Star Force - Rebellen des Mars

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Und wie ist es mit deinem eigenen Atem bestellt? durchfuhr es Sindraman. Wird er nicht auch kürzer, je mehr Sand bereits durch deine Lebensuhr hindurchgelaufen ist?

Vielleicht war ja auch das Gegenteil der Fall.

Sindraman erinnerte sich an ein Zitat von George Bernard Shaw, daß ihm aus seiner Studienzeit in Delhi in Erinnerung geblieben war, auch wenn er schon nach drei Semestern damit aufgehört hatte, sich mit englischer Literatur zu befassen. 'Beware of old men, they have nothing to loose...'

Ja, genau so ist es. Der alte Shaw hatte schon recht...

Er sah Sung direkt in die Augen, etwas, was der Chinese nicht ausstehen konnte.

Ich hoffe für dich, daß du dieses Shaw-Zitat auch kennst! dachte Sindraman dabei grimmig.

"Beginnen Sie Ihren Bericht, Major!", forderte Sindraman den Chinesen auf.

Major Sung hob die Augenbrauen. Seine Haltung wirkte steif.

"Unseren Berichten nach kann es eigentlich keinen Zweifel daran geben, daß die Westunion in Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation gekommen ist. Es liegt auf der Hand, daß deren technische Errungenschaften gegen uns eingesetzt werden sollen. Unser Gegner könnte dadurch einen entscheidenden Vorteil bekommen."

"Das ist mir bekannt. Heißt das, daß es jetzt definitive Bestätigungen für diese Meldungen gibt?"

"Ja, General."

"Für mich kommt das nicht überraschend. Ich hoffe, daß unserer obersten Führung klar ist, daß jetzt gehandelt werden muß. Und zwar überlegt..."

"Da sollte sich keiner von uns beiden Sorgen machen." Sungs Tonfall war schneidend. Sindraman gefiel das nicht. In Bezug auf Sung werde ich auch etwas unternehmen müssen, ging es ihm durch den Kopf. Und auch das wollte wohlüberlegt sein...

Sindramans Gesicht bekam etwas maskenhaftes. In seinen Augen glitzerte ein kaltes Feuer.

Er wäre nicht der erste, der mich unterschätzt! dachte er.

Der Tonfall, in dem der General seine nächste Frage stellte, blieb absolut emotionslos und sachlich. Von dem Ärger, den er empfand, war ihm nicht das geringste anzumerken.

"Ist die Westunion bereits im Besitz der fremden Technologie?" fragte er.

Major Sung zuckte die Achseln, atmete tief durch.

"Die Berichte sind widersprüchlich", erklärte er gedehnt, tickte dabei nervös mit den Fingern auf der Tischfläche herum. Sindraman mochte das nicht.

"Und was ist mit der Star-Ship-Flotte, die der ersten Mission hinterhergesandt wurde?" erkundigte sich der General.

Major Sung lehnte sich zurück. "Es scheint irgendwelche Schwierigkeiten zu geben. Was dort genau vor sich gegangen ist, konnten wir bislang nicht zweifelsfrei herausfinden." Der Major beugte sich etwas vor. "Unter den gegebenen Umständen sollte die PAZIV einen Präventiv-Krieg beginnen."

Das hätte ich mir ja denken können! dachte Sindraman grimmig. Auf solche Gedanken kommen auch nur Leute wie du...

"Der würde Milliarden Opfer kosten", gab der General im Tonfall kühler Sachlichkeit zu bedenken.

"Aber wir würden ihn gewinnen, denn unsere Unter-Wasser-Siedlungen sind vor der Stahlung weitgehend geschützt."

"Sie sind ein Zyniker, Sung!"

"Nein, ein Realist. Lesen Sie sich eine Bedrohungsanlayse durch, General. Je länger wir warten, desto geringer werden unsere Chancen, etwas auszurichten."

"Und was ist mit den Milliarden PAZIV-Bürgern, die an Land leben? Sind Ihnen die gleichgültig, Major Sung?"

"Nicht gleichgültig, aber manchmal müssen gewisse Opfer gebracht werden. Im übrigen ist die Bevölkerungszahl der PAZIV erheblich größer als die der Westunion. Ein strategischer Vorteil, den man ausnutzen sollte."

Man kann nur hoffen, dass Sungs Ansichten auf oberster Ebene nicht uneingeschränkt geteilt werden! dachte Sindraman schaudernd.

