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Die Entstehung der Kontinente und Ozeane

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Nun müssen wir indessen ein naheliegendes Mißverständnis beseitigen. Für unsere gewöhnlichen Begriffe ist Stahl durchaus ein „starrer Körper“. Wir wissen aber, daß er schon bei solchen Drucken, die wir technisch herstellen können, seine Starrheit verliert und plastisch wird. Wir können nicht eine beliebig hohe Säule aus Stahl errichten, sondern wir kommen an eine Grenze, bei welcher der Fuß dieser Säule anfängt zu „fließen“. Denken wir uns einen ganzen Kontinentalrand aus Stahl, so würde sein oberer Teil zwar starr bleiben, die tieferen Schichten würden aber unter dem Druck der darüber liegenden Massen plastisch werden und seitlich herausquellen. Für die großen Dimensionen des Erdkörpers ist also Stahl kein fester Körper mehr, sondern ein zähflüssiger. Und der Silikatmantel der Erde besitzt, wie erwähnt, nur ein Achtel der Zähigkeit des Stahles.

Die Eigenschaften zähflüssiger Körper sind deswegen paradox, weil es bei ihnen viel mehr auf die Zeitdauer, als auf die Größe der deformierenden Kräfte ankommt. Deshalb fangen solche Körper, wenn man ihnen nur Zeit läßt, unter dem Einfluß der Schwere an zu fließen, auch wenn sie sich gegen Schlag und Stoß wie ein absolut fester Körper verhalten. Ein Stück Kork läßt sich mit Gewalt nicht durch eine Schicht Pech hindurchtreiben, aber wenn man ihm Zeit läßt, genügt sein geringer Auftrieb, um vom Boden eines Gefäßes langsam durch das Pech hindurch aufzusteigen. Einen noch besseren Vergleich bietet Siegellack bei Zimmertemperatur. Wirft man eine Stange Siegellack auf den Boden, so zerspringt sie in scharfkantige Stücke. Läßt man sie aber, an zwei Punkten unterstützt, in der Schwebe liegen, so kann man schon nach wenigen Wochen ein Durchhängen bemerken, und nach einigen Monaten hängen die nicht unterstützten Teile fast vertikal herab. Aus den Mondgezeiten im festen Erdkörper berechnete Schweydar, daß die Zähigkeit des Simas noch etwa 10000mal so groß ist wie die des Siegellacks. Was also beim Siegellack ein Monat, ist beim Sima nahezu ein Jahrtausend. Ein anderes, für die Bewegungen der Erdrinde besonders lehrreiches Beispiel für Zähflüssigkeit bildet das Gletschereis. Auch hier erscheint das Fließen auf den ersten Blick paradox, so daß man besondere Ursachen, wie z. B. Regelation (Wiedergefrieren) dafür annehmen zu müssen glaubte, bis durch Beobachtung der gleichfalls fließenden polaren Gletscher mit ihren tiefen Innentemperaturen in jüngster Zeit eine richtigere Auffassung von der Zähflüssigkeit dieser Gebilde gewonnen worden ist.

Wir müssen nicht nur dem Sima, sondern auch dem Sial einen erheblichen Grad solcher Zähflüssigkeit zuschreiben, denn wir erkennen bei richtiger Deutung des Kartenbildes auch bei den Kontinentalschollen große Deformationen, die nicht immer in Faltungen ihr Äquivalent besitzen und also auf einem Fließen beruhen müssen. Da aber die Kontinentalschollen bis zu einem erheblichen Grade ihre Individualität trotz aller Deformationen im Laufe der Erdgeschichte bewahrt und sich nicht etwa wie eine flüssige Schicht wieder über die Simaoberfläche ausgebreitet haben, so ist doch ein deutlicher Unterschied in bezug auf den Flüssigkeitsgrad des Sials und des Simas festzustellen. Auch bei noch so langen Zeiten bedarf es anscheinend eines gewissen Schwellenwertes der verschiebenden Kräfte, um ein Fließen zu erzeugen, und dieser Schwellenwert scheint beim Sial wesentlich höher zu sein als beim Sima, so daß letzteres bereits unter dem Einfluß der Schwere fließt, während für ersteres doch größere Kräfte erforderlich scheinen.

