Finger weiter über seinen Körper wanderten.

Irgendwie schienen sie sich besser zu fühlen, wenn sie ein wenig an ihm herumtatschen konnten.

Was sie von ihm wollten, wusste er nicht. Er war eigentlich nichts Besonderes. Nur ein Straßenkind. Wahrscheinlich war es einfach nur die Tatsache, dass er Mitglied dieses elitären Clubs war, die in diesem VIP-Bereich ein- und ausgingen.

Auch die Mädels in seinem Viertel waren ihm immer nachgelaufen. Er wusste, dass er ein attraktives Gesicht und schöne milchkaffeefarbene Haut hatte, die er seinem lateinamerikanischen Vater verdankte.

Also, ja, er sah nicht schlecht aus. Die vielen Kämpfe hatten seinem Körper gut getan. Sehr breite Schultern, eine muskulöse Brust, starke Arme und einen Sixpack, auf den alle Geier standen.

Den durchtrainierten Körper musste er sich schon als Jugendlicher antrainieren. Wenn man in seinem Viertel überleben wollte, in dem Waffengewalt, Schlägereien und Drogen an der Tagesordnung standen, durfte man nicht der Letzte in der Nahrungskette sein.

Ty, der zwei Jahre älter war als er selbst, hatte ihm alles beigebracht, was er wissen musste. Sie waren das Überteam auf der Straße. Sie arbeiteten Hand in Hand und hatten sich schnell eine gute Position erkämpft. Über Jahre hinweg hätte es für beide nicht besser laufen können.

Dann wurde Ty bei einer Razzia während einer der Kämpfe verhaftet. Er bekam eine kurze Haftstrafe mit anschließender Bewährung und einem Anti-Aggressions-Kurs.

Von da an trennten sich ihre Wege. Ihr Leben schien sich ein Stück weit auseinander entwickelt zu haben. Ty lernte andere Menschen kennen, Menschen, die nichts mit der Straße und der Gewalt zu tun hatten.

Ty bekam einen Job bei JB-Industrials und wollte auch ihm einen Job verschaffen.

Einen Anzugträger-Job, doch das war einfach nichts, mit dem Luce etwas anfangen konnte.

Morgens pünktlich um acht auf der Arbeit zu sein? Damit hatte er sich schon immer schwer getan. Befehle von irgendjemandem annehmen? Nahezu unmöglich. Selbst wenn es Ty gewesen wäre.

Also hatte er sich entschlossen, im Viertel zu bleiben. Eine gute Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellte. Solange er mittendrin war, konnte er viel bewirken. Er konnte helfen und die schützen, die er als die Seinen betrachtete.

Dank Ty hatte er die Jungs von Fire&Ice kennengelernt. Mit ihnen zusammenzusein, war wie Urlaub von der grausamen Realität auf der Straße. Einmal rauskommen und andere Dinge sehen.

Natürlich hatten auch sie Probleme, aber eben Probleme, bei denen es mal nicht um Drogen oder dergleichen ging.

Viele von ihnen verstanden ihn nicht. Wie auch, wo sie doch niemals gesehen hatten, wie er wirklich lebte. Die wenigsten kannten ein Leben, wie er es führte.

Aber er mochte sie alle, auch ihre heute zahlreich versammelten Frauen und Freundinnen. Sie waren alle samt anders als die Geier, die sich so gern an Fire&Ice klammerten.

Doch am liebsten mochte er die Ruhigen unter ihnen. Nina oder auch Nicky, wenn sie einen guten Tag hatte. Wie Dario es mit Carry aushalten konnte, war ihm schleierhaft.

Frauen wie Carry und Tia würden ihm in kürzester Zeit den letzten Nerv rauben. Nicht dass er diese Art der Unterhaltung nicht zu schätzen wusste, sehr sogar. Die Wortgefechte und ihre bissigen Kommentare steigerten den Wert einer jeden Unterhaltung enorm.

Ganz im Gegenteil zu dem grausamen Getratsche der Geier.

Das Lachen und Kichern der Frauen an seiner Seite wurde von Drink zu Drink immer lauter und durchdringender.

Genervt verzog er sein Gesicht und fing quer durch den Raum hinweg Tias Blick auf. Tys Schwester lächelte breit. Es war eines dieser Lächeln, bei dem man nie wusste, wessen Bein sie als nächstes ausreißen würde.

Als er sie entdeckte, stand sie auf der anderen Seite des Raumes. Sie sah gut aus wie immer, genauso wie er seine Frauen rein optisch bevorzugte.

Ein schlanker Body mit Kurven an den richtigen Stellen. Einen ordentlichen Arsch und volle Brüste. Für eine Frau war sie groß. Wenn sie sehr hohe Absätze trug, konnte sie ihm beinahe in die Augen sehen. Bei seiner Körpergröße von 1,87 Metern schafften das nur wenige.

Die hautenge schwarze Jeans und das rückenfreie schwarze Top betonten ihre schmale Taille.

Ihre schwarzen Locken fielen weich über ihre Schulter. Ihr Lächeln war strahlend und einladend, auch wenn ihr Körper etwas anderes sagte.

Sie war selbstbewusst. Keine Beute, sondern eine Frau, die sich ihren Mann selber aussuchte. Sie war selbst ein Raubtier. Schön, elegant, anmutig und gefährlicher als sie aussah.

Auch jetzt stand wieder einer dieser armen Trottel vor ihr und spendierte ihr einen Drink in der Hoffnung, sie abschleppen zu können. Wobei es maximal andersrum sein würde.

Frauen wie Tia ließen sich nicht abschleppen. Dafür wussten sie einfach zu genau, was sie wollten.

