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Corona Magazine #353: April 2020

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Aus der Reihe: Corona Magazine #353
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Im Gespräch mit John G. Hertzler – »Die gesamte Zeit am Set war ein einziges Highlight für mich.«

von Reinhard Prahl

In nicht weniger als 26 Episoden der Kult-Serie Star Trek: Deep Space Nine verkörperte der US-amerikanische Schauspieler John G. Hertzler den Klingonen Martok. Bereits bei seinem ersten Auftritt in The Way of the Warrior (Der Weg des Kriegers) gelang es dem sympathischen Schauspieler aus Savannah in Georgia, die Herzen der Fans für sich zu gewinnen. Von der vierten bis zur siebten Staffel prägte er gemeinsam mit Michael Dorn alias Worf das Bild des ehrenhaften, mutigen und loyalen Kriegers wie kaum ein anderer Darsteller. Im Gespräch mit unserem Redakteur Reinhard Prahl teilt Hertzler seine Erinnerungen vom Set und erzählt davon, wie sehr Martok sein Leben bereichert hat.

Reinhard Prahl (RP):

Hallo John. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Lass uns zunächst ein wenig über Martok reden. Was hat dich am meisten an ihm beeindruckt?

Hertzler:

Spontan? Seine Tapferkeit, seine Loyalität und sein Respekt gegenüber dem schweren Amt eines Anführers. Außerdem mag ich Martoks Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und etwas Neues zu wagen. Martok ist anders als der typische Klingone, dem nichts mehr bedeutet, als im Kampf zu sterben. Er ist seinen Freunden gegenüber loyal, auch wenn diese nicht unbedingt das Idealbild eines Klingonen entsprechen.

RP:

Gibt es für dich den einen unvergesslichen Martok-Moment?

Hertzler:

Den gibt es. Es ist eine kleine Szene mit Michael Dorn aus der Folge Soldiers of Empire (Martoks Ehre). Wir sind auf dem Weg ins Jem’Hadar-Gebiet, und Worf und ich haben eine Besprechung in meinem Bereitschaftsraum auf der Rotarran. Worf hält eine kurze Rede, ich antworte, entlasse ihn und kehre dann an meinen Schreibtisch zurück. Doch Worf bleibt genau dort stehen, wo er gerade ist und sagt kein Wort. Schließlich schaue ich auf, und unsere Blicke treffen sich. Dann sage ich noch einmal, etwas lauter als vorher: »Wegtreten!«, und arbeite weiter. Martoks fragender Klang in der Stimme und der – nicht verstehen könnende – Blick auf Worfs Gesicht ist für mich als Schauspieler einer der wenigen wirklich spontanen und ehrlichen Momente Martoks in der Show.

Ich mache meinen Job nun bereits seit 50 Jahren. Schauspieler arbeiten eigentlich so gut wie immer auf mehreren Realitätsebenen, nämlich im Dialog und im Subtext der jeweiligen Szene, die das Verhältnis von Schauspieler zu Schauspieler und Figur zu Figur widerspiegelt. Unerwartete Momente, auf die man nur mit vollständiger Ehrlichkeit reagieren kann, sind selten und in meinem Handwerk etwas ganz Besonders. Diese Szene mit Worf war einer dieser wundervollen Momente.

RP:

Wie hast du deine Zeit am Set von Deep Space Nine in Erinnerung? Gibt es vielleicht eine kleine Anekdote, die uns erzählen möchtest?

Hertzler:

Die gesamte Zeit am Set von DS9 war ein einziges Highlight für mich. Ich liebe die Schauspielerei, und ich liebe Science Fiction. Und ich liebe Ideen! Ich mag das Arbeiten mit talentierten Kollegen und Freunden, um etwas Wundervolles zu erschaffen. Das ist wohl auch der Grund, warum ich dem Sport so sehr zugeneigt bin. Man spielt, siegt, oder verliert im Team, ist involviert und ergriffen. Was kann schöner sein als das? Sich am Lächeln eines Teamkameraden zu erfreuen, den Sieg gemeinsam zu feiern, das bin ich!

In Bezug auf das oben Gesagte ist es das Wichtigste für einen Schauspieler überhaupt, dass jeder am Set den bestmöglichen Job abliefert. Du willst deine Freunde nicht hängenlassen, so einfach ist das. So machen einem auch die langen Tage weniger aus. Wir haben oft 18 Stunden am Tag gearbeitet. Und hier kommt nun die von dir erbetene Anekdote (lacht). Eine Szene spielte in einem Gefängnis, in dem Garaks Vater im Sterben lag. Die Zelle war dunkel, und die meisten von uns saßen oder lagen in der Gegend herum, während Garak einen sehr langen und leidenschaftlichen Monolog hielt. Ich saß zuerst und lehnte mich dann an der Wand an. Da das Höhlenset, in dem ich wartete, sehr dunkel und relativ ruhig war, schlief ich schließlich auf einem Bett ein, während Garak seinem Vater etwas zuflüsterte. Das nächste, woran ich mich erinnere, ist Andrew J. Robinsons Garak-Gesicht einige Zentimeter von meinem entfernt. Seine Augen blitzten wie Dolche, und er sagte sehr sanft: »JG, lass mich nur einmal meinen Text zu Ende sprechen, BITTE!«

Offensichtlich war ich eingeschlafen und habe auch noch laut geschnarcht. Ich war beschämt, weil ich sie alle im Stich gelassen hatte. Es war 02:00 Uhr morgens. Alle waren todmüde und wollten nur noch diese eine Szene in den Kasten kriegen, um endlich nach Hause zu kommen. Ich war wirklich am Boden zerstört und dachte, das wäre es jetzt für mich gewesen. Glücklicherweise waren die Produzenten aber sehr verständnisvoll, und Martok bekam seine Chance auf eine Rehabilitation. Es war eben ein langer Tag gewesen.

RP:

2003 hast du Martoks Weg als Kanzler im zweiteiligen Roman The Left Hand of Destiny weitererzählt. Wie kam es dazu, und worum geht es in der Geschichte?

Hertzler:

Einige Jahre nach dem Ende von Deep Space Nine fragte man mich, ob ich Interesse hätte, für Simon & Schuster einen Star Trek-Roman zu schreiben. Mein Co-Autor Jeffrey Lang und ich verfassten darauf hin The Left Hand of Destiny. Die Geschichte setzt direkt nach dem Ende des Dominion-Krieges an, als Martok nach Q’onos zurückkehrt. Er muss sich einem Militärputsch stellen, der von einem korrupten und machthungrigen Klingonen angeführt wird. Die Geschichte beginnt mit einer Traumsequenz, die Martok erneut mit Gowrons Tod konfrontiert. Der Hohe Rat ist aufgebracht und zwingt ihn in eine Situation, die der König Arthurs, als er gegen Mordred ins Feld zog, nicht unähnlich ist. Nur mit der Hilfe des jungen Ferengi Phar (der dem unvergesslichen Nog meines lieben Freundes Aron Eisenberg nachempfunden ist) und der Unterstützung von Ezri Dax, Worf und einem Großteil der Besatzung von DS9 gelingt es, den entfesselten Armeen seines Gegners standzuhalten. Der Zweiteiler ist klasse geworden und ein Fest für jeden Klingonen-Fan.

RP:

Du bist seit 1993 ein fester Bestandteil der Star Trek-Welt und in drei TV-Serien und fünf Videospielen zu sehen und zu hören. Wird deine Rolle in Axanar, sollte der Film je erscheinen, der letzte Auftritt bei Star Trek sein, oder könntest du dir einen Cameo-Auftritt in einer der neuen Serien vorstellen?

Hertzler:

Ich würde es natürlich lieben, in Star Trek: Discovery oder Star Trek: Picard mit dabei zu sein. Am meisten würde ich mich aber darüber freuen, in The Orville eine Rolle annehmen zu dürfen. Ich schaue Picard jede Woche, sobald die neue Folge online ist, finde den Plot aber aus unerfindlichen Gründen sehr verwirrend. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum, es ist mehr ein Gefühl. Einige der Dialoge sind mir vielleicht zu sehr in der heutigen Umgangssprache verortet als in der typischen Star Trek-Syntax, die eine uneingeschränkte Teilhabe an der fiktiven Zukunft der Figuren ermöglicht. Ich weiß es einfach nicht genau. Ich liege möglicherweise komplett falsch, aber irgendwas verhindert, dass ich einen wirklichen Zugang zu den Figuren finde. Sir Patrick Stewart ist einer meiner größten Schauspielhelden, doch selbst er kommt mir seltsam deplatziert vor. Es mag daran liegen, dass er gleichzeitig auch als Executive Producer fungiert und Jean-Luc Picard deshalb mehr von außen betrachtet. Das macht es mir etwas schwer, an seine Vorgehensweise, oder noch wichtiger, seine Reaktionen auf bestimmte Ereignisse zu glauben. Wie auch immer. Ich bin und bleibe ein riesiger Star Trek-Fan und werde weiter zuschauen und mich auf jede neue Folge freuen.

The Orville ist da im guten alten Star Trek-Sinne etwas einfacher gestrickt. Die Folgen haben alles: tolle Figuren, ein Motiv, Action und ein Hindernis, das es zu überwinden gilt. Hinzu kommt ein feiner Sinn für Humor. Außerdem finde ich die KRILL und ihre coolen Raumschiffe einfach klasse!

RP:

Das Star Trek-Franchise wächst gerade stark. Derzeit laufen zwei Serien mehr oder weniger gleichzeitig, und mindestens vier weitere befinden sich in der Mache. Du bist ja ebenfalls Drehbuchautor. Wenn du also eine neue Serie entwickeln dürftest, was wäre das Thema?

Hertzler:

In der DS9-Episode Far Beyond the Stars (Jenseits der Sterne), die von Marc Zicree geschrieben wurde, spielte ich den Pulp-Magazin-Illustrator Roy Rittenhouse. Mein Job beim Magazin war das Zeichnen von Storyboards zu Ideen und Geschichten, die die Autoren sich ausgedacht hatten. Ich habe diese Rolle geliebt. Ich fand die gesamte Idee der Folge einfach genial. Meiner Meinung nach bildet Far Beyond the Stars die perfekte Grundlage für eine sehr, sehr erfolgreiche Serie mit fast unbegrenzten kreativen Möglichkeiten. Man kann sich kaum vorstellen, welches enorme Potenzial an Science Fiction-Themen in so einer Serie stecken könnte. Von den ersten intelligenten Lebewesen des Universums bis in die entfernteste Zukunft wäre alles denkbar, fast so wie in den Pulp-Magazinen der 30er bis 50er Jahre. Falls irgendjemand da draußen Lust hat, die Idee mit mir umsetzen, ruft mich an!

 

RP:

Letzte Frage: Deine Fans würden dich gerne wieder einmal in Deutschland treffen, vorzugsweise zusammen mit Robert O’Reilly. Eure gemeinsamen Panels sind legendär. Hast du in dieser Hinsicht irgendwelche Pläne für die nähere Zukunft?

