Arbeitsrecht in der Umstrukturierung

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a) Betriebsbegriff

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In Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH[8] definiert das BAG[9] nunmehr den Betrieb als organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Diese Einheit darf aber nicht nur als bloße Tätigkeit verstanden werden. Es ist vielmehr erforderlich, die identitätsprägende wirtschaftliche Einheit unter Einschluss des Personals, der Arbeitsorganisation, den Betriebsmitteln sowie den Betriebsmethoden zu ermitteln. Hierbei steht die Betrachtung in Wechselwirkung mit der jeweils in der Einheit ausgeübten Tätigkeit.

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So kann bei einer Tätigkeit, die unter Zuhilfenahme vieler Betriebsmittel (sog. betriebsmittelgeprägte Tätigkeiten) erfolgt – wie z.B. ein Produktionsunternehmen – ein stärkerer Fokus auf die Betriebsmittel erforderlich sein als einer Tätigkeit, die betriebsmittelarm – wie z.B. ein Reinigungsunternehmen – erfolgt. Bei diesem ist der Fokus hingegen auf die Arbeitnehmer und deren Know-how zu legen.

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Nach dem Vorgenannten ist ein Betrieb auch von dem Unternehmen abzugrenzen, das einen wirtschaftlichen und nicht einen arbeitstechnischen Zweck verfolgt. Welcher arbeitstechnische Zweck im Betrieb verfolgt wird, ist für die Beurteilung regelmäßig nicht von Belang. Daher können unabhängig vom Wirtschaftszweig auch karitative, erzieherische, künstlerische oder religiöse Einrichtungen wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des Betriebsbegriffs erbringen.[10] Der Begriff der wirtschaftlichen Betätigung ist daher tendenziell weit zu verstehen.

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Davon abzugrenzen sind allerdings rein hoheitliche Tätigkeiten, die keine wirtschaftliche Betätigung darstellen: Die Übertragung einer hoheitlichen Tätigkeit von einem Hoheitsträger auf den anderen stellt daher keinen Betriebsübergang dar.[11] Die Übertragung von Verwaltungsaufgaben fällt daher aus dem Anwendungsbereich des Betriebsübergangs heraus, wenn es sich bei der übertragenen Aufgabe um die Ausübung öffentlicher Gewalt handelt. Dies ist allerdings dann nicht mehr der Fall, wenn der öffentliche Arbeitgeber eine wirtschaftliche Verwaltungsaufgabe auf einen anderen Träger überträgt.[12]

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Unterstützende Aufgaben, die auch ein privater Dritter übernehmen könnte, stellen daher keine hoheitliche Tätigkeit dar. Maßgeblich ist stets die im konkreten Betrieb bzw. Betriebsteil wahrgenommene Aufgabe.

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Für die Einstufung als wirtschaftliche Einheit und damit als Betrieb ist auch keine bestimmte Mindestgröße oder bestimmte Mindestarbeitnehmerzahl erforderlich. Daher kann auch eine von einem Hausmeister betreute fremdgenutzte Wohnanlage mit mehreren Mietwohnungen einen Betrieb darstellen.[13]

b) Betriebsteilbegriff

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Betriebsteile sind Teilorganisationseinheiten des Betriebs. Um die Qualität einer Einheit als Betriebsteils zu bejahen, muss diese eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebs darstellen.[14] In dieser muss innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt werden. Maßgeblich ist damit, dass es sich um eine selbstständige, abtrennbare und veräußerungsfähige Einheit handelt.[15] Indiz für eine solche Abtrennbarkeit ist etwa das Bestehen einer eigenständigen Leitung oder eigenständigen Koordination des Arbeitnehmereinsatzes.[16]

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Damit setzt die Qualifikation als Betriebsteil weiter voraus, dass den übertragenden Betriebsmitteln bereits beim Veräußerer selbst die Qualität eines Betriebsteils zukam.[17] Nur wenn vor einem Übergang überhaupt eine wirtschaftliche Einheit vorlag, stellt sich die Frage der Wahrung der Identität und damit die Frage eines Betriebs(teil)übergangs.[18] Diese Identität muss sodann beim Erwerber – wenigstens durch die Beibehaltung der wesentlichen funktionellen Verknüpfung der Betriebsmittel – erhalten bleiben.[19] Es ist daher zur Begründung eines Betriebsteils nicht ausreichend, wenn zuvor nicht organisatorisch zusammengefasste Einzelgegenstände veräußert werden.[20]

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Beispiel:

Ein einzelner Bus eines Busunternehmers stellt mangels betrieblicher Teilorganisation keinen Betriebsteil dar. Gleiches gilt für die Übernahme von Leiharbeitnehmern eines Zeitarbeitsunternehmens alleine, da die übernommenen Leiharbeitskräfte nicht als organisierte Teileinheit und damit nicht als übergangsfähiger Betriebsteil qualifiziert werden können.[21] Allerdings kann es sich bei einem in Dienst befindlichen Seeschiff eines Seefahrtsunternehmens durchaus um einen Betriebsteil handeln[22], wenn mehrere Betriebsmittel miteinander in organisatorischer Abgrenzung verknüpft und organisatorisch verselbstständigt sind.

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Ohne Relevanz ist, ob der übergegangene Bestandteil des Betriebs selbst am Markt tätig werden kann, also z.B. fremde Aufträge annehmen kann. Gleichfalls ist es nicht schädlich, wenn die abgrenzbare Teileinheit für den Betrieb nur eine völlig untergeordnete Hilfsfunktion[23]hatte oder im Teilbetrieb keine andersartigen Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden.[24]

3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang › II. Tatbestandliche Voraussetzungen › 2. Identitätswahrender Übergang einer wirtschaftlichen Einheit

2. Identitätswahrender Übergang einer wirtschaftlichen Einheit

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Der Betrieb oder Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit muss identitätswahrend auf den Betriebserwerber übergehen. Weder das nationale Gesetzesrecht, noch die europäische Betriebsübergangsrichtlinie präzisieren den Begriff des identitätswahrenden Übergangs allerdings näher.

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Einigkeit besteht zunächst dahingehend, dass die wirtschaftliche Einheit auf Dauer angelegt sein muss, es also nicht genügt, wenn sich die wahrgenommene Tätigkeit nur auf die Ausführung eines einzelnen Vorhabens beschränkt.[25]

25

Auch ist anerkannt, dass der neue Inhaber unter Wahrung der Betriebs(teil)identität an die Stelle des Veräußerers treten muss. Hierfür ist der tatsächliche Übergang einschließlich Nutzung der wesentlichen Betriebsmittel entscheidend.[26]

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Während die Übertragung aller Betriebsmittel eines Betriebs oder eines Betriebsteils hingegen relativ unproblematisch als identitätswahrender Übergang zu qualifizieren ist, bereiten in der Praxis die Konstellationen Abgrenzungsschwierigkeiten, bei denen nur ein Teil der Betriebsmittel übertragen wird.

a) Typologische Begriffsbestimmung und Gesamtbetrachtung

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Nach der Rechtsprechung[27] liegt ein identitätswahrender Übergang dann vor, wenn


entweder der Betrieb(steil) beim Erwerber als organisatorisch selbstständiger Betrieb(steil) fortgeführt wird oder
die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren erhalten bleibt.

b) Sieben-Punkte-Katalog

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Zur Abgrenzung ziehen der EuGH und dem folgend das BAG sieben Kriterien[28] heran, die zur Prüfung des identitätswahrenden Übergangs von Relevanz sind:


Art des Unternehmens
Übergang materieller Aktiva
Wert immaterieller Aktiva
Übernahme von Arbeitnehmern
Übernahme von Kunden
Ähnlichkeit der Tätigkeit
Unterbrechung der Tätigkeit

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Allerdings kommt keinem der vorgenannten Kriterien absolute oder sperrende Wirkung zu. Gleichermaßen verbietet sich eine rein quantitative Betrachtung, wonach es zur Annahme eines Betriebsübergangs etwa genügte, wenn mindestens vier Kriterien für einen Betriebsübergang streiten. Auch variiert die den Kriterien beizumessende Bedeutung je nach Art des Betriebs. Großes Gewicht kommt zudem der stets vorzunehmenden abschließenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu[29], die es der Rechtsprechung ermöglicht, einzelfallbezogene Entscheidungen zu treffen:

„Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Umstände berücksichtigt werden. Diese sind Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und müssen immer auf die Eigenart der zu prüfenden wirtschaftlichen Einheit bezogen werden, sie dürfen nicht isoliert betrachtet werden.“[30]

 

30

Vorteil dieser Handhabe ist zwar die Gewährleistung einer hohen Einzelfallgerechtigkeit, die indes um den Preis genau subsumierbarer tatbestandlicher Kriterien zu Lasten der Rechtssicherheit erkauft ist.

aa) Art des Unternehmens

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Im Rahmen der Betrachtung der betrieblichen Eigenarten wird darauf abgestellt, ob es sich um einen sog. betriebsmittelarmen oder einen betriebsmittelreichen bzw. betriebsmittelgeprägten Betrieb handelt.[31]

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Als betriebsmittelarm gelten solche Betriebe, bei denen die menschliche Arbeitskraft in Form der Kenntnisse der Arbeitnehmer und deren Organisation im Vordergrund stehen und den Kern der Wertschöpfung ausmachen – dies sind z.B. Reinigungsunternehmen, Callcenter oder klassische Dienstleistungsbetriebe.

33

In betriebsmittelreichen oder betriebsmittelgeprägten Betrieben wie z.B. Produktionsbetrieben kommt vornehmlich den materiellen Betriebsmitteln die wertschöpfende Bedeutung zu.

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Wenn nur ein Betriebsteil übertragen wird, so ist dessen Betriebszweck bzw. dessen Prägung als betriebsmittelarm oder betriebsmittelreich maßgeblich.

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Es lässt sich allerdings nicht jeder Betrieb abstrakt branchen- bzw. tätigkeitsbezogen in die beiden vorgenannten Kategorien einordnen. Maßgeblich sind auch hier stets die Umstände des Einzelfalls und der konkreten Betriebsorganisation. So kann etwa ein Logistikunternehmen je nach seiner Ausgestaltung im Einzelfall in beide Kategorien einzuordnen sein.[32]

bb) Übergang materieller Aktiva

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Die für den Betriebszweck charakteristischen Betriebsmittel können materieller und immaterieller Art sein. Zu den übernommenen Betriebsmitteln materieller Art gehören insbesondere Grundstücke, Räumlichkeiten, Maschinen, Werkzeuge oder Rohstoffe.

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Der Erwerber muss kein Eigentum an den auf ihn übertragenden Betriebsmitteln erlangen[33]. Es genügt, wenn dieser die erforderlichen Nutzungs-, Verfügungs- und Entscheidungsbefugnisse an den Gegenständen erhält.[34] Unerheblich ist, ob er diese eigenwirtschaftlich nutzt oder im Auftrag und wirtschaftlichem Interesse eines Dritten.[35] Bei betriebsmittelreichen Betrieben ist der Übergang dieser Betriebsmittel daher für die Qualifizierung als Betriebsübergang ein bedeutsames Indiz.[36]

cc) Wert immaterieller Aktiva

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Zu den immateriellen Betriebsmitteln zählen Lieferverträge, Produktionsverfahren, Know-how, Kundenbeziehungen, Goodwill des Unternehmens, öffentlich-rechtliche Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und die Einführung des Unternehmens auf dem Markt.[37]

39

Diese immateriellen Aktiva spielen bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben die maßgebliche Rolle.

40

Beispiel:

Typische Handels- und Dienstleistungsbetriebe sind nach der Rechtsprechung z.B. Arztpraxen, Callcenter, Handwerksbetriebe, Handelsgeschäfte, Hotelbetriebe, Lager oder Dienstleister wie Rechtsanwaltskanzleien und Steuerberatersozietäten.

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Oftmals besteht das Betriebsvermögen nahezu ausschließlich aus Rechtsbeziehungen, Kundenstamm und -daten, Warenzeichen oder einer bestimmten Geschäftslage. Daher ist bei Betrieben mit längerfristigen Dienst- oder Werkverträgen zur Bejahung eines Betriebsübergangs die Überleitung der Kundenbeziehungen und der Eintritt des Erwerbers in bestehende Kundenverträge wichtiges Beurteilungsindiz.

