Star Force - Rebellen des Mars

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Und dann mußte er eine Website anwählen.

Eine ganz bestimmte...

*

"Sir, jemand hat unautorisiert Verbindung zur Erde aufgenommen", meldete Celine Durant. "Jemand an Bord der ARMSTRONG, um präzise zu sein."

Commander Gonzalez wirbelte herum.

"Was soll das denn heißen?" fuhr er auf.

"Genua das, was ich sagte, Sir. Genaue Daten fehlen noch. Die Anzeige baut sich gerade erst auf."

Einige Sekunden lang sagte niemand in der Kommandozentrale der AMSTRONG ein Wort.

Jeff Larson erinnerte sich noch gut daran, wie die Order ausgegeben worden war, während dieser Mission keinerlei Kontakt nach Hause aufzunehmen, es sei denn über die offiziell dafür bestimmten Kanäle. Das war der Nachteil, wenn man einer Mission teilnahm, die unter dem Schirm strengster Geheimhaltung stand.

"Jemand hat eine Verbindung zum irdischen Internet aufgebaut!" stellte Celine Durant jetzt fest. "Daran kann überhaupt keinZweifel bestehen."

Sergeant Jesper van Gooren, der im Augenblick den Pilotensitz innehatte, konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Als ob wir nicht genug Ballerspiele in unserem Datenspeicher hätten!" meinte er. "Aber vielleicht hatte es der Betreffende ja auf ganz andere Dinge abgesehen." Jesper van Gooren kicherte.

Gonzalez teilte offenbar den Humor seines Piloten nicht. Er ließ dessen Bemerkung jedoch unkommentiert und wandte sich stattdessen an Celine Durant, die Funkerin und Navigatorin der ARMSTRONG.

"Verbinden Sie mich mit dem Truppendeck. Sofort!"

"Ja, Sir."

"Geben Sie mir Lieutenant Sheringham."

"Aye, aye."

"Und am besten heute noch."

Sein Tonfall war selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich barsch. Er balle unwillkürlich die Hände zu Fäusten. "Diese verfluchten Narren!" knurrte er. "Glauben die vielleicht, dass derartige HP-Orders nur so zum Spaß ergehen!"

HP-Order! durchzuckte es Larson. Wie ein greller Blitz schoß die Erkenntnis durch sein Bewußtsein. HP – das war die Abkürzung für HIGH PRIORITY. Ein Begriff, der im Geheimdienst-Jargon üblich ist! überlegte Larson. Aber es war keine HP-Order, sondern nur eine ganz alltägliche Dienstanordnung! Der Gedanke ließ Larson nicht mehr los. Verdammt, mit Gonzalez stimmt irgend etwas nicht. Warum reagiert er so überreizt?

Vielleicht wußte er Dinge, die der Mannschaft bisher nicht mitgeteilt worden war, ging es dem Sergeant durch den Kopf. Es war doch immer dasselbe.

Gonzalez starrte auf einen kleineren Monitor. Ein Gesicht erschien darauf.

"Lieutenant Sheringham meldet sich in der Kommandozentale", sagte der Mann in einem etwas steifen Ton.

Er wirkte irritiert.

"Einer Ihrer Leute verstößt gegen das Kontaktaufnahmeverbot!"

"Das glaube ich kaum, ich habe die Leute eingehend instruiert!"

"Unsere Anzeigen irren sich nicht." Gonzalez wandte sich an Durant. "Können Sie den Herd identifizieren?"

"Es ist das Truppendeck..."

"Geht es exakter?"

"Einen Moment, Commander... Der Fun Sektor!"

Gonzalez drehte den Kopf wieder zu dem hochrot gewordenen Sheringham herum. "Sie haben es gehört, Lieutenant."

"Aye, aye, Sir!"

"Ergreifen Sie umgehend Gegenmaßnahmen!"

"In Ordnung!"

Sheringhams Gesicht verschwand.

"Manchmal glaube ich, daß ich es hier nur mit Idioten zu tun habe!" knurrte Ramiurez.