Eine Wirkung der Zähigkeit des Simas ist das schon besprochene Nachhinken der isostatischen Ausgleichsbewegungen. Noch viele tausend Jahre nach Abschmelzen der Eisbedeckung steigt der herabgedrückte Krustenteil empor. Es ist nicht ohne Interesse, daß der früher für Skandinavien erwähnte Wert von 1 m in 100 Jahren – gleichförmigen Verlauf vorausgesetzt – zu der Annahme führt, daß die Gesamterhebung um 250 m etwa 25000 Jahre gebraucht hat. Da der wirkliche Verlauf aber wohl nicht gleichförmig ist, sondern sich asymptotisch dem Stillstande nähert, ist diese Zahl jedenfalls noch erheblich zu verkleinern. Wir kommen damit auf eine Zeitdauer, die zu unseren Vorstellungen vom Alter der letzten Eiszeit sehr gut paßt.

Erscheinungen der Kontinentaltafeln

Fig. 7.

Karte der Kontinentalschollen in Merkatorprojektion.


Da unsere ganzen Betrachtungen sich nicht auf die Form der heutigen Küstenlinien, sondern auf die der Kontinentaltafeln einschließlich der Schelfe bezieht, so ist es notwendig, sich von dem gewohnten Bilde der Erdkarte etwas frei zu machen und eine gewisse Vertrautheit mit der Form der vollständigen Kontinentaltafeln zu gewinnen. Es sei deshalb in Fig. 7 eine Erdkarte der Kontinentalblöcke gegeben. In der Regel gibt die 200 m-Tiefenlinie am besten den Rand dieser Tafeln wieder, doch erreichen einige Teile, die noch sicher zu den Kontinentaltafeln gehören, auch 500 m Tiefe. Die größten Abweichungen von den Küstenlinien treten auf in der Umgebung der britischen Inseln, auf der Neufundland-Bank, im Nördlichen Eismeer, wo Spitzbergen, Franz Josef-Land und neusibirische Inseln mit Eurasien verbunden erscheinen, in der Umgebung der Falklandsinseln, die auf dem südamerikanischen Schelf liegen, bei den Sunda-Inseln, die einen großen, mit Asien zusammenhängenden Lappen bilden, und zwischen Australien und Neuguinea, die als eine einzige große Tafel erscheinen. Auch die nordamerikanische Scholle hängt durch den Schelf der Beringstraße unmittelbar mit der asiatischen zusammen.

Es ist von Wichtigkeit, den Prozeß der Gebirgsfaltung etwas näher ins Auge zu fassen. Er ist es ja, welcher den Zusammenschub der Lithosphäre zu immer größerer Dicke vorzugsweise bewirkt und damit die Kontinente aus dem Meere auftauchen läßt. Auch Tafelländer lassen ja die Faltung des Urgesteins meist noch deutlich erkennen, durch welche sie dem Urmeere entstiegen sind. Erst nachträglich sind diese anfangs als echte Kettengebirge entstandenen Faltungen durch Verwitterung oder Abrasion wieder eingeebnet worden, so daß man bisweilen aus dem Grade dieser Einebnung bereits einen rohen Schluß auf das Alter der Faltung ziehen kann. Deshalb ist es wichtig, ein möglichst klares Bild von dem Faltungsvorgang zu gewinnen.

James Hall wurde zuerst auf die unbestreitbare Tatsache aufmerksam, daß die Mächtigkeit der Sedimente gerade in Faltengebirgen viel größer ist als in den benachbarten ungefalteten Gebieten. Da es sich meist um kilometermächtige Schichten handelt, die gleichwohl alle in flacher See abgelagert sind, deutete Hall die Erscheinung ganz richtig in der schon oben besprochenen Weise, daß am Orte des Gebirges anfangs eine Mulde (Geosynklinale) bestanden habe, deren Aufschüttung mit Sediment durch ein isostatisches Sinken der Scholle fast kompensiert wurde. Man kam so zu dem Gesetz: Kettengebirge entstehen aus Schelfen50. Daß gerade die Schelfe hier bevorzugt werden, kann verschiedene Gründe haben. Reade wies darauf hin, daß durch die kilometerdicken Ablagerungen das Urgestein in das Gebiet der höheren Temperatur hinabgedrängt und hierdurch plastischer gemacht würde, so daß beim Zusammenschub diese Stelle zuerst nachgeben muß. Vielleicht darf man auch annehmen, daß solche Geosynklinalen von Anfang an durch eine besonders hohe Lage der Isotherme der Schmelztemperatur ausgezeichnet waren, und daß deswegen ein Sinken der Scholle bei Sedimentauflagerung besonders leicht eintreten konnte, weil bei Schollenverdickung die geschmolzenen Massen an der Unterseite der Lithosphäre leichter seitwärts ausweichen konnten. Auch dadurch würde eine Bevorzugung dieser Stellen bei Faltung erklärbar. Außerdem muß aber beachtet werden, daß die Schollendicke aus isostatischen Gründen bei Schelfen viel geringer sein muß, als bei den höheren Teilen der Kontinentalschollen, wodurch die Schelfe als Zonen geringsten Widerstandes an sich schon für die Faltung prädestiniert erscheinen.