Hertzler:

Ich hoffe doch sehr, dass Robert und ich bald wieder in Deutschland sind. Für dieses Jahr sind bisher noch keine Verträge unterzeichnet und von einer internationalen Krise gezeichnet. Aber das Jahr ist noch jung, wer weiß? Seit ich vor ungefähr 20 Jahren meine ersten Conventions in Bremen, Berlin und Goslar besucht habe, liebe ich meine Auftritte in Deutschland. Im Laufe der Jahre habe ich viele Menschen kennengelernt und auch einige Freunde gefunden. Mir liegen also die deutschen Star Trek-Fans sehr am Herzen, vor allem die Klingonen unter ihnen. Auch meine späteren Conventions in Bonn, Düsseldorf und Stuttgart waren klasse. Mein Name stammt ja aus dem Deutschen, daher ist ein Besuch in Deutschland für mich immer ein wenig wie nach Hause kommen, vor allem, wenn ich im Harz oder Schwarzwald bin. Also ja, ich würde sehr gerne kommen!

Vielen Dank für das tolle Gespräch und bis bald in Deutschland, John.

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Phantastisches Sehen

Ressortleiterin Bettina Petrik

Perlentaucher: American Horror Story, Teil 2

von Thorsten Walch

Nachdem in der vorhergehenden Ausgabe des Corona Magazine die Staffeln 1 bis 4 der erfolgreichen Horror-Anthologienserie behandelt wurden, werfen wir diesmal einen Blick auf die Staffeln 5 bis 9, wobei Letztere die bislang aktuellste Season ist.

Ungewöhnliche unheimliche Geschichten

Staffel 5 von 2015 mit dem Untertitel Hotel wartete mit einer echten Überraschung für die Fans auf: Da Hollywood-Veteranin Jessica Lange ihre feste Mitwirkung im Ensemblestab der Serie beendet hatte, rückte für sie keine Geringere nach als Lady Gaga höchstpersönlich. Die exzentrische Pop-Sängerin (mit bürgerlichem Namen übrigens Stefani Joanne Angelina Germanotta) war im Lauf ihrer kunterbunten Karriere schon mehrmals in Fernsehserien und Kinofilmen aufgetreten, darunter als seinerzeit 15-jährige in Die Sopranos (2001), eine Sprechrolle in Die Simpsons (2012, als sie selbst) sowie in Men In Black 3 (2012) und Machete Kills (2013). Obwohl einerseits schon im Vorfeld angekündigt wurde, dass Lady Gagas Rolle in der neuen Staffel recht erotisch gefärbt ausfallen würde, wurde andererseits erklärt, dass die zeigefreudige Sängerin dennoch lediglich eine größere Nebenrolle verkörpere. Wie sich erwies, handelte es sich um die der unsterblichen Vampirgräfin Elizabeth Johnson. Zwei weitere Neuzugänge waren der unter anderem aus Underworld: Awakening (2011) und Die Tribute von Panem – The Hunger Games (2012) bekannte Wes Bentley, der den labilen Polizisten John Lowe spielen sollte, sowie Cheyenne Jackson (30 Rock, 2009 –2013) als großspuriger Will Drake. Die restlichen Rollen gingen an den bekannten Serien-Cast um Kathy Bates, Sarah Paulson, Matt Bomer, Evan Peters, Angela Bassett und Chloë Sevigny. Eine der schillerndsten Rollen fiel diesmal an Denis O’Hare, der bisher vorwiegend schmierige Bösewichter gespielt hatte: Er verkörperte die transsexuelle Liz Taylor und legte damit zweifellos eine der brillantesten schauspielerischen Leistungen seiner Karriere aufs Parkett. In der Handlung ging es um das Hotel Cortez, das in den 20er Jahren von dem Jungunternehmer James Patrick March eröffnet wurde, der eine finstere Zweitidentität als Serienkiller hatte. Wohl darum ist das Cortez ein ausgesprochenes Spukhaus, in dem sich gleichermaßen düstere wie skurrile Gestalten tummeln, wie etwa »Gräfin« Elizabeth Johnson (Gaga), einst eine berühmte Adlige, die zur Vampirin wurde, und ihr Liebhaber Donovan (Bomer). Oder aber die dauerdeprimierte Sally McKenna (Paulson), die eine ebenso mörderische Vergangenheit hat wie Empfangsdame Iris (Bates) und Barkeeperin Liz (O’Hare). Bei alledem jedoch sind die Bewohner und Dauergäste des Hotels in geheimnisvoller Weise miteinander verbunden. In dieses Szenario hinein gerät Polizeioffizier Lowe (Bentley), der sich gerade von seiner Frau getrennt hat und im Zuge seiner Mord-Ermittlungen im Cortez eincheckt. Hier kommt er unter anderem dahinter, dass sein verschollener kleiner Sohn Holden (Lennon Henry), dessen Verschwinden das Ende seiner Ehe besiegelte, allem Anschein nach in der Gewalt der Gräfin noch immer am Leben ist. Obwohl die Story von Hotel reichlich verwickelt und verstrickt daherkam, wobei sie sich ähnlich brutal wie Freak Show im Jahr davor präsentierte, wurde die Staffel ein großer Publikumserfolg. Dies lag unter anderem sicher auch an prominenten Gaststars wie Supermodel Naomi Campbell, die ein Cameo in der Serie hatte. Auch Hotel gehört zu den Lieblingsstaffeln vieler Fans der Serie.

Anders verhält es sich jedoch mit der Nachfolgestaffel Roanoke, welche 2016 herauskam: Sie wird von nicht wenigen Fans der Serie als bislang schwächste Staffel von American Horror Story angesehen.

Der Erzählstil von Roanoke wich erheblich von dem der vorherigen Staffel ab, womit man vermutlich frischen Wind in die Serie zu bringen versuchte, doch die Sache ging nicht auf. An bereits bekannten Darstellern waren erneut Kathy Bates, Sarah Paulson, Lily Rabe (die in Hotel nur einen Gastauftritt gehabt hatte), Denis O’Hare, Evan Peters, Frances Conroy, Taissa Farmiga, Finn Wittrock und Angela Bassett mit dabei. Neuzugänge waren André Holland (Moonlight, 2016) und Hollywood-Star Cuba Gooding Jr. (bekannt aus Der Butler, 2013, und Selma, 2014), ferner wurde angekündigt, dass auch Lady Gaga, Wes Bentley und Cheyenne Jackson wieder mit dabei sein würden. Diese hatten jedoch allesamt nur kleine Rollen. Diesmal ging es um die Reality-Serie My Roanoke Nightmare, in der das Ehepaar Shelby (Lily Rabe) und Matt Miller (André Holland) in Interviews über schreckliche Erlebnisse in der (real existierenden) sagenumwobenen Kolonie Roanoke sprechen, in der im 16. Jahrhundert eine große Gruppe Siedler spurlos verschwand. In Rückblenden, in denen die Millers TV-gerecht von den Schauspielern Dominic Banks (Gooding) und Audrey Tindall (Paulson) verkörpert werden, erzählen sie, wie sie es mit einer alteingesessenen mörderischen Hillbilly-Sippe namens »The Polk Family« unter Leitung der irren Mama Polk (Conroy in den Filmsequenzen, Robin Weigert als reale Person) zu tun bekommen und dabei beinahe ihr Leben verlieren. Da die Reality-Show ein riesiger Fernseherfolg wird, beschließt Produzent James (Jackson), eine zweite Staffel an Originalschauplätzen zu drehen. Dort jedoch lauern die Geister der Vergangenheit, und es kommt zu einem durch und durch splatterigen Spektakel, das manchem ultrabrutalen Indexstreifen ernstliche Konkurrenz bereiten könnte. Dies mag die Staffel für Freunde solcherart gestrickter Unterhaltung sicherlich interessant machen, doch im Kontext der eher auf Skurrilität ausgerichteten Serie sticht Roanoke durch ihre verwirrende, am Ende permanent zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und herspringende Handlung eher unangenehm hervor, obwohl auch sie (vermutlich wegen des schon angesprochenen Gore-Faktors) hervorragende Einschaltquoten verzeichnen konnte.