Larson und Durant wechselten einen Blick. Dieser Blick sprach eine deutliche Sprache. Es erschien zweifelhaft, ob der Commander der nervlichen Belastung gewachsen war, die diese Mission mit sich brachte.

*

Paul Erixon schrie aus Leibeskräften. Er wandt sich, versuchte nach den Männern zu schlagen und zu treten, die in die Mitte genommen hatten. Jemanden unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit festzuhalten war extrem schwierig.

Die Datenbrille schwebte im Raum umher. Erixon versuchte nach ihr zu greifen, als er endlich einen Arm freibekam.

"Schnell!" rief einer der Star Force-Angehörigen, die den Tobenden festhielten. "Verdammt, wir können ihn nicht mehr lange halten!"

Das Gesicht Paul Erixons war zu einer grimassenhaften Maske geworden. Die Augen schienen aus ihren Höhlen hervorzuquellen. Die Pupillen waren erweitert, fast wie bei jemandem, der unter Drogen stand. Eine schreckliche Veränderung war mit Erixon vor sich gegangen. Niemand im Fun-Sektor der Truppenquartiere konnte sich das erklären. Rudy Talbot umklammerte ihn von hinten. Für einige Augenblicke wurde Erixon etwas ruhiger.

Dann endlich traf Bordarzt Dr. Sorin ein.

Er setzte Erixont eine Injektion.

Augenblicke später sackte Erixon schlaff in sich zusammen. Er schwebte in der Schwerelosigkeit.

Dr. Sorin atmete tief durch. Rhyss Sorin war ein vollkommen kahlköpfiger Mann, dessen dunkle Augenbrauen dazu in einem eigenartigen Kontrast standen. Sorin zog diese Augenbrauen jetzt zu einer Art Schlangenlinie zusammen während er die Stirn runzelte.

"Was ist los mit ihm?" fragte er.

Talbot sah ihn irritiert an, die anderen schienen ähnlich verwirrt.

"Ich dachte, Sie sind hier der Doc", meinte einer von ihnen.

Und Talbot ergänzte: "Er war schon komisch, als er hier hereinkam..."

"Vielleicht wird der Stress für einige von euch langsam zu groß", vermutete Sorin. Er wandte sich dem Bewußtlosen zu, hob dessen Augenlider etwas an. "Eigenartig...", murmelte der Arzt. Ein skeptischer Zug zeigte sich in seinem ernst wirkenden Gesicht.

Unterdessen hatte Talbot die Datenbrille aufgenommen und sich auf den Kopf gesetzt.

"Komisch!" meinte er. "Wieso ist ihm die Website von ElectronicWorld so wichtig, daß er deswegen einen derartigen Anfall bekommt. Dobblor hat er deswegen ja mehr oder weniger die Brille weggerissen!"

"Gute Frage", meinte der Doc.

"Mir scheint, er ist einfach durchgedreht. Oder wie würden Sie das sehen, Doc?"

"Niemand dreht einfach nur so durch", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu seinem Gesprächspartner. "Niemand..." Er brach ab. War das nur ein Lehrsatz?

Sorin sah sich die Website genauer an.

Was ist so besonderes daran? dachte er. Aber es war eine Tatsache, daß Paul Erixon den Verstand verloren hatte, nachdem er sich diese Site angesehen hatte. Ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen, versuchte der Arzt sich zu beruhigen. So wie unsere Vorfahren vielleicht einen Knochen in die Luft warfen und daraufhin Regen einsetzte, so daß sie von jenem Zeitpunkt an glaubten, Knochen in die Höhe zu werfen wäre ein geeignetes Ritual um die Regengötter günstig zu stimmen. Magisches denken. Jemand wie du, sollte darüber hinaus sein und sich nich ins Boxhorn jagen lassen...

Eine Sekunde noch.

Dann verschwand die Website von ElectronicWorld, einem der Lieferanten für Unterhaltungselektronik, von der Projektionsfläche der Datenbrille. Offenbar war die Verbindung jetzt von der Kommandozentrale aus unterbrochen worden.

