Über den "tatsächlichen Zusammenhang" im Bankrottstrafrecht

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

d) Zusammenfassung

33

Im Rahmen dieser Fallgruppe hing eine Bestrafung wegen Bankrotts besonders deutlich von einer konkreten Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen der Gläubiger ab. Der Hinweis darauf, dass eine Kausalbeziehung nicht erforderlich sein soll, war evident, da die Handlung ohnehin zeitlich nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch erfolgte. Das Reichsgericht bezieht sich auf das Erfordernis eines „vom Gesetz geforderten tatsächlichen Zusammenhang“, ohne dass sich ein solcher unmittelbar aus dem Normtext entnehmen lässt. Verstanden wird der Zusammenhang in dieser Fallgruppe als „Zusammentreffen Beider in dem Sinne, dass Handlung und Zusammenbruch tatsächlich nebeneinander Vorliegen“. Das Reichsgericht begründet das Erfordernis mit dem „Grund und Zweck der Strafvorschrift“, also der ratio legis der Norm. Das Delikt stelle sich als „Gefährdung der Vermögensansprüche oder der Vermögensrechte der Gläubiger“ dar, weshalb die Grenzbestimmung von den Interessen der Gläubiger abhänge. Erneut dient der Zusammenhang damit als Begrenzung des Anwendungsbereichs, allerdings weniger durch eine zeitliche Grenzziehung. Die Grenze der Strafbarkeit orientiert sich nur deshalb am Zeitpunkt des wirtschaftlichen Zusammenbruchs (Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung), da erst zu diesem Zeitpunkt „eine (konkrete?) Vermögensgefährdung der Gläubigeransprüche“ bestehe. Für die Frage, ab wann und bis wann eine unter die KO fallende Handlung des Schuldners einen strafbaren Bankrott begründet, sei entscheidend, inwieweit diese Handlung das „Gläubigerinteresse“ tangiert. Das Interesse der Gläubiger endet aber in der Regel mit Verfahrensbeendigung und (quotaler) Befriedigung. Nur wenn auch nach vollständig beendetem Konkursverfahren im Einzelfall ausnahmsweise irgendein berechtigtes Interesse der Gläubiger an der Vermeidung des von der Norm erfassten Verhaltens besteht, erscheint eine Bestrafung nach Ansicht des 4. Senats noch angemessen.

3. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Rahmen des § 210 Nr. 1 KO

34

Im Rahmen der 3. Fallgruppe bezogen sich die Entscheidungen des RG und des BGH auf § 240 Nr. 1 KO,[103] welcher deckungsgleich mit dem einfachen Bankrott nach § 210 Nr. 1 KO war und bestandsbezogene Handlungen des Schuldners erfasste.

a) Die Entscheidung des 4. Senats des BGH vom 8.6.1920

35

Im Rahmen der Auslegung des § 240 Nr. 1 KO, in der es um das „Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen“ im weitesten Sinne ging, wies das RG erneut auf das Erfordernis einer bestimmten „Beziehung“ zwischen Handlung und Zahlungseinstellung hin. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Angeklagte nach Eröffnung seines Konkursverfahrens Sachen gestohlen, diese verkauft und das dadurch erworbene Geld vollständig verspielt.[104] Der Angeklagte hatte somit als Schuldner, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, durch Spiel übermäßige Summen verbraucht. Dennoch verneinte das RG eine Bestrafung wegen Bankrotts:

