Super Western Doppelband 1 - Zwei Wildwestromane in einem Band

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6

Die Frauen und Kinder standen bei ihren Wagen. Die Männer hatten sich hinter dem großen Feuer in der Mitte der Wagenburg aufgebaut und blickten den beiden Reitern entgegen, die mit den Packpferden zwischen die Wagen kamen und auf der anderen Seite des Feuers anhielten.

Ted warf die erlegten Präriehunde auf den Boden, aber die Männer beachteten es nicht.

„Wer ist das?“, fragte Stone barsch.

„Er heißt Joe“, sagte Ted. „Die Leute hier an der Grenze nennen in Missouri-Joe. Er kennt alle Varianten der Indianersprache von hier bis zu den Rocky Mountains.“

„Die Indianer kennen hier nur eine Sprache“, knurrte Mark Wanner und schlug gegen den Revolver hinter seinem Hosenbund. „Und die kennen wir auch!“

„Manchmal gibt es auch noch eine andere Sprache, in der man sich verständigen kann“, sagt Missouri-Joe, den die feindselige Haltung der Männer nicht zu irritieren schien.

„Er will nach Fort Laramie“, sagte Ted. Er stieg aus dem Sattel und führte sein Pferd zu Stones Wagen, wo er es anband und absattelte.

„Ist er ein Halbblut?“, fragte Maria Stone.

Ted blickte über die Schulter. „Seine Mutter war die Tochter eines weißen Waldläufers und einer Pawnee. Er hat immer unter Weißen gelebt, aber er kann es mit den Indianern auch ganz gut.“

Joe kam vom Feuer zu dem Wagen herüber. Er zog seine drei Pferde hinter sich her. Ted, der dem Mann entgegenblickte, sah Petra Wanner, das blonde Mädchen mit den blaugrauen Augen, das gebannt auf Joe blickte und einen Moment lang den Eindruck erweckte, auf ihn zulaufen zu wollen.

Stones Frau wandte sich hastig ab und kletterte in den Wagen, als Missouri-Joe ankam. Joe blickte zu Wanners Wagen hinüber. Das blonde Mädchen strahlte ihn an und bekam von ihrer Mutter den Ellenbogen in die Hüfte.

„Du hast die Kartoffeln immer noch nicht geschält!“, schimpfte die Frau.

Petra Wanner kletterte in den Wagen.

„Wer ist denn die Kleine?“, fragte Joe.

„Petra Wanner. Die Tochter von dem, der auf seinem Revolver mit den Indianern reden will.“

„Aha.“ Joe blickte immer noch zu dem Wagen hinüber.

„Schlag dir die aus dem Kopf“, sagte Ted leise. „Ihr Vater sucht einen Farmer als Schwiegersohn.“

Missouri-Joe grinste ihn an. „Hat der das zu bestimmen?“

„Er glaubt es jedenfalls. Und er stammt auf jeden Fall aus einer Familie, wo die Eltern immer für ihre Kinder gedacht haben.“

Stone kam mit Albert Mertens vom Feuer herüber. Mertens war ein klotziger Mann, dessen Gesicht von einem Vollbart bedeckt wurde. Er war ungefähr fünfundvierzig.

„Sie müssen schon entschuldigen, Mister“, sagte Stone. „Wir sind gegen Fremde immer misstrauisch. Aber wenn Catto Sie kennt, ist das schon in Ordnung. Wir freuen uns, dass Sie uns ein Stück begleiten wollen. — Ich bin Alois Stone!“

Joe nickte dem Mann zu und übersah die Bewegung, als Stone ihm die Hand geben wollte.

„Und das ist Al Mertens“, sagte Stone. „Die Männer stelle ich Ihnen so nach und nach vor.“

„Haben Sie noch was von den Indianern bemerkt?“, fragte Mertens an Ted gewandt.

„Nein. Joe hat sie auch nicht gesehen.“

„Dann können wir ja beruhigt sein.“ Stone blickte auf die beiden bepackten Pferde. „Was wollen Sie denn in Fort Laramie?“

Missouri-Joe zuckte die Schultern. „Ich trinke ein paar Whisky, schlafe eine Nacht in einem Bett und reite nach Norden.“

„Zu den Sioux?“, fragte Mertens barsch.

