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Ritter von Harmental

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X.
Die drei Visiten

Im Arsenal angelangt, fragte Bathilde . nach Demoiselle Delaunay, welche sie auf ihr Verlangen auch sogleich zur Herzogin du Maine führte.

»Ah, Du bist es Kind,« rief die Letztere, welche angeregt und sehr zerstreut schien. »Es ist recht, sich seiner Freunde zu erinnern, wenn sie das Mißgeschick trifft.«

»Ach, gnädigste Frau,« versetzte Bathilde, »ich komme, um bei Ew. Königlichen Hoheit etwas für Jemand zu erbitten, der noch weit unglücklicher ist. Ew. Königlichen Hoheit können höchstens einige Titel, einige Würden verlieren; Niemand aber wird es wagen, der Enkelin des großen Condé nach dem Leben zu trachten.«

»Nach ihrem Leben? nein,« versetzte die Herzogin, »ob aber nicht nach ihrer Freiheit, dafür will ich nicht einstehen. Denken Sie sich, der Dummkopf der Brigaud hat sich, als Colporteur verkleidet, vor drei Tagen in Orleans arretieren lassen und auf falsche Angaben, die man, wie von mir kommend, ihm vorgelegt, Alles eingestanden und uns außerordentlich compromittiert; so daß ich keinesweges erstaunen würde, wenn man uns noch, in dieser Nacht arretierte.«

»Derjenige, um dessen willen ich die Huld Ew. König. Hoheit in Anspruch nehme, hat nichts offenbart, entgegnete Bathilde; im Gegentheil, er ist zum Tode verurtheilt, weil er das strengste Schweigen beobachtet.«

»Ach, liebes Kind, Du spricht von dem armen Harmental; ja ich weiß, das ist ein wahrhafter Edelmann. Du kennst ihn also?«

»Nicht nur, daß Mademoiselle Bathilde ihn kennt, sie liebt ihn, fiel Mademoiselle Delaunay ein.

»Das arme Kind! Großer Gott! aber was ist dabei zu thun? Ich, Du begreift es, ich vermag nichts, ich habe keinen Einfluß mehr. Einen Versuch zu seinen Gunsten zu machen, hieße ihm seine letzte Hoffnung rauben, wenn ihm anders noch eine solche übriggeblieben.«

»Ich weiß das,« gnädigste Frau, erwiderte Bathilde, »auch komme ich nur, Ew. Königlichen Hoheit eine Bitte vorzutragen. Wäre es nicht möglich, mir durch einen Ihrer Freunde, Ihrer Bekannten, Zutritt bei dem Herrn Regenten zu verschaffen? Das Uebrige say meine Sache.«

»Aber, liebes Kind, weißt Du auch, was Du von mir begehrt?« fragte die Herzogin »Weißt Du, daß der Regent nichts respektiert? Weißt Du, daß Du schön bist, wie ein Engel und daß Dir selbst die Bläße zum Entzücken läßt? Weißt Du –?«

»Gnädigste Frau, erwiderte Bathilde mit edlem Stolze, ich weiß, daß mein Vater ihm das Leben gerettet hat, und daß er in seinem Dienste den Tod fand.«

»Das verändert die Sache, rief die Herzogin. »Halt! laß einmal sehen. Ja, ja, so gehts. Delaunay, rufe mir Malezieux.« Mademoiselle Delaunay gehorchte und nach wenigen Augenblicken trat der treue Kanzler ein.

»Malezieux,« rief die Herzogin, »führen Sie dieses junge Mädchen zu der Herzogin von Berry, und empfehlen Sie ihr dieselbe in meinem Namen. Sie muß den Regenten sprechen, und das sogleich, haben Sie mich verstanden? Es betrifft das Leben eines Menschen, und zwar das Leben unsers guten Harmentals, für dessen Erhaltung ich selbst, ich weiß nicht was, geben würde.«

»Ich eile, gnädigste Frau, erwidert Malezieux.

»Du siehst, liebes Kind,« sprach die Herzogin, »ich thue. Alles was ich vermag; kann ich Dir auf andere Weise helfen, gilt es, einen Gefangenenwärter zu bestechen; wenn Du, um eine Flucht zu bewerkstelligen, Geld bedarfst, ich habe selbst in diesem Augenblick nicht viel, aber ich besitze Diamanten, und ich kann sie nicht besser anwenden, als das Leben eines so wackern Edelmannes zu retten. Fort, fort, verliere keine Zeit, umarme mich und eile zu meiner Nichte; Du weißt, sie ist der Liebling ihres Vaters.«

»Sie sind ein Engel, gnädigste Frau,« rief Bathilde, »gelingt mein Vorhaben, bin ich Ihnen mehr als mein Leben schuldig.«

Mit diesen Worten begab sich Bathilde, von Malezieux begleitet, wieder in den Wagen und fuhr nach dem Palast de Luxembourg, wo sie auch schon nach zwanzig Minuten anlangte.

Unter Malezieux’s Schutz ward sie sofort eingelassen und in ein kleines Gemach geführt, wo man sie ersuchte zu warten; während Malezieux sich zu der Herzogin begab, um ihr das Gesuch seiner Gebieterin vorzutragen. Nach zehn Minuten kehrte er zurück; die Herzogin von Berry erschien mit ihm.

Die Herzogin besaß ein treffliches Herz und der Bericht Malezieux hatte sie tief gerührt; das junge Mädchen, welches gekommen war, sie um ihren Schutz anzuflehen, flößte ihr daher auch das größte Interesse ein. Bathilde bemerkte auf den ersten Blick diese ihr günstige Stimmung und näherte sich der Herzogin mit gefalteten Händen. Die Letztere erfaßte ihre Hand; Bathilde wollte vor ihr niederknieen; die Herzogin aber verhinderte sie daran und küßte sie auf die Stirn.

»Armes Kind«, sprach sie, »warum kamst Du nicht vor acht Tagen hierher. Damals hätte ich das Vergnügen, Dich zu meinem Vater zu führen, keinem Andern überlassen, jetzt, aber ist es unmöglich.«

»Unmöglich! Großer Gott! Und weshalb das?« rief Bathilde.

»Weißt Du denn nicht, armes Kind, daß ich seit vorgestern ganz und gar in Ungnade gefallen bin?« fragte die Herzogin. »Obgleich Prinzessin, bin ich doch Weib wie Du, auch ich hatte das Unglück zu lieben. Unter einem aber gehört das Herz nicht an, und es ist ein Verbrechen, darüber zu verfügen, ohne die Erlaubniß des Herrn Regenten und seines ersten Ministers. Seit drei Tagen ist mein Geliebter mein Gemahl. Mein Vater ist dadurch in den höchsten Zorn versetzt, und seitdem ist mir der Zutritt zu ihm untersagt. Ich wagte es heute, mich im Palais – Royal zu zeigen, man hat mich zurückgewiesen.«

»Ach!« jammerte Bathilde, »ich bin sehr unglücklich, ich hatte nur noch Hoffnung auf Sie; denn ich kenne durchaus Niemand, der mich bei dem Herrn Regenten einführen könnte. Und morgen, morgen um acht Uhr, gnädigste Frau, wird derjenige hingerichtet, den ich eben so sehr liebe, wie Sie den Herrn de Riom. Um des Ewigen Willen, haben Sie Mitleid mit mir, gnädigte Frau; nehmen Sie sich nicht meiner an, bin ich verloren.«

»Kommen Sie uns zu Hilfe,« sprach die Herzogin, indem Sie ihrem Gemahl, der so eben eintrat, die Hand reichte. »Dies arme Kind muß durchaus meinen Vater sprechen, und zwar ohne Verzug, sogleich; ihr Leben hängt davon ab. Was sage ich, mehr als ihr Leben; das Leben des Mannes, den sie liebt. Was ist dabei anzufangen? Sprechen Sie. Der Neffe Lauzuns muß in solchen Fällen Rath wissen.«

»Ich wüßte wohl ein Mittel, versetzte Riom lächelnd.

»Sprechen Sie es aus, mein Herr, sprechen Sie es aus, und meine ewige Dankbarkeit ist Ihnen geweiht.«

»Nennen Sie es Riom, fügte die Herzogin fast eben so lebhaft hinzu.

»Aber es compromittiert. Ihre Schwester ein wenig,« nahm Riom das Wort.

»Welche Schwester?«

»Mademoiselle de Valois.«

»Aglaja? und wie das?«

»wissen Sie nicht, daß es einen Zauberer giebt, der das Vorrecht hat, sich bei ihr einzuführen, bei Tag und bei Nacht, man weiß nicht wie?«

»Richelieu? Sie haben Recht,« rief die Herzogin, »Richelieu könnte uns helfen; aber ich befürchte, er wird nicht wollen.«

»Ich werde ihn so lange mit Bitten bestürmen, fiel Bathilde ein, bis er Mitleid mit mir empfindet.«

»Laffen Sie schnell Madame de Mouchy rufen, gebot die Herzogin, »ersuchen Sie sie, Mademoiselle sogleich zu dem Herzoge von Richelieu zu führen. Madame de Mouchy ist meine erste Ehrendame, mein liebes Kind,« fuhr die Herzogin fort, während Riom den erhaltenen Befehl ausrichtete, »und man versichert, daß Herr von Richelieu ihr einige Erkenntlichkeit schuldig say.«

»Dank, Dank! gnädigste Frau,« rief Bathilde, indem sie die Hand der Herzogin küßte »So ist also noch nicht alle Hoffnung verloren! Ew. Königl. Hoheit glauben also, daß der Herzog von Richelieu ein Mittel besitzt, sich in das Palais-Royal einzuführen?«

»Man sagt es,« versetzte die Herzogin.

»Ach! mein Gott!« rief Bathilde, »wenn man ihn nur zu Hause findet.«

»Wie viel Uhr ist? Kaum acht Uhr? Ohne Zweifel speiset er zur Nacht in der Stadt und wird zurückkehren, um seine Toilette zu machen. Ich werde Madame de Mouchy beauftragen, ihn in Deiner Gesellschaft zu erwarten.«

Madame de Mouchy erhielt die nöthige Anweisung und eine Viertelstunde später befand sie sich mit Bathilden im Hotel Richelieu. Gegen alles Erwarten war der Herzog zu Hause. Madame de Mouchy ließ sich anmelden; sie ward sogleich eingeführt; Bathilde folgte. Die beiden Frauen fanden Herrn von Richelieu mit seinem Secretair Herrn Raffé beschäftigt, eine Menge nutzloser Briefe zu verbrennen und einige andere bei Seite zu legen.

»Welcher gute Wind weht Sie hierher, schöne Frau?« fragte der Herzog, indem er von seinem Sitze aufsprang und Madame de Mouchy lächelnd entgegentrat.

»Ich komme, Sie eine schöne Handlung begehen zu lassen, Herzog.«

»Wirklich? Ey, in diesem Falle beeilen Sie sich, Madame, morgen muß ich mich in die Bastille begeben. Es ist das dritte Mal, daß ich mich dort einfinde.«

»Und woher wissen Sie das?«

»Dieser Brief hier?«

Madame de Mouchy las:

»Schuldig oder nicht, gleichviel; es bleibt Ihnen nur noch die Zeit, die Flucht zu ergreifen. Morgen werden. Sie arretiert; der Regent hat soeben in meiner Gegenwart bemerkt, daß er endlich den Herzog von Richelieu gefangen habe.«

»Der Bericht ist zuverlässig, ich kenne die Handschrift.«

»Wolan, rief Richelieu, »so sehen Sie, daß mir nur noch diese Nacht übrig bleibt. Kann ich Ihnen im Laufe derselben von einigem Nutzen seyn, so befehlen Sie frei über mich, ich bin ganz zu Ihren Diensten.«

»Eine Stunde reicht hin; hören Sie, was es betrifft. Hatten Sie die Absicht, derjenigen, die Ihnen dieses Briefchen sandte, noch diesen Abend Ihren Dank abzustatten?«

»Vielleicht,« erwiderte lächelnd der Herzog.

»Wolan, so müssen Sie ihr dies junge Mädchen vorstellen.«

 

»Mademoiselle, und wer ist sie?«

»Ein unglückliches Mädchen, welches den Ritter von Harmental liebt, der morgen hingerichtet werden soll, und das von dem Regenten seine Begnadigung erflehen will.«

»Wie, Sie lieben den Ritter von Harmental, Mademoiselle?« fragte der Herzog von Richelieu.

»Ach! Herr Herzog,« stammelte Bathilde, und hohe Glut färbte ihre Wange.

»Schämen Sie sich deshalb nicht,« fuhr Richelieu fort; es ist ein edler junger Mann, und ich würde zehn Jahre meines Lebens darum geben, könnte ich ihn retten. Glauben Sie ein Mittel zu besitzen, den Regenten günstig für ihn zu stimmen?«

»Ja, Herr Herzog. »Wolan, so say es; das wird mir Glück bringen. Kehren Sie zu Ihrer Königlichen Hoheit zurück, Madame de Mouchy; legen Sie ihr meine Huldigung zu Füßen und überbringen Sie ihr die Versicherung, daß Mademoiselle in einer Stunde vor dem Regenten stehen wird.«

»Ach!« Herr Herzog, rief Bathilde.

»Wirklich, Herr Herzog, versetzte Madame de Mouchy, ich glaube, Sie haben einen Bund mit dem Teufel geschlossen und können durch ein Schlüsselloch kriechen; ich bin jetzt in der That nicht mehr so besorgt, Sie nach der Bastille gesandt zu wissen. Bis dahin also leben Sie wohl, Herzog, möge Ihre Gefangenschaft eine leichte seyn!«

Der Herzog küßte die Hand der Madame de Mouchy und führte sie bis zur Thür; dann kehrte er zu Bathilden zurück.

»Mademoiselle,« sprach er, »was ich für Sie zu thun im Begriff stehe, würde ich für niemand Anders thun; das Geheimniß, welches ich Ihnen entdecken will, kennt Niemand. Was ich Ihren Blicken anvertrauen will, ist der Ruf, die Ehre einer Prinzessin von Königlichem Geblüt. Schwören Sie mir also, daß Niemand, außer Einem – denn ich weiß, ein Frauenzimmer hat stets Einen, dem sie nichts verschweigen kann – schwören Sie mir also, daß außer diesem Einen, Niemand erfahren soll, auf welche Weise Sie in das Palais-Royal gekommen sind.«

»Ich schwöre es Ihnen, Herr Herzog, bei Allem, was mir heilig ist, bei dem Andenken meiner verewigten Mutter.«

»Das reicht hin,« sprach der Herzog, indem er an einer Klingelschnur zog.

Ein Kammerdiener trat herein.

»Lafosse, einen Wagen.«

»Wenn Sie, um keine Zeit zu verlieren, sich meines Fiackers bedienen wollen, Herr Herzog,« siel Bathilde ein; »er wartet unten.«

»Charmant, das ist noch besser. Mademoiselle, ich stehe zu Ihrem Befehl.«

»Soll ich den Herrn Herzog begleiten?« fragte der Kammerdiener.

»Nein, das ist unnöthig, Du bleibst bei Raffé und hilft ihm diese Papiere ordnen. Es sind verschiedene darunter, von denen es durchaus nicht nöthig ist, daß sie Dubois vor Augen kommen.«

Der Herzog bot Bathilden seinen Arm, und führte sie die Treppe hinab. Sie stiegen in den Fiacker und nachdem er dem Kutscher geboten hatte, an der Ecke der Rue Saint Honoré und der Rue Richelieu anzuhalten, nahm der Herzog von Richelieu neben Bathilden Platz, so ruhig als ob er nicht gewußt hätte, daß das Schicksal, welchem Harmental entrissen werden sollte, vielleicht in wenigen Tagen auch schon seiner harre.

XI.
Der Schrank

Der Wagen hielt an dem bestimmten Orte an, der Herzog stieg aus, half Bathilde aus dem Wagen, zog aus seiner Tasche einen Schlüssel, und öffnete die Thür eines Hauses, das sich an der Ecke der beiden Straßen befand, und das jetzt mit Nummer 218 bezeichnet ist.

Der Herzog führte Bathilde ungefähr zwanzig dunkle Stufen hinauf, zog einen zweiten Schlüssel hervor, öffnete wieder eine Thür, die in eine Art von Vorzimmer führte, nahm ein dortstehendes Wachslicht, und zündete dasselbe bei der Lampe an, die auf der Treppe brannte.

»Sie sehen, Mademoiselle, ich muß mich hier selbst bedienen, sprach der Herzog, »Sie werden gleich begreifen, weshalb ich mir hier die Dienste eines Lakaien versage.« Der Herzog verschloß darauf die Thür hinter sich, »jetzt folgen Sie mir,« sprach er, indem er, die brennende Wachskerze in der Hand, Bathilden voranschritt.

Sie kamen durch mehrere Gemächer, bis sie endlich ein Schlafgemach erreichten. Hier hemmte Richelieu seine Schritte. »Sie haben mir Verschwiegenheit gelobt, Mademoiselle,« nahm jetzt der Herzog wieder das Wort. »Wolan, so sollen Sie jetzt unser Geheimniß erfahren, es ist das der Liebe – die Liebe wird es zu bewahren wissen.«

So sprechend schob Richelieu ein in der Wand befindliches Fach zurück, worauf sich die hintere Seite eines Schrankes zeigte. Er pochte leise dreimal an dieselbe; sogleich hörte man einen Schlüssel im Schlosse drehen, sah zwischen den Brettern ein Licht schimmern, und vernahm eine weiche Stimme, welche fragte: »Sind Sie es?« Auf die bejahende Antwort des Herzogs, lösten sich leise drei Bretter der Hinterwand, so daß dadurch ein Eingang von einem Zimmer in das andere gebildet wurde, und Richelieu und Bathilde sich vor Mademoiselle von Valois befanden, welche einen Schrei ausstieß, als sie ihren Geliebten von einem Frauenzimmer begleitet sah.

»Fürchten Sie nichts, theure Aglaja,« rief Richelieu, indem er in das zweite Zimmer trat, und die Hand der Geliebten erfaßte, während Bathilde schüchtern auf ihrem Platze blieb; »Sie werden es mir sogleich Dank wissen, daß ich das Geheimniß unsers lieben Schrankes verrathen habe. Sie hörten mich zuweilen des Ritters von Harmental erwähnen, nicht wahr?«

»Noch vorgestern sagten Sie mir, versetzte die Prinzessin, »daß er um sein Leben zu retten, und Euch alle zu verderben, nur ein einziges Wort zu sprechen brauche, daß er aber verschwiegen say wie das Grab.«

»Ganz recht! Er hat das Wort nicht gesprochen – er ist zum Tode verurtheilt, und soll Morgen früh hingerichtet werden – dieses junge Mädchen liebt ihn – seine Begnadigung hängt von dem Regenten ab – begreifen Sie jetzt?«

»Ja ja, jetzt verstehe ich!« rief Mademoiselle de Valois. »So kommen Sie, sprach Richelieu, indem er Bathildens Hand ergriff, und sie zu der Prinzessin führte. »Sie wußte nicht, wie sie zu Ihrem Vater gelangen sollte, theure Aglaja,« fuhr er darauf fort; »sie wandte sich an mich, gerade als ich Ihren lieben Brief empfing. Ich mußte Ihnen für Ihren Wink danken, und da ich Ihr edles Herz kenne, so glaubte ich, daß es Ihnen Freude machen würde, einem Manne das Leben zu retten, dessen Verschwiegenheit. Sie wahrscheinlich die Erhaltung des meinigen verdanken.«

»Und Sie hatten Recht, mein lieber Herzog Seyn Sie willkommen, Mademoiselle! Was wünschen Sie jetzt? sprechen Sie, was kann ich für Sie thun?«

»Ich wünsche den Herrn Regenten zu sprechen,« sprach Bathilde, »ich bitte Ew. Königl. Hoheit mich zu ihm zu führen.«

»Werden Sie mich hier erwarten?« fragte die Prinzessin.

»Können Sie daran zweifeln, theure Aglaja? So treten Sie wieder in den Schrank, damit Niemand Sie hier finde; ich führe Mademoiselle zu meinem Vater, und kehre sogleich zurück.«

»Ich harre Ihrer Befehle,« sprach der Herzog, indem er that, wie ihm geboten worden. Die Prinzessin flüsterte ihrem Geliebten einige Worte zu, verschloß alsdann den Schrank, steckte den Schlüssel zu sich, reichte Bathilden die Hand und sprach: Alle Weiber, welche lieben, sind Schwestern, Armand und Sie hatten Recht, auf mich zu zählen. Kommen Sie jetzt mit mir.«

Bathilde küßte die ihr dargereichte Hand der Prinzessin und folgte. – Sie schritten durch eine lange Reihe von Sälen und Zimmern bis zu dem Schlafgemache des Regenten. »Wir sind an Ort und Stelle, sprach die Prinzessin, auf Bathilde blickend, welche heftig schwankte und zitterte; denn der Gedanke, daß jetzt der entscheidende Augenblick nahe, raubte ihr jede Kraft und Fassung.

»Muth, Muth, mein liebes Kind,« fuhr die Prinzessin fort, »mein Vater ist gut. Treten Sie ein, werfen Sie sich ihm zu Füßen – der Himmel und sein Herz werden das Uebrige thun.«

Da Bathilde aber noch immer zögerte, öffnete sie die Thür, schob das bebende Mädchen hinein, schloß die Thür wieder und kehrte mit leichten Schritten zu dem Herzog von Richelieu zurück. Bathilde, welche sich so plötzlich sich selbst überlassen sah, stieß einen leichten Schrei aus, so daß der Regent, der sinnend im Zimmer auf und abging, das Haupt erhob und sie gewahrte.

Bathilde, unfähig ein Wort über ihre Lippen zu bringen, sank auf ihre Kniee nieder, zog den oft erwähnten Brief hervor, und streckte mit demselben flehend ihre Hand gegen den Regenten hin.

Der Herzog staunte und trat auf sie zu. In diesem Augenblick aber fühlte sich Bathilde von ihrer Seelenangst so überwältigt, daß sie umgesunken wäre, hätte der Regent sie nicht aufrecht gehalten.

»Mein Gott, Mademoiselle!« rief der Herzog von Orleans, auf den der Anblick eines heftigen und tiefen Schmerzes stets einen lebhaften Eindruck machte, »was fehlt Ihnen – was kann ich für Sie thun? – sprechen Sie! Stehen Sie auf, stehen Sie auf, setzen Sie sich.«

»Nein, nein, gnädigster Herr,« stammelte Bathilde, »zu Ihren Füßen ist mein Platz, denn ich komme, Sie um Gnade anzuflehen!«

»Um Gnade, um welche?«

»Lesen Sie zuvor diesen Brief, gnädigster Herr, flehte Bathilde, vielleicht wage ich alsdann zu sprechen.« Und sie reichte dem Herzoge von Orleans das Schreiben hin, auf welchem ihre einzige Hoffnung beruhte. Der Regent nahm den Brief, trat mit demselben zu einer auf dem Camine brennenden Wachskerze, erkannte seine Handschrift und las wie folgt:

»Madame! Ihr Gemahl ist todt! gefallen für Frankreich und für mich! Weder Frankreich noch ich können Ihnen Ihren Gatten wiedergeben, aber denken Sie daran, daß wenn Sie je etwas wünschen und bedürfen, wir Beide Ihre Schuldner sind.

»Ihr wohlgeneigter

Philipp Herzog von Orleans.

»Ich erkenne in diesem Briefe vollkommen meine Handschrift, Mademoiselle,« sprach der Herzog, »aber ich muß Sie bitten meinem Gedächtniß zu Hilfe zu kommen und mir zu sagen, an wen er gerichtet war.«

»Lesen Sie die Adresse, gnädigster Herr, erwiderte Bathilde, ein wenig ermuthigt durch den Ausdruck von Wohlwollen im Antlitz des Regenten.

»Clarisse du Rocher, las der Herzog, ja, ja, ich entsinne mich jetzt ich sandte diesen Brief aus Spanien gleich nach dem Tode des armen Albert, ich schrieb diesen Brief an seine Witwe, wie kommt er in Ihre Hände?«

»Clarisse war meine Mutter, gnädigster Herr, ich bin die Tochter Albert du Rochers.«

»Wie, Sie, Sie?«, fragte der Regent lebhaft. »Was ist aus Ihrer Mutter geworden?«

»Sie ist todt, Ew. König. Hoheit. Seit fast vierzehn Jahren, sie starb in der Verzweiflung und im Elende.«

»Aber weshalb wandte sie sich nicht an mich?«

»Ew.«Königl. Hoheit waren damals noch in Spanien.«

»Großer Gott! Doch fahren. Sie fort, Mademoiselle! Sie wissen nicht, wie sehr mich das Alles interessiert. Arme Clarisse, armer Albert! sie liebten sich so innig; jetzt erinnere ich mich. Alles. Sie konnte ihn nicht überleben. wissen Sie auch, daß Ihr Vater mir das Leben gerettet hat? Bei Nerwinden, wissen Sie das?«

»Ich weiß das, gnädigster Herr, und das gerade gab mir den Muth, mich Ihnen vorzustellen.«

»Aber Sie armes Kind, Sie arme Waise, was ward aus Ihnen?«

Ein Freund meiner Aeltern nahm sich meiner an, ein armer Abschreiber, Namens Jean Buvat, gnädigster Herr.«

»Jean Buvat, Jean Buvat,« wiederholte der Herzog, »der Name ist mir bekannt! Ja, richtig! Jean Buvat, das ist der arme Teufel von Copist, der die ganze heillose Verschwörung entdeckt hat, und der mich neulich selbst um die Zahlung eines rückständigen Gehalts ersuchte.«

»Es ist derselbe, gnädigster Herr!«

»Mademoiselle,« fuhr der Herzog freundlich fort, »es scheint, daß Alles, was Sie umgiebt, bestimmt say, mich zu retten. Ich bin jetzt zwiefach Ihr Schuldner. Sie sagten mir, Sie hätten eine Gnade von mir zu erbitten, sprechen Sie also dreist, ich bin ganz Ohr.«

»Großer Gott, verleihe mir Muth, flehte Bathilde.«

»Es ist also wohl etwas recht. Wichtiges, recht Schwieriges, was Sie wünschen?«

»Ach, gnädigster Herr, versetzte Bathilde, ihren ganzen Muth zusammen raffend, »es betrifft das Leben eines Menschen, der den Tod verdient hat.«

»Wie, beträfe die Sache etwa den Ritter von Harmental?« fragte der Regent.

»Ew. Königl. Hoheit haben es so eben ausgesprochen,« stammelte Bathilde.

Die Stirn des Regenten ward ernst, während Bathildens Herz fast hörbar pochte. »Ist er Ihr Verwandter, Ihr Freund?« fragte der Herzog.

»Er ist mein Leben, meine Seele, gnädigter Herr, ich liebe ihn!«

»Aber wissen Sie auch, daß wenn ich ihn begnadige, ich Alle begnadigen muß? Und daß es in dieser Sache noch Strafbarere giebt, als er einer ist?«

»Es ist nur sein Leben, warum ich flehe, gnädigster Herr, nur sein Leben ist es, warum ich bitte.«

 

»Und wenn ich nun seine Todesstrafe in eine lebenslängliche Gefangenschaft milderte, dann würden Sie ihn ja nie wieder sehen?«

Bathilde war nahe daran, umzusinken.

»Was würde alsdann aus Ihnen werden?«

»Ich, sprach Bathilde, »ich würde in ein Kloster gehen, und mein ganzes Leben für Sie beten, und für ihn.«

»Das kann nicht seyn, kann durchaus nicht seyn,« bemerkte der Regent.

»Und weshalb das nicht, gnädigster Herr?« »Weil man vor einer Stunde um Ihre Hand angehalten hat, und ich sie zugesagt habe.«

»Meine Hand versprochen? um Gotteswillen, an wen?«

»Lesen Sie,« sprach der Regent, indem er einen Brief von einem Bureau nahm und ihn Bathilden offen hinreichte.

»Raoul! Raoul!«, rief Bathilde. »Es ist seine Handschrift, ewiger Gott, was ist das?«

»Lesen Sie nur, lesen Sie,« sprach der Regent, und Bathilde las mit bebenden Lippen folgenden Brief:

»Gnädigster Herr!

»Ich habe den Tod verdient, ich weiß es, und ich komme nicht, um mein Leben zu bitten, ich bin bereit, zu sterben. Aber es hängt von Ew. Königlichen Hoheit ab, wir diesen Tod zu versüßen; und ich beschwöre. Sie knieend, mir diese Gunst zu gewähren:

»Ich liebe ein junges Mädchen, das ich geheirathet haben würde, wäre ich am Leben geblieben. Gestatten Sie, daß sie meine Gattin werde, bevor ich sterbe. Möchte ich wenigstens in das Jenseits mit dem Troste hinübergehen, daß ich ihr in dieser Welt, wo sie alsdann allein steht, mein Vermögen und meinen Namen hinterlasse. Von dem Altare möge man mich sofort auf das Schafott führen. Das ist mein letzter , mein einzigster Wunsch; schlagen Ew. Hoheit diese Bitte einem Sterbenden nicht ab.

Raoul d’Harmental.«

»Ich habe ihm eine Bitte gewährt, nahm der Herzog wieder das Wort, »es ist nicht mehr als menschlich, daß ihm auf diese Weise seine letzten Augenblicke versüßt werden.«

»Ist das also Alles, Alles, was Sie ihm bewilligen, gnädigster Herr?a stammelte Bathilde.

»Sie sehen ja, daß er sich selbst Gerechtigkeit widerfahren läßt und nicht mehr verlangt,« versetzte der Regent; und in einem Tone, der keine Antwort gestattete, fügte er, nachdem er schnell einige Zeilen hingeworfen, und sie versiegelt hatte, hinzu: »Hier ist ein Schreiben an den Herrn de Launay, Gouverneur der Bastille, es enthält meine Befehle, hinsichtlich des Verurtheilten. Mein Gardecapitain wird Sie begleiten, und Sorge tragen, daß mein Wille pünktlich erfüllt werde.«

»Sein Leben, sein Leben! Um Gottes Barmherzigkeit willen, schenken Sie ihm das Leben!« flehte Bathilde, aufs Neue sich auf ihre Kniee werfend. Der Regent aber zog die Klingel. »Rufen Sie den Herrn Marquis de Lafare,« gebot er dem eintretenden Kammerdiener.

»Sie sind grausam, gnädigster Herr,« sprach Bathilde sich aufrichtend, »gestatten Sie mir wenigstens mit ihm zu sterben! Wir werden dann wenigstens nicht getrennt, weder auf dem Schafott, noch im Grabe.«

»Herr von Lafare,« gebot der Regent, »begleiten Sie Mademoiselle in die Bastille; hier ist ein Brief an Herrn de Launay, Sie werden gemeinschaftlich mit ihm Einsicht davon nehmen, und darüber wachen, daß meine Befehle auf das Pünktlichste befolgt werden.« – Und ohne auf den Schrei der Verzweiflung Bathildens zu achten, öffnete er das angränzende Cabinet und verschwand.