Sie wandte Luce ihren Blick zu. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie deutete mit ihrem Kinn auf die beiden Geier die sich seit einiger Zeit in seine Arme schmiegten.

Er lächelte frech zurück und deutete auf den Nerd vor ihr. Ihre einzige Antwort war ein Augenrollen, ehe sie sich wieder ihrem Gesprächspartner zuwandte.

Nein, der arme Trottel hatte definitiv keine Chancen bei ihr.

Er war lediglich ihr Opfer zum Warmspielen.

Irgendwann würde sie genug von ihm haben und ihn gegen einen anderen austauschen.

Er beobachtete sie eine Weile und sah belustigt dabei zu, wie ihre Geduld immer mehr abnahm.

Aber der Nerd ließ sich nicht abwimmeln, im Gegenteil. Je mehr sie sich von ihm distanzieren wollte, umso aufdringlicher wurde er.

Er griff nach ihrer Hand oder ihrer Hüfte, bedrängte sie immer dreister.

Bei jeder anderen Frau aus seinem Bekanntenkreis, hätte Luce jetzt schon eingegriffen. So hatte er es zuhause gelernt. Frauen mussten beschützt werden, man musste auf sie aufpassen, jederzeit wachsam bleiben.

Doch Tia konnte sich durchaus selber beschützen. Auch sie war auf der Straße groß geworden. Sie hatte sich stets gegen den Schutz ihres großen Bruders gewehrt.

Sie brauchte keine Hilfe, brauchte wahrhaftig keinen Bewacher. Sie war kein zartes Mädchen, sie konnte sich selber durchbeißen. Sie war tough, stark und selbstbewusst.

Wenn überhaupt müsste er den armen Spinner vor ihr beschützen. Sie ganz bestimmt nicht. Dieses halbe Hemd konnte sie, wenn es sein musste, auch selber noch auf die Matte werfen.

In diesem Moment griff er wieder nach ihrer Taille. Sie schlug seine Hand beiseite. Ihr Lächeln war verschwunden und ihre Miene war zu Eis geworden.

Sie zog ihre schönen schmalen Augenbrauen nach oben und zischte ihm etwas zu. Dabei bewegten sich ihre Lippen kaum.

Allein das Funkeln ihrer schönen, katzenhaften Augen reichte aus, um den armen Trottel in die Flucht zu schlagen. Er verzog enttäuscht das Gesicht, wandte sich aber schließlich ab.

Tia lehnte sich auf die Ellenbogen gestützt an den Tresen und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Sie zog ihre kleine Nase kraus und schüttelte den Kopf.

Nein, es war wohl nichts dabei, was sie heute Abend haben wollte.

Luce konnte sich sein Lachen nicht mehr verkneifen. Frauen wie Tia waren eben wählerisch.

TIA

Die Auswahl an diesem Abend war grauenhaft. Einfach kein Mann dabei, der sie auch nur annähernd anzog.

Dabei könnte sie gerade heute dringend ein wenig Ablenkung gebrauchen.

Ein bisschen Sex, ein oder zwei kleine Orgasmen, ein wenig fliegen und einfach den Kopf abschalten, damit sie danach in Ruhe schlafen konnte.

Aber es schien nicht möglich zu sein. Wie meistens waren massenhaft leichte Mädchen hier, aber nur selten ein Mann, der in ihr Beuteschema passte.

Eigentlich klar, die Fire&Ice Jungs wollten die Geier für sich haben und sie nicht mit irgendwelchen Typen teilen.

Seufzend gab sie die Hoffnung auf einen ordentlichen Fick auf.

Wenn sie schon keinen Sex haben konnte, würde sie zumindest ein wenig tanzen, um sich auszupowern.

Tia ließ den Blick noch einmal durch den VIP-Bereich wandern. Erneut fanden ihre Augen die von Luce.

Sie kannte ihn schon seit ihrer Jugend. Er war definitiv genau der richtige Tanzpartner für diesen Abend. Auch wenn er es selten tat, Tia wusste genau wie viel Spaß man mit ihm auf der Tanzfläche haben konnte.

Sie lächelte ihn an, stieß sich vom Tresen ab und ging zu ihm hinüber.

Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Er schüttelte den Kopf, doch seine fast schwarzen Augen blitzten. Er wusste genau, was sie vorhatte und würde es ihr nicht einfach machen.

Oft genug spielten sie dieses Spiel.

Die Geier an seiner Seite ignorierte Tia einfach. Sie waren weder ihr noch ihm wichtig. Sie lief auf direktem Weg zu ihm und ließ sich dann auf einen seiner gespreizten Oberschenkel sinken.

"Hey Darling", sagte sie und küsste ihn flüchtig auf den Mundwinkel.

"Hör auf mit dem Scheiß, Tia", sagte er, doch das Lächeln in seiner Stimme war nicht zu überhören.

Sein Dreitagebart stand ihm. Ließ ihn noch maskuliner wirken, als würden die breiten Schultern und der beachtliche Bizeps nicht ausreichen.

Sein schwarzes Shirt lag hauteng um seinen muskulösen Oberkörper. Seine ausgeprägte Muskulatur zeichnete sich darunter ab.

"Tanz mit mir, Baby", sagte sie

"Ich bin beschäftigt, Tia, siehst du das nicht?", fragte er, ohne die Mädchen in seinem Arm zu beachten.

Sie zog eine ihrer Augenbrauen nach oben und wandte sich dem ersten Geier zu.

"Kusch, kusch, Mami ist zurück und jetzt verzieh dich."

Der Geier, der schon zuvor schockiert dreingesehen hatte, zuckte erschrocken zusammen, stand dann jedoch widerspruchslos auf und trollte sich.