*

***

John Darran und seine engsten Vertrauten befanden sich in der Kommandozentrale der EXPLORER II. Die Lage hatte sich auf dramatische Weise zugespitzt. Zuerst das Ultimatum, das vom Star Ship ARMSTRONG abgesandt worden war.

Und nun Augenblicke später die Funksignale, die jemand aus der Marsstation im Lowell-Krater abgesandt hatte.

"Unter den Leuten, die wir zur Station geschickt haben, ist ein Verräter", erklärte Major Net Rovan ziemlich ungehalten. "Darüber kann es jetzt keinerlei Zweifel mehr geben."

Darran hob die Augenbrauen und sah Net Rovan an. "Es ist immer eine Sache des Standpunktes, wer der Verräter ist", stellte er fest. "Vielleicht sind wir für ihn die Verräter."

"Um ehrlich zu sein: Das ist mir im Moment ziemlich gleichgültig, Commander! Dieser Funkkontakt könnte eine Gefahr für uns alle bedeuten und dann endet unsere selbstgesetzte Mission schon kurz nachdem sie begonnen hat!"

Ein Ruck ging durch Darran.

"Gibt es eine Funkverbindung zur Gamma-Station?" fragte Darran. Sein Blick wandte sich an Lieutenant Marc Johannsen, den Funker.

"Fehlanzeige", meldete Johannsen nach einem kurzen Blick auf die Anzeigen. "Wir haben keine Verbindung zur Station..."

"Eine Störung?"

"Möglich... Ich habe keine Ahnung, Commander!"

Darrans Augen wurden schmal.

"Verdammt, was ist da nur los..."

Insgesamt waren sechs Mann mit einem der gepanzerten Fahrzeuge, die sie mit der OBSERVER I hier her gebracht hatten, zur Marsstation gefahren. Der Ranghöchste von ihnen war Lieutenant James O'Donnell. Die Aufgaben der Gruppe wearen fest umrissen.Das Computergenie und seine Leute sollte feststellen, in wie weit die Computeranlagen der Station noch verwendbar waren beziehungsweise welche Möglichkeiten bestanden, sie auf den Standard der Fremden zu bringen. O'Donnell hatte ja ebenfalls eine Induktiv-Schulung hinter sich und wußte genauestens über die Computertechnologie der Fremden bescheid. So, als ob er damit aufgewachsen wäre.

Marc Johannsen runzelte die Stirn, während er auf seine Anzeigen blickte.

"Da ist irgendein Störfeld, Sir..."

"Versuchen Sie, trotzdem durchzukommen."

"Aye, aye, Sir."

Net Rovan wandte sich an Darran.

"Was machen wir mit diesem verdammten Ultimatum?"

"Wir werden es über Interkom an alle unsere Leute weitergeben."

Das klang wie eine glasklare Entscheindung. Nichts, worüber John zu diskutieren beabsichtigte.

"Hast du dir überlegt, welche Auswirkungen das haben könnte, John? Wenn wir wirklich Verräter in unseren Reihen haben, dann werden sie Zulauf bekommen!"

 

"Und was schlägst du vor? Es geheim zu halten?"

"Nun.."

"Das kommt nicht in Frage, Net! Die Männer würden sich dann betrogen fühlen. Und in den kommenden Auseinandersetzungen müssen wir uns auf sie verlassen." Er drehte sich herum und sagte dann mit Blick auf Marc Johannsen: "Ohne innere Zweifel ist wohl kaum einer von uns!"

In Marc Johannsens Gesicht zuckte ein Muskel, knapp unterhalb des linken Auges.

Sein Mund öffnete sich leicht, aber er erwiderte nichts.

"Und wie reagieren wir auf das Ultimatum?" fragte Rollins.

"Wir fordern sie auf, sich uns anzuschließen", sagte Darran. "Jeder von Ihnen weiß, daß wir viel zu wenige sind! Zu wenige, um gleichzeitig Port Mars aufbauen und zwei Raumschiffe bemannen zu können!"

