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Olympia von Clèves

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Banniére hatte seinen Arm um den des Abbé geschlungen und ließ ihn gegen Versailles fliegen.

»Aber wir gehen nicht so nach Versailles?« sagte Champmeslé.«

»Doch!«

«Zu Fuße?«

»Oh! nein, wir fahren. Ich werde bezahlen.«

»Ah! ja, von den zwanzig Livres, die Sie noch haben.«

»Nun! ist das nicht hinreichend?«

»Doch; aber was wird Ihnen bleiben?«

»Für mich, immer genug.«

Champmeslé zuckte die Achseln.

»Hier,« sagte er, »nehmen Sie noch diese drei Louis d'or.«

»Oh!« rief Banniére in einem Aufschwung erhabener Naivität, »würden Sie mir hundert bieten, ich nähme sie.«

Champmeslé, der das Leben dieses Menschen kannte, der wusste, welches Quantum Gold unter seinen Händen zerschmolzen war, erstaunte, daß er eine solche Seelenjugend, ein solches Zartgefühl im Grunde eines Herzens fand, das viele Menschen gebrandmarkt zu finden geglaubt hätten.

»Ah! Ah!« murmelte er, »es ist noch nicht Alles verloren, und das ist eine Seele, die ich retten werde. Die Liebe ist ein Mittel wie ein anderes, und die Palme des Märtyrertums überzeugt vielleicht nicht so sehr, als der von einer redlichen Frau demjenigen, welcher sie liebt, gebotene Rosenzweig.«

Sie stiegen in einen Fiacre bei der Porte de la Conférence und legten in drei Reisestunden die vier und eine halbe Meile zurück.

Wir müssen sagen, daß der durch das von Banniére versprochene Trinkgeld angefeuerte Kutscher sich eilte.

An der Thür vor dem Hotel des Herzogs angekommen, wartete Banniére Anfangs in dem Wagen, dann auf einer Bank, dann indem er auf und abging, da seine Ungeduld ihm nicht erlaubte, aufs einer Stelle zu bleiben.

Nach Verlauf einer Viertelstunde hatte Banniére eben so viel stille Gebete verrichtet, als eine Braut, die man nach der Kirche führt, oder als ein Verurteilter, den man nach dem Schafott schleppt.

Der Abbé blieb lange aus, und Bauniere verzweifelte.

Das kam daher, weil der Abbé Schwierigkeiten vorfand.

Der Abbé blieb lange aus, das kam daher, weil man ihn voll Aufmerksamkeit anhörte, und weil er auf dem Punkte stand, daß es ihm gelang.

Eine halbe Stunde, oder vielmehr ein halbes Jahrhundert verfloss, während dessen Banniére alle Heiligen