42

Kein entscheidender Wert kommt hingegen der Übertragung der Büroeinrichtung zu, da diese ohne Weiteres austauschbar und daher nicht identitätsprägend ist.[38]

dd) Übernahme von Arbeitnehmern

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Der Übernahme oder Nicht-Übernahme von Arbeitnehmern kommt beim Betriebsübergang eine zentrale Rolle zu: Zum einen ist der Übergang der Arbeitnehmer die Rechtsfolge eines bestehenden Betriebsübergangs, zum anderen ist die Frage des Übergangs der Arbeitnehmer aber auch tatbestandliche Voraussetzung. Daher kommt nach der neueren Rechtsprechung des BAG[39] in Abkehr seiner vormaligen Rechtsprechung[40] dem etwaigen Übergang von Mitarbeitern im Rahmen des Sieben-Punkte-Katalogs ein gleichwertiger Rang mit Blick auf die anderen Kriterien zu.[41]

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Auch hier kommt es indes maßgeblich darauf an, ob die menschliche Arbeitskraft für den Betrieb in besonderem Maße wertschöpfend und prägend ist, was bei betriebsmittelarmen Betrieben regelmäßig der Fall ist, bei betriebsmittelreichen Betrieben hingegen oftmals nicht.

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Daher kann bei betriebsmittelreichen Betrieben der Erwerber durch die Übernahme der wesentlichen und damit das Gewerbe prägenden Teile der materiellen Aktiva schon einen Betriebsübergang begründen.[42] Steht dieser aufgrund dieses Sachverhalts bereits fest, ist der Übergang der Arbeitnehmer insoweit Rechtsfolge und nicht tatbestandliche Voraussetzung des Betriebsübergangs.

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Der Nichtübernahme von Arbeitnehmern kommt grundsätzlich nur bei betriebsmittelarmen Betrieben eine tatbestandsausschließende indizielle Wirkung zu. Allerdings begründet auch hier die bloße Übernahme von Arbeitnehmern noch keinen Betriebsübergang. Vielmehr kommt es darauf an, dass bei Übernahme einzelner Arbeitnehmer oder der Belegschaft die Identität der wirtschaftlichen Einheit gewahrt bleibt. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber neben der Fortführung der Tätigkeit einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt. Es muss also die Hauptbelegschaft übernommen werden, die der Veräußerer gezielt zur Verrichtung der Tätigkeit eingesetzt hat.[43]

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Welche Anzahl von Arbeitnehmern im Einzelfall hierfür übernommen werden muss um einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil zu übernehmen, hängt wiederum von der Struktur des Betriebs ab.[44]

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Weisen die Arbeitnehmer einen geringeren Qualifikationsgrad auf, ist die Übernahme eines hohen Teils erforderlich, damit ein Fortbestand der vom Veräußerer geschaffenen Arbeitsorganisation angenommen werden kann.[45]

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Beispiel:

Das BAG hat einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil nicht bejaht, wenn bei gering spezialisierten Arbeitnehmern 60 %[46] bzw. zwei Drittel[47] oder drei Viertel[48] der Belegschaft vom Erwerber eingestellt wurden. Bei einer Übernahme von mehr als 85 %[49] den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit bejaht.[50]

50

Kommt es hingegen im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit verstärkt auf Spezialwissen und Qualifikation der Arbeitnehmer an, kann auch die Übernahme der wegen ihrer Sachkunde wesentlichen Arbeitnehmer erheblich für einen Betriebsübergang streiten. Dies wird etwa auch dann angenommen, wenn auch nur ein Arbeitnehmer das Know-how dieses Arbeitgebers verkörpert und nur dieser mit anderen wesentlichen Betriebsmitteln übergegangen ist.[51]

51

Für die Beurteilung der Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils kommt es zudem nicht darauf an, wie diese Übernahme vertraglich ausgestaltet wird[52]. Das Vorliegen von arbeitsvertraglichen Bindungen zum Erwerber ist nicht erforderlich.[53] Es genügt, wenn das in den Arbeitnehmern verkörperte Know-how dem Erwerber weiterhin zur Verfügung steht und von diesem „wie bisher“ genutzt wird.[54]

52

Daher kann auch die Beschäftigung vormaliger Arbeitnehmer des Veräußerers in Form freier Mitarbeiterverträge durch den Erwerber eine Übernahme von Mitarbeitern und somit einen Betriebsübergang begründen.[55] Vorsicht ist ebenfalls bei Übernahme des operativ tätigen Fremdgeschäftsführers geboten, der zwar nicht Arbeitnehmer im Sinne des deutschen Arbeitsrechts ist, dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff indes durchaus unterfällt.[56] Auch der Einsatz der bisher beim Veräußerer beschäftigten, nunmehr bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer beim Veräußerer kann unter Umständen einen Übergang nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Arbeitnehmer darstellen.[57]

53

Damit die Übernahme von Arbeitnehmern den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit begründet, muss dies zudem in Form der Übernahme einer strukturierten bzw. organisierten Gesamtheit erfolgen, damit von einem identitätswahrenden Fortgang gesprochen werden kann.

54

Beispiel:

Die bloße Übernahme der Leiharbeitnehmer eines Zeitarbeitsunternehmens allein ohne weitere Organisation stellt nach dem BAG keinen Übergang einer wirtschaftlichen Einheit dar. Hier fehlt es an einer Verbundenheit der Arbeitnehmer untereinander in Form einer abgrenzbaren Organisationseinheit.[58] Die Einstellung von Arbeitnehmern in einer öffentlichen Verwaltung durch einen neuen Arbeitgeber wurde hingegen vom BAG als Betriebs(teil)übergang qualifiziert, da das Abteilungsgefüge und somit die Verbundenheit der Arbeitnehmer beibehalten wurde.[59]

ee) Übernahme von Kunden

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Der Übernahme von Kunden kommt insbesondere in dienstleistenden Betrieben erhebliche Bedeutung zu. Der Eintritt in Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder die Übernahme der Kundendatenbank sind daher ein erheblicher für einen Betriebsübergang streitender Umstand.

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Abzugrenzen ist ein Betriebsübergang allerdings von einer sog. bloßen Auftragsneuvergabe oder einer Funktionsnachfolge[60], die nicht § 613a BGB unterfallen: Die Übertragung eines Auftrages an einen Dritten ohne Nutzung der vom Vorgänger geschaffenen Arbeitsorganisation stellt keinen Betriebsübergang dar.[61] Der bloße Eintritt eines Unternehmens in die bisherigen Funktionen des Inhabers ohne Übernahme materieller und immaterieller Betriebsmittel oder eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils der Belegschaft erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des Übergangs einer wirtschaftlichen Einheit.[62] Wenn die Auftragsvergabe allerdings mit der Übernahme wesentlicher Betriebsmittel zusammentrifft, kann ein Betriebsübergang vorliegen. Hierbei stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob materielle Betriebsmittel übernommen worden sind, die den Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Zusammenhangs ausmachen.[63]

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Es ist unerheblich, ob der Auftragsübernehmer vom Auftragsgeber gestellte Betriebs- und Arbeitsmittel eigenwirtschaftlich nutzen kann oder gestellt erhält.[64] Ob die Arbeitsmittel durch Dritte mit einer bestimmten Zweckbindung zur Verfügung gestellt werden oder ob der Betriebsinhaber diese Betriebsmittel anderweitig für die eigene Verwendung beschafft hat, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, ob deren Einsatz den Kern des wertschöpfenden Funktionszusammenhangs darstellt und die Arbeitsmittel unentbehrlich zur Verrichtung der Tätigkeit sind.[65]

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Beispiel:

Die Bundesrepublik Deutschland stellt an einem Flughafen Torsonden und Gepäckprüfanlagen zur Durchführung der Fluggastkontrollen, deren Durchführung an das Unternehmen A unter Aufsicht der Bundespolizei vergeben ist. Der zunächst dem Unternehmen A übertragene Auftrag lief aus und wurde an das Unternehmen B vergeben, das die Tätigkeiten mit dem von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellten Gerätschaften übernahm. Nach dem BAG[66] lag hierin ein Betriebsübergang, da die Neuvergabe des Auftrags in Kombination mit der Übernahme des den Kern der Wertschöpfung ausmachenden Kontrollgeräts als Übergang einer wirtschaftlichen Einheit zu qualifizieren sei.

 
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