Meine Worte suchen Dich

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Aus der Reihe: Ignatianische Impulse #55
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Auf dem Gebetsweg

Gebet ist nicht nur Reden, es ist vor allem Horchen und Hören. In diesem Sinn wohl schreibt Ignatius (1491–1556) einmal von einem Gebet »ohne Geräusch von Worten«. Wir müssen wieder das Verweilen und das Schweigen lernen, um die Stimme Gottes in uns zu hören. Von Jesus lesen wir, dass er sich oft die ganze Nacht zum Gebet zurückzog, er allein. Um das eigene Leben zu meditieren, brauchen wir den Mut zur Stille, die sowohl von Gottesferne als auch von Gottesnähe geprägt sein kann. Ignatius beschreibt einen solchen Umschwung innerer Gestimmtheiten: »Einige Male befand er sich in einem so mürrischen Zustand, dass er weder Geschmack am Beten fand noch am Hören der Messe noch an einem anderen Gebet, das er verrichtete. Andere Male empfand er genau das Gegenteil davon, und zwar so plötzlich, dass es ihm schien, man habe ihm Traurigkeit und Trostlosigkeit weggenommen, wie jemand einen Mantel von den Schultern des andern nimmt« (Bericht des Pilgers N. 21). Als ihm einmal eine solche Angst abgenommen worden war, sei er jubelnd über die Felder gesprungen. Gerade auch beim Beten von Psalmen kann man solche Stimmungsumschwünge und Gebetserfahrungen finden.

Oft meinen wir, nicht mehr beten zu können, weil wir keine innere Bewegung mehr erfahren. Ignatius gibt uns im Exerzitienbuch dazu einen wichtigen Hinweis. Er ist überzeugt, dass Gott uns bewusst in solche Erfahrung von Trostlosigkeit führt, »damit wir erleben, dass es nicht unsere Sache ist, große Hingabe, intensive Liebe oder irgendeinen anderen geistlichen Trost zu erhalten, sondern dass es ganz eine Gabe und Gnade Gottes Unseres Herrn ist« (Geistliche Übungen Nr. 322).

Etappen im Beten von Ignatius

Auf dem Weg, eigene Worte zu finden, die Gott suchen, kann ein kurzer Blick auf Ignatius von Loyola eine Hilfe sein – zumal in »Ignatianischen Impulsen«. Sicherlich war sein eigenes Beten zunächst vom Nach-Sprechen der Gebete von Erwachsenen, von der Liturgie, von kirchlichem, traditionellem Beten geprägt. Je mehr er aber ins Leben hineinwuchs und das Leben ihm zusetzte – vor allem durch seine schwere Verwundung in einem Kampf um die Festung Pamplona –, desto mehr wurde es schrittweise zu einem »gebeteten Leben« bzw. einem »Lebensgebet«. Dies zunächst durch die Todesnähe infolge der Verwundung, später aber auch durch dunkle Gewissensqualen hindurch. Er erzählt: »Einmal als er besonders bedrückt war, begann er mit einem solchen Ungestüm zu beten, dass er plötzlich zu Gott laut und mit Worten aufschrie: Hilf du mir, Herr; denn bei keinem Menschen und bei keinem Geschöpf kann ich irgendwelche Hilfe finden. Keine Mühe wäre mir zu groß, wenn ich damit erhoffen dürfte, irgendwie Hilfe zu finden. Zeige du mir den Weg, Herr, wo ich sie finden kann. Selbst wenn ich einem Hündlein nachlaufen müsste, um von ihm Hilfe zu bekommen, würde ich es sofort tun« (Bericht des Pilgers Nr. 23). Diese Weise, »sein Herz auszuschütten«, ist Ursprung allen Betens – aus tiefer Not oder aus jubelnder Freude heraus. Die Psalmen leben in besonderer Weise aus dieser Quelle, auch wenn sie bewusst geformte und gestaltete Gebete für den Gottesdienst sind.