"Na, bei dieser Werbeaktion wünsche ich Ihnen viel Glück", meinte Johannsen leicht sarkastisch.

John Darran blieb gelassen.

"Würde es Ihnen besser gefallen, auf unsere eigenen Leute zu schießen?"

"Nein, natürlich nicht, Sir."

*

"He, was machen Sie da, Sergeant?"

Sergeant Case Lester wirbelte herum.

Bress Nolan, einer der Männer, mit denen Lester zur Marstation am Lowell-Krater gelangt war, stand in der Tür. Nolans Augen verengten sich.

Lester blickte zur Seite. Er hatte die Datenübertragung gerade noch rechtzeitig unterbrochen. Aber Bress Nolan schien dennoch etwas bemerkt zu haben.

Er näherte sich.

"Was machen Sie da? Mit wem haben Sie Daten ausgetauscht..." Bress Nolan wollte sein Interkom aktivieren, um den anderen Bescheid zu sagen.

Er hat erkannt, was hier vor sich geht! durchzuckte es Case Lester. Verdammt, er hat es sofort erfaßt!

Lester handelte blitzschnell, fast reflexartig.

Er griff nach der Waffe, die er bei sich trug. Es handelte sich um einen der stabförmigengen Energiestrahler, die die Roboterbesatzung des fremden Raumer benutzt hatten.

Alles was dann geschah, erschien Lester wie ein Film.

Ein Film, an dem er gar nicht beteiligt war.

Es geschah wie automatisch.

Er drückte ab.

Der Energiestrahler entfaltete seine verheerende Wirkung.

Bress Nolan riß entsetzt die Augen auf, als der Strahl ihn in Höhe des Brustkorbs traf.

Innerhalb eines Sekundenbruchteils war Nolan tot.

Der Energiestrahl verbrannte ihn, löste seine Struktur auf und ließ ihn als Aschestaub zu Boden rieseln. Durch die geringere Schwerkraft des Mars geschah dies mit einer gewissen Verzögerung.

Mein Gott, was hast du getan! durchzuckte es Lester. Er hatte einen seiner eigenen Leute umgebracht. Du hattest keine andere Wahl! meldete sich eine Stimme ihn ihm, die versuchte, ihn zu beruhigen. Was hättest du sonst tun sollen? Er wollte das Interkom betätigen...

Case Lester schluckte, blickte einen Augenblick lang auf die sich zu einem Haufen niedersenkenden Partikel.

Ich hoffe nur, daß es das auch wert war! dachte er.

Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er eine Bewegung.

Er wirbelte herum...

...und erstarrte.

Case Lester blickte in ein grimmig verzogenes Gesicht. Die blonden Haare waren etwas zu lang. Die blau-grünen Augen flackerten unruhig.

Es war niemand anderes als Lieutenant James O'Donnell, der vor Lester stand. Mit einem stabförmigen Energiestrahler in der Hand.

"Legen Sie Ihre Waffe auf den Boden, Sergeant!" zischte O'Donnell. Der Computerspezialist war sonst eher ruhig und zurückhaltend. In diesem Augenblick aber hatte er sichtlich Mühe, die Beherrschung zu behalten.

Er hat mitgekriegt, was passiert ist! wurde es Case Lester klar. Er muß gesehen haben, wie Bress Nolan zu Staub zerfiel... Verdammt!

In Case Lesters Hirn rasten die Gedanken.

Er erwog seine Chancen, sein Gegenüber auszuschalten.

Eine blitzschnelle Bewegung, den Energiestrahler herumreißen und dann...

Aber O'Donnell war auf jeden Fall um einen Sekundenbruchteil schneller.

Keine Chance, dachte Lester. Also sei vernünftig und gib auf...

Vorsichtig beugte sich Lester also nieder, kniete hin und legte den Energiestrahler auf den Kunststoffboden. Dann stand er wieder auf, hob die Hände dabei.

"Warum haben Sie Nolan umgebracht, Sergeant?"