"Bislang wissen wir nicht, was der anderen Seite effektiv an außerirdischer Technologie in die Hände gefallen ist und ob daraus ein Bedrohungspotential erwächst, Major!"

Major Sung vollführte eine unbestimmte Geste mit den Händen.

"Von letzterem können Sie getrost ausgehen, General!" , meinte er.

"Es wird eine Weile dauern, bis die andere Seite mit dieser Technologie umzugehen in der Lage ist. Und wer sagt uns, ob die Fremden sie der Westunion überhaupt überlassen..."

"Wenn es diese Fremden überhaupt noch gibt. Ihr Schiff ist schließlich havariert. Möglicherweise hat die erste Expedition die Überlebenden liquidiert, um sich in den Besitz des Raumschiffs zu bringen..."

"Ich bin nicht für übereiltes Handeln..."

"Seltsam, ich hatte Sie nie für einen Zögerer gehalten, General Sindraman."

"Das war ich auch nie."

"Sie wollen den Spionagekrieg also auf kleiner Flamme weiterführen?"

"Die Sache mit diesem Berkewitz war ein herber Rückschlag, aber im Prinzip ja. Eine Eskalation ist kein Problem, sie kann jederzeit ausgelöst werden."

Sung beugte sich vor.

"Mein Vorschlag wäre, das Programm CHAOS auszulösen, General... Wir müssen Zeit gewinnen und die Kräfte des Gegners binden!"

Sindraman hob die Augenbrauen.

Das Programm CHAOS. Daran hatte er auch schon gedacht. In der gesamten Westunion gab es Personen, die hypnotisch behandelt worden waren. Sie waren so konditioniert, daß sie sich regelmäßig eine bestimmte Seite im Datennetz ansahen, die völlig harmlos aussah. Eine winzige Änderung auf der Benutzeroberfläche dieser Seite löste einen posthypnotischen Befehl aus und machte aus den derart konditionierten Personen Saboteure.

Selbstverständlich hatte der Geheimdienst der PAZIV darauf geachtet, diese Leute an möglichst sensiblen Positionen zu platzieren, so daß der Schaden, den sie anrichten konnten, möglichst groß war.

Auf diese Weise war die PAZIV in der Lage, einen unerklärten Krieg zu führen und die andere Seite jederzeit in ein komplettes Chaos zu stürzen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis war das Programm CHAOS noch nie erprobt worden.

Jay Sindraman selbst war es gewesen, der es einst aufgebaut hatte.

Er sah darin so etwas wie eine Möglichkeit, den Gegner im Krisenfall in die Knie zwingen zu können, ohne gleich auf den roten Knopf drücken zu müssen.

Denn in dem Fall - das stand von vorn herein fest - waren die Opfer auf beiden Seiten enorm.

Sindraman lehnte sich in seinem Sessel zurück.

"Ich werde Ihren Vorschlag weiterleiten, Major Sung", versprach er.

"Das hoffe ich sehr!" war die eisige Erwiderung des Chinesen.

Sindraman registrierte die unterschwellige Drohung durchaus, die in diesen Worten mitschwang und in etwa lautete: Wenn du es nicht weiterleitest, werde ich das tun - über meine eigenen Kanäle.

Und daß die hervorragend funktionierten und wirklich bis ganz nach oben reichten, daran bestand für General Sindraman nicht der Hauch eines Zweifels.

*

***

"Hier ist eine Funkmeldung!" sagte Jeff Larson, der an Bord der ARMSTRONG jetzt die Position des Funkers übernommen hatte, nachdem Celine Durant sich in die Kabine verzogen hatte, um eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. "Die Signale kommen vom Mars..."

"Von John Darran?" fragte Commander Pat Gonzalez. Sein Tonfall verriet die Erregung.

Sergeant Larson schüttelte den Kopf.

"Nein..."

"Aber...!"

"Ich schlage vor, ich spiele die Aufzeichnung einfach laut ab, Sir!"

"Tun Sie das!"

"Ich hoffe, es klappt.. Die Nachricht war codiert, aber unser Bordrechner müßte die Signale eigentlich problemlos umwandeln können." Larson deutete auf einen der Bildschirme, die sich in der Zentrale der ARMSTRONG befanden. "Nehmen Sie diesen Schirm!", forderte er.

Die Anzeige, die sich bisher auf dessen Oberfläche befunden hatte, verschwand.

Stattdessen erschien das Gesicht eines Mannes.