Zurück zu den Wurzeln

Zumindest stilistisch eher althergebracht präsentierte sich Staffel 7 mit dem Titel Cult, obwohl auch sie im Nachgang aus Gründen viele Fans nicht recht zu überzeugen verstand. Im Gegensatz zum vielköpfigen Darsteller-Ensemble in Roanoke gab es diesmal mit Sarah Paulson, Evan Peters, Cheyenne Jackson sowie den beiden Neuzugängen Billie Lourd und Alison Pill nur fünf Hauptdarsteller. Billie Lourd ist übrigens die Tochter der 2016 verstorbenen Carrie Fisher (bekannt als Prinzessin Leia Organa in Star Wars) und wirkte in der kleinen Rolle der Lieutenant Connix in den drei letzten Filmen der Saga auch selbst mit. Alison Pill hingegen war in der zurückliegenden ersten Staffel von Star Trek: Picard als Dr. Agnes Jurati zu sehen. Andere Schauspieler des gewohnten Casts wie Leslie Grossman, Emma Roberts und Frances Conroy spielten lediglich Nebenrollen. In einer weiteren Nebenrolle wirkte ferner in seiner ersten größeren Rolle Chaz Bono mit, Ex-Tochter und jetziger Sohn der bekannten Sängerin Cher.

Diesmal setzte sich eine Gruppe von Leuten in der (fiktiven) US-Kleinstadt Brookfield Heights kurz nach der Wahl von Donald Trump als neuem Präsidenten mit den Konsequenzen dieses Geschehens auseinander. Darunter befinden sich auch das gleichgeschlechtliche Ehepaar Allyson (Paulson) und Ivy Mayfair-Richards (Pill), die sich vor Repressalien unter der neuen politischen Führung fürchten, sowie der unbedarfte Gary Longstreet (Bono), der die Wahl begrüßt. Der hochintelligente, aber psychopathische Trump-Fan Kai Anderson (Peters) hingegen nimmt die Wahl zum Anlass, um einen mörderischen Kult zu gründen, der nach dem Vorbild der von ihm verehrten Sektenführer Jim Jones, David Koresh und Charles Manson (die Peters allesamt in Rückblenden auch darstellt) blutige Jagd auf Gegner seiner bizarren Überzeugungen macht. Obwohl auch die Gangart von Cult sicherlich nichts für zartbesaitete Gemüter war, konnte sie in dieser Hinsicht nicht an Roanoke heranreichen. Der eigentliche Kritikpunkt vieler Fans, darunter auch der Verfasser dieses Artikels, lag jedoch in der ziemlich deutlichen Anlehnung an die The Purge-Filmreihe, was je nachdem mal mehr, mal weniger gelungen daherkam. Dennoch war Cult eine mit Abstand bessere Staffel als die eher misslungene vorherige.