Fig. 8.

Zusammenschub unter Wahrung der Isostasie.


Die Faltung selbst geschieht, wie schon früher ausgesprochen, unter Wahrung der Isostasie. Die Rinde schwimmt ja auf der Barysphäre, und daher muß auch bei der entstehenden Verdickung das Verhältnis von oberhalb und unterhalb des barysphärischen Niveaus das gleiche bleiben wie vorher (Fig. 8). Nach oben gestaut werden also nur alle diejenigen Schichten, die schon vorher oberhalb des Tiefseebodens lagen, und diese betragen nur etwa 5 Proz. der ganzen Scholle, während 95 Proz. eingetaucht sind. Was wir also in den Gebirgen sehen, ist nur ein sehr kleiner Teil dieses Zusammenschubes, der weitaus größte Teil sinkt bei der Auffaltung nach unten. Da z. B. ein Schelf von 70 km Schollendicke nur um etwa 3½ km aus der Barysphäre herausragt, so wird, wenn er mit einer Sedimentschicht von der letzteren Dicke bedeckt ist, die nach oben gerichtete Faltung zunächst nur aus Sediment bestehen, während das darunter liegende Urgestein sich nach unten faltet, bis die Abtragung dies Verhältnis ändert. Die Schraubungen (Torossen) des Meereises im Polarmeer bilden eine Erscheinung, welche der Gebirgsfaltung ganz analog ist, ja geradezu als eine Kopie im kleinen gelten kann. Auch hier sind es schwimmende Schollen, bei denen der Hauptzusammenschub nach unten gerichtet ist, während der nach oben gerichtete Schraubwall nur den kleineren Teil darstellt. Auch die tektonischen Beben treten dabei im kleinen auf. Nur in bezug auf die Zähigkeit des Simas versagt der Vergleich; denn die Eisscholle findet natürlich im Wasser nicht genügend Stirnwiderstand, um einen Schraubwall an der freien Vorderkante zu bilden.

 

Mit der nach unten gerichteten Verdickung der Scholle wird nun meist noch eine weitere Veränderung vor sich gehen. Wenn, wie früher wahrscheinlich gemacht wurde, am Unterrand der ungefalteten Scholle etwa der Schmelzpunkt der Silikate erreicht ist, so werden die tiefer hinabrückenden Massen geschmolzen werden und sich an der Grenze zwischen der festen Scholle und dem darunter liegenden flüssigen, aber schweren Sima ausbreiten. Besitzt die Scholle keine fortschreitende Bewegung über das Sima, so wird diese Ausbreitung nur die Wirkung haben, daß das Gebirge selbst weniger hoch wird und statt dessen auch die benachbarten Teile der Scholle gehoben werden. Wenn aber, was in der Regel der Fall sein wird, eine solche fortschreitende Bewegung besteht, so müssen offenbar die geschmolzenen Massen einseitig sich ausbreiten, da sie ebenso wie das flüssige Sima zurückbleiben. In diesem Fall entsteht eine unsymmetrische Höhenverteilung, indem sich die Hebung nur auf die Rückseite des Gebirges (im Sinne der Bewegungsrichtung der Scholle) beschränkt, vor dem Gebirge dagegen eher eine Senkung (Vortiefe) auftritt. So dürfen wir z. B. bei den Alpen wie auch beim Himalaja annehmen, daß die tief hinabgesenkten und geschmolzenen Schollenteile einseitig nach Norden ausgewichen sind und hier zur Hebung des deutschen Mittelgebirges bzw. von Tibet beigetragen haben. Dementsprechend zeigen auch die Schweremessungen in den Alpen, daß das größte „Massendefizit“ nicht unter der Mittellinie, sondern erheblich weiter nördlich unter dem Gebirge liegt.