„Die zwischen der Konkurseröffnung und der verfolgten Handlung nötige Beziehung fehlt hier. So wenig sich ein Schuldner der strafbaren Gläubigerbegünstigung schuldig machen kann, wenn er die Leistung konkursfreiem, nach der Konkurseröffnung erworbenen Vermögen entnimmt, ebenso wenig kann die Bestrafung eines Schuldners nach § 240 I Nr. 1 KO eintreten, wenn die von ihm durch Spiel verbrauchten übermäßigen Summen nicht aus dem Vermögen herrührten, das die Gläubiger zu ihrer Befriedigung in Anspruch nehmen konnten.“

b) Die Entscheidung des BGH vom 20.3.1951

36

In einem Sachverhalt, der dem BGH zur Entscheidung vorlag, hat der Angeklagte in den Jahren 1948, 1949 in Stuttgart große Mengen Zucker erworben, um diese in seiner Firma weiter zu verarbeiten. Trotz offener Rechnungsposten und Schulden in Höhe von mehr als 15.000 DM hat er während dieser Zeit durch Aufwand übermäßige Summen verbraucht. Am 27.04.1949 verließ er Stuttgart. 1950 stellte er seine Zahlungen endgültig ein. Fraglich war nun, ob die Tathandlung (Verbrauch übermäßiger Summen in Stuttgart) in den Jahren 1948 und 1949 und die später erfolgte Zahlungseinstellung den geforderten tatsächlichen Zusammenhang aufwiesen.

37

Nach Ansicht des BGH „genügt ein sachlicher Zusammenhang in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger oder wenigstens ein Teil von ihnen sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, als auch durch die Zahlungseinstellung betroffen sind. Ein solcher Zusammenhang ergibt sich aus dem Urteil, denn es werden darin mehrere Gläubiger erwähnt, deren Forderung schon zur Zeit der Bankrotthandlung im Juni 1948/Februar 1949 bestanden, aber auch zur Zeit der Zahlungseinstellung (Ende April 1949) noch nicht getilgt waren.“[105]

c) Die Entscheidung des 1. Senats des BGH vom 8.5.1951

38

„Deshalb ist stets anerkannt, dass die Bankrotthandlung und die Zahlungseinstellung nicht im Verhältnis Ursache Wirkung stehen müssen, (...) erforderlich ist nur ein rein äußerlicher Zusammenhang in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, wie auch von der Zahlungseinstellung betroffen werden (vgl. RGSt 55, 30).“[106]

d) Zusammenfassung

39

Im Rahmen der 3. Fallgruppe wird bei der Frage, ob eine Bestrafung wegen Bankrotts gerechtfertigt erscheint, ungewohnt deutlich auf das Kriterium der Gläubigerbenachteiligung abgestellt, obwohl eine solche keine Erwähnung im Wortlaut des Tatbestandes findet. Nach Ansicht des RG soll die „nötige Beziehung “ gegeben sein, wenn von der bestandsbezogenen Tathandlung (Schmälerung des Vermögens) solche Vermögensbestandteile betroffen sind, die später im Zeitpunkt der Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung zur Konkursmasse gehören und daher den Gläubigern zur Befriedigung dienen. Der Zusammenhang führt folglich dazu, dass die Bankrotthandlung nur bestraft wird, wenn sie im Einzelfall zu einer Benachteiligung der Gläubiger geführt hat. Der Zusammenhang dient mithin dazu, einen konkreten Bezug zwischen Handlung und Beeinträchtigung der Gläubiger herzustellen. Dies hätte zur Konsequenz, dass der „tatsächliche Zusammenhang“ letztlich doch auf einen Zusammenhang zwischen Handlung und geschütztem Rechtsgut hinausläuft, was sich allerdings weder aus dem Wortlaut noch aus den gesetzgeberischen Motiven ableiten lässt.

4. Erste Zwischenbetrachtung: Der „tatsächliche Zusammenhang“ als unrechtsbegründender Faktor

40

Der „tatsächliche Zusammenhang“ in der Interpretation durch das RG kann nur schwer einer einheitlichen Definition zugeführt werden. Das RG machte die Strafbarkeit wegen Bankrotts davon abhängig, ob die vorgenommene Handlung im Einzelfall geeignet war, die Interessen oder Positionen der Konkursgläubiger (irgendwie) negativ zu beeinflussen. Es fällt auf, dass das RG im Rahmen informationsbezogener Bankrotthandlungen vermehrt auf ein zeitliches Element und im Rahmen bestandsbezogener Handlungen auf ein sachliches Element abgestellt hat. Oberflächlich betrachtet, könnte es sich daher – je nachdem, um welche Art von Bankrotthandlung es sich handelt – um unterschiedliche Arten von Zusammenhängen handeln.