Joe blickte den Bärtigen an. „Zu den Dakotas, richtig Mister. — Die Dakotas schätzen es nicht sehr, wenn man sie Sioux nennt. Wenn man in ihr Gebiet kommt, sollte man das wissen.“

Mertens blickte auf die Planen, die Joes Waren verhüllten. „Sie handeln mit den Indianern?“

„Ja, Mister.“ Joe grinste den Mann an. „Ich bring ihnen, was sie haben wollen. Und sie geben mir dafür, was ich brauchen kann.“

„Und was ist das?“

„Felle.“

„Es sieht aus, als hätten Sie auch Gewehre dabei!“, schimpfte Mertens.

„Ja, ein paar alte Flinten sind auch dabei“, gab Joe zu.

„Er gibt den Indianern die Gewehre, mit denen wir dann erschossen werden“, sagte Mertens zu Stone.

Joe grinste den Mann noch unverschämter an und legte die Hand auf den Kolben seines Revolvers, den er reichlich tief an der Hüfte trug.

„Die Regierung hat den Indianern auch schon Gewehre gegeben“, sagte Ted vermittelnd. „Viel mehr sogar, als Missouri-Joe in seinem ganzen Leben in die Rockys schaffen kann.“

„Die Regierung?“, zischte Mertens.

„Wissen Sie das nicht?“ Ted legte den Kopf schief. „Natürlich schreiben sie es nicht in jede Zeitung, wenn sie so was machen.“

„Irgendwo müssen die veralteten Flinten schließlich bleiben, wenn sie von den Weißen nicht mehr gebraucht werden“, sagte Joe schleppend. „Oder denken Sie, man wirft hier weg, was nicht mehr gebraucht wird? — Da wird ein Tausch gemacht.“

„Gewehre gegen Felle?“, fragte Mertens verächtlich. „Ich hab noch nie gehört, dass die Regierung solche Geschäfte macht.“

„Gewehre gegen einen Streifen Land zum Beispiel“, erwidert Ted Catto. „Das wird über die Armee abgewickelt, ist doch klar. Die Indianer schließen dann einen Vertrag, in dem steht, dass sie ein bestimmtes Gebiet abtreten. — Sie sollten Ihr Bild vom heilen Westen vielleicht mal überprüfen, Mertens. Stone weiß schon, dass da vieles nicht stimmt.“

„Das kann ich dir sagen“, brummte Stone und nickte Mertens zu. „Also, Joe, wir freuen uns, und ich möchte Sie bitten, zum Essen mein Gast zu sein.“

„Das nehme ich gern an, danke!“

„Gewehre gegen Felle und Land.“ Mertens schüttelte den Kopf, spuckte auf den Boden und wandte sich ab.

„Der scheint das nicht zu glauben“, murmelt Joe. „Na ja, das lernt er alles noch.“

7

Sie hatten die stark reduzierte Indianerhorde nicht mehr gesehen.

Tage waren vergangen; Tage an denen sie im Morgengrauen aufgebrochen waren und manchmal zwölf und dreizehn Meilen zurückgelegt hatten.

Ted Catto und Missouri-Joe ritten im Mittagsdunst langsam vor dem Treck her nach Westen in das weite Tal des Middle Loup Creek hinunter. Der Fluss war unter der glühenden Hitze zu einem nur noch zwei Yard breiten Wasserstreifen geschrumpft, der sich durch das endlos scheinende Land nach Südosten schlängelte.

Als sie den Creek erreichten, hielten sie an und stiegen von den Pferden. Sie ließen die erhitzten Tiere saufen und blickten zurück. Die starke Luftspiegelung verzerrte die Wagen, die wie Segelschiffe über das Land kamen und hinter denen ein brauner Vorhang dichten Staubes in der Luft hing.

Missouri-Joe watete ins Wasser, warf seinen Hut ans Ufer, zog die Jacke herunter und warf sie hinter dem Hut her. Er trug kein Hemd unter der Jacke, wusch sich im Fluss, kniete dann in das seichte Wasser und trank.

Ted kramte das Rasierzeug aus seiner Satteltasche, ging am Ufer in die Hocke und seifte sich das Gesicht ein.

Joe stand auf und schüttelte das Wasser von den Armen und aus seinen langen schwarzen Haaren. „Beeil dich. — Wenn die Ochsen das Wasser wittern, erkennst du sie nicht mehr wieder.“

Ted warf Joe den Spiegel zu. „Komm, halt mal!“

Joe watete durch das Wasser auf Catto zu. „Wo hast du denn das ganze Zeug her? Du musst doch ziemlich schnell aus Missouri Valley verschwunden sein?“

„Ich hab es von dem Mann, der eigentlich den Treck geführt hat und wirklich erschossen wurde.“

„Von dem hab ich auch gehört. Hinter dem waren Marshals her, nicht wahr?“

„Ja.“ Ted rückte die Hand des anderen mit dem Spiegel zurecht und kratzte die eingeseiften Bartstoppeln mit dem Messer ab. Dann wusch er sich im Fluss, packte seine Sachen zusammen und blickte auf den Treck, der sich nur wenig genähert hatte.

„Das Mädchen gefällt mir“, sagte Joe unvermittelt.

„Petra?“

„Ja.“

„Ich rate dir, vergiss sie schleunigst.“

„Aber sie gefällt mir. Und sie strahlt mich an. Hast du das noch nicht gesehen?“

„Die strahlt jeden an, der halbwegs in unserem Alter ist, Joe.“ Ted stieg auf sein Pferd, stellte sich in die Steigbügel und blickte auf die Runde.

Auf einmal brüllten die Ochsen der Siedler, die Wagen wurden schneller und der Staub wurde dichter.

Ted zog sein Pferd herum und galoppierte den Wagen entgegen. Er hielt sich links und schrie dem Mann auf dem Bock des ersten Wagens zu:

„Weiter nach Norden!“

Der nächste Wagen donnerte dicht an Ted vorbei.

„Auseinanderfahren!“, schrie Ted Catto. „Am Fluss müsst ihr alle nebeneinander sein, sonst rennen sich die Ochsen die Schädel ein.“

Staub hüllte ihn ein. Er lenkte sein scheuendes Pferd weiter nach Süden, weil er befürchten musste, in ein paar Sekunden in der Staubwand unsichtbar zu sein. Hufe stampften auf den Boden, Räder knarrten und Ochsen brüllten.

Dann tauchten die Rinder auf. Peitschen knallten und ein Mann schrie: „Haltet das Vieh zusammen!“

Ted jagte weiter nach Süden, um nicht zwischen das Vieh zu geraten. Der Staub brannte ihm in den Augen und auf den Lippen, aber vor ihm wurde die Wand durchsichtiger. Die Geräusche entfernten sich schon wieder. Ted ritt langsamer nach Westen zurück und erreichte schließlich den Fluss ein ganzes Stück vom Treck entfernt, der in der dichten Staubwand in breiter Kette im Fluss zum Stehen gekommen war. Er ritt durch den Fluss, sah auf einmal ein Pferd und hielt an. Ted sah, dass es Missouri-Joes Pferd war. In der nächsten Sekunde hörte er das helle Lachen von Petra Wanner. Er ritt weiter. Die Hufe des Pferdes patschten durch das Wasser. Vor dem Tier tauchten Joe und das Mädchen auf, die beide am Ufer kauerten und lachten, als würden sie sich köstlich amüsieren. Ted hielt an und stützte den Ellenbogen auf das Sattelhorn. Die beiden schauten ihn an. Petra sprang auf.

 

„Stellen Sie sich vor, Ted, er will mich heiraten“, sagte das Mädchen.

„Tatsächlich?“

„Ja, doch!“, rief das Mädchen.

Joe kratzte sich am Kinn und sagte: „Eigentlich könntest du mir mal dein Rasierzeug geben, Catto.“

Ted griff in die Satteltasche und warf Joe das Rasierzeug zu, das in einem Beutel steckte. Joe fing es auf und lief ein Stück den Fluss hinunter, wo ihn Staub fast vollkommen unsichtbar machte.

Das Mädchen kam lachend ins Wasser und griff nach dem Zaumzeug von Teds Pferd. „Bestimmt! Das hat er ganz im Ernst gesagt.“

„Was hat er gesagt?“

„Na ja, wenn ich Lust hätte, würd er mich heiraten.“

„Und was glauben Sie, was Ihr Vater dazu sagt?“

„Was der sagt, weiß ich doch“, erklärte das Mädchen. „Joe will mit mir in eine Stadt gehen. Er sagt, an der Bahnlinie würde es schon richtige Städte geben, wo man alles Mögliche kaufen kann. Kleider, Schuhe und so.“

„Will er Ihnen das alles kaufen?“ Teds Blick tastete die ziemlich schäbige und vollkommen verstaubte Kleidung des Mädchens ab.

„Hat er gesagt. — Bringt denn der Handel mit Fellen so viel ein?“

„Eine ganze Menge jedenfalls. Ob es genug ist, hängt davon ab, wie viel Whisky Joe dann noch trinkt, und was Sie sich alles an den Hals hängen wollen.“ Ted sprang aus dem Sattel. Das Wasser spritzte in die Höhe und traf ihn und das Mädchen. „Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Petra.“

„Haben Sie was gegen Joe?“, fragte das Mädchen schroff.

„Nein.“

„Vielleicht, weil er so etwas Ähnliches wie ein Halbblut ist, was?“

„Das ist doch Unsinn, Petra. Ich hab nichts gegen Joe, aber ich kenne ihn seit Jahren. Der hat viel Geld mit seinem Handel verdient und genauso viel wieder ausgegeben. Der müsste ...“

Ted brach ab und blickte auf das Ufer.

Petra wandte sich um.

Mark Wanner tauchte im treibenden Sturm auf und kam näher.

„Er beobachtet mich auf Schritt und Tritt!“, stieß das Mädchen hervor.

Wanner blieb stehen und rief: „Komm sofort zurück, Petra!“

Im Fluss richtete sich Joe auf, der das Gesicht voller Seifenschaum hatte.

„Auf Schritt und Tritt“, sagte das Mädchen noch einmal. „Ich brenn ihm noch durch!“

„Hörst du nicht?“, rief der Farmer grollend.

Petra lief durch das Wasser zum Ufer auf ihren Vater zu. Wanner wandte sich ab und lief in die Staubwand zurück, und das Mädchen folgte ihm. Joe winkte dem Mädchen, als Wanner an ihm vorbei war. Petra winkte verstohlen zurück.

Dann kam Missouri-Joe im Wasser auf Ted zu und warf den Spiegel durch die Luft. Ted fing ihn auf und hielt ihn, als Joe bei ihm war.

„Mach keinen Quatsch, Joe“, sagte Ted leise.

Joe kratzte die Bartstoppeln ab und grinste unbeeindruckt. „Sie haben in Missouri Valley erzählt, dass du unwahrscheinlich schnell mit dem Colt bist, Catto. Es hat mich manchmal interessiert, wie schnell das wohl ist.“

„Davon hast du auch nie was gesagt.“

„Das wäre auch töricht gewesen. Ich hatte doch nie was gegen dich. — Aber so langsam fällst du mir auf die Nerven.“

Ted wusste, dass die wenigen Worte nicht so lustig gemeint waren, wie sie sich anhörten. Trotzdem sagte er: „Sie weiß von diesem Land nur, was ihr erzählt wird.“

„Na und?“

„Du hast ihr sicher nicht erzählt, dass du sie monatelang irgendwo allein zurücklassen musst, wenn du deinen Geschäften nachgehst“, erklärte Ted. „Oder hast du vor, in Zukunft andere Geschäfte zu machen?“

Joe ließ das Messer langsam sinken. Ein Blitzen war in seinen Augen. „Weißt du nicht, dass ich für die anderen ein Halbblut bin?“, stieß er gepresst hervor. „Die lassen mich in ihren Städten keine Geschäfte machen. Die lassen mich höchstens für sich schuften! — Es ist das erste Mal, dass sich ein hübsches Mädchen für mich interessiert!“

Ted warf den Spiegel in den Sand. „Wenn du andere Geschäfte machen wolltest, würd ich ja nichts sagen, Joe. Es geht mich ja auch nichts an. Aber du wirst sie monatelang allein lassen müssen. Dazu brauchst du sie nicht zu heiraten.“ Er wandte sich ab, ging zu seinem Pferd zurück und stieg in den Sattel.

„He, dein Rasierzeug!“, rief Joe, als Ted an ihm vorbeiritt.

„Bring es mit!“ Ted ritt zu den Wagen, die immer noch im Fluss hielten. Das Wasser hatte sich indessen so braun gefärbt, dass es nicht mehr zu trinken war.

„Wir fahren weiter!“, rief Stone vom Bock seines Wagens herunter.

Ted nickte. Er blickte zu Wanners Wagen. Der Farmer saß auf dem Bock. Von seiner Frau und Petra war nichts zu sehen. Wahrscheinlich waren sie im Wagen.

„Wir fahren weiter!“, brüllte Stone und knallte mit der Peitsche.

Träge setzten sich die Ochsen in Bewegung, zogen den Planwagen durch das Wasser und unter neuerlichem Peitschenknall den flachen Uferstreifen hinauf.

Überall knallten nun die Peitschen im Fluss.

