Bitter Love (3 Teile Gesamtausgabe)

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Seth

Er hat sturmgraue Augen und fast weißblondes Haar, das auf etwa drei Zentimeter Länge gestutzt ist. Als er die Treppe hinunterkommt, glaube ich, die Stufen müssten unter seinem Gewicht brechen. Er ist ein Hüne mit Muskelpaketen. Gegen ihn wirken die meisten Mutanten schmächtig. Seth erinnert mich an einen alten Film, den ich gesehen habe … über einen Boxer mit dem Namen Rocky Balboa, der einen noch viel größeren Boxer aus einem Land namens UDSSR besiegt. Blond, groß, breit … eine Kampfmaschine ohne erkennbare Gefühle in der Gesichtsmimik. An diesen blonden Boxer aus dem Film erinnert mich Seth.

Luana geht hinter ihm – obwohl sie viel üppiger und größer ist als ich, wirkt sie wie ein Püppchen.

„Das ist also Ashs neue Schlampe ...“ Er sieht Luana an, wie um sich Bestätigung von ihr zu holen. Luana nickt.

„Gar nicht sein Typ, oder? Stand Ash nicht immer auf üppige Frauen?“

„Kann sein“, gibt Luana einsilbig zu. Ich habe den Eindruck, dass zwischen den beiden eine negative Spannung herrscht.

Seth betrachtet mich ausgiebig, und ich fange wieder an zu zittern. Ash hatte recht, was seine Beschreibung von Seth angeht – der Typ wirkt auf mich wie ein Monstrum. Das Monstrum, das über ganz Daytown herrscht … Ein unangenehmer Gedanke.

„Weißt du, warum du hier bist?“

Ich schüttele den Kopf.

„Sie weiß gar nichts, Seth.“

„Halt dich da raus“, gibt er Luana bestimmt zu verstehen.

„Typisch für Ash“, wendet Seth sich wieder an mich. Er trägt schwarze, eng anliegende Thermowaxhosen, Stiefel und ein altes Armeeshirt in Camouflagefarben. Dieses alte Armeezeug ist zurzeit gleichermaßen bei Menschen und Mutanten in Mode – seit einige Lager mit Sachen entdeckt wurden, die aus der Zeit vor der Katastrophe stammen. Sogar Sid liebt seine Armeejacke – sie ist das Einzige, das er noch nicht versetzt hat.

„Ash beschäftigt sich mit Sachen, die ich nicht gern sehe. Er weiß das, und er tut es trotzdem. Und deshalb bist du hier.“

Ich starre ihn an und verstehe gar nichts.

Seth scheint das nicht zu stören, er wendet sich an Luana. „Du kannst ihn jetzt holen. Mal schauen, wie er darauf reagiert, wenn er seine süße kleine Fotze sieht.“

Kurz bedenkt Luana Seth mit einem giftigen Blick, dann verschwindet sie im Lastenaufzug.

Ich verkrampfe meine Hände zu Fäusten. Nun wird sich zeigen, was ich Ash bedeute …

Als Ash hinter Luana aus dem Lastenaufzug steigt und mich entdeckt, rastet er fast aus.

Obwohl er einen halben Kopf kleiner ist als Seth, will er auf ihn losgehen. „Du verdammtes Schwein. Halt sie da raus!“

Die beiden prallen aufeinander wie zwei Rammböcke. Ich habe den Eindruck, dass alles und jeder, der sich nun zwischen sie stellt, zermalmt werden würde.

Ihre Beinmuskeln spannen sich unter den Thermowaxhosen, und ohne, dass meine Augen es richtig verfolgen können, zieht Ash eine Art gebogene Stichwaffe von irgendwoher aus seinem Gürtel. Er hält sie Seth an die Kehle, doch der lächelt nur. „Mit diesen Spielzeugwaffen warst du schon immer gut, Ash. Aber denk dran, dass deine Schlampe da drüben auf meinem Sofa sitzt.“

Ash zieht die Waffe zurück, und ich kann sehen, wie seine Muskeln sich entspannen. Er sieht zu mir, unsere Blicke treffen sich kurz, dann wendet er sich wieder an Seth.

„Sie gehört mir. Das ist Gesetz. Spender stehen unter dem Schutz der Loge.“

„Wirklich?“ Seth kommt zu mir und zieht die Magnetfesseln an meinen Händen auf. Unglaublich! Normalerweise braucht es einen De-Poler dafür, aber Seth öffnet die Fesseln mit bloßer Hand. Dann betrachtet er ausgiebig meine Hände und wendet sich wieder Ash zu. „Also ich kann kein Zeichen auf ihren Händen sehen. Sie gehört niemandem. Und was man findet, das darf man behalten.“

Ich schließe die Augen. Hätte er doch den Vertrag mit mir gemacht. Ash antwortet nicht. Er weiß, dass er ohne einen Vertrag kein Anrecht auf mich hat. Aber hat Seth das denn? Ich müsste doch erstmal einem Vertrag zustimmen. Allerdings habe ich das ungute Gefühl, dass für Seth solche Regeln nicht gelten.

„Also, was willst du?“, fragt Ash ihn kalt. Die beiden hassen sich, das ist nicht zu übersehen. Obwohl ich nicht weiß, warum.

„Das weißt du ganz genau. Du wirst zu Magnatec gehen und die Daten löschen, die du gesammelt hast. Unwiderruflich!“

Ash ballt die Hände zu Fäusten. „Nein!“

Ich bete darum, mich verhört zu haben. Luana hatte recht. Ich bedeute Ash nichts – zumindest nicht genug.

Seth kommt zu mir und zerrt mich hoch. Seine Arme umfassen meine Taille, und er drückt mir einen harten brutalen Kuss auf den Mund. Ich kann sehen, dass Ash ihn am liebsten umbringen will, doch plötzlich wendet er den Blick ab und sagt: „Du kannst sie haben.“

„Ash!“, rufe ich, während Seth mich zurück auf das Sofa wirft.

Er bleibt kurz stehen, zuckt zusammen – und dann geht er einfach. Verschwindet im Lastenaufzug und sieht sich nicht einmal mehr nach mir um.

Mir laufen die Tränen aus den Augen, als er aus meinem Blickfeld verschwindet.

„So ein Idiot“, kommentiert Seth und beachtet mich nicht weiter.

Luana sieht mich ernst an. „Tja, Taya … so ist Ash nunmal. Hast du geglaubt, bei dir wäre er anders?“

Ich schweige und weine – weil ich allein bin, weil ich dumm war und naiv.

Als ich am nächsten Morgen aufwache, bin ich noch immer wie zerschmettert. Wenigstens hat Seth mir auch die Fußfesseln gelöst, bevor er mit Luana nach oben ging. Ich habe die Nacht auf dem Ledersofa verbracht – natürlich habe ich versucht, abzuhauen und musste schnell feststellen, dass der Lastenaufzug codiert ist. Ohne den richtigen Zahlencode bewegt er sich kein Stück.

Das Schlimmste ist meine Blase. Sie ist zum Zerplatzen gespannt, und ich muss befürchten, auf das teure Ledersofa zu pinkeln. Die ganze Nacht habe ich mich nicht getraut, auf die Suche nach einer Toilette zu gehen, denn die sind bestimmt oben – wo Seth und Luana sind. Also habe ich ausgehalten. Aber wenn ich jetzt nicht gehe, passiert ein Unglück. Und ich möchte mir gar nicht ausmalen, was Seth mit mir anstellt, wenn ich sein Ledersofa versaue.

Ich schleiche die Treppe zur Galerie hoch und setze meine Füße vorsichtig auf, damit ich kein Geräusch mache. Ich nehme mir vor, einfach auf das nächstbeste Klo zu springen und mich dann wieder nach unten zu verziehen. Ganz einfach. Kann ja nicht so schwer sein.

Oben angekommen gibt es vier Türen – und alle sind geschlossen. Also was jetzt?

Welche soll ich ausprobieren?

Ich entscheide mich für die Linke und drehe langsam den Knauf. Gottseidank quietscht die Tür nicht – sie ist ebenfalls aus Holz … dekadent wie alles hier.

Schon, als die Tür einen Spalt aufgeht, erkenne ich meinen Fehler. Es ist das Schlafzimmer – und auf dem Bett vergnügt sich Seth gerade mit Luana!

Ich will die Tür leise schließen, doch dann bemerke ich den Schlauch in Luanas Arm und die rote Flüssigkeit – Seth zapft sie gerade an. Obwohl ich mich für verrückt erkläre, muss ich zusehen … vielleicht, weil es so mit mir und Ash auch hätte sein können …

Seth ist über Luana gebeugt, während sie durch den Schlauch miteinander verbunden sind.

Er leckt ihre Nippel, während sie mit geschlossenen Augen daliegt und genießt. Als Seth härter zubeißt, stöhnt sie auf, und öffnet ihre Schenkel. Ich kann ihre geschwollenen Schamlippen erkennen. Doch Seth kommt ihrer Aufforderung nicht nach.

Sie wirkt zerbrechlich unter ihm – doch unter Seth würde jede Frau zerbrechlich wirken.

„Sag mir, dass du mich willst ...“, höre ich seine raue Stimme. „Sag mir, dass du nicht auf mich verzichten willst ...“

Überraschenderweise sagt Luana nichts, doch ihre Blicke sagen etwas anderes. „Seth … bitte ...“, höre ich sie flüstern, und ihre Stimme klingt ganz anders als sonst. Weniger selbstbewusst … vielmehr gequält …

Seths Hände streichen über ihren Körper – über die runden schön geformten Brüste ... über das Brustbein hinunter zum Beckenknochen. Er schiebt einen Finger in sie – penetriert sie, und ich erschrecke beim Anblick seines Gliedes. Mutanten sind gut gebaut, wie ich mittlerweile weiß, aber Seth ist … gewaltig. Ich beneide Luana nicht. Seth beugt sich zwischen Luanas Beine und schiebt seine Zunge zwischen ihre Schamlippen. „Sag es …“, fordert er sie noch einmal auf.

Luana jammert – weil er ihre Anspannung auf die Spitze treibt, ohne sie zu lösen.

Seth leckt ihren Kitzler und saugt daran, bis Luana sich ihm entgegenstrecke. „Bitte … Seth …“, wimmert sie wieder.

„Du bist und bleibst eine Fotze ...“, sagt er plötzlich kalt und stellt all seine Verführungskünste ein. „Und genau so hast du es verdient, behandelt zu werden.“

Er umfasst seinen gewaltigen Schaft mit der Hand und kniet sich zwischen ihre Beine. Wie eine Waffe mit dicken pulsierenden Adern reckt er sich auf. Die Eichel ist dick und glänzend.

Seltsamerweise schüchtert er Luana nicht ein – stattdessen sieht sie Seth flehend an. „Ich bin alles für dich, was du willst … das weißt du … das war ich immer ...“

Schließlich erbarmt Seth sich, packt grob ihr Becken und hebt es auf seinen Schoß. Mit einem brutal heftigen Stoß dringt er in sie. Luana schließt die Augen … erlöst … dankbar … und sie nimmt diesen Mutanten ohne Probleme vollkommen in sich auf. Seths Gesicht ist verzerrt, während er sie stößt. Die Muskeln an seinem Hintern spannen sich bei jedem Stoß an. Das erste Mal sehe so etwas wie Leidenschaft in Seths Gesicht. Er braucht Luana genauso, wie sie ihn.

Ich bin verstört, denn ich verstehe nicht, was die beiden verbindet - nur dass es da trotz all der gegenseitigen Verachtung etwas geben muss.

 

Als Seth mit einem grimmigen Höhepunkt sein Sperma in sie spritzt, meldet sich zuerst mein Verstand und dann meine Blase zurück.

Ich schließe die Tür und beeile mich. Die beiden werden bald nicht mehr abgelenkt sein. Als ich die Toilette endlich finde, empfinde ich mindestens so viel Erlösung wie gerade eben Luana.

Am Abend erscheint Luana mit dunklen Ringen im Loft. „Du siehst scheiße aus“, lasse ich sie wissen. Ich habe den ganzen Tag allein verbracht, niemanden scheint zu interessieren, dass ich hier bin. Ein grimmig aussehender Mutant hat mir etwas zu essen gebracht, das war alles. Immerhin war das Essen gut – Gemüse und Fleischersatz aus Soja.

„Heute schon mal selbst in den Spiegel geschaut?“, ätzt sie zurück. Luana setzt sich neben mich auf das Sofa und legt den Kopf auf die Rückenlehne. „Es ist die Umwandlung … ist nicht leicht, weißt du … der Körper wehrt sich gegen … nun ja … gegen das Sterben.“

„Du willst eine von denen werden?“ Ich spreche es mit tiefster Verachtung in der Stimme aus.

Luana sieht mich an. „So können wir beide bekommen, was wir wollen. Seth ist der mächtigste Beschützer, den man sich wünschen kann. Er ist nicht besonders feinfühlig oder mitleidvoll … aber er beschützt sein Eigentum. Anders als Ash!“

Ich starre sie entgeistert an. „Ich will aber keinen Vertrag mit Seth.“

Sie seufzt. „Mach es dir nicht schwerer als nötig, Taya. Wenn du dich fügst, kann Seth sogar ...“, sie überlegt, wie sie ihre Worte wählen soll, „... manchmal nett sein.“

Ich starre auf meine nackten Füße. „Wenn ich Ash nicht haben kann, will ich keinen.“

Sie gibt ein verächtliches Geräusch von sich. „Als ob du eine Wahl hättest. Sei doch nicht dumm! Ash hat dich Seth überlassen. Warum weinst du ihm nach?“

Zitternd verschränkt sie die Arme vor der Brust. Sie friert. Scheinbar ist die Transformation tatsächlich recht unangenehm. Gut so!

„Aber … du magst Seth. Warum willst du, dass er mich nimmt?“

Tatsächlich fühlt sie sich ertappt und weicht meinem Blick aus. „Das ist der Deal. Er braucht einen neuen Spender, wenn ich nicht mehr dafür bereitstehe. Und ich habe mich entschieden. Ich will die Transformation. Ist gar nicht so schwer, weißt du? Du musst nur eine Zeit lang täglich angezapft werden. Dann passiert es ganz automatisch.“

Ich schüttele den Kopf. Mir kommt es vor, als laufe Luana vor etwas davon. Aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Ich habe meine eigenen Probleme. Und wenn Seth mich zu Luanas Nachfolgerin macht, habe ich noch ein „gewaltiges“ Problem mehr.

Schließlich rafft Luana sich auf. „Ich zeige dir, wo du baden kannst, und dann suchen wir neue Sachen für dich. Seth hat gesagt, ich soll dir alles erklären.“ Sie lächelt, und seltsamerweise wirkt es ehrlich. „Du hast Glück.“

Leyla

Eine Stunde später bin ich gebadet und trage neue Kleider. Nuttentracht! Ein durchsichtiges Top und einen kurzen Rock, der meinen Hintern kaum bedeckt. Luana hat mir die Nägel lackiert, die Haare frisiert und mich geschminkt. Ich habe es über mich ergehen lassen.

„Seth will dich heute unten haben … im Tenfathers. Er sagt, du kannst dich an der Bar nützlich machen.“

Mir stellen sich die Nackenhaare auf. Erstmals seit meiner Entführung denke ich wieder an Sid. Oh Gott, er ist doch jeden Tag hier! Er wird mich sehen, er wird ausrasten … und Seth wird ihn dafür mit einem einzigen Fingerschnippen umbringen! Was soll ich nur tun? Vielleicht erkennt Sid mich nicht in dieser Aufmachung. Wenn er zugedröhnt ist und seine Angel ihn ablenkt?

Ich folge Luana durch den Lastenaufzug nach unten. Leider kann ich den Code nicht erkennen, sonst könnte ich später noch mal versuchen abzuhauen, wenn sie und Seth sich vergnügen.

Das Tenfathers ist dreimal so groß wie das Lighthouse. An den Tischen sitzen Mutanten mit ihren Spendern oder auch unter sich. Männer und Frauen. Die meisten Spender sehen nicht wirklich unglücklich aus. Alles ist sehr nostalgisch gehalten, mit buten Leuchtstoffröhren, Led-Lichterschläuchen und rostigen Eisenteilen. Sogar die Bar ist aus rostigem Eisen.

Ein junges Mädchen, die Arme voller blauer Stiche und Cuts, nimmt mich von Luana in Empfang. Sie ist kleiner als ich, hat blonde Haare und ein freundliches Gesicht. Ihr Name ist Leyla. Sie sieht gar nicht aus wie eine Leyla, eher wie eine nordische kleine Schönheit, aber Leyla hat ein offenes Gemüt. Sie ist auch ein Blutjunkie, aber glücklich, wie sie mir versichert.

„Du warst mit Ash zusammen, oder?“ Sie schaut auf meine Hände. „Er hätte es besser offiziell machen sollen. Ich habe gehört, dass Seth dich übernehmen will, sobald Luana die Transformation durch hat.“ Ihr Blick ist mitleidig. „Alle waren neugierig, wer Luana ersetzen würde. Sie musste lange suchen. Aber eine, die noch nie als Spender gedient hat – da konnte Seth wohl nicht widerstehen.“

„Ich glaube, er will mich nur, weil ich mit Ash zusammen war“, sage ich, während sie mir zeigt, wie ich verschiedene Cocktails mixe.

„Tja, Seth und Ash … eine lange Geschichte.“ Leyla lächelt mir aufmunternd zu. „Seth ist nicht gerade der angenehmste Mutant, aber auch nicht der Schlimmste. Luana hat es lange mit ihm ausgehalten.“

Ich aber nicht … denke ich störrisch. Ich weiß, dass ich einen Weg zur Flucht finden muss … irgendwie … und dass mir niemand dabei helfen wird. Schon gar nicht Ash! Ich muss es allein schaffen.

Ich werde angestarrt, sowohl von den Frauen als auch den Männern, wenn sie ihre Cocktails abholen. Sie wissen alle Bescheid – über mich, über Ash und über Seth.

Leyla plappert auf mich ein, tut ihr Bestes, mich zu unterhalten und abzulenken. Ich bin ihr dankbar dafür, aber eigentlich halte ich nur Ausschau nach Sid oder Ash. Ich will nicht, dass die beiden mich so sehen … in dieser billigen Aufmachung.

Und dann steht er vor mir. Ash! Er starrt mir direkt ins grell geschminkte Gesicht. Ich habe nicht mitbekommen, wie er sich der Bar genähert hat, sonst wäre ich wahrscheinlich unter den Tresen gekrochen vor Scham. Ashs Kiefer ist angespannt, und er hat sich nicht rasiert. Überhaupt wirkt er, als hätte er keine gute Nacht gehabt. Strähnen seines dunklen Haares fallen ihm ins Gesicht und verdecken die blauen Augen. Ich kann nicht sehen, was er denkt, aber ich fühle mich mies.

„Mach mir einen Whiskey auf Eis“, fordert er, als wäre ich eine Fremde für ihn.

Ich spüre, wie meine Unterlippe zittert. Ich kann alles ertragen, aber das nicht!

Leyla nimmt mir die Flasche Whiskey aus der Hand, als sie bemerkt, dass ich vollkommen aus der Fassung gerate.

„Was soll das, Ash? Sei lieber vorsichtig … sie ist Seths Neue … da du deine Chance offensichtlich verpasst hast … mal wieder!“

Leyla ist furchtlos! Sie verteidigt mich, und ich würde ihr am liebsten dafür um den Hals fallen.

Aber Ash lässt sich von ihr nicht aus der Ruhe bringen. „Manchmal muss man Dinge aufgeben, auch wenn es nicht leichtfällt.“

Ich kann nicht sprechen. In Ashs Augen sehe ich Verbitterung. Ich bin ihm nicht egal … aber eben auch nicht wichtig genug.

Plötzlich steht Seth neben ihm und raunzt ihn an. „Halte dich fern von ihr, klar? Oder hast du dich anders entschieden? Noch ist Zeit … noch habe ich sie nicht angerührt.“

Ash starrt ihn an, und ich bete darum, dass er sich anders entscheidet als gestern. Doch er wendet sich ab und geht. Seth packt mich am Arm. Seine Augen sind schwarz wie Kohlenstücke. Jede Mäßigung ist aus seinem Gesicht verschwunden. „Was hattet ihr miteinander zu sprechen? Was hat er zu dir gesagt?“

„Nichts … verdammt, Seth … lass sie los … Sie hat nichts getan, und er wollte nur einen Drink!“ Leyla setzt sich schon wieder für mich ein. Tatsächlich lässt Seth mich los, und sein Gesicht entspannt sich. „Also gut … aber du wirst dich von ihm fernhalten. Ihr habt nichts mehr miteinander zu schaffen.“

Als ich mich an diesem Abend auf dem Sofa in Seths Loft zusammenrolle, bin ich froh, wenigstens Sid nicht begegnet zu sein. Aber das wird sich auf Dauer nicht vermeiden lassen. Und ich frage mich, wie lange es brauchen wird, bis die Transformation von Luana abgeschlossen ist – denn ich weiß: Dann bin ich fällig!

Die nächsten beiden Wochen verbringe ich in ständiger Angst. Ich beobachte Luana, der es immer schlechter geht. Ich bin mir sicher, dass es bald soweit ist. Dann braucht Seth eine neue Spenderin. Seth jagt Luana jetzt täglich die Injektionsnadel in die Vene. Eigentlich müsste ihr Körper schon längst kollabiert sein. Aber er kämpft noch gegen die Transformation an.

Letztens hat Seth sie sich sogar zweimal an einem Tag vorgenommen. Ich schätze, ihr Körper produziert nicht mehr genügend Hämophol. Ich kann sehen, wie Seth mich mustert. Er ist unzufrieden, aber noch hält er an Luana fest.

Manchmal lässt er mich abends mit Leyla im Tenfathers Drinks ausschenken. Ich funktioniere wie eine Maschine. Leyla blickt mich besorgt an. „Wie oft zapft er Luana eigentlich an?“

„Mittlerweile fast zweimal täglich“, antworte ich müde.

„Dann ist es bald soweit.“ Leyla weiß, dass ich leide, und seltsamerweise hat sie mich von Anfang an ins Herz geschlossen.

„Wenn Seth zu mir kommt, sterbe ich“, gebe ich leise zu.

„Gib nicht auf, Taya.“ Sie legt mir ihre Hand auf den Arm. Eine sanfte, tröstende Berührung. Ich sehe die kleine Tätowierung an ihrer Hand. Es ist das Zeichen ihres Besitzers Saron. Eine Art geschliffener Edelstein. Ich habe Saron nur einmal von Weitem im Tenfathers gesehen. Er sieht asiatisch aus und hat langes dunkles Haar. Ein schöner Mann, nachdenklicher und ruhiger als die meisten Mutanten. Leylas Augen leuchten, wenn er sie ansieht, und er sieht sie an, wie Ash mich angesehen hat. Das tut weh!

Saron gehört wie Seth und Ash der Loge an. Und Leyla ist sicher bei ihm. Ich beneide sie um das Zeichen auf ihrer Hand.

Heute ist die Stimmung im Tenfathers seltsam gereizt … ich kann es nicht genau benennen, doch ich kann die Unruhe der Anwesenden spüren. Und dann geschieht das, wovor ich am meisten Angst habe. Sid betritt das Tenfathers, in seinem Arm eine Blondine mit langen glatten Haaren. Sie ist zierlich für eine Mutantin und trägt einen knallengen Overall aus schwarzem Thermowax. Mein Gott, das ist Angel? Sie sieht aus, als wäre sie gerade mal Achtzehn! Kein Wunder, dass Sid ihr verfallen ist. Sie schmiegt sich an ihn, und Sid ist aufgekratzt. Ich starre auf die künstlichen Farbstoffe, die ich gerade für die Cocktails nachfülle, und beobachte die beiden weiter aus dem Augenwinkel.

Sie setzen sich an einen der Tische weit weg von der Bar, und Angel legt ihre Hand auf Sids Schoß. Von dort aus lässt sie ihre Hand langsam zwischen seine Beine wandern, um dann mit hartem Griff die Stelle zu massieren, wo sie sein Glied weiß. Ash sieht gequält aus, müde und ausgelaugt. Doch ihrem Drängen kann er sich nicht entziehen. Diese Mutantin ist ein Dämon mit einem Engelsgesicht. Und Sid ist auf sie hereingefallen.

„Was ist denn?“ Luana bemerkt meine Nervosität.

Ich nicke in Richtung des Tisches, an dem Sid und Angel sitzen. „Mein Bruder ist hier. Wenn er mich sieht, rastet er aus. Und dann bringt Seth ihn um.“

„Er weiß nicht, dass du hier bist?“

Ich zucke die Schultern. „Wahrscheinlich denkt er, ich sei mit einem Mutanten durchgebrannt. Wir hatten Diskussionen deswegen, bevor Seth mich verschleppen ließ.“

Plötzlich stößt Leyla mich in die Seite und nickt in Richtung des Eingangs. Mein Herz setzt augenblicklich aus. Ich habe Luana seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Sie hat die Nacht nicht bei Seth verbracht. Das hätte mich misstrauisch machen sollen. Aber nun ist sie hier! Nichts ist mehr von der fahlen Gesichtshaut oder den müden Ringen unter ihren Augen geblieben. Luana wirkt zeitlos schön, viel strahlender noch, als sie es an dem Abend war, als sie mich an Seth verkauft hat.

„Sie hat es geschafft“, seufzt Leyla, und ihr Blick wandert erneut zum Eingang. „So ein Mist … ein Unglück kommt selten allein!“

Ich folge ihrem Blick mit den Augen und muss ihr recht geben. Hinter Luana hat Ash das Tenfathers betreten. Er sieht in meine Richtung, kommt aber nicht zu uns, sondern verschwindet in einen Bereich, wo ich ihn nicht sehen kann. Meine Augen wandern umher. Ich muss Sid im Auge behalten … und Ash. Keinem von beiden will ich begegnen.

 

Kurz darauf kommt Luana zu uns. „Hallo Taya … wie geht’s?“

Als ob sie das interessieren würde.

„Hast du dich gut bei Seth eingelebt?“, fragt sie und ich meine, so etwas wie Bitterkeit in ihrer Stimme zu hören.

Leyla erkennt die brenzlige Situation und lächelt Luana zu. „Herzlichen Glückwunsch, Lu! Du siehst blendend aus.“

Luana bedenkt sie mit einem Lächeln. „Hat lange genug gedauert, und war nicht einfach.“

„Hm ...“, bestätigt Leyla und beugt sich dann über den Tresen zu ihr herüber. „Unter uns, Lu … was passiert hier eigentlich gerade? Die scheinen alle ziemlich angespannt. Saron will mir nichts sagen.“

Luana überlegt. Scheinbar weiß sie Bescheid, aber da sie jetzt zur anderen Seite gehört, mag sie ihre Geheimnisse nicht mehr mit Leyla teilen.

„Komm schon, Lu! Um der alten Zeiten willen“, fordert Leyla sie lächelnd auf. Sie kneift ihr ein Auge, und Lu gibt nach. Scheinbar waren die beiden mal so etwas wie Freundinnen.

„Die Rebellen machen mal wieder Ärger … und dieses Mal sind sie hartnäckiger als sonst. Ich schätze, wir werden ihnen einen kleinen Denkzettel verpassen müssen. Seth hat uns zusammengerufen, um das zu besprechen.“

„Dann wird Seth den Trupp selbst führen?“ Leyla wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Das würde mir zumindest einen kleinen Aufschub gewähren.

„Keine Ahnung … aber ich denke schon.“ Sie sieht sich hektisch um. „Sorry, Leyla, ich muss los, die anderen warten.“ Mit einem letzten Blick auf mich sagt sie: „Viel Glück, Taya!“

Dann schiebt sie mit wiegenden Hüften ab, sich ihrer neuen Körperlichkeit vollkommen bewusst.

„Nimm es ihr nicht übel“, meint Leyla wie nebenbei. „Ich glaube, sie ist traurig, Seth an dich zu verlieren, und dann auch noch die Sache mit Ash. Ihr hat er damals nämlich keinen Vertrag angeboten.“

„Was? Die waren zusammen?“, stelle ich mit einem Stich von Eifersucht im Bauch fest.

„Wenn man es denn so nennen will“, antwortet Leyla schulterzuckend. „Ash konnte sich eigentlich noch nie ganz für eine Frau entscheiden … hat immer gezögert. Ich glaube, Lu wollte Ash anfangs nur eins auswischen und hat gehofft, dass er sie zurückhält, als sie zu Seth gegangen ist. Tja … hat nicht funktioniert. Ash ist Ash – er lässt sich nicht erpressen.“ Leyla wird plötzlich klar, dass ihre Worte auf mich verletzend wirken müssen. „Tut mir leid, Taya. Ich quatsch einfach zu viel. Ich glaube schon, dass Ash es mit dir ehrlich gemeint hat.“

Kurze Zeit später kommt Seth. Auch er scheint irgendwie gehetzt. Doch er sieht mich nachdenklich an. Ich sage nichts. Ich atme nicht einmal! Nichts Falsches tun, nichts Falsches sagen, kein falscher Blick …

„Wir müssen uns um ein Rebellenproblem kümmern“, eröffnet er mir ruhig. „Ich werde ein paar Tage fort sein.“

Großartig … das sind gute Nachrichten … denke ich, versuche aber, meine Erleichterung nicht zu zeigen. In meinem Kopf zähle ich die Stunden von Seths letztem Hämopholaustausch mit Luana. Gestern Abend? Achtzehn … vielleicht siebzehn Stunden?

„Wir müssen noch was erledigen, bevor ich gehe. Ich will dich in zwei Stunden oben im Loft sehen.“ Mit zwei kleinen Sätzen zerstört er alle meine Hoffnungen!

Ich zitterte, obwohl ich es nicht will. Doch Seth hat sich schon abgewandt und verschwindet.

„Er ist so ein Arsch ...“, kommentiert Leyla und sieht mich wieder mitleidvoll an.

Plötzlich stehen Angel und Sid von ihrem Tisch auf und kommen in Richtung der Bar – genau auf uns zu. Ich sehe Leyla flehend an. „Leyla … bitte ...“

„Schon gut, verschwinde auf die Toilette und bleib eine Weile da. Ich kümmere mich um die beiden.“

Meine Schritte fühlen sich an wie Watte, als ich in Richtung der Toiletten gehe. Gerade noch rechtzeitig, sonst hätte Sid mich bestimmt erkannt. Ich komme an der Küche vorbei, und die Tür steht offen. Es ist niemand da. Und dann sehe ich, dass auch die Hintertür der Küche offen steht … die Tür, die nach draußen führt!

Ich bleibe stehen. Niemand beachtet mich … was für eine Gelegenheit! Aber meine Füße sind plötzlich wie festgewachsen. Los doch … bewegt euch … flehe ich stumm.

Und dann mache ich einen Schritt, einen zweiten … und stehe in der Küche. Die offene Tür in die Freiheit zieht mich magisch an, kalte Luft weht mir entgegen. Wundervoll!

Obwohl meine Beine zittern, renne ich los, stolpere durch die Tür und lande auf einem Innenhof mit einer fast drei Meter hohen Mauer. Keine Tür, kein Ausweg! Ich balle die Fäuste und will schreien. In diesem Augenblick denke ich gar nicht daran, dass mich jemand hören könnte. Doch ehe der Schrei meine Kehle verlässt, legt sich eine Hand auf meinen Mund, und ich werde gepackt und in den Schatten einer Ecke gezerrt.

„Besser nicht … sie würden dich hören ...“

Ich kenne diese Stimme. Ash! Was zum Teufel tut er hier? Ich höre auf zu Zappeln und drehe mich um. Er ist es wirklich! Er steht vor mir, groß, dunkel und verschlossen. Aber es ist Ash … der Ash, dem ich so nah war … nur ein einziges Mal und doch so unvergesslich. Mein Herz wird schwer. Vorbei … alles aus … ab heute gehöre ich Seth.

Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen. Wenigstens eine Antwort ist er mir schuldig.„Warum hast du mich im Stich gelassen?“

Er weicht meinem Blick aus. „Ich habe dir gesagt, dass ich nicht gut für dich bin. Ich bin, wie ich bin, Taya.“

„Das glaube ich nicht“, schluchze ich und versuche krampfhaft die Tränen zurückzuhalten. Wenn Seth sieht, dass meine Schminke verlaufen ist, weiß er, dass ich geheult habe. Und ich will ihn nicht unnötig reizen.

Überraschend zieht Ash mich an sich, und ich fühle seine harte Brust und rieche wieder seinen dunklen, erdigen Geruch. „Es ist mir nicht leichtgefallen, glaub mir das bitte. Aber wenn du wüsstest, was auf dem Spiel steht. Ich darf mich von Seth nicht erpressen lassen. Ich bin einmal schwach geworden, und Seth hat diese Schwachstelle sofort ausgenutzt. Ich hätte dich niemals so nah an mich heranlassen dürfen.“

Ich will das nicht hören! Was kann denn schon so wichtig sein, dass er mich dafür aufgibt … schlimmer noch, Seth einfach überlässt?

Ich sehe Ash an, und er atmet tief ein und versucht erneut, meinem Blick auszuweichen. „Sieh mich nicht so an. Mach es doch nicht noch schwerer für uns.“

Dann beugt er sich zu mir herunter und küsst mich. Schmetterlinge flattern in meinem Bauch. Ich öffne die Lippen und lasse Ashs Zunge mit meiner spielen. Sein Kuss elektrisiert mich. Er muss es doch auch spüren – dass so viel zwischen uns ist.

Meine Hände wandern seinen Oberkörper hinauf, über seine harten Brustmuskeln, hinein in sein Haar und krallen sich darin fest.

Sein Kuss wird wilder und fordernder. Dann – so plötzlich, wie er begonnen hat – ist er zu Ende. Ash schiebt mich von sich.

„Es geht nicht, Taya.“

Er geht wieder auf Abstand, und alles in mir bricht zusammen. Er hat mich ein weiteres Mal abgewiesen. Zwischen meine Traurigkeit und Verzweiflung mischt sich ein neues Gefühl – Wut! „Du hast recht … es geht nicht. Seth wird nämlich heute Nacht das tun, was du nicht tun wolltest. Er wird mich zu seinem Besitz machen … und zwar so, dass jeder es sehen kann.“

Ich kann sehen, dass Ash zusammenzuckt. Und ich kann sehen, dass er kocht vor Wut. Seine Augen sind fast schwarz. Ja, er ist verdammt wütend. Gut so! Wenigstens das! Dann fällt mir brennend heiß ein, dass ich schon viel zu lange fort bin. Leyla wird Alarm schlagen … und was Seth mit mir tun wird, wenn er meinen Fluchtversuch bemerkt, will ich mir gar nicht erst ausmalen.

„Leb wohl, Ash. Ich hoffe, das war es wert.“ Ich drehe mich um, lasse ihn einfach stehen, und renne zurück zur Küche.

„Warte ...“, höre ich Ash noch rufen, doch ich denke gar nicht daran. Wenn Seth mich mit ihm hier draußen findet, bin ich tot! Außerdem will ich nicht, dass Ash meine Tränen sieht, die ich nicht mehr zurückhalten kann.

Leyla war zwar aufgebracht und nervös, als ich zurückkam, aber sie hat nichts bemerkt, weil ich mir auf der Toilette das Make-Up aufgefrischt habe. Ich habe ihr erzählt, dass mir schlecht geworden ist und ich mich habe übergeben müssen. Sie hat mir geglaubt, weil sie weiß, dass Seth mir eine Heidenangst macht. Es tut mir unheimlich leid, sie angelogen zu haben. Leyla ist eine der Wenigen hier, die nett zu mir sind. Aber im Endeffekt würde auch sie mich lieber über die Klinge springen lassen, als sich mit Seth anzulegen. Wer würde sich schon freiwillig mit Seth anlegen?

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