"Er hat mit keine andere Wahl gelassen", verteidigte sich Lester.

O'Donnell machte ein paar Schritte nach vorn, betrachtete kurz die Konsolen und die Anzeigen auf den Computerschirmen.

"Sie haben dafür gesorgt, daß uns von außen kein Funkspruch vom Kugelraumer erreichen kann", stellte er fest.

"Und Sie folgen John Darran wie ein Lemming. Sehen Sie den Abgrund nicht, O'Donnell? Ich dachte, man sagt über Sie, daß Ihr Hirn aus Chips bestehen würde..."

"Lassen wir den Mist."

"...dann müßten Sie doch in der Lage sein logisch zu denken! Um ehrlich zu sein, es wundert mich, wie ein so intelligenter Mann John Darran auf den Leim gehen kann!"

O'Donnells Stirn zog sich in Falten, als er die Anzeigen sah. Seine freie linke Hand glitt mit geradezu traumhafter Sicherheit über eine Tastatur. Weitere Anzeigen und Menuefelder flackerten auf.

"Sie haben eine Nachricht an die ARMSTRONG geschickt - eines jener Star Ships, die uns die Regierung auf den Hals gehetzt hat!"

"Was dachten Sie denn?"

"Dann wissen die jetzt bescheid."

"Genau das war der Sinn!"

"Sie müssen wahnsinnig sein, Lester!"

"Nein, keineswegs! Sie sind es, der schief gewickelt ist! Mit John Darran wird es bald zu Ende sein! Die Star Ships werden landen und dann wird mit Darran und seinen Leuten aufgeräumt. Und vor dem Militärgericht der Star Force wird man Ihnen dann - wie jedem anderen hier auf dem Mars - die Frage stellen, auf welcher Seite Sie eigentlich waren!"

O'Donnells Gesicht blieb eisig.

"Sie haben einen unserer Leute umgebracht. Dafür werden Sie sich verantworten müssen, Lester."

Dann begann er die anderen über Funk zu verständigen.

Lester nutzte diesen Augenblick der Unaufmerksamkeit.

Sein Fuß schnellte vor, traf haargenau die Hand, in der O'Donnell den Energiestrahler hielt.

Die Waffe flog im hohen Bogen durch den Raum, prallte mit solcher Wucht gegen die Wand, daß dort ein Abdruck blieb und fiel zu Boden.

O'Donnell wich zurück, wirbelte herum.

Gerade noch rechtzeitig um dem zweiten Karatetritt seines Gegenübers auszuweichen, der ihn sonst mit voller Wucht am Kopf getroffen hätte.

Lester bückte sich, wollte seinen eigenen Energiestrahler wieder an sich nehmen, der vor ihm im Staub lag - jenem Staub, zu dem Bress Nolan geworden war.

Lester war schnell.

O'Donnell wollte sich auf ihn stürzen, aber er reagierte um den Bruchteil einer Sekunde zu spät.

Lester riß die Waffe empor, richtete sie auf O'Donnell. Seine Augen flackerten unruhig. Sein Gesicht war eine zuckende Maske.

"Verdammt, was machen Sie, da, Lester?" rief der Computerspezialist.

Der Lieutenant erstarrte mitten in der Bewegung.

"Tut mir leid, Sir, aber ich habe keine andere Wahl!"

"Sie wollen mich umbringen! Mein Gott, was ist los mit Ihnen?"

Reden! dachte O'Donnell. Nur reden! Es war seine einzige Chance, aus dieser Situation vielleicht doch noch mit heiler Haut herauszukommen. Jede physische Gegenwehr allerdings war von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Lester brauchte nur einen Sekundenbruchteil, um sein Gegenüber zu töten. Eine Zeitspanne, die O'Donnell nicht den Hauch einer Chance ließ. O'Donnell spürte den Puls bis zum Hals schlagen. Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Was war nur in diesen Kerl gefahren, der ihm bis dahin wie ein ganz gewöhnlicher Star Force-Angehöriger erschienen war. Durch nichts hatte er verraten, daß er vielleicht doch nicht mit dem einverstanden war, was John Darran vorhatte.