Ted ritt dem Treck voraus nach Westen. Er sah ein paar kahle Cottonwoods in der Ferne, zog den Kompass aus der Tasche und richtete ihn ein. Er musste anhalten, um die Westrichtung genau bestimmen zu können.

Missouri-Joe kam ihm nachgesprengt, donnerte vorbei und zügelte sein Pferd so scharf, dass es mit einem schrillen Wiehern auf die Hinterhand stieg. „He, was machst denn du?“, rief Joe.

„Das siehst du doch.“ Ted steckte den Kompass in die Tasche. „Wir müssen eine halbe Meile südlich an den Cottonwoods vorbei.“

Joe beruhigte sein Pferd und warf Ted den Beutel mit dem Rasierzeug zu. „Und warum das?“

„Damit wir genau nach Westen fahren“, sagte Ted. „Wenn man so langsam ist wie wir, hat man keine Meile zu verschenken.“

„Das ist ja ein Ding. — Zeigst du mir den Apparat mal?“

„Du brauchst ihn doch nicht, Joe.“ Ted verstaute den Beutel in der Satteltasche und ritt weiter.

8

Das Heulen eines einzelnen Präriewolfes hallte klagend durch die Nacht. Zwischen den Wagen schnaubten die Pferde unruhig und manchmal brüllte eines der Rinder.

Missouri-Joe kam wie ein Schatten aus dem Dunkel, blieb bei Ted, fünfzig Yard von den Wagen entfernt, stehen und sagte: „Es sind Indianer in der Nähe.“

„Bist du sicher?“

Joe zeigte mit seinem Gewehr nach Norden, von wo eben wieder das klagende Heulen des Wolfes kam. „Komm, weiter zurück!“

Sie zogen sich rückwärtsgehend zurück, die Gewehre angeschlagen und den Blick hinaus in das silbrige Licht gerichtet.

Der Wolf heulte wieder.

Sie erreichten die Wagen und blieben stehen. Stone tauchte bei ihnen mit der Sharps 52 in der Hand auf.

„Joe sagt, es sind Indianer in der Nähe“, murmelte Ted.

„Wo denn?“

„Dort, wo der Wolf heult“, sagte Joe.

Stone blickte zweifelnd auf Ted.

„Wenn er es sagt, wird es stimmen“, murmelt Catto.

„Viele Indianer?“

„Wahrscheinlich nur ein paar, die uns beobachten“, sagte Joe.

„Und warum beobachten sie uns?“, stieß Stone hervor.

„Warum wohl? Sie werden uns irgendwann angreifen oder sie wollen etwas haben. Eine Art Wegzoll. Das weiß man vorher nie.“

„Und wann werden sie kommen?“

„Irgendwann.“ Joe grinste den Siedler an. „In zwei, drei, vier oder fünf Tagen. Schwer zu sagen.“

„Wovon hängt das ab?“

„Vielleicht sind sie nicht genug und müssen sich erst um Verstärkung kümmern“, erwiderte Joe. „Es ist besser, sie sagen den anderen noch nichts davon. — Die können sich noch früh genug aufregen.“

„Ja.“ Stone ließ sein Gewehr sinken. Nach einer Weile kam ein anderer Mann um den Wagen herum.

In der Ferne war das Wolfsgeheul wieder zu hören.

„Ist was, Alois?“, fragte der Mann. „Nein, es ist nichts.“

„Der verdammte Wolf macht das Vieh verrückt“, knurrte der Mann. „Und die Kinder auch. Kann man den nicht abschießen?“

„Der flieht, wenn wir uns nähern“, entgegnete Stone.

Der Mann blickte noch ein paar Sekunden nach Westen, dann wandte er sich ab und verschwand.

„Wer den Wolf jagt, verliert seinen Skalp“, murmelte Missouri-Joe.

9

Ted zügelte sein Pferd, als Joe mit einem Satz aus dem Sattel sprang und in die Hocke ging. Joes Schatten wurde vom grellen Sonnenlicht auf den Boden geworfen, genau auf den Hufabdruck eines Pferdes, der sich in den Sand geprägt hatte.

Ted blickte nach Süden. Die Wagen bewegten sich ungefähr dreihundert Yard von ihnen entfernt langsam nach Westen, und das Vieh wurde dem Treck nachgetrieben.

