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d) Data Mining

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Unter Data-Mining wird die systematische Anwendung statistisch-mathematischer Methoden auf einen meist sehr großen Datenbestand verstanden. Der Fokus beim Data-Mining liegt im automatisierten Erkennen neuer Muster, wohingegen bei der klassischen Datenanalyse der Schwerpunkt in der Identifizierung bereits bekannte Muster liegt. Typische Aufgabenstellungen des Data-Mining sind die Identifizierung von ungewöhnlichen Datensätzen (Ausreißer, Fehler, etc.), die Clusteranalyse (Gruppierung von Objekten aufgrund von Ähnlichkeiten) oder die Assoziationsanalyse unter der die Identifizierung von Zusammenhängen und Abhängigkeiten subsumiert wird.

e) Hürden und Grenzen der IT-gestützten Informationsauswertung

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Wie bereits in den obigen Anwendungsbeispielen zur Benford-Analyse erläutert, liefern die Ergebnisse der Massendatenanalyse zunächst nur Hinweise und Indizien, nicht jedoch bereits einen Nachweis für eine dolose Handlung. Um diesen zu erbringen bedarf es weiterer Prüfungshandlungen. Praktisch ergeben sich beim Einsatz von Massendatenanalysen oftmals zusätzliche Schwierigkeiten, die spezifisches IT-Know-How erfordern können.

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Hierzu zählen u.a.:


Schnittstellenmanagement zu Alt-Systemen;
mangelnde Verfügbarkeit von Software oder Hardware für das Auslesen von Daten;
Anwenderwissen für aussortierte Software steht nicht mehr zur Verfügung;
wesentliche Informationen sind nur in Papierform oder handschriftlicher Form vorhanden;

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Der Erfolg des Einsatzes von Massendatenanalysen hängt insbesondere auch von der Qualität der zu Grunde liegenden Datenbasis ab. Wird bspw. die Finanzbuchhaltung hinsichtlich des Merkmals „Buchungstext“ per einfacher Schlagwortsuche analysiert und wurde der Buchungstext nur lückenhaft oder gar nicht gepflegt, führt eine entsprechende Analyse nicht zu verwertbaren Ergebnissen.

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Letztendich bestimmt sich die Relevanz des Einsatzes von Massendatenanalyse-Tools aus der konkreten Aufgabenstellung im Rahmen der internen Ermittlungen. Bei einem großen Volumen an zu verarbeitenden Informationen ist eine wirtschaftliche und zeitnahe Fallbearbeitung ohne Einsatz technischer Hilfsmittel kaum mehr denkbar. So würde selbst der ambitionierteste Ermittler bei einer manuellen Schlagwortsuche im Buchungsstoff bei mehreren Millionen Datensätzen schnell an seine Grenzen stoßen.

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Festzuhalten bleibt jedoch dass die Sachverhaltsaufklärung nicht bereits mit der Durchführung von Datenanalysen abgeschlossen ist. Gerade bei Sachverhaltsaufklärungen, bei denen es auf die wirtschaftliche und juristische Subsumtion ankommt, spielen Datenanalysen tendenziell eher in frühen Projektphasen eine gewichtige Rolle und dienen insbesondere auch der Identifikation und der Verdichtung relevanter Informationen. Bei der Beurteilung, der Einstufung oder der Verknüpfung einer Reihe von Informationen im Rahmen der Conclusio kann eine Software den sachverständigen Ermittler zwar unterstützen, nicht jedoch ersetzen.

3. Durchführung alternativer Prüfungshandlungen

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Alternative Prüfungshandlungen sind Analysehandlungen und Plausibilitätsüberlegungen, mit Hilfe derer das Untersuchungsobjekt aus einer von der ursprünglichen Prüfungshandlung abweichenden Perspektive untersucht wird. Das primäre Ziel alternativer Prüfungshandlungen ist die Gewährleistung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Arbeitsergebnisse, welche einen wichtigen Beitrag zur nochmaligen Validation und Überprüfung der primären Ermittlungsergebnisse leisten können.

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Im Zusammenhang mit der Durchführung von alternativen Prüfungshandlungen werden Arbeitshypothesen und Annahmen formuliert, deren Überprüfung zum annähernd gleichen Ergebnis wie die der primären Prüfungshandlungen führen soll.

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Beispiel:

Das Prüfungsziel besteht in der Ermittlung potentieller „Schmiergeldzahlungen“ an Dritte. Die Analyse der Zahlungsströme eines Unternehmens an einen Lieferanten führte bisher zu einem Zahlungsvolumen von 5 Mio. EUR ausgehend von der Untersuchung der Bankkonten. Als alternative Prüfungshandlungen werden zusätzlich Kreditorenbuchungen bilanzieller Personenkonten analysiert und mit den bereits identifizierten Zahlungen abgestimmt, um mögliche Verschleierungstransaktionen auf anderen Kreditorenkonten zu prüfen. Weiterhin wird mittels Gegenkontenanalyse einschlägiger Aufwandskonten und Lieferantenrechnungen die Vollständigkeit ausgehend von der Gewinn- und Verlustrechnung sichergestellt. Möglich wäre ebenfalls entsprechende Projektkalkulationen auf versteckte oder unplausible Aufwandsposten sowie Forderungen nach Erlösschmälerungen (bspw. Wertberichtigungen) hin zu untersuchen.

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Zu den alternativen Prüfungshandlungen können auch Interviews zählen, welche die Datensammlung und –auswertung qualitativ abrunden und potentielle Beweise zusätzlich validieren.

Anmerkungen

[1]

Töller/Herde WPg 2012, 600.

[2]

Mit ERP (Enterprise-Resource-Planning: Software zur Planung von Unternehmenskapazitäten) wird vereinfachend die betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware im Unternehmen abgekürzt, die sich üblicherweise aus zahlreichen unterschiedlichen Geschäftsanwendungsmodulen zusammensetzt.

[3]

Betriebswirtschaftliche Software der SAP AG, Walldorf.

[4]

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik S. 236.

[5]

Geschonneck S. 87 ff.

[6]

Geschonneck S. 62 ff.

[7]

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik S. 91.

[8]

BMF-Schreiben v. 14.11.2014.

[9]

BMF-Schreiben zur GDPdU v. 16.7.2001.

[10]

Interactive Data Extraction and Analysis, in Deutschland vertrieben von der Firma Audicon GmbH: www.audicon.net.

[11]

Bspw. www.dnbgermany.de.

[12]

Www.hoppenstedt.de.

[13]

Www.creditreform.de.

[14]

Www.genios.de.

[15]

Www.wlw.de.1; hinsichtlich der Problematik des Datenschutzes verweisen wir auf die Ausführungen im 12. Kap.

[16]

Www.acl.com.

[17]

Www.accessdata.com.

[18]

Www.nuix.com.

[19]

IDW PH 9.330.3 Rn. 13.

[20]

IDW PH 9.330.3 Rn. 27.

[21]

IDW PH 9.330.3 Rn. 38.

[22]

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik S. 90.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 6. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherung – Unterlagen und EDV › IV. Ausgewählte Aspekte der Dokumentation des Ermittlungsprozesses

 

IV. Ausgewählte Aspekte der Dokumentation des Ermittlungsprozesses

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Die Dokumentation des Ermittlungsprozesses umfasst grundsätzlich die drei Komponenten Dokumentation des Arbeitsablaufes, Berichtswesen und Dokumentation der Arbeitsergebnisse.[1]

1. Arbeitsablauf

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Die Dokumentation des Arbeitsablaufs („Workflow“) ist zwingend notwendig, um den Ermittlungsprozess für Dritte nachvollziehbar zu erläutern und insbesondere auch die Ermittlungsergebnisse zu reproduzieren. Die Beschreibung des reinen Workflows beinhaltet hierbei die Konzeption des Ermittlungsprozesses im Allgemeinen, meist Aufgabe der Projektleitung, sowie die Ermittlungsaktivitäten im engeren Sinne.

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Die Konzeption des Ermittlungsprozesses sollte zunächst den Arbeitsauftrag und den Prüfungsansatz klar beschreiben. Neben den bereits beschriebenen Planungsinhalten sind dies hauptsächlich die Hauptstationen der Ermittlungsaktivitäten sowie die Art und der Umfang an Ermittlungshandlungen. Hierzu gehört auch die Definition von Schwellenwerten, sofern keine Vollprüfung von Prüfungsfeldern durchgeführt wird, sondern der Grundsatz der Wesentlichkeit bei zu untersuchenden Sachverhalten angewendet wird. Des Weiteren ist auf die bei der Ermittlung getätigten wesentlichen Arbeitshypothesen, Annahmen und eingesetzten Arbeitsmittel einzugehen.

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Neben der allgemeinen Dokumentation des Arbeitsablaufs sind auch Erkenntnisse aus der Dokumentation des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der Optimierung für andere Ermittler zu ziehen. Im Projektreview sollten hierfür erkannte Besonderheiten oder Ermittlungsfehler in eine Manöverkritik einfließen und als Optimierungspotential in den weiteren Ermittlungsschritten zur Verfügung gestellt werden.[2]

2. Berichtswesen

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Je komplexer die Ermittlungen in personeller und zeitlicher sowie sachlicher Hinsicht, desto wichtiger wird der Informationsfluss zwischen den einzelnen Ermittlern und der Projektleitung (interne Kommunikation) sowie der Projektleitung und dem Auftraggeber (externe Kommunikation). Der Einsatz eines IT-gestützten Berichtswesens für die Installation eines Berichtswesens „auf Knopfdruck“ ist hierbei empfehlenswert. Der Benchmark stellt ein in den Dokumentationsprozess der Arbeitsergebnisse integriertes „Live-Berichtswesen“ dar, welches u.a. den aktuellen Ermittlungsstatus nebst Fortschritten, etwaiger Abweichungsanalysen sowie Angaben über die weitere Vorgehensweise der Ermittlungen beinhaltet.

3. Arbeitsergebnisse

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Die Dokumentation der Arbeitsergebnisse muss nach den Grundsätzen der Klarheit, Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit aufgebaut werden, da die Dokumentation unterstützende Beweisfunktionen einnehmen kann. Die gesammelten Daten müssen von Dritten (u.a. Gericht, Staatsanwaltschaft, privatwirtschaftliche Auftraggeber) nachvollziehbar sein.[3] Hierzu gehört insbesondere auch der Nachweis, dass die gesammelten Daten und Unterlagen im Rahmen der Ermittlungen nicht manipuliert oder verändert wurden.

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Die Dokumentationsformen reichen je nach Auftragskomplexität bis hin zur standardisierten und strukturierten Online-Projektdatenbank. Der Einsatz von elektronischen Datenbanken ist ab einer gewissen kritischen Größenordnung nahezu Pflicht, da die Einsatzmöglichkeiten der Informationseingabe und -auswertung, dem Grad an Standardisierung und der Schnelligkeit der zur Verfügung stehenden Daten Voraussetzung für die effektive Abwicklung von Ermittlungen sind. Zum Einsatz kommen Datenbankanwendungen wie bspw. Microsoft Access[4], aber auch – sofern die Datenmenge dies zulässt – Microsoft Excel[5] oder auch das Open Office-Werkzeug „Base“.[6]

Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu ausführlich 4. Kap. Rn. 122 ff.

[2]

Geschonneck S. 58.

[3]

Siehe hierzu detailliert Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik S. 62.

[4]

Produkt der Microsoft Corporation, Redmond, USA.

[5]

Produkt der Microsoft Corporation, Redmond, USA.

[6]

Www.openoffice.org.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen

7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen

Inhaltsverzeichnis

I. Grundlagen – Rahmenbedingungen für eine Personenbefragung

II. Vernehmungslehre

III. Arbeitsrechtliche Grenzen

Literatur:

Arntzen Vernehmungspsychologie, 3. Aufl. 2008; Bender/Nack/Treuer Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014; du Cann The Art of the Advocate, 1986; Evans Advocacy at the Bar, 1985; Greuel Zeugenvernehmung, in Volbert/Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, 2008, Bd. 9, S. 221; Gaul/Schmidt-Lauber Die ordnungsgemäße Anhörung vor Verdachtskündigung, ArbRB 2012; Greuel/Fabian/Stadler Psychologie der Zeugenaussage, 1997; Hermanutz/Litzke Vernehmung in Theorie und Praxis, 2. Aufl. 2009; Jansen Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. 2012; dies. Technik der Zeugenvernehmung, in Widmaier/E.Müller/Schlothauer, MAH Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 1453; Köhnken Psychologische Begutachtung von Aussagen, in Widmaier/E.Müller/Schlothauer, MAH Strafverteidigung, 2. Aufl. 2014, S. 2267; Küttner Personalbuch, 22. Aufl. 2015; Loftus/Palmer Reconstruction of automobile destruction: an example of the interaction between language and memory, Journal of Verbal Learning and Verbal Behaviour, 13 (1974), 585; Milne/Bull Psychologie der Vernehmung, 2003; Mohrbach Methoden der Ermittlungsvernehmung und des aussagepsychologischen Explorationsgesprächs, in Deckers/Köhnken, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2014, S. 157; Munkman The Technique of Advocacy, 1986; Nack Aussagebeurteilung und Beweiswürdigung, in Ziegert, Grundlagen der Strafverteidigung, 2000, S. 250; Nagler Vernehmungspsychologie: Warum Personen sich bei der Vernehmung nicht an das erinnern können, was sie wissen, StV 1983, 211; Prüfer Sachverhaltsermittlung durch Spurenauswertung und Zeugenbefragung am Beispiel des Schwurgerichtsprozesses – Chancen, Fehler und Versäumnisse der Verteidigung, StV 1993, 602; Püschel Zur Vernehmung der Auskunftsperson in der Hauptverhandlung aus Sicht der Verteidigung, in Deckers/Köhnen, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2007, S. 223; Roggenwallner/Pröbstl Vernehmungscoaching, 2008; Salditt Der Verteidiger vernimmt Zeugen – was britische Handbücher raten, StV 1988, 451; ders. Die Befragung von Zeugen durch den Verteidiger, StraFo 1992, 51; Staake Die Gestaltung der Vernehmung einer Auskunftsperson in der Hauptverhandlung durch den Tatrichter, in Deckers/Köhnen, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2007, S. 213; Undeutsch Handbuch der Psychologie, 1967, Bd. 11; Wendler Die Vernehmung der Auskunftsperson in der Hauptverhandlung aus richterlicher Sicht, in Deckers/Köhnen, Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess, 2007, S. 188; Wendler/Hoffmann Technik und Taktik der Befragung im Gerichtsverfahren, 2009.

1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 7. Kapitel Ermittlungen und Beweissicherungen – Personenbefragungen › I. Grundlagen – Rahmenbedingungen für eine Personenbefragung

I. Grundlagen – Rahmenbedingungen für eine Personenbefragung
1. Rollenverständnis des Interviewenden und Auftragsfocus

a) Warum ist ein Interview überhaupt erforderlich?

1

Personenbefragungen gehören zu dem alltäglichen Handwerkszeug der unternehmensinternen Aufklärung, sie sind notwendiger Bestandteil der Tatsachengrundlage. Ihre sensible Vorbereitung, Durchführung, Dokumentation und die Berichterstattung darüber sind dagegen eine der größten Herausforderungen, die der Untersuchungsführer zu bewältigen hat. Das liegt an gleich mehreren Faktoren:


am Zwang zum Interview zur Klärung des Sachverhalts;
an der beiderseitig verfügbaren Zeit, den Umständen und dem Verfahren;
an den jeweils unterschiedlichen Persönlichkeiten von Fragesteller und Befragtem;
an den jeweils unterschiedlichen Interessen der Informationsbeschaffung und -verwertung.

2

Bereits im klassischen Ablauf von Auditierungen ist innerhalb der vier Phasen (1) self assessment, (2) document review, (3) interviews und (4) testing and analysis[1] eine persönliche Befragung von Verfassern oder Empfängern von Dokumenten einzuplanen, um deren Bedeutung für eine Beweisführung einordnen zu können. Qualifizierte individuelle Befragungen, die über reine Wissensauskünfte hinausgehen, kommen erst in Phase (3) vor, wenn die Vorstellung des Untersuchungsführers von den Interviewthemen bereits relativ weit durch Kenntnisse aus verschriftlichten Informationen und Auskünften des Auftraggebers vorgeprägt worden ist. Dadurch sind auch bereits Arbeitshypothesen entstanden, so dass eine mögliche Bandbreite von Deutungen erheblich eingeschränkt ist.[2] Dieses vielfach erprobte, rationale Vorgehen hat den enormen Vorteil, dass der Untersuchungsführer bereits durch die Vorkenntnisse eine ähnliche Wissensbasis erhält wie der Befragte. Die von dem Befragten geschilderten innerbetrieblichen Vorgänge, die Aufbau-Organisation der Fachabteilungen, die Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen im arbeitsteiligen Unternehmen usw. sollten bereits in dieser Phase auch dem Untersuchungsführer bekannt sein. Auch die historischen Zusammenhänge des Untersuchungsthemas können sich aus einer Dokumentenanalyse schneller erschließen lassen als aus einem Interview. Weiter hat der Untersuchungsführer aufgrund des in Phase (1) erlangten Wissens einen groben Überblick darüber, was die auftraggebende Unternehmensleitung über Compliance-Strategien, Richtlinien, Strukturen und Prozesse denkt. Idealerweise ist dies auch dem Interviewpartner bekannt, sonst müsste ein beidseitiges Verständnis durch das Interview aufgebaut werden. Probleme bei einer etwaigen Voreingenommenheit des Fragestellers[3] sind aus der Justizpraxis bei der Vorbefassung von Laienrichtern mit dem Akteninhalt bekannt.[4] Hier muss sich auch jeder Untersuchungsführer klar machen, dass sein bisheriges Wissen ebenfalls nur eingeschränkt und untersuchungszentriert entstanden ist. Wichtige neue Details können erst durch ein objektiv und wertneutral geführtes Interview hinzu gewonnen werden.

3

Mitunter bedeutsame externe Vorgaben für das Interview sind die verfügbare Zeit, die Konstitution, die Redegewandtheit des Befragten und des Fragestellers, die aufeinandertreffenden Persönlichkeiten, etwaige Rivalitäten oder Kollegialitäten. In der Vorbereitung des Interviews[5] werden solche Vorbedingungen zu prüfen und rational vom Interviewthema zu trennen sein. Dazu trägt bspw. ein Fragenkatalog bei, der themenbezogen und vorwurfsfrei gestaltet ist. Auch sollte wenn möglich über eine zusammenfassende Information über den Stand der Erkenntnisse zu Beginn des Interviews nachgedacht werden.

 

4

Schließlich ist bei der Frage, ob und in welchem Umfang ein Interview durchgeführt werden soll, stets die Rolle des Informationsträgers und die des Informationsherrn zu bedenken. Hier ist zwischen der Befragung des Unternehmensangehörigen und der Befragung eines Externen (bspw. des bisherigen Rechts- oder Steuerberaters, des Abschlussprüfers oder eines besonderen externen Betriebsbeauftragten, aber auch des auditierten Fremdbetriebs) zu unterscheiden. Der Begriff „extern“ bedeutet hier zweierlei, zum einen ist eine externe Person statusrechtlich nicht Angestellter, also nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und den spezifischen Treuepflichten des Arbeitsverhältnisses unterworfen. Zum anderen sind aber auch Externe solche Personen, die die innerbetrieblichen Abläufe nur aus der Entfernung, aus punktueller Betrachtung und/oder aus fachlicher Distanz beobachten. Ihnen obliegt in der Regel nicht die betriebliche Verantwortung für einen bestimmten Zustand oder ein bestimmtes untersuchtes Verhalten, es sei denn, es liegen eine einvernehmliche Delegation, eine vertragliche Pflichtenübernahme oder eine Garantie vor. In den zuletzt genannten Fällen wäre der Externe wie ein Interner zu behandeln.

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Abstrahiert von einer statusrechtlichen Verpflichtung zur Zulassung der Befragung müssen die Interessenkonstellationen der Interviewteilnehmer bedacht werden. Hat der Befragte bspw. sicher eine dringend für die Untersuchung benötigte Information allein, kommt ihm als Informationsträger eine zentrale Stellung in der Untersuchung zu. Eine Blockade könnte dann die gesamte Untersuchung scheitern lassen. Deshalb ist es für den Befragenden wichtig, diese Information in einer für die Untersuchung verwertbaren Form zu erlangen. Für den Informationsträger ist es indessen wichtig, die Information nach Art, Umfang, Zeitpunkt und Platzierung zu kontrollieren, ggf. auch weiter vor dem Zugriff Fremder zu schützen. Dieser Interessengegensatz prägt alle Diskussionen über Mitarbeiterbefragungen im Zuge von Internal Investigations. Dabei wird sowohl die Position des Arbeitgebers als (je nach Standpunkt wünschenswert in großem oder kleinem Umfang) Informationsherr in Frage gestellt, als auch versucht, seine berechtigten Interessen an der Informationserlangung einzugrenzen sowie die angewandten Mittel zur Informationsbeschaffung zu begrenzen.[6] Ebenso prägt dieser Interessengegensatz die Diskussion um Amnestieprogramme und Kronzeugenregelungen. Dort wird im Kern der gleiche Gedanke vorausgesetzt. Allerdings steht am Anfang der dortigen Überlegungen die Erkenntnis, dass Appelle und sogar Druckmittel zur Erlangung der Information versagt haben, lediglich das Angebot einer Vergünstigung oder Besserstellung des Informationsträgers, oft sogar der Sanktionsfreiheit erscheinen als wirksame Mittel, an die Information zu gelangen.[7]