a) Der „zeitliche“ Zusammenhang im Rahmen informationsbezogener Bankrotthandlungen

41

Im Rahmen der sog. informationsbezogenen Bankrotthandlungen geht es heute wie damals darum, dass der Täter den Überblick über seinen Vermögensstand vereitelt, so dass sich die am Verfahren beteiligten Gläubiger nicht hinreichend über den Vermögensstand des Schuldners informieren können. Im Idealfall sollten die Gläubiger die Möglichkeit haben, im Hinblick auf das Ob und Wie der Befriedigung selbst abschätzen zu können, ob das was ihnen an quotaler Befriedigung angeboten wird, auch verglichen mit den tatsächlichen Vermögensverhältnissen des Schuldners, angemessen ist.[107] Ab Konkurseröffnung hatte die Gläubigerschaft bereits zum damaligen Zeitpunkt ein Mitbestimmungsrecht daran, wie mit der Aktivmasse und dem Geschäft des Schuldners weiter zu verfahren ist. Um all diese Umstände beurteilen zu können, sind die Gläubiger auf die Informationen aus den Handelsbüchern zwingend angewiesen. Sind solche nicht vorhanden oder unzureichend geführt, ist das Interesse der Gläubigerschaft an der Beschaffung einer ausreichenden Informationsgrundlage berührt. Das RG stellte im Rahmen der Buchdelikte vielleicht deshalb des Öfteren auf „das Interesse der Gläubiger, sich eine Übersicht zu verschaffen“ ab. Solange der Schuldner solvent ist, ist das Führen von Handelsbüchern eine bloße Obliegenheit. Strafrechtliche Relevanz erlangen die Verstöße damit erst im Zeitpunkt des Konkurses. Nach Ansicht des Reichsgerichts waren diese Obliegenheitsverletzungen nur dann strafbar, wenn die Möglichkeit der Konkursgläubiger, einen Überblick über die Vermögensverhältnisse zu gewinnen, im Zeitpunkt des Konkurses „tatsächlich beeinträchtigt“ wurde. Dies sollte zumindest dann der Fall sein, wenn die Handlung (unterlassene Buchführung) einen „tatsächlichen Zusammenhang in Form eines zeitlichen Zusammenhangs“ zur Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung aufweist. Die Verletzung der Buchführungs- und Bilanzierungspflichten war daher ihrem Wesen nach nur in diesem bestimmten Zeitraum geeignet, eine konkrete Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen darzustellen. Deshalb wurde im Rahmen der informationsbezogenen Bankrotthandlungen stets auf einen tatsächlichen Zusammenhang in Form eines zeitlichen Zusammenhangs abgestellt. Erfolgt die Handlung einige Zeit vor ZE/Konkursverfahren oder danach, sollte dies nur ausnahmsweise strafbar sein, wenn „ein Gläubigerinteresse an den Handelsbüchern fortbestand “. Mit Hilfe eines zeitlichen Zusammenhangs wurden nur noch die Buchführungsverstöße bestraft, die gerade im Moment des Konkurses ihre „nachteilige Wirkung“ entfalteten. Der Schritt zum strafwürdigen Kriminalunrecht hing mithin ganz entscheidend vom Eintritt des Konkurses und den damit verbundenen konkreten Gefahren für die Gläubiger ab. Nur, wenn die Handlung im Moment des Konkurses nachteilige Auswirkungen hatte, also die Interessen der Konkursgläubiger konkret gefährdet oder beeinträchtigt waren, wurde der Schuldner bestraft.