Neben längeren, bewusst gestalteten Gebeten gibt es auch die Stoßgebete. Solche biblischen Gebetsrufe lauten etwa: »O Gott, komm mir zu Hilfe«; »Mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Auch bei Ignatius finden sich solche Gebetsrufe. Als in ihm Gedanken an Selbstmord aufkamen, schrie er einmal: »Herr, ich werde nichts tun, was dich beleidigt« (Bericht des Pilgers Nr. 24). Und ein Junge, der Ignatius gelegentlich bei dessen Beten belauschte, sagte später beim Seligsprechungsprozess aus, er habe ihn beten gehört: »Wie unendlich gut bist du, o Gott, dass du sogar einen Sünder wie mich erträgst.«

Sosehr Ignatius aus seinem Herzen und Leben heraus gebetet hat, so konnte er sich doch oft auch mit ganzer Hingabe in Vorgegebenes eingeben: in die Messfeier, in Andachten, in Kirchenmusik, die Gebete der Tagzeiten, den »Angelus« usw. Ein altes Gebet hat es ihm besonders angetan. Es kann dazu ermutigen, selber einmal zu schauen, welche Gebete einem selber besonders kostbar geworden sind. Für Ignatius war es das »Anima-Christi-Gebet«:

Seele Christi, heilige mich.

Leib Christi, rette mich.

Blut Christi, wasche mich.

Wasser der Seite Christi, wasche mich.

Leiden Christi, stärke mich.

O guter Jesus, erhöre mich.

Birg in deinen Wunden mich.

Von dir lass nimmer scheiden mich.

Vor dem bösen Feind beschütze mich.

In meiner Todesstunde rufe mich,

mit deinen Heiligen zu loben dich.

in deinem Reiche ewiglich – Amen.

Biblisch beten

Wer Ignatius kennt, der weiß, dass sein Beten und Meditieren vom Blick auf Jesus Christus geprägt ist. Vor allem die vielen Christus-Meditationen, die er auf dem Exerzitienweg machen lässt, zeigen dies. Alles Beten soll zur tieferen Erkenntnis der Zuwendung Gottes zum Menschen in und durch Christus hinführen. So soll die Liebe im Menschen wachsen und das eigene Leben und seine Gestaltung immer mehr Antwort auf Gottes Zuwendung werden. Was Ignatius die tägliche Gewissenserforschung, das »Examen«, nennt, hat keinen anderen Zweck als diesen: das eigene Leben wahrzunehmen, es Gott anzubieten und anzuvertrauen und es durch seinen Geist wandeln zu lassen. Dies ist die »Messe des Lebens«. Und dies ist konkreter Ausdruck seiner Beschreibung von Liebe – und von Gebet: »Die Liebe besteht im Mitteilen von beiden Seiten.« Ebendies kann man auch vom Beten sagen. Darum kann es Ignatius auch oft als »Zwiegespräch« bezeichnen; einmal mit Worten oder auch »ohne Geräusch von Worten«, wie er in einem Brief schreibt. Immer aber geschieht Beten auf eine lebendige Begegnung hin. So will uns das Gebet helfen, unser Leben Gott hinzuhalten, im Vertrauen, dass er all unsere Sorgen und Einsamkeiten in Freude und Dankbarkeit verwandeln kann. Vielleicht wird es uns geschenkt, mit Ignatius zu staunen. »Was ist das für ein neues Leben, das wir jetzt beginnen?« Und vielleicht können wir in einer geschenkten Stunde auch uns selber in das bekannte Gebet von Ignatius hineingeben:

»Nimm hin, Herr, und empfange meine ganze Freiheit,

mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen ganzen Willen,

meine ganze Habe und meinen Besitz.

Du hast es mir gegeben, dir, Herr, gebe ich es zurück; alles ist dein, verfüge nach deinem ganzen Willen; gib mir deine Liebe und Gnade, das ist mir genug!«

(Geistliche Übungen Nr. 234)

Die Herrlichkeit des Schöpfers und die Würde des Menschen

Der verborgene Gott

Die Toren sprechen in ihrem Herzen

»Es gibt keinen Gott«.

(Psalm 53,2)

Wer glaubt noch an dich?

Immer mehr Menschen lassen dich fallen.

»Es gibt keinen Gott!«

Sie vermissen dich nicht.

Du bist verzichtbar geworden.

Haben sie vielleicht doch recht?

Wie oft hast du mich enttäuscht,

hast meine Gebete nicht gehört!

Du hast mich dennoch nicht vergessen

und mich in meinem Zorn gefunden.

Deine Arme umfingen mich

und ich merkte es nicht.

Rückschauend erkenne ich dich.

Du warst da und führtest meine Wege.

Du hast mich in meinem Innersten verwandelt,

die Augen meines Herzens geöffnet.

Verzeih mir meine Ungeduld

und lass mich nicht fallen

ins Nichts.

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