Wenn keine derartige Schmelzung an der Unterseite der Schollenverdickung einträte, so könnte man aus der mittleren Höhe des Gebirges und seiner Breite die Größe des Zusammenschubes berechnen. Nimmt man z. B. an, daß das Gebirgsland vor dem Zusammenschub einen Schelf bildete, dessen Oberfläche 200 m unter dem Meere lag (und daß die spezifischen Gewichte des Sials und des Simas 2,8 und 2,9 sind), so folgt für eine mittlere Seehöhe des Gebirges von 2000 (4000) m eine Verkürzung auf 0,6 (0,4) der ursprünglichen Breite. Aus der mittleren Seehöhe der Alpen würde man hiernach für dies Gebirge einen Zusammenschub berechnen, wie er zwar den älteren Anschauungen entsprach, aber mit dem heute erkannten Deckfaltenbau unvereinbar ist. Auch für den Himalaja erhält man durch diese Rechnung im günstigsten Falle nur einen Zusammenschub Lemuriens um 1500 km, was als viel zu klein erscheint. Hierin zeigt sich deutlich der Einfluß der Abschmelzung von unten. Daß diese Vorstellung aber überhaupt unabweisbar ist, zeigt eine Reihe anderer Erscheinungen, welche sich, wie schon erwähnt, wohl nur so erklären lassen, daß die geschmolzenen Sialmassen von der Unterseite einer Kontinentalscholle bei deren Verschiebung auch an ihrem Rande auftauchen können und so unmittelbar in Erscheinung treten (Island, das Dreieck im Winkel zwischen Abessinien und der Somali-Halbinsel, die Abrolhos-Bank, die Seychellen-Bank).

Eine besondere Erwähnung verdient die Staffelung der Gebirgsfalten. Die einzelnen Faltenzüge liegen meist nicht genau hintereinander, sondern gestaffelt, so daß, wenn man ein solches Gebirge weithin verfolgt, immer neue, anfangs noch zurückliegende Ketten an seinen Vorderrand treten, wo sie erlöschen und den nächst hinteren Platz machen. Sind die Faltenzüge gut getrennt, so läßt sich die Staffelung schon auf der topographischen Karte erkennen, wie z. B. zwischen Hindukusch und Baikalsee oder am Nordende der australischen Kordilleren. Sind die Falten eng zusammengeschoben, so ist die Staffelung entsprechend schwerer zu erkennen. Ein einfacher Versuch zeigt, unter welchen Bedingungen die Staffelung zustande kommt. Legen wir beide Hände auf ein ausgebreitetes Tischtuch und nähern sie einander in gerader Richtung, so entsteht meist zwischen ihnen nur eine einzige riesige (Deck-) Falte. Dies entspricht der Faltung ohne Staffelung, wie bei den Alpen. Versuchen wir aber, die beiden Hände aneinander vorbeizuschieben, so entsteht ein hübsches System kleiner, paralleler und namentlich gestaffelter Falten, welches der Staffelfaltung z. B. der Dinarischen Alpen entspricht. Man sieht nun leicht, wie die verschiedenen Arten der Faltung miteinander zusammenhängen: drängen die Schollen gerade gegeneinander an, so entstehen große Deckfalten, wollen sie halbwegs aneinander vorbei, so entstehen kleinere Staffelfalten. Die Fältelung wird immer enger, je mehr die Schollen einander aus dem Wege gehen; schließlich hört die Faltung ganz auf, und es entsteht nur noch eine horizontale Verwerfung (Blattverschiebung). Es ist hiernach klar, daß Staffelfalten besonders auch für das seitliche Ende großer Gebirge charakteristisch sein müssen. Bei den weiter unten zu besprechenden ostasiatischen Girlanden, welche abgelöste Randketten darstellen, ist diese Staffelung besonders deutlich sichtbar gemacht.

Ebenso wie die Faltung der Gebirge vollzieht sich auch ihre sofort einsetzende Abtragung unter Wahrung der Isostasie. In dem Maße, wie der höchste, mittelste Teil des Gebirges durch die Abtragung der Sedimente entlastet wird, steigt die Scholle hier wiederum isostatisch empor, so daß schließlich nach völliger Entfernung des Sediments ein Urgebirge von fast gleicher Höhe emporgewachsen ist. Dabei ist es wichtig, daß sich Sediment und Urgestein bei der Faltung etwas verschieden verhalten: Sediment splittert mehr und fällt daher dem rinnenden Wasser viel schneller anheim, als das darunter liegende Urgestein, welches bei Faltungen mehr fließt 51. Daher läßt die Abtragung sehr nach, sobald die Sedimentdecke des Gebirges beseitigt ist. Der Himalaja mit seinen mächtigen Sedimentaufstauungen befindet sich noch im ersten Teile dieser Entwickelung. Die Abtragung ist hier eine gewaltige. Die Gletscher sind unter enormen Schuttmengen begraben. Bei den Alpen ist nur noch im Norden und Süden die Sedimentzone erhalten, in der Zentralkette ist das Sediment beseitigt und das Urgestein emporgestiegen; die Abtragung ist hier viel geringer geworden. Die Schönheit unserer Alpengletscher beruht zum großen Teil auf ihrer Moränenarmut. Und beim norwegischen Gebirge, das viel älter ist, ist die Sedimenthaube bereits ganz beseitigt, und die heutige Abtragung sehr gering.