Joe richtete sich auf und folgte der Spur. Ted nahm sein Pferd mit. Als Missouri-Joe stehen blieb, sagte er: „Es waren vier.“

Ein Stück weiter bog die Spur nach Norden ab. In der Ferne erhoben sich flache Hügel und Buschwerke bedeckten die Prärie stellenweise. Zu sehen, war nichts.

„Du meinst, sie beobachten uns nur?“

„Im Augenblick ja, vielleicht liegen sie in den Büschen. Oder auf dem Hügel. Oder irgendwo im Gras, wo man sie nicht sieht.“ Joe wandte sich um. „Oder sie springen plötzlich neben dir auf und spalten dir mit der Axt den Schädel.“

„Na, na, jetzt willst du mir wohl Angst machen, Joe! So dicht steht doch das Gras hier gar nicht!“

Missouri-Joe grinste und stieg auf sein Pferd. Er zog das Gewehr aus dem Sattelschuh und schaute ebenfalls nach Norden.

„Was sind es für Indianer?“

„Wahrscheinlich Cheyennes. — Spielt das für dich ’ne Rolle?“

„Nein. Ich wollte es nur wissen, Joe.“ Ted zog sein Pferd herum und ritt auf den Treck zu, hinter dem eine Staubfahne in der Luft hing und meilenweit sichtbar den Weg markierte, den die Wagen nahmen.

Als sie die Wagen fast erreicht hatten, kam ihnen Alois Stone entgegen. Der Siedler zügelte das Pferd vor ihnen und blickte Ted an.

„Joe hat die Spuren gefunden“, sagte Catto. „Sie sind wieder nach Norden. — Vier.“

„Könnt ihr nicht feststellen, ob im Norden noch mehr Indianer sind?“

Missouri-Joe tippte sich an die Stirn. „Verrückt müssten wir sein, wenn wir das versuchten.“

Der Siedler fluchte leise. „Und ich hatte gedacht, wir würden unbemerkt durchkommen.“

„Unbemerkt kommt man mit so vielen Wagen nie durch“, erwiderte Joe. „Die Frage ist nur, ob man auf viele oder wenige Indianer stößt, und ob die Indianer Interesse daran haben, einen Treck anzuhalten. Jetzt, mit der Eisenbahn, haben sie Interesse daran. Sie sind überhaupt klüger geworden. — Ich meine, klüger, was ihr Verhältnis zu weißen Männern angeht.“ Joe schnalzte mit der Zunge und ritt an dem Siedler vorbei.

Ted und Stone folgten ihm. Der Siedler sagte: „Vielleicht wäre es doch besser, die anderen erfahren es. — Wenigstens die Männer.“

„Wenn es die Männer erfahren, wissen es die Frauen auch.“ Ted zuckte die Schultern. „Aber was Sie den anderen sagen, müssen Sie selbst wissen.“

Der Siedler fluchte wieder. Von den Wagen kamen die beiden Schäferhunde kläffend über das Land gejagt. Ted, der wieder nach Norden blickte, zügelte jäh sein Pferd.

„Joe!“, rief Catto.

Missouri-Joe und der Siedler hielten an und blickten nach Norden, als wüssten sie schon, was ihnen droht.

Auf einem fernen Hügel hielten ein paar Reiter, sechs oder sieben. Aber es kamen weitere dazu, bis ein Pulk von mindestens drei Dutzend den Hügel bevölkerte.

„Das geht schneller, als ich dachte“, sagte Joe.

„Los, Stone, lassen Sie die Wagen zusammenfahren!“, rief Ted.

Der Siedler trieb sein Pferd an und donnerte auf die Wagen zu. Die beiden Schäferhunde jagten kläffend hinterher.

Ted ritt langsam weiter, bis er Joe erreicht hatte.

Stone schoss aus seinem Gewehr in die Luft und schrie den Wagen etwas entgegen. Dann knallten Peitschen und die Wagen fuhren in einem großen Kreis zusammen.

Noch immer verharrte der Reiterpulk auf dem Hügel.

„Die beobachten uns vielleicht nur“, vermutete Ted.

„Nein. Sie kommen.“

In der nächsten Minute setzten sich die Reiter in Bewegung und kamen von der fernen Hügelkuppe herunter. Staub wurde in die Luft geschleudert.

 

„Und sie kommen sogar ziemlich schnell“, sagte Joe.

Sie jagten auf die zusammenfahrenden Wagen zu, zwischen die schon das Vieh getrieben wurde.

„Macht schneller!“, schrie Ted, als sie die Wagen erreichten. „Die sind in zwanzig Minuten hier!“

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