Jetzt kratze den letzten Rest an Amateurpsychologie zusammen, den du in den entsprechenden Star Force-Lehrgängen so aufgeschnappt hast! dachte O'Donnell. Er hatte gerade auf dieses Gebiet nie besonderen Wert gelegt. Rechner, Maschinen, Dinge, die logisch funktionierten standen ihm einfach näher als die chaotischen Seelen seiner Mitmenschen. Aber jetzt hing sein Leben davon ab, daß er sich genau auf diesem Gebiet bewährte...

"Wie soll es weitergehen, nachdem Sie mich umgebracht haben?" fragte O'Donnell.

Seine Stimme klang erstaunlich ruhig.

Er selbst wunderte sich am meisten darüber.

"Du willst mich nur einwickeln!" erkannte Lester.

"Man kann über alles reden...."

"Ein toller Spruch, O'Donnell! Hat Ihnen den John Darran beigebracht?" Sein Lachen war heiser, es klang zynisch.

"Haben Sie Familie, Lester?"

"Ich wüßte nicht, was Sie das angeht."

"Was Sie aufzuhalten versuchen, ist nicht aufzuhalten!"

"Das werden wir ja sehen."

"Von dem Tag an, als wir hier auf dem Mars landeten und das Raumschiff der Roboter fanden, ist nichts mehr, wie es vorher war."

"Sparen Sie sich das Gequatsche!"

Lesters Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.

Er hob die stabförmige Waffe, der man ansah, daß sie nicht für menschliche Hände gefertigt worden war, ein paar Grad an.

Eigentlich soll man in derartigen Momenten doch sein Leben wie einen Film an sich vorüberziehen sehen, dachte O'Donnell. aber der Computerspezialist sah gar nichts. Nichts außer dem verzerrten Gesicht seines Gegenübers. Das war's wohl! dachte er. Verdammt... Ein Kloß steckte ihm im Hals. Er wollte noch etwas sagen, die letzte Chance nutzen, reden, um dem Tod zu entgehen oder ihn zumindest durch eine geschickte Bemerkung etwas herauszuzögern. Aber er brachte keinen einzigen Ton heraus.

"Fahr zur Hölle!" knurrte Lester.

Eine Sekunde später drückte Lester auf den kleinen Knopf in der Vertiefung an der stabförmigen Waffe.

Ein Energiestrahl zischte hervor.

Grell wie ein Kometenschweif.

Beinahe schön. Und ganz gewiß tödlich.

*

General Jay Sindraman stand vor einer der transparenten Wände, die es auf X-Point, jener viertausend Meter unter dem Meeresspiegel gelegenen Unterwasserstation gab, die so etwas wie ein geheimes Machtzentrum der PAZIV darstellte.

Kein Sonnenstrahl drang so tief.

Eine Welt der Dunkelheit umgab X-Point. Das Licht, das von der Station ausging reichte nicht weit, war kaum mehr als eine flackernde Kerze in der Nacht.

Hin und wieder konnten die Bewohner von X-Point einen Blick auf die eigenartige Fauna und Flora dieser Dunkelwelt erhaschen.

Riesenhafte, bis zu zwanzig Meter lange Tintenfische gab es hier. Manchmal saugten sich eines dieser unheimlichen Geschöpfe, die sicher so mancher Erzählung über grausame Seeungeheuer als Vorbild gedient hatten, an den transparenten Wänden fest. Auf ihrer Seite waren die Wände nicht durchsichtig.

Es hat Zeiten gegeben, da hätte jeder Unterwasserforscher seinen rechten Arm für diesen Ausblick gegeben, dachte Jay Sindraman.

Eine Umgebung, so fremdartig wie ein ferner Planet. Extremer Druck, niedrige Temperaturen und die fast völlige Lichtlosigkeit ergaben eine Mischung, die diese Umgebung noch fremdartiger erscheinen ließ, als die Oberfläche des Mars, deren rote Staub- und Felslandschaften ähnlich trockenen Gebieten in der Sahara oder Wüste Gobi zu ähneln schien.

Das Interkom an General Sindramans Handgelenk meldete sich mit einen Piepton.

Dieser Piepton sorgte gleichzeitig dafür, daß die Gedanken des Generals sich wieder dem zuwandten, was sich Tausende von Metern weiter oben, über der Wasseroberfläche abspielte.

"Ja?" meldete sich Sindraman.

"Die OPERATION CHAOS soll ausgelöst werden. Die oberste Führung hält das für die einzig adäquate Reaktion auf die neuesten Entwicklungen."

"Danke."

Die Verbindung wurde unterbrochen.

Alles, was jetzt geschieht gleicht einer Lawine in den Bergen, ging es Jay Sindraman durch den Kopf. Es war unmöglich, die Entwicklung jetzt noch kontrollieren zu wollen. Was, so fragte sich Sindraman, werden wir tun, wenn die Außerirdischen zurückkehren?

Sindraman gab sich selbst die Antwort.

Sie lag auf der Hand und war von erschreckender Schlichtheit.

Wir werden völlig machtlos sein, überlegte er. Spielball von Mächten, die dem Menschen so weit überlegen sind wie die Hindu-Götter.

 

Die Beobachtungsstationen mit Satellitenteleskope der PAZIV würden in nächster Zeit die Grenzen des Sonnensystems mit besonderer Aufmerksamkeit im Auge behalten.

Aber es wird uns im Endeffekt nicht weiterhelfen, die Gefahr zu SEHEN, dachte Sindraman. Aber so weit scheint auf den höheren Ebenen der Politik kaum jemand zu denken...

Ein anderer Gedanke ging ihm durch den Kopf: Sollte man in deinem Alter nicht etwas gelassener sein? Zumal, wenn man einer Religion angehört, die von der Unsterblichkeit der Seele und einer Wiedergeburt ausgeht...

Operation CHAOS wird ausgelöst, murmelte der alte General vor sich hin.

Obwohl er selbst zu den Architekten des CHAOS-Programms gehörte, empfand er nicht den Hauch von Genugtuung darüber. Sein Enthusiasmus war auf ein Minimum geschrumpft. Er fürchtete einfach, daß die Auseinandersetzung, die er jetzt begann, im Grunde eine bedeutungslose Sache war, wenn man an eine Rückkehr der Aliens dachte.

*

"Wir empfangen Signale von der Marsoberfläche", meldete Jeff Larson. "Sie sind unverschlüsselt!"

"Lassen Sie die Übertragung abspielen!" forderte Pat Gonzalez, Commander des Star Ships ARMSTRONG.

Jeff Larsons Finger glitten über eine Tastatur. Die Augen aller Anwesenden waren auf einen der Bildschirme gerichtet.

Eine Antwort auf das Ultimatum! dachte Larson. Diese Antwort kam verdammt schnell...

Larson fragte sich, ob das ein gutes oder eher bedenkliches Zeichen war.

Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht eines etwa fünfundreißigjährigen Mannes.

Die Embleme an seiner Kombination wiesen ihn als Star Force Commander aus.

Das mittelange, braune Haar trug er zurückgekämmt. Die ebenfalls braunen Augen strahlten Ruhe und Gelassenheit aus. Am Kinn befand sich ein Grübchen.

Das ist er also! durchzuckte es Larson.

John Darran!

Larson war Darran nie persönlich begegnet.

Darran sprach mit ruhiger, überlegt wirkender Stimme. Er entwickelte mit logisch klingenden Argumenten seine Gedanken, sprach von einer möglichen Rückkehr jener Fremden, die den Kugelraumer zum Absturz gebracht hatten und der Induktiv-Schulung, die er und seine Leute durchlaufen hatten.

Dann rief er die Besatzungen der vier Star Ships, die sich im Orbit um den Mars befanden, dazu auf, sich ihm anzuschließen.

"Wir brauchen jeden von Ihnen", sagte Darran. "Der Aufbau von Port Mars und die Instandsetzung des zweiten Beiboots erfordert Spezialisten, wie es sie nur unter den Angehörigen der Star Force gibt! Jeder, der sich uns nicht anschließen will, mag zur Erde zurückkehren. Aber alle anderen laden wir ein, am Aufbau von Port Mars mitzuwirken. Es bleibt uns nicht viel Zeit. Die Fremden werden früher oder später zurückkehren und spätestens dann, ist all das, was es an Rivalität zwischen den Machtblöcken auf der Erde gibt, vollkommen bedeutungslos geworden..."

Larson hörte Darrans Worten fasziniert zu.

Was der Commander der OBSERVER I-Mission gesagt hatte, klang vernünftig.

Als Darrans Gesicht vom Bildschirm verschwand herrschte einige Augenblicke lang Stille.

Schließlich brach Lieutenant Ray Pestor das Schweigen. Pestor hatte im Moment die Funktion des Piloten an Bord der ARMSTRONG inne. "Der Mann hat Mut", meinte er. "Das muß man ihm lassen."

"Für mich sieht das nach einer Art Kamikaze-Taktik aus!" meinte Commander Gonzalez. Er wandte sich an Larson. "Überspielen Sie das zur Erde."

"Aye, aye, Sir!"

"Bin wirklich gespannt, was man dort zu dieser Antwort auf unser Ultimatum sagt!"

"Wir haben gesehen, zu welchen Flugleistungen dieses Beiboot fähig war", meldete sich jetzt Jeff Larson zu Wort. "Wahrscheinlich sind sie uns auch waffentechnisch überlegen... Möglicherweise ist unser Ultimatum überhaupt keine Drohung für Darran und seine Leute..."

Commander Gonzalez bedachte Larson mit einem nachenklichen Blick.

Dann sagte er: "Was ist los mit Ihnen, Larson? Sie sind doch sonst nicht so ein Angsthase!"

"Ich analysiere nur unsere Lage!"

"Das überlassen Sie mal getrost denen auf der Erde."

Gonzalez' Erwiderung klang ungewöhnlich hart und abweisend.

Larson lag eine Entgegnung auf der Zunge, doch entschied er sich schließlich dazu zu schweigen.

Gonzalez will seine eigene Unsicherheit überspielen! erkannte Larson. Nur seine Fassade ist aus Granit - aber in ihm sieht es so aus wie in uns allen...

Gonzalez atmete tief durch.

"Wir warten auf weitere Anweisungen von der Erde", erklärte er.

"Aye, aye, Sir", sagte Larson.

John Darrans Worte hallten in seinem Bewußtsein wider.

Er hat recht, ging es dem Sergeant durch den Kopf. Verdammt, gesteh es dir selbst doch ein, dieser Darran hat absolut recht!

Bei dem Gedanken an die Rückkehr der Fremden konnte einem nur schaudern.

Was war dagegen schon das, was die Regierung der Westunion als 'Gefährdung der nationalen Sicherheit' zu bezeichnen pflegte?

Darran hat sich entschieden, dachte Larson. Er hat die veränderten Maßstäbe als gegeben hingenommen und seine Konsequenzen daraus gezogen.

Ein Weg, auf dem es kein Zurück gab. Der Point of no Return war längst überschritten.

Jedenfalls für John Darran und seine Leute.

Und was ist mit dir? fragte sich Larson.

"Worüber brüten Sie nach?" fragte Commander Gonzalez.

Seine Stimme drang wie aus weiter Ferne in Larsons Bewußtsein. Fast so, als hätte der Sergeant Watte in den Ohren gehabt. Larson vollführte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf.

"Was?"

"Konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgabe, Sergeant."

"In Ordnung, Sir."

Gonzalez verzog das Gesicht.

"Ich hoffe nicht, daß das Geschwätz Commander Darrans Sie derart beeindruckt hat, daß Sie..."

"Keine Sorgen, Sir!" unterbrach Larson den Kommandanten der ARMSTRONG.

*

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