Neue Höhen

Über die nächste Staffel, die unter dem Titel Apocalypse angekündigt wurde, rankten sich anfangs unterschiedlichste Gerüchte. Die neue Staffel, so hieß es, sollte ein Science Fiction-Setting erhalten und im Weltraum auf einer Raumstation spielen, wohin sich die letzten Menschen nach dem Ende allen Lebens auf der Erde geflüchtet hatten. Ob dergleichen geplant war oder nicht, lässt sich nicht ermitteln, doch war die Staffel letztlich tatsächlich in der Endzeit angesiedelt. Als Besonderheit sollte Apocalypse nach Freak Show (Staffel 4) ein weiteres Mal ein Crossover mit anderen Staffeln von American Horror Story bilden, und zwar mit Murder House (Staffel 1) sowie Coven (Staffel 3). Sarah Paulson, Evan Peters, Kathy Bates, Cheyenne Jackson, Adina Porter, Leslie Grossman und Emma Roberts waren allesamt wieder seitens des Ensemblecasts vertreten. Diesem gehörte von da an auch Billie Lourd aus Cult an, während sich Alison Pill anderen Projekten widmete. Ein weiterer Neuzugang war Cody Fern, den man aus TV-Serien wie der AHS-Schwesterserie American Crime Story und House Of Cards (beides 2018) kannte. Für das Crossover mit Murder House und Coven würden ferner Connie Britton und Dylan McDermott aus Staffel 1, außerdem Angela Bassett, Jamie Brewer, Frances Conroy, Taissa Farmiga, Gabourey Sidibe und Lance Reddick aus Staffel 3 für Gastauftritte wieder mit von der Partie sein. Besondere Schmankerl gab es ebenfalls: So hatte sich Jessica Lange zu einem Gastauftritt als Constance Langdon aus Staffel 1 bereiterklärt, außerdem Rock-Ikone Stevie Nicks, die ihr Cameo in Coven als sie selbst in Apocalypse wiederholen würde. Als Special Guest Star gewann man die 1933 geborene und während der Dreharbeiten mithin bereits 85-jährige Joan Collins, die in der Rolle der zynischen Evie Gallant zu sehen sein sollte. Trekkies kennen Joan Collins als Edith Keeler aus der Episode Griff in die Geschichte (1966) der klassischen Star-Trek-Originalserie, während sie zwischen 1981 und 1989 als biestige Alexis Carrington-Colby in der Serie Der Denver-Clan allgemeine Berühmtheit erlangt hatte. Für eine Dame ihres Alters legte Joan Collins in Apocalypse eine bemerkenswerte körperliche Fitness an den Tag.

 

In Apocalypse findet eine Gruppe höchst unterschiedlicher Charaktere nach einem Atomkrieg Zuflucht in einem Hochsicherheitsbunker, unter anderem die überdrehte Coco St. Pierre Vanderbild (Grossman), der schnöselige Gallant (Peters), dessen Mutter Evie (Collins) sowie die devote Mallory (Lourd). Die Bunkergemeinschaft steht unter der Leitung der strengen Ms. Wilhelmina Venable (Paulson) und ihrer toughen Helferin Ms. Mead (Bates). Lange können sich die Überlebenden nicht an ihrem Glück erfreuen: Ein geheimnisvoller Mörder in einem schwarzen BDSM-Latexanzug reduziert ihre Zahl, und anscheinend ist der Antichrist höchstpersönlich – in Gestalt von Michael Langdon (Fern) – ebenfalls in den Bunker gelangt. Des Rätsels Lösung scheint in der Vergangenheit zu liegen und mit dem besagten »Mord-Haus« und dem Hexenzirkel von Cordelia Goode verknüpft zu sein …

Apocalypse steht auf der Hitliste der Lieblingsstaffeln von Fans der Serie ziemlich weit oben. Gründe dafür sind neben besagten Reminiszenzen zu den Staffeln 1 und 3 sicherlich auch die zahlreichen Anspielungen auf berühmte Horrorfilm-Klassiker. So ist Joan Collins etwa in einer kompletten zeitgemäßen Neuverfilmung ihrer berühmten Szene in dem Episoden-Horrorfilm Tales From The Crypt – Gruft des Schreckens (1972) zu sehen, wobei erneut die bemerkenswerte körperliche Konstitution des Altstars hervorzuheben ist.

Zurück in die 80er

1984 lautete schließlich der angekündigte Titel der 9. und bislang aktuellsten Staffel von American Horror Story. Nach der US-Premiere im September 2019 war sie hierzulande, so wie auch alle vorherigen Staffeln, ab November beim Bezahlsender FOX zu sehen.

Da 1984 als Hommage an die berühmt-berüchtigten Teenie-Horrorfilme der 80er und 90er Jahre wie A Nightmare On Elm Street (1984) oder auch Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast (1997) gedacht war und aus vorwiegend jugendlicher Perspektive spielen sollte, standen großteils die Jung-Darsteller des Ensemblecasts von AHS im Vordergrund: Emma Roberts, Billie Lourd, erneut Cody Fern sowie Finn Wittrock. Während Sarah Paulson und Evan Peters in 1984 pausierten, waren außerdem Lily Rabe, Dylan McDermott, Leslie Grossman sowie John Carrol Lynch zu sehen, der in Freak Show den unglücklichen Killerclown Twisty gespielt hatte. Gaststars waren unter anderem Zach Villa, bekannt durch Gastauftritte in Navy CIS: L.A. (2013) und The Expanse (2018), der den (real existierenden!) Serienmörder Richard »Nightstalker« Ramirez spielen sollte, die aus der Serie Pose (seit 2018) bekannte Angelica Ross sowie der Freestyle-Skifahrer Gus Kenworthy, der auch schon in TV-Serien zu sehen gewesen war. Da die insgesamt 100. Episode von American Horror Story während 1984 gesendet wurde, erhielt diese prompt den schlichten Titel Episode 100.

1984 handelt von der jungen Brooke (Roberts), die nach einer beinahe tödlich verlaufenen Begegnung mit dem Serienmörder Nightstalker (Villa) Zuflucht als Betreuerin im Sommer-Ferienlager Camp Redwood sucht. Dieses war vor Jahren Schauplatz fürchterlicher Geschehnisse, als der Hausmeister Benjamin Richter, genannt Mr. Jingles (Lynch) dem Wahnsinn anheimfiel und mehrere Jugendliche ermordete. Seitdem lebt er in einer forensischen Strafanstalt. Die gottesfürchtige Margaret Booth (Grossman) hat Camp Redwood inzwischen neu eröffnet, und Brooke trifft auf ihre neuen Kollegen, darunter Rita (Ross), Xavier (Fern), Montana (Lourd) und Chet (Kenworthy). Es kommt, wie es kommen muss: Mr. Jingles kann aus der Klapse fliehen und kehrt nach Camp Redwood zurück. Doch auch Nightstalker Richard Ramirez ist nicht gewillt, sein potentielles Opfer entkommen zu lassen, also macht er sich ebenfalls auf den Weg in das Sommercamp …

1984 gestaltet sich nach dem erstklassigen Apocalypse eher mittelmäßig. Nach einem gelungenen Auftakt verliert sich die Staffel zunehmend in Ungereimtheiten aller Art, und gleich mehrmals tritt die Handlung unangenehm auf der Stelle, während einige Pointen einfach zu früh und andere erst dann eingesetzt werden, wenn jeder halbwegs aufmerksame Zuschauer schon selbst darauf gekommen sein müsste. Ebenfalls eher unnötig ist eine Reihe von Teaser-Trailern, die an Filme wie Halloween (1978) oder Freitag der 13. (1980) angelehnt sind, deren Szenen in der Serie aber nicht zu sehen sind. Dennoch ist 1984 um Längen besser als das wirre Roanoke von 2016.

Staffel 10: Kevin allein … im dunklen Keller (?)

Ab Herbst 2020 steht die 10. Staffel von American Horror Story an, mindestens drei weitere sollen laut offiziellen Angaben in den Jahren 2021, 2022 und 2023 noch folgen. Zu Staffel 10 ist bisher lediglich bekannt, dass Sarah Paulson wieder in die Serie zurückkehren soll, und auch der Gaststar wurde bereits genannt: Ex-Kinderstar Macaulay Culkin, bis dahin genau 40 Jahre alt, hatte nach dem Erfolg von Filmen wie Kevin – Allein zu Haus (1990) und Kevin – Allein in New York (1992) große Probleme, seine Karriere fortzusetzen. Welche Rolle Culkin in AHS spielen wird, ist bisher noch unbekannt. Die Gerüchteküche jedoch glaubt zu wissen, dass es sich bei Staffel 10 angesichts des Gaststars um eine unheimliche Weihnachtsgeschichte handeln könnte.

Bleiben wir also gespannt!