Durch diese Betrachtungen wird offenbar allen denjenigen Theorien, welche gerade die „Erhebung“ der Gebirge erklären wollen, der Boden entzogen. Denn sobald man überhaupt besondere Kräfte für diese Erhebung annimmt, setzt man fest, daß sie sich entgegen der Isostasie vollzieht, was für größere Gebirge zweifellos nicht der Fall ist.

Von der Natur der Faltungskräfte entwirft die Verschiebungstheorie ein ganz neues Bild. Von einem Gewölbedruck im Sinne der Schrumpfungshypothese ist ja keine Rede mehr, die lithosphärische Haut, die längst nicht mehr die ganze Erde umspannt, schwimmt frei auf einer zähflüssigen Unterlage. Die Kräfte, welche die Gebirge falten, müssen jetzt dieselben sein, welche auch die Horizontalverschiebungen der Kontinente bewirken. Dabei haben wir die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Einmal könnte eine ungleiche Verteilung dieser Kräfte selbst bewirken, daß die verschiedenen Teile der Lithosphäre sich verschieden schnell bewegen und also falten müssen. Andererseits kann aber auch bei gleichmäßiger Verteilung der Verschiebungskräfte ein solcher Unterschied in der Bewegung und damit eine Faltung dadurch erzeugt werden, daß die verschiedenen Teile der Lithosphäre bei ihrer Bewegung ungleiche Widerstände erfahren. Gerade diese letztere Erklärung erscheint von besonderer Bedeutung, denn wie die Karte zeigt, treten Faltungen mit Vorliebe am Vorderrande triftender Schollen auf, wo also zu dem überall gleichen Widerstand durch die Reibung an der Unterseite der Scholle noch ihr Stirnwiderstand hinzukommt, der nicht unbeträchtlich sein wird, weil es hier gerade die oberen, ausgekühlten und daher weniger plastischen Simaschichten zu verdrängen gilt. Das riesige Andengebirge z. B. ist – wenngleich auch ihm bereits ältere Faltungen zugrunde liegen – wesentlich tertiären Ursprungs, also gleichaltrig mit der Verschiebung der amerikanischen Schollen nach Westen. Der Schluß eines ursächlichen Zusammenhanges ist hier wohl kaum abzuweisen. Vielleicht noch klarer tritt dieselbe Erscheinung bei der Scholle Australien—Neuguinea auf: Das hohe jugendliche Gebirge auf Neuguinea liegt auf der jetzigen, die älteren Faltungen Neuseelands und Ostaustraliens auf der früheren Vorderseite der triftenden Scholle.

Auch in den Fällen, wo die Faltung an der einen Stelle durch ein Aufreißen der Lithosphäre an anderer Stelle kompensiert erscheint, ist diese Erklärung durch ungleichen Widerstand bei gleichmäßigen Verschiebungskräften anwendbar, wenn man nur die nicht unwahrscheinliche Annahme macht, daß auch die Reibung von unten an der zähflüssigen Simaunterlage örtlich verschieden ist. Insbesondere müßte dies also auch für das erste Aufreißen der Lithosphäre bei Gelegenheit der ersten Zusammenschübe der Fall gewesen sein.

Das letzte große Faltungssystem, das tertiäre, zeigt eine merkwürdige Anordnung, nämlich eine große, dem damaligen Äquator ungefähr entsprechende Faltenzone, dem der Himalaja und die Alpen angehören, und dazu noch die große meridionale Faltenzone der Anden. Die erstere entspricht einem allseitigen Hinstreben der Kontinente zum Äquator, wie sie auch durch die europäischen Breitenbestimmungen bestätigt wird. Über diese Erscheinung einer „Polflucht“ der Kontinente, die eine Hauptursache der Kontinentalverschiebungen zu sein scheint, wird in dem Kapitel über die Ursachen derselben näheres mitgeteilt werden. Es sei nur erwähnt, daß Kreichgauer diesen äquatorialen Faltungsring auch für die früheren geologischen Zeiten nachweisen zu können glaubt, namentlich für die karbonischen Faltungen, welche in einem dem damaligen Äquator entsprechenden Gürtel die Kohlenlager von Asien, Europa und Nordamerika enthalten. Das meridionale Andensystem aber läßt sich in Verbindung bringen mit der gleichfalls vorwiegend meridionalen Richtung der Spaltungen, hier insbesondere der atlantischen Spalte, die aber in der Richtung des Rheingrabens und namentlich des ostafrikanischen Spaltensystems, von dem im folgenden noch weiter die Rede sein wird, eine Parallele hat. Auch in dieser Hinsicht wird auf das Kapitel über die Ursachen der Verschiebungen verwiesen.


Fig. 9.

Die ostafrikanischen Gräben, nach Supan gepunktet: Gräben, schwarz: mit Wasser bedeckte Grabenteile.


Dagegen müssen wir den Vorgang der Spaltungen schon hier etwas näher ins Auge fassen. Das schönste Beispiel solcher Spaltungen bilden die ostafrikanischen Gräben. Sie gehören einem großen Bruchsystem an, welches sich nach Norden noch durch das Rote Meer, den Golf von Akaba und das Jordantal bis an den Rand der taurischen Faltungen verfolgen läßt (Fig. 9). Nach neueren Untersuchungen setzen sich diese Brüche auch nach Süden noch bis zum Kaplande fort, doch sind sie am schönsten in Deutsch-Ostafrika ausgebildet52. Wir lassen hier eine kurze Beschreibung im engen Anschluß an Neumayr-Uhlig folgen53.

 

Von der Sambesimündung aus zieht sich ein solcher 50 bis 80 km breiter Graben nach Norden, den Shirefluß und Njassasee enthaltend, um dann nach Nordwesten zu drehen und sich zu verlieren. Dafür beginnt dicht neben ihm und parallel zu ihm der Graben des Tanganikasees, von dessen Großartigkeit der Umstand zeugt, daß die Tiefe des Sees 1700 bis 2700 m, die Höhe des mauerförmigen Steilabfalles aber 2000 bis 2400 m, ja selbst 3000 m beträgt. In seiner nördlichen Fortsetzung enthält dieser Graben den Russisifluß, den Albert-Edward- und den Albertsee. „Die Ränder der Senkung erscheinen aufgewulstet, wie wenn hier das Bersten der Erde mit einer gewissen Aufwärtsbewegung der plötzlich freigewordenen Bruchränder verbunden gewesen wäre. Mit dieser eigentümlichen wulstigen Formung der Plateauränder hängt es wohl auch zusammen, daß unmittelbar östlich vom Abfall des Tanganika die Nilquellen entspringen, während sich der See selbst zum Kongo entleert.“ Ein dritter markanter Graben beginnt östlich des Viktoriasees, enthält weiter nördlich den Rudolfsee und biegt bei Abessinien nach Nordosten ab, wo er sich einerseits in das Rote Meer und andererseits in den Golf von Aden fortsetzt. Im Küstengebiet und im Innern von Deutsch-Ostafrika nehmen diese Brüche meist die Form von Bruchstufen an, deren Ostseite abgesunken ist54.

Von besonderem Interesse ist das in Fig. 9 ebenso wie die Grabensohle punktiert gezeichnete große Dreieck im Winkel zwischen Abessinien und der Somalihalbinsel (zwischen Ankober, Berbera und Massaua), welches von vielen für eine riesige Verbreiterung des Spaltenbodens gehalten wird. Das ganze Land besteht, wie früher erwähnt, aus jungen vulkanischen Laven. Es wurde schon gesagt, daß es vermutlich geschmolzene Sialmassen von der Unterseite des abessinischen Gebirges sind, die hier in der Spalte aufgestiegen sind, und die oberste schon erstarrt angetroffene Simadecke als Haube bis über das Meeresniveau emporgetragen haben. Schon die Betrachtung der Parallelität der Küsten nötigt wohl zu dieser Auffassung als nachträgliche Störung.

Die Entstehung dieser in Ostafrika selbst maschenförmig angeordneten Brüche ist in geologisch junge Zeiten zu setzen. An mehreren Stellen durchschneiden sie junge basaltische Laven, einmal auch pliozäne Süßwasserbildungen. Jedenfalls können sie also nicht vor Schluß der Tertiärzeit entstanden sein. Andererseits scheinen sie zur Diluvialzeit schon vorhanden gewesen zu sein, wie man aus den Strandterrassen als Marken höheren Wasserstandes bei den abflußlosen, auf der Grabensohle liegenden Seen geschlossen hat. Beim Tanganikasee deutet auch seine offenbar früher marine, dann aber dem Süßwasser angepaßte sogenannte Reliktenfauna auf längeren Bestand. Die häufigen Erdbeben und der starke Vulkanismus der Bruchzone deuten aber wohl darauf hin, daß der Trennungsprozeß jedenfalls auch heute noch im Gange ist.


Fig. 10.

Spaltung (schematisch).


Für die mechanische Deutung solcher Grabenbrüche ergibt sich nur insofern etwas Neues, als diese die Vorstufe einer völligen Trennung der beiden Schollenteile darstellen, wobei es sich um rezente, noch nicht beendete Abspaltungen oder auch um frühere Versuche einer solchen handeln kann, die infolge Erlahmens der Zugkräfte wieder zur Ruhe gekommen sind. Eine vollständige Trennung würde sich nach unseren Vorstellungen etwa in der in Fig. 10 schematisch dargestellten Weise vollziehen. Zunächst wird nur in den oberen, spröderen Schichten ein klaffender Riß entstehen, während die unteren plastischen sich ziehen. Da vertikale Steilwände von der hier in Betracht kommenden Höhe viel zu große Anforderungen an die Druckfestigkeit der Gesteine stellen würden, so bilden sich gleichzeitig mit der Spalte oder auch an Stelle von ihr schräge Rutschflächen aus, längs welchen die Randpartien der beiden Schollenteile unter zahlreichen lokalen Erdbeben in demselben Tempo in die Spalte absinken, wie diese sich öffnet, so daß immer nur ein Grabenbruch mäßiger Tiefe in Erscheinung tritt, dessen Boden aus verworfenen Schollen derselben Gesteinsserien besteht, die auch seitwärts des Grabens auf der Höhe anstehen. In diesem Stadium ist der Grabenbruch noch nicht isostatisch kompensiert, wie es denn auch nach E. Kohlschütter55 bei einem großen Teil der jungen ostafrikanischen Gräben der Fall ist. Es ist ja ein unkompensiertes Massendefizit vorhanden; daher wird eine entsprechende Schwerestörung beobachtet, und außerdem steigen beide Spaltenränder zum isostatischen Ausgleich empor, so daß der Eindruck entsteht, als gehe der Graben gerade in der Längsrichtung durch eine Aufwölbung hindurch. Schwarzwald und Vogesen beiderseits des oberrheinischen Grabenbruches sind die besten Beispiele für diesen Randwulst. Reißt endlich die Spalte ganz durch die Scholle hindurch, so steigt das Sima in ihr empor, so daß das bisherige Massendefizit ersetzt wird und der Graben sich nunmehr als Ganzes isostatisch kompensiert erweist. Den Boden des Grabens bedecken auch hier an den meisten Stellen vollständig die Bruchstücke der Spaltenränder, doch kommt natürlich bei weiterer Öffnung der Augenblick, wo auch die freie Simaoberfläche zutage tritt. Bei dem großen Graben des Roten Meeres, der nach Triulzi und Hecker bereits isostatisch kompensiert ist, dürfte die Entwickelung so weit fortgeschritten sein, daß an den tieferen Stellen bereits das Sima unbedeckt ist. Bei der weiteren Trennung der Schollen bleiben die vom Rande abgebrochenen Teile als Inseln zurück. Zu beachten ist dabei, daß diese Brocken, auch wenn sie mit ihren höchsten Teilen das Kontinentalniveau erreichen oder überschreiten, durchaus nicht dieselbe Mächtigkeit zu haben brauchen, wie die Kontinentalschollen. Sie brauchen statt dessen nur in dem eintauchenden Teil wesentlich breiter zu sein als in dem emporragenden. Es braucht eben auch hier nur die Bedingung erfüllt zu sein, daß das Verhältnis der Massen oberhalb und unterhalb des barysphärischen Niveaus das gleiche ist wie bei den großen Kontinentaltafeln. – Alle diese Vorstellungen über die Natur der Grabenbrüche stehen nicht im Widerspruche mit den landläufigen, sondern ergänzen diese nur.


Fig. 11.

Größerer Einbruch durch Dehnung der Unterlage (schematisch).


Ebenso wie sich eine einzelne Spalte mitunter in ein ausgedehntes, maschiges Netz kleinerer Spalten auflösen kann (das System der ostafrikanischen Gräben, welches im Roten Meere in eine einzige Spalte übergeht, bildet ein Beispiel dafür), so kann sich auch statt eines einzelnen Grabenbruches der Niederbruch eines ausgedehnteren Gebietes vollziehen. Das Ägäische Meer ist das beste Beispiel dafür. Hier ist ein größeres Gebiet in jüngster geologischer Zeit in einzelne Schollen zerbrochen, die zu ungleicher Tiefe abgesunken sind. Wir müssen annehmen, daß die tieferen Schichten der Lithosphäre sich gezogen haben, so daß die Verwerfungsspalten sich nach unten allmählich verlieren. Der Betrag der Dehnung kann in unserer schematischen Fig. 11 an den schrägen Verwerfungsflächen, soweit sie frei sind, abgemessen werden. In ähnlicher Weise ist offenbar noch an vielen anderen Stellen eine Landverbindung versunken, z. B. auch in der Bass-Straße zwischen Tasmanien und Australien. Man sieht aber leicht, daß das Maß dieses Absinkens seine Grenze hat, und daß eine völlige Zerreißung und Trennung der beiden Schollen eintreten muß, lange bevor die absinkenden Stücke das barysphärische Niveau erreichen. Unmittelbar vor dem Abreißen Neufundlands von Irland fand nach unseren Vorstellungen der Einbruch des Kanals, der Nordsee und der anderen heute in Schelfgebiete verwandelten früheren Landgebiete um England statt. Aber es wurden doch nur flache Schelfe, dann trat eine völlige Trennung der Schollen ein.

50Haug (Traité de Géologie 1, Les Phénomènes géologiques, p. 160, Paris 1907) formuliert es: „Les chaînes de montagne se forment sur l’emplacement des géosynclinaux“. Ich halte „Schelfe“ für richtiger als „Geosynklinalen“, da man einen Randschelf, wie z. B. den, aus welchem sich die Anden Südamerikas aufgebaut haben, wohl nicht gut als Mulde bezeichnen kann.
51Zu diesem Ergebnis kommen unter anderem auch Ampferer und Hammer (Geologischer Querschnitt durch die Ostalpen vom Allgäu zum Gardasee, Jahrb. der k. k. Geol. Reichsanstalt 61, 531-709, 1911, namentlich S. 708-709). Nach ihnen war „unter der oberflächlichen Zone der größeren Schiebungen und Faltungen ein tiefer Herd von magmatischen Bewegungen“ vorhanden, „bei welchem mächtige Teile der oberen Zone in die Tiefe gesaugt wurden“… „Denkt man sich die Decke der jüngeren Schichten wieder in ihrer ursprünglichen Art ausgeglättet, so erhält man einen wohl zwei- bis dreimal breiteren Streifen als bei der Ausglättung der jüngeren kristallinen Falten“, so daß eine „Absorption der tieferen Zonen“ anzunehmen ist. Auch E. Kayser (Lehrb. d. allgem. Geol., 5. Aufl., S. 914, Stuttgart 1918) meint, „daß, während an und in der Nähe der Erdoberfläche die rupturelle Umformung vorherrscht, mit wachsender Tiefe die plastische Umformung immer mehr die Oberhand gewinnt. Der amerikanische Geologe van Hise hat dies schon vor 25 Jahren erkannt und hat eine obere Zone der Zertrümmerung (zone of rock fracture) und eine tiefere Zone des Gesteinsfließens (zone of rock flow oder flowage) angenommen. Er legte die Grenze zwischen beiden in 10 bis 12 km Tiefe“.
52Oskar Erich Meyer, Die Brüche von Deutsch-Ostafrika. Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Paläont., Beil.-Bd. 38, 805-881, 1915.
53Neumayr-Uhlig, Erdgeschichte 1, Allgem. Geol., 2. Aufl., S. 367. Leipzig u. Wien 1897.
54Vgl. die neuen Karten des abflußlosen Rumpfschollenlandes im nordöstlichen Deutsch-Ostafrika von E. Obst.
55E. Kohlschütter, Über den Bau der Erdkruste in Deutsch-Ostafrika. Nachr. d. Kgl. Ges. d. Wiss. Göttingen, Math.-phys. Kl., 1911.