Die Bilder waren leicht gestört, immer wieder wurden sie von Schlieren durchlaufen. Zuerst war auch kein Ton zu hören. Larson spulte noch einmal zurück.

"Das muß daran liegen, daß der Absender einen selbstfabrizierten Verschlüsselungscode benutzte - und nicht die Signalsyteme, die in der Star Force oder den Geheimdiensten der Westunion üblich sind", erläuterte Larson.

"Offenbar wollte der Absender nicht, daß jemand diese Nachricht sofort versteht...", meinte der Commander.

Larson ließ die Botschaft dann nocheinmal ablaufen.

"Hier spricht Case Lester, Sergeant der Star Force!" begann der Mann auf dem Schirm.

"Einer der Männer, die an der John Darran-Mission teilgenommen haben!" entfuhr es Commander Gonzalez unwillkürlich.

Der Mann auf dem Schirm fuhr fort.

Er wirkte nervös, wie gehetzt. Die Augen flackerten unruhig. Er blickte kurz zur Seite, so als befürchtete er, dass jemand hinter ihm auftauchen könnte.

"Ich befinde mich hier in der Marsstation Gamma im Lowell-Krater. Zusammen mit ein paar anderen Männern soll ich mir Gedanken darüber machen, wie die Station möglichst schnell mit Hilfe der Alien-Technologie umzubauen ist... Ich habe mich in den Trupp hineinmogeln können und habe jetzt die Gelegenheit, Ihnen diese Botschaft zu senden. Ich warne Sie! John Darran ist im Besitz der Alien-Technologie! Wir alle haben eine Induktivschulung durchlaufen und sind nun in der Lage, ein außerirdisches Raumschiff zu steuern und dessen technische Anlagen zu bedienen. In dem havarierten Schiff befanden sich vier Beiboote. Zwei waren zerstört, eins noch funktionstüchtig, an dem dritten wird gerade noch gearbeitet. Sie sind dem Beiboot bereits begegnet. Auf Befehl von Commander Darran gab es keinerlei Kontakt zu Ihnen oder dem Oberkommando der Star Force..." Case Lesters Gesicht lief dunkelrot an. Seine Halsschlagader trat pulsierend hervor.

 

Der Star Force Sergeant fuhr fort: "John Darran ist ein Renegat geworden! Die meisten Männer, die an seiner Mission teilnahmen, sind auf seiner Seite und folgen ihm! Darran denkt nicht daran, die Errungenschaften der Alien-Technologie der Westunion zu übergeben. Er will sie für sich selbst! Aus welchem Grund auch immer..."

Die Aufzeichnung brach ab.

Es war noch erkennbar, daß Sergeant Case Lester den Kopf herumwandte, so als wäre etwas - oder jemand! - hinter ihm.

Dann war nichts mehr zu sehen.

Nur noch ein flimmerndes Punktgemisch aus grau, weiß und schwarz.

"Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr!" erklärte Pat Gonzalez. Sein Gesichtsausdruck war düster geworden. Die schlimmsten Befürchtungen waren Wirklichkeit geworden.

Gonzalez wandte sich an Larson.

"Schalten Sie mir eine Verbindung zur Erde", forderte er.

Jeff Larson zögerte einen Augenblick lang, bevor er dem Befehl nachkam.

Die Bombe ist scharf gemacht! durchzuckte es ihn. Sie tickt! Was jetzt geschieht, ist absehbar und wird kaum noch aufzuhalten sein!

*

Präsident Robert Berringer betrat als letzter den geradezu spartanisch eingerichteten Konferenzraum.

Berringer ließ den Blick schweifen.

Darius Carrow, sein Sicherheitsberater war ebenfalls anwesend und nippte gelangweilt an einer Tasse Kaffee. Ein leicht spöttischer Zug stand im Gesicht des Sicherheitsberaters, ein Zug der eine gewisse innere Distanz verriet.

Außerdem gab es da die Spitzen des Militärs und nicht zu vergessen Wilbert T. McCloud, den Chef der Star Force. Alle Augen waren gespannt auf den Präsidenten gerichtet.

"Ich habe Sie auf Grund einer Videoübertragung zusammengerufen, der das Star Ship ARMSTRONG vor kurzem erreicht hat", erklärte Berringer, nachdem er sich gesetzt hatte. "Ein gewisser Sergeant Case Lester hat die Aufzeichnung abgesandt!" Berringer referierte kurz den Inhalt. "Unsere Befürchtungen haben sich also als wahr erwiesen." Er wandte sich an Wilbert T. McCloud, der vollkommen schockiert wirkte. Berringer hatte dafür gesorgt, daß sämtliche Meldungen der ausgesandten Star Force-Flotte ersteinmal über seine Leute liefen, bevor sie an den Chef der Star Force weitergegeben wurden. Information ist Macht, so hatte Robert Berringer gelernt. Und die Macht gehörte ihm, dem Präsidenten allein. In letzter Konsequenz zumindest.

McCloud traute Berringer nicht.

Jedenfalls nicht, was John Darran anbetraf. McCloud ist ein Weichei, läßt sich zu leicht täuschen. Außerdem gehört er zu diesen Weltraumidealisten, die eigentlich schon deshalb fehl an ihrem Platz sind, weil sie mit einer träumerischen Vision an ihre Aufgabe herangehen, anstatt mit kühlem Sachverstand.

Berringer wandte sich an McCloud.

"Es tut mir leid, Sir, Ihnen das sagen zu müssen. Aber wie es scheint ist Commander John Darran als Terrorist und Staatsfeind zu klassifizieren. Sie können das vorhandene Datenmaterial gerne prüfen, aber ein vernünftiger Zweifel daran dürfte so gut wie ausgeschlossen sein."

McCloud war bleich wie die Wand geworden. Er schluckte, kratzte sich verlegen am Kinn.

Die ganze Aufregung um die Mars-Mission Darrans hatte ihn bereits sehr mitgenommen.

Doch dies war nun ein echter Schlag, direkt in die Magengrube. McCloud hatte Darran vertraut, auf ihn gesetzt, ihn als einen loyalen Star Force-Mann betrachtet. Der General war schwer enttäuscht worden. Ein Fehler, dachte er. Ein gottverdammter Fehler war es, diesem Kerl zu vertrauen. Aber es gab Fehler, die sich nicht wieder korrigieren ließen. Und dieser gehörte zweifellos dazu.

Du wirst alt, dachte McCloud. Wenn dich deine Instinkte, was Menschenkenntnis angeht, so sehr im Stich lassen, dann wirst du alt und solltest dir überlegen, ob du noch der richtige Mann für den Job eines Star Force-Chefs bist!

Im Innersten mochte McCloud es noch immer nicht glauben, was er da hörte. Er nahm sich vor, jedes Detail, daß man ihm als Beweis vorlegen würde, sorgfältigst zu prüfen. John Darran war nicht der Typ, der sich aus egoistischen Motiven heraus kompromißlos für die eigenen Interessen einsetzte. Er war mit Sicherheit nicht der Typ des rücksichtslosen Terroristen, dem es nur darum ging, ein ungeheures Machtpotential in die Hände zu bekommen, um damit die Welt zu erpressen.

Dazu kannte McCloud den Commander einfach zu gut.

Andererseits...

Es ist unsinnig, Fakten nicht anerkennen zu wollen! ging es McCloud durch den Kopf. Und aus den Fakten mußten Konsequenzen gezogen werden. Normalerweise nichts, wovor McCloud sich fürchtete. Aber in diesem Fall war das anders.

Er war lange genug in seiner Position, um sich ausrechnen zu können, worauf das alles hinauslief.

John Darran, was ist nur in dich gefahren! ging es ihm durch den Kopf. Jetzt kann dich keiner mehr retten. Nichteinmal deine Freunde...

Die Aufzeichnung von Case Lesters codierten Signalen wurde abgespielt.

Nicht ohne die entsprechende Wirkung.

"Wir müssen diesen Darran ausschalten", sagte Xavier Nestos, einer der anwesenden Generäle. "Eine andere Konsequenz ist nicht denkbar. Wir müssen in den Besitz der Alien-Technologie gelangen, koste es, was es wolle!"

"Das sehe ich genauso!" meldete sich ein anderer, ebenfalls ordenbehängter Sprecher zu Wort. "Zu dumm, daß jede Reaktion unsererseits erst mit Verzögerung ihre Wirkung zeitigen kann. Wir haben zwar Darran eine Flotte hinterhergeschickt, aber es erscheint mir doch als äußerst fragwürdig, ob diese Kräfte ausreichen, um diese Angelegenheit zu bereinigen..."

Eine Angelegenheit bereinigen...

McCloud mochte diesen Jargon nicht.