 

b) Der „sachliche“ Zusammenhang im Rahmen bestandsbezogener Bankrotthandlungen

42

Im Rahmen der Bankrotthandlungen, die den Bestand des Vermögens betrafen, indem der Schuldner Verfügungen über die Aktivmasse traf, hatte der „tatsächliche Zusammenhang“ dieselbe Funktion, allerdings einen anderen Namen. Kennzeichnend für diese Art der Bankrotthandlungen ist noch heute eine unmittelbare Einwirkung des Schuldners auf das eigene Vermögen und damit die potentielle Insolvenzmasse. Unproblematisch strafbedürftig waren solche Fälle, in denen der Schuldner die Konkursmasse dadurch schmälerte, dass er nach Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung Vermögensbestandteile bei Seite schaffte. Problematisch waren hingegen die Fälle, in denen der Täter Bestandteile seines Vermögens bei Seite schaffte oder übermäßige Summen verbrauchte und später aus anderen Gründen in Konkurs geriet. Hierbei fällt auf, dass im Rahmen der bestandsbezogenen Handlungen gerade keine zeitliche, sondern eine sachliche, tatsächliche Beziehung als maßgeblich erachtet wurde. Dies findet seine Erklärung erneut in der Art der Bankrotthandlung: ein ordnungsgemäßes Wirtschaften und der rechtstreue Umgang mit der potentiellen Masse ist für die Gläubiger in jedem Zeitpunkt von Belang, da eben niemand weiß, ob und wann ein Konkurs eintreten wird. Dennoch verlangte das RG ein Korrektiv in Form eines „äußeren Zusammenhangs“, welcher vorlag, wenn „dieselben Gläubiger oder wenigstens ein Teil von ihnen, sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt, als auch durch die Zahlungseinstellung betroffen“ waren. Auch diese Passage belegt, dass es entscheidend darauf ankam, ob die Bankrotthandlung konkrete Auswirkungen auf die Positionen der Konkursgläubiger hatte. Wenn das RG eine „Betroffenheit derselben Gläubiger“ verlangt, könnte damit eine Verfügung des Täters angesprochen sein, die gerade solche Bestandteile betraf, die später zur Konkursmasse gehörten. Die Bestrafung der bestandsbezogenen Handlungen diente demnach offenbar dem materiellen Verwertungs-/Befriedigungsinteresse der Gläubiger. Mit sachlichem Zusammenhang könnte daher gemeint sein, dass sich die bestandsbezogene Handlung des Täters und die eingetretene Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung auf dieselbe Sache (denselben Gegenstand), nämlich auf die zur Befriedigung der Gläubiger vorhandene Aktivmasse (die Konkursmasse), beziehen musste. Dies bedeutet aber zugleich, dass das RG auch hier eine konkrete Benachteiligung der Gläubiger verlangte.

c) Der „tatsächliche“ Zusammenhang als restringierendes teleologisches Korrektiv?

43

Die Analyse der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zeigt, dass es dem Reichsgericht in allen zu entscheidenden Fällen um die Frage ging, ob das Verhalten des Schuldners im konkreten Einzelfall bestraft werden soll. Allgemein hängt diese Frage davon ab, ob der Schuldner durch sein Verhalten die Tatbestandsmerkmale eines Strafgesetzes verwirklicht hat.[108] Die Subsumtion unter den zugrundeliegenden Rechtssatz (in der Regel § 210 KO) bereitete jedoch zunächst keine Schwierigkeiten. Bereits die Koexistenz von schuldhafter Bankrotthandlung und tatsächlichem Konkurseintritt eröffneten nach dem Wortlaut der Norm eine Bestrafung des Täters. Die Entscheidungsgründe der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zeigen jedoch, dass die Rechtsbegriffe des Bankrotttatbestandes nicht allein in ihrem grammatikalischen Sinne gedeutet wurden.[109] Obwohl das Geschehene unter den Tatbestand fiel, sollte die Rechtsfolge nicht eintreten, weshalb der Tatbestand mit einem zusätzlichen Unrechtsmerkmal „aufgefüllt“ wurde. Bei der Frage, ob die vom Schuldner vorgenommene Handlung und sein Konkurseintritt strafbarbedürftig sind, stellte das RG maßgeblich auf die konkrete Beeinträchtigung oder Gefährdung der Gläubiger im Einzelfall ab, was einige Passagen belegen:



44

Diese Passagen belegen, dass das RG die Bestrafung des Bankrotttäters davon abhängig machte, ob eine Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen oder der Vermögensansprüche der Gläubiger im Einzelfall vorlag. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers wurde diese konkrete Auswirkung der Bankrotthandlung jedoch gerade vermutet bzw. unterstellt. Entsprechend der Deliktsstruktur der Konkursstrafbestimmungen fehlte gerade ein tatbestandlicher Rechtsgutsbezug, der bei Erfolgsdelikten durch das Erfolgsunrecht normiert wird. Diesen Umstand korrigierte das Reichsgericht mittels Auslegung, indem der fehlende tatbestandliche Rechtsgutsbezug über den „tatsächlichen Zusammenhang“ hergestellt wurde. Die Pönalisierung eines bloßen Verhaltens ohne unmittelbaren (kausalen) Schädigungserfolg erschien unangemessen. Das Unrecht der Tat wurde damit eindeutig erfolgsorientiert interpretiert. Ein Täter, der die Bankrotthandlung schuldhaft vornahm und bei dem Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung auch tatsächlich eingetreten sind, wurde nur dann bestraft, wenn zusätzlich ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen Handlung und Beeinträchtigung der Interessen, Rechte, oder Positionen der Konkursgläubiger (verkörpert durch Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung) feststellbar war. Das durch Subsumtion unter den Normtext gefundene Ergebnis wurde im Wege einer ergänzenden, teleologischen Auslegung modifiziert, so dass eine Bestrafung des Täters nach § 210 KO von einer „irgendwie gearteten konkreten Gläubigergefährdung“ abhing. Diese Interpretation des Reichsgerichts impliziert jedoch im Mindestmaß einen Kausalzusammenhang zwischen Handlung und konkreter Gefährdung/Beeinträchtigung. Das Reichsgericht stellte dabei wahlweise auf die Interessen, das Vermögen, die Vermögensrechte oder die Forderungsrechte der Konkursgläubiger ab. Je nach Schutzobjekt erschien das Verletzbarkeitskriterium jedoch als überaus schwierig. Um die Grenzen des Wortlauts nicht zu überdehnen, wurde stattdessen darauf verwiesen, dass ein Kausalzusammenhang gerade nicht erforderlich sein soll. Diese formale Feststellung führt jedoch insgesamt zu einer inkonsistenten Interpretation, da das Reichsgericht im Kern einen Kausalzusammenhang prüfte und diesen lediglich umetikettierte. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Geltungsbereich der Konkursordnung hatte damit die Aufgabe eine gesetzlich nicht fixierte Beziehung des Täterverhaltens zur Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts herzustellen. Der „tatsächliche Zusammenhang“ umschrieb damit im Kern den Zusammenhang zwischen Handlung und Rechtsgutsbeeinträchtigung bzw. Rechtsgutsgefährdung. Dafür spricht auch, dass das RG bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Merkmale des Relativsatzes als Tatbestandsmerkmal eingeordnet hat.[117] Die Tatsache, dass der Zusammenhang nur ein Platzhalter war, birgt heute wie damals die Gefahr von Fehlinterpretationen, was eine Gefahr für Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit impliziert. Insbesondere das Verschleiern seiner wahren Bedeutung führte in der Folgezeit zu erheblichen Fehlinterpretationen und Anschlussproblemen.

Teil 1 Die dogmengeschichtliche Entwicklung › A. Der „tatsächliche Zusammenhang“ im Geltungsbereich der Konkursordnung › III. Der „tatsächliche Zusammenhang“ in der Interpretation durch das konkursstrafrechtliche Schrifttum: Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg?