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Ritter von Harmental

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XII.
Die Vermählung im letzten Augenblick

Lafare zog das fast sterbende Mädchen mit sich fort und hob sie in einen der Wagen, welche im Palais-Royal stets angespannt fanden, und der mit ihnen im raschen Flug nach der Bastille dahinrollte. Bathilde sprach unterwegs kein Wort, sie saß starr und regungslos da wie eine Statue. Als sie aber vor der Festung anlangten, da schauderte sie furchtbar zusammen. Es war ihr als habe sie auf demselben Platze, wo der Chevalier von Rohan hingerichtet wurde, ein Gerüst wie ein Schafott erschaut. Die Schildwache rief »Wer da!« man hörte den Wagen über die Zugbrücke rasseln, das Thor öffnete sich und der Wagen fuhr hinein und hielt vor der Treppe, die zur Wohnung des Gouverneurs führte.

Zehn Minuten vergingen ungefähr, während Bathilde, wie vernichtet in den Lehnsessel ruhte, in den sie beim Eintreten gesunken war; das unglückliche Mädchen hatte nur einen Gedanken – den, daß ihr geliebter Raoul das Schafott besteigen sollte.

Nach zehn Minuten kehrte Lafare mit dem Gouverneur zurück. Bathilde erhob unwillkürlich das Haupt und richtete den irren Blick auf sie. Lafare näherte sich ihr und bot ihr den Arm: »Mademoiselle,« sprach er,«es ist in der Kirche alles bereit, der Priester wartet auf Sie.« Bathilde richtete sich auf, ohne etwas zu antworten, war aber, da sie fühlte daß ihr die Kraft fehle, genöthigt, sich auf den ihr dargebotenen Arm zu stützen. Herr de Launay schritt voran, vorgeleuchtet von zwei Dienern, welche Fackeln trugen.

So wie Bathilde die Kirche betrat, gewahrte sie, daß Harmental sich von der andern Seite derselben näherte, von Valef und Pompadour begleitet. Sie waren die Zeugen des Bräutigams, gleich wie die Herren de Launay und Lafare die Zeugen der Braut waren. Jede Kirchthür war von zwei französischen Garden bewacht, welche mit geschultertem Gewehr wie Bildsäulen dastanden.

Die beiden Liebenden näherten sich einander langsam, Bathilde todtenbleich und schwankend, Harmental ruhig und lächelnd. Vor dem Altar angelangt, erfaßte der Chevalier die Hand seiner Braut und führte sie zu den für sie bereiteten Kissen; hier knieten sie nieder ohne auch nur ein einziges Wort zu sprechen.

Der Altar war nur durch vier Kerzen erleuchtet, welche die ohnehin dunkle Capelle nur schwach erhellten, und die düstere Feierlichkeit des Augenblicks noch vermehrten. Der Priester begann die Messe, es war ein schöner Greis mit schneeweißem Haar, dessen schwermüthige Züge verkündeten, daß seine täglichen traurigen Functionen, in feiner Seele eine tiefe Spur zurückließen. Er war schon seit 25 Jahren Capellan der Bastille, und hatte während dieser langen Zeit, manche qualvolle Beichte vernommen, manches grauenvolle Schauspiel erlebt.

Indem er das junge Ehepaar einsegnete, richtete er, der heiligen Gewohnheit zufolge, einige Worte an dasselbe. Statt aber zu dem jungen Manne von seinen Pflichten als Gatte, und zu der jungen Frau von ihren Mutterpflichten zu reden, statt ihnen die Zukunft ihres Lebens vor Augen zu führen, sprach er zu ihnen nur von dem Frieden im Himmel, der göttlichen Barmherzigkeit und der ewigen Vereinigung dort oben; Bathilde war dem Ersticken nahe; Harmental sah, daß sie im Begriff war, in Thränen auszubrechen; er erfaßte ihre Hand und blickte sie mit so gänzlicher Ergebung an, daß das arme Mädchen seine ganze Seelenkraft wiedergewann. In dem Augenblick, als der Segen gesprochen wurde, neigte sie ihr Haupt auf Harmentals Schulter, so daß der Geistliche glaubte, sie werde ohnmächtig, und inne hielt.

»Vollenden Sie, frommer Vater, vollenden Sie,« stammelte Bathilde, und der Priester sprach die feierlichen Worte aus, welche von beiden Liebenden mit einem Ja beantwortet wurden, in welchem sich die ganze Kraft ihrer Seele aussprach.

Nach beendigter Ceremonie fragte Harmental den Herrn de Launay, ob es ihm gestattet say, die wenigen, ihm noch übrigen Stunden bei seiner Gemahlin zu bleiben. Der Gouverneur entgegnete, daß dem nichts entgegen fände, und daß man ihn in sein Zimmer zurückführen würde. Raoul umarmte darauf Valef und Pompadour, dankte ihnen, daß sie ihm als Zeugen bei seiner Trauerhochzeit gedient hatten, drückte Lafare die Hand, äußerte dem Gouverneur eine Erkenntlichkeit für die Güte, die er ihm während seines Aufenthalts in der Bastille bewiesen, schlug seinen Arm um Bathilde, die nahe daran war, umzusinken, und näherte sich mit ihr der Thür, durch die er eingetreten war. Hier traten ihnen die beiden Männer mit den Fackeln wieder vor, und schritten voran bis zu Harmentals Zimmer. Dort wartete ein Gefangenenwärter, welcher ihnen die Thür öffnete; Raoul und Bathilde traten ein, die Thür schloß sich wieder, und die beiden Gatten befanden sich allein.

Jetzt vermochte Bathilde, die sich bisher Gewalt angethan, ihrem Schmerze nicht mehr zu gebieten, sie stieß einen herzzerreißenden Schrei aus, rang verzweiflungsvoll die Hände, und sank in einen Lehnsessel. Raoul warf sich vor ihr auf die Kniee, und versuchte es, sie zu trösten. Aber er selbst hatte keine Worte – nur Thränen.

Kaum hatten sie eine halbe Stunde auf diese schmerzliche Weise verbracht, als sich Schritte näherten und ein Schlüssel im Schloß der Thür gedreht wurde. Bathilde schauderte zusammen und preßte Harmental krampfhaft an ihre Brust. Raoul begriff, welche Angst sie erfasse und beruhigte sie. Noch war der schreckliche Augenblick nicht da; es war elf Uhr Nachts und erst um acht Uhr Morgens sollte die Hinrichtung stattfinden. Es war der Gouverneur, welcher erschien. »Herr Chevalier,« sprach er, »haben Sie die Güte, mir zu folgen.«

»Allein?« fragte Harmental, traurig auf Bathilde blickend.

»Nein, mit Ihrer Gemahlin.«

»Beide, beide! Hörst Du Raoul! Wir sterben zusammen,« frohlockte Bathilde. Hier sind wir« Herr Gouverneuer, wir sind bereit!«

Harmental schloß Bathilde noch einmal in die Arme, und drückte noch einmal einen Kuß auf ihre Lippen, dann raffte er seinen ganzen Stolz zusammen, und folgte Herrn de Launay mit festen Schritten.

Der Gouverneur führte die unglücklichen Gatten durch mehrere lange, durch sparsame Lampen nur schwach erhellte Gänge, zu einer Treppe, die sie hinabstiegen, und worauf sie sich vor der Pforte befanden. Diese Thür führte zu einem von hohen Mauern umgebenen freien Platze, wo sich ein Theil der Gefangenen ergehen durfte. In diesem Hofe hielt ein mit zwei Pferden bespannter Wagen, auf einem der Pferde saß ein Postillon, und in der Dämmerung sah man die Cuirasse von einem Dutzend Musketairs schimmern.

Da blitzte plötzlich ein schwacher Hoffnungsstrahl in der Seele der beiden Liebenden auf. Der angespannte Wagen, die militairische Eskorte ließen Bathilde hoffen, daß der Regent ihre dringende Bitte erfüllt und die Todesstrafe in lebenslängliche Gefangenschaft auf irgend einer Festung umgewandelt habe. Beide blickten sich einander an, und schlugen dann das Auge zum Himmel auf, um ihm für das unerwartete Glück zu danken.

Unterdessen hatte der Gouverneur dem Postillon gewinkt, und der Wagen rollte heran. Der Wagenschlag ward geöffnet, und Herr de Launay reichte Bathilden die Hand um ihr behilflich zu seyn, einzusteigen. Bathilde zögerte, sie blickte sich ängstlich um, ob man Raoul auch nicht fortführe, dieser aber schickte sich an ihr zu folgen und so stieg sie rasch ein. Im nächsten Augenblick saß Raoul ihr zur Seite, der Schlag ward zugeworfen, der Wagen rollte fort, von der Escorte umringt, die Zugbrücke rasselte hinab, und bald befanden sie sich außerhalb der Mauern der Bastille.

Die beiden Gatten sanken einander in die Arme. Es war kein Zweifel mehr, der Regent schenkte Harmental das Leben, ja was noch mehr war, er wollte ihn nicht von Bathilden trennen. Ein solches Glück hatten sie nie geträumt, sie sollten beisammen seyn, sollten sich stets sehen, was konnten sie mehr verlangen! Nur ein einziger Gedanke trübte das Paradies der Liebenden; die Erinnerung an den armen ehrlichen Buvat.

Da hielt plötzlich der Wagen. Die Thür öffnete sich, es war der Postillon. »Was willst Du?« fragte Harmental, bei dem schnell neue Besorgnisse erstiegen. »Fragen, wohin ich fahren soll, Herr,« antwortete der Bursche.

»Wie! – Was? – wohin Du mich bringen sollst?« entgegnete Harmental erstaunt, »hast Du denn keinen Befehl?«

»Ich habe keinen andern, als den, Sie in das Bois de Vincennes, zwischen Chelles und Nogent-für-Marne zu bringen, und da sind wir jetzt!«

»Und die Eskorte?« forschte Harmental, »was ist aus ihr geworden?«

»Unsere Eskorte? Ei, die ist bei der Barriere zurückgeblieben.«

»Ach, großer Gott! großer Gott!« riefen Harmental und Bathilde wonnetrunken, »ist das möglich.

Sie waren frei wie die Luft, die sie ein athmeten.

Der Regent hatte den Befehl gegeben, Harmental nach derselben Stelle zu bringen, wo er den Angriff auf den vermeintlichen Herzog vollbrachte. Dies war die einzige Rache, welche Philipp von Orleans sich gestattete.

Vier Jahre darauf hatte Buvat, der seine Stelle in der Bibliothek wiedererhielt, und dem sein Rückstand völlig ausbezahlt wurde, die Freude, einem hübschen dreijährigen Knaben die erste Feder in die Hand zu legen. Es war der Sohn Raouls und Bathildens. Die ersten Worte, die der Knabe schreiben lernte, waren die Namen Albert und Clarisse, dann folgte der: Philipp von Orleans, Regent von Frankreich.

Nachschrift

Vielleicht ist es mehreren unserer Leser angenehm, hier noch Einiges über das Schicksal der übrigen Personen zu erfahren, welche in dieser unserer Erzählung eine Rolle spielten.

Der Herzog und die Herzogin von Maine wurden arretiert; jener in Sceaux, diese in einem kleinen Hause, welches sie in der Rue St. Honoré besaß. Der Herzog wurde nach dem Schlosse Durlens, die Herzogin nach dem Schlosse von Dijon gebracht, von wo man sie bald nach der Citadelle von Chalons brachte. Beide erhielten indeß schon nach wenigen Monaten ihre Freiheit wieder. Richelieu ward wirklich in die Bastille geführt, aber schon nach drei Monaten wieder in Freiheit gesetzt, weil der Regent durch eine längere Haft das ganze weibliche Geschlecht von Paris gegen sich aufzubringen fürchtete. Der bewußte Schrank aber war vermauert, und Mademoiselle von Valois war Herzogin von Modena geworden.

 

Der zu Orleans arretierte Abbé Brigaud blieb eine Zeit lang in den Gefängnissen dieser Stadt, zum großen Leidwesen der guten Madame Denis, ihrer Töchter Emilie und Athenais, und des jungen Herrn Bonifaz. An einem schönen Morgen indeß, als die Familie sich so eben zum Frühstück setzen wollte, erschien plötzlich der Abbé Brigaud wieder, aber so ruhig und besonnen wie gewöhnlich. Man bestürmte ihn mit Fragen, aber er wies vorsichtig, alle Nachforschungen zurück, erklärend, die Sache habe ihm schon soviel Verdruß gemacht, daß man ihn verbinden würde, nicht weiter darüber zu sprechen.

Einige Tage nach ihm, verließen auch Pompadour, Valef, Laval und Malezieux ihr Gefängniß, sie bildeten aufs Neue den Hof der Herzogin von Maine, so als ob nichts vorgefallen say. Der Cardinal von Polignac war nicht einmal arretiert, sondern nur nach seiner Abtey Anchin verwiesen worden.

Lagrange Chance, jener böswillige Poet, welcher das furchtbare Pasquill geschmiedet hatte, ward in das Palais- Royal beschieden.

»Mein Herr,« fragte der Regent, denken Sie wirklich das alles von mir, was Sie über mich gesagt haben?«

Ja gnädigster Herr,« antwortete der Poet unerschrocken.

»Das ist Ihr Glück, mein Herr,« versetzte der Herzog, denn hätten Sie diese Nichtswürdigkeiten gegen Ihre Ueberzeugung hingeschrieben, ich hätte Sie hängen lassen.«

Der Regent begnügte sich, ihn nach der Insel St. Marguerite zu senden, wo er auch nur drei oder vier Monate blieb. Die Feinde des Regenten hatten das Gerücht ausgesprengt, daß ihn derselbe dort habe vergiften lassen; und der Prinz wußte kein besseres Mittel, diese neue Verläumdung zu widerlegen, als ihm die Thore seines Kerkers zu öffnen.

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