"Glücklicherweise unterhält die PAZIV keine eigene Weltraumflotte, sonst sähen wir jetzt ziemlich alt aus", sagte Ivan Dannsor, der Chef des Sicherheitsdienstes der Navy. Er wandte sich an McCloud. "Wären die vier im Marsorbit befindlichen Star Ships dazu in der Lage, John Darrans Plänen ein Ende zu setzen?"

"Das wären sie", murmelte McCloud.

Er wirkte abwesend dabei. Seine Gedanken schienen meilenweit von diesem Konferenzraum entfernt zu sein.

"Ich habe den Commander der ARMSTRONG angewiesen, Darran und seinen Leuten ein Ultimatum zu stellen", erklärte Berringer.

"Sie wußten bereits vorher, daß Darran zum Renegaten geworden ist?" wunderte sich General Xavier Nestos. Seine Stirn mit den ungewöhnlich buschigen Augenbrauen legte sich in tiefe Furchen, die ein eigentümliches Muster bildeten. Er trank einen Schluck Kaffee, verzog dann das Gesicht. Offenbar war das Gebräu längst kalt.

Berringer lächelte dünn.

Er bedachte Darius Carrow, seinen Sicherheitsberater mit einem kurzen Blick, doch dieser erwiderte ihn nicht, sondern starrte auf die Unterlagen, die vor ihm auf dem Tisch lagen.

"Sagen wir so: Ich habe es vermutet und wollte John Darran damit aus der Reserve locken. Er sollte das Visier fallenlassen... Das Ultimatum läßt sich inhaltlich folgendermaßen zusammenfassen: Darran und seine Leute haben zwölf Stunden Zeit, um sich zu ergeben und uns das havarierte Raumschiff der Fremden und seine Beiboote zu übergeben."

"Wurde dieses Ultimatum vor oder nach dem Funkspruch von Sergeant Lester abgeschickt?"

"Sergeant Lesters Meldung traf ein, kurz nachdem das Ultimatum gestellt wurde."

"Könnte ein Zusammenhang bestehen?" fragte Nestos und hob dabei die Augenbrauen.

Berringer lächelte kühl. Er verstand, worauf Nestos hinauswollte.

"Sie meinen, daß ein paar von Darrans Männern vernünftig geworden sind? Nein, ich denke Lesters Reaktion hat damit nichts zu tun. Wahrscheinlich wußte er noch gar nichts von dem Ultimatum. Schließlich befand er sich mit einem Trupp bei der Station im Lowell-Krater und nicht an Bord des havarierten Schiffs. Lester muß seinen Plan vorher gefaßt haben - aber vielleicht ermutigen wir die anderen mit dem Ultimatum! Schließlich dürfte keiner dieser Männer große Lust dazu haben, dabei zu sein, wenn wir das Gebiet um das havarierte Raumschiff in eine Stahlenhölle verwandeln..."

"Dann ginge ohne Zweifel auch das Wissen der Außerirdischen verloren!" stellte McCloud fest, der lange geschwiegen hatte.

Berringer hob die Schultern und faltete die Hände auf dem Tisch. Seine Daumen drehten sich dreimal nervös umeinander, bevor er sprach.

"Möglicherweise läßt sich das nicht vermeiden."

"Das ist nicht Ihr Ernst!" ereiferte sich McCloud.

"Entschuldigen Sie, Wilbert, aber wir müssen diese Sache nüchtern betrachten. Wohin uns Ihr Idealismus gebracht hat, das sehen wir ja nun." Berringers Erwiderung klang eisig.

"Die Technologie der Außerirdischen ist ein Erbe der Menschheit. Es ist ein Verbrechen, das einfach zu vernichten!" sagte Wilbert T. McCloud. Er sah Berringer dabei nicht an.

Die Augen des Präsidenten wurden schmal. Mit so viel Widerstand hatte er nicht gerechnet. Nicht bei McCloud, dessen Position durch die jüngsten Ereignisse ja denkbar schwach war. Er hat sich überraschend schnell von diesem Schlag erholt! ging es Berringer durch den Kopf, bevor er sagte: "Wenn wir länger abwarten, bekommt Darran eine Machtbasis, gegen die wir nichts mehr unternehmen können. Das zuzulassen wäre auch ein Verbrechen."

"Und wenn er die schon hat?" fragte McCloud.

"Daran möchte ich lieber nicht denken", war Berringers düstere Erwiderung. "Stellen Sie sich nur einmal vor, wenn er sich mit der Pazifischen Vereinigung PAZIV zusammentun sollte... Dann sähen wir hier alle ganz, ganz alt aus!"

"Das ist reine Hypothese!" entgegnete McCloud. "Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß John Darran wirklich so etwas vorhat."

"Es gab auch keinen Grund anzunehmen, daß Darran zum Renegaten wird und die technischen Errungenschaften der Fremden für sich haben will!" gab General Nestos zu bedenken.

Ein Augenblick des Schweigens entstand.

McCloud wandte sich schließlich an den Präsidenten.

"In Zukunft möchte ich mir jedenfalls verbitten, daß so etwas wie dieses Ultimatum an mir und meinen Leuten vorbeigeht!" sagte McCloud.

Berringer bleckte die Zähne.

Sein Gesicht hatte jetzt etwas Raubtierhaftes an sich. Dieser Kerl braucht jetzt eine volle Breitseite! durchzuckte es Berringer. Einen verbalen Knock-out, der ihn zum Schweigen bringt...

Die Stimme des Präsidenten der Westunion klang sehr leise, war kaum mehr als ein Wispern. Ein drohender Unterton schwang in seinen Worten mit.

"Man hat Sie beinahe umgebracht, General McCloud", murmelte Berringer. "Und der Grund dafür ist unter anderem, daß Ihre Behörde so undicht wie ein Schweizer Käse ist!"

"Das sind Unterstellungen!"

"Fakten, McCloud! Nur Fakten! Und ich wollte einfach vermeiden, daß die neuesten Entwicklung in der Mars-Affäre brandheiß auf den Schreibtischen von X-Point landen!"

McCloud schluckte.

Hättest du an seiner Stelle nicht genauso gehandelt? überlegte er.

General Nestos enthob ihn von der Notwendigkeit, etwas zu erwidern.

"Gibt es eine Reaktion auf das Ultimatum?" erkundigte er sich.

"Bis jetzt nicht. Aber ich bin mir sicher, daß es seine Wirkung nicht verfehlen wird und Darrans eigene Leute die Sache früher oder später in unserem Sinn regeln werden."

McCloud mischte sich noch einmal in das Gespräch ein.

"Hat eigentlich schon einmal jemand von Ihnen darüber nachgedacht, was eigentlich geschieht, wenn die Fremden zurückkehren - und wir haben möglicherweise das havarierte Schiff samt seiner Beiboote zerschossen?"

Berringer verzog das Gesicht.

Sein Lächeln war sehr dünn.

"Was wäre denn Ihr Gegenvorschlag, General?"

"Nun, Sir..."

"Absolute Unterordnung unter John Darrans Willen vielleicht?" schnitt der Präsident dem Star Force-Chef das Wort ab. "Das kann nicht Ihr Ernst sein!"

*

Sergeant Paul Erixon gehörte zu den Einsatztruppen an Bord der ARMSTRONG, die sich in im Mittelteil des Star Ships untergebrachten Mannschaftsquartieren aufhielten und sich die Zeit totzuschlagen versuchten. Erixon ließ sich durch den Korridor schweben, hielt sich dann an einem der Haltegriffe fest und blickte durch eines der Sichtfenster hinaus in den Weltraum. Die Erde war als keiner blauer Ballon zu sehen. Etwas heller als die Sterne, aber dennoch alles in allem ziemlich unscheinbar. Ein eigenartiges Gefühl der Unruhe hatte Sergeant Erixon seit einigen Minuten befallen. Immer wieder blickte er auf das Chronometer an seinem Handgelenk. So als stünde etwas Wichtiges bevor. Ein Ereignis, dem er geradezu entgegenfieberte...

 

Und was? ging es ihm durch den Kopf. Wenn dich jetzt jemand danach fragen würde, du könntest im keine Antwort geben...

"Na, Sehnsucht nach der guten alten Erde?" fragte eine sonore Stimme, deren Klang Erixon beinahe zusammenzucken ließ. Die Stimme gehörte Lieutenant Alexander Sheringham, Erixons direktem Vorgesetzten.

"Schöner Anblick, Sir", stammelte Paul Erixon.

"Naja, Sie brauchen ja nicht gleich sentimental zu werden..."

Erixon schien den Witz nicht zu verstehen. Sein Gesicht blieb regungslos.

Haltung anzunehmen war in der Schwerelosigkleit des Star Ships kaum möglich, ohne sich dabei vollendes lächerlich zu machen. Aber unter anderen Gravitationsverhältnissen hätte Erixon das zweifellos jetzt getan.

"Sind Sie zum ersten Mal auf Marsmission?" fragte Lieutenant Alexander Sheringham.

"Ja, Sir."

"Glauben Sie mir, auch wenn Sie zum zehnten Mal fliegen, wird es Sie noch auf dieselbe Weise beeindrucken."

"Wenn Sie es sagen, Sir..."

Was ist los mit ihm? dachte Shap. Erixon war ihm ansonsten als offener, ziemlich lockerer Typ aufgefallen, der für einen unbefangenen Small-talk immer zu haben war. Und jetzt?

Als ob er unter Druck steht! überlegte Sheringham.

Der Lieutenant zuckte die Achseln. Er hoffte, daß die Veränderungen, die er bei Erixon festgestellt hatte, nicht die ersten Anzeichen eines Raumkollers waren, wie er sich unter den beengten Verhältnissen an Bord eines Star Ships leicht ausbreiten konnte. Schließlich verlangten die Umstände allen beteiligten ein Höchstmaß an psychischer Stabilität ab. Und manchmal gelangten eben auch Personen durch die Eignungstests der Star Force,. die den Anforderungen nicht gewachsen waren.

Wochenlang auf engstem Raum zusammenfgepfercht, ohne sinnvolle Beschäftigung, wenn man von dem täglichen Krafttraining einmal absah, daß jeder der Soldaten zu bewältigen hatte. Schließlich mußten die Langzeitfolgen der Schwerelosigkeit so gut es ging gemildert werden. Andernfalls würden dier Männer selbst unter der vergleichsweise geringen Gravitation des Mars erbärmlich zusammenbrechen.

Paul Erixon blickte auf das Chronometer.

Er wußte nicht, zum wievielten Mal er das in der letzten Viertelstunde schon getan hatte.

Noch 5 Minuten! hämmerte es in seinem Hirn. Noch fünf Minuten, dann ist es soweit. Du darfst den exakten Zeitpunkt nicht verpassen! Um keinen Preis!

Er hatte das Gefühl, daß sein Leben davon abhing.

Und er wußte noch nicht einmal, worum es eigentlich ging. Verzweifelt versuchte er es herauszufinden, das Chaos in seinen Gedanken etwas zu ordnen. Er wühlte in seinen Erinnerungen herum, durchforschte voller Unruhe sein Bewußtsein. Sinnlos. Es kam nichts dabei heraus. Da war nichts als eine Flut wirrer Bilder und unzusammenhängender Gedankenfetzen. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren.

Was ist es? hämmerte es in ihm.

"Entschuldigen Sie mich jetzt bitte", sagte Erixon dann an den Lieutenant gewandt. Für ein paar Sekundenbruchteile trafen sich die Blicke der beiden Männer. Dann sah Erixon zur Seite.

"Natürlich", sagte Sheringham.

"Mich juckt's in den Fingern, ich will noch ein bißchen an die Simulatoren..."

"Schon klar."

Erixon passierte den Korridor, Sheringham sah ihm nach. Ein paar Augenblicke später erreichte Erixon einen der Aufenthaltsräumem, die den Truppen zur Verfügung standen. Ein paar Männer spielten Karten. Die Karten hatten magnetisierte Streifen, die sie trotz der Schwerelosigkeit an der Tischoberfläche haften ließ. Ansonsten befanden sich in dem Raum noch eine Reihe von Computer-Terminals. Aus Platzersparnisgründen gab es keine Monitore sondern lediglich Datenbrillen, die über Infrarot mit dem Terminal verbunden waren. Jede Menge Simulationsspiele konnte man damit spielen, sich aber auch aus einem großen Fundus an Filmen etwas aussuchen. Die Plätze waren alle besetzt. Wie üblich. Sich zu amüsieren war schließlich nicht der erste Sinn und Zweck eines Star Ships, dementsprechend sparsam war der Fun-Sektor an Bord bestückt.

Drei Minuten! ging es Erixon durch den Kopf.

Und plötzlich wußte er auch, was er tun mußte.

Er mußte an einen dieser Computer, die Datenbrille aufsetzen und dann eine Verbindung zum irdischen World Wide Web herstellen. Das war technisch möglich. Irgendeine warnende Stimme in Erixons Hinterkopf sagte ihm allerdings, daß er das aus irgendeinem Grund nicht tun sollte. Eine Order, ein Befehl, eine Vorschrift...

Mein Gott, was ist bloß mit dir los? ging es ihm durch den Kopf.

Er konnte sich einfach nicht daran erinnern. Es war wie verhext. Hatte nicht Commander Gonzalez etwas darüber gesagt? Erixon sah Gonzalez' Gesicht plötzlich vor seinem inneren Auge, sah, wie der Commander der ARMSTRONG die Lippen bewegte und irgend etwas sagte. Aber Sergeant Paul Erixon hörte kein Wort. Irgend etwas hinderte ihn daran. Als ob ein gewisser Sektor in meinem Schädel einfach blockiert ist! dachte der Sergeant. Ein Gedanke, der ihn erschreckte. Fünf Sekunden später wußte er nicht einmal mehr, weshalb plötzlich die Schweißperlen auf seiner Stirn aufgetaucht waren.

"Heh, Paul! Trainiert?" fragte einer der Kartenspieler.

Rudy Talbot war sein Name.

Er wohnte zusammen mit Paul Erixon auf einer Kabine.

"Wieso?" gab Erixon etwas orientierungslos zurück.

"Ganz schön ins Schwitzen gekommen, was?"

"Ich muß an einen der Rechner!" sagte Erixon. Sein Blick wurde starr.

Talbot zuckte die Achseln. "Geht jetzt nicht, siehst du doch!" Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ist halt immer viel los hier! Aber das kennst du doch eigentlich... Was denkst du übrigens über die Tatsache, daß dieser Darran sich einfach nicht meldet?"

Erixon hatte überhaupt kein Ohr dafür. Sein Blick glitt die Spieler entlang, die mit ihren Datenbrillen an den Konsolen saßen.

Noch zwei Minuten...

Verdammt...

Sein Puls beschleunigte sich, schlug ihm jetzt bis zum Hals. Die innere Unruhe wurde geradezu unerträglich. Du mußt an eines dieser Terminals kommen und dann die Verbindung aufbauen... Die Verzögerung, die durch die große Entfernung zur Erde entsteht ist in deinen Zeitplan mit eingerechnet. Du brauchst also nichts weiter zu tun, als deinem inneren Programm freien lauf zu lassen.

Programm?

Erixon schluckte.

Er hörte wie aus weiter Ferne Talbots Stimme unablässig weitersprach. "Wenn du mich fragst, Paul, dann hat dieser Darran sich die technischen Errungenschaften dieser Außerirdischen längst unter den Nagel gerissen und denkt gar nicht daran, sie mit irgend einem anderen Menschen zu teilen! Ich würde vielleicht auch so denken, wenn's mein Fall wäre."

"Wir werden ja wohl bald alle Gelegenheit dazu bekommen, Darran und seinen Leuten ihre Beute wieder abzujagen!" meldete sich einer der anderen Männer zu Wort.

Die anderen Kartenspieler lachten. Aber es war ein heiseres, gequältes Lachen. Keinem von ihnen gefiel der Auftrag, der vor ihnen lag und dessen konkrete Konturen sich noch gar nicht abzeichneten.

Erixon bewegte sich mit starrem Gesicht an den Kartenspielern vorbei, direkt auf einen der Männer zu, deren obere Gesichtshälfte unter einer Datenbrille verborgen war. Erixon riß sie ihm herunter. "Ich brauche den Rechner!" sagte er.

Noch eine Minute! hämmerte es in ihm.

Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt.

"Heh, was soll das?" beschwerte sich der Star Force-Soldat. Erixon kannte ihn. Er hieß Marvin Dobblor und war dafür bekannt, einen besonders hohen psychischen Stabilitätsfaktor zu besitzen. Erixon drängte Dobblor vom Rechner weg. Dobblor sah den Sergeant fassungslos an, packte ihn bei den Schultern, doch Erixon schüttelte ihn ab. Er setzte sich an das Terminal.

"Spinner!" schimpfte Dobblor. "Ich hatte mein Spiel noch nicht beendet!"

"Tut mir leid!" murmelte Erixon, dessen obere Gesichtshälfte bereits unter der Datenbrille verschwunden war.

Seine Finger glitten wie automatisch über die Tastatur des Terminals. Er wußte plötzlich ganz genau, was er zu tun hatte. Die Verbindung zum Datennetz der Erde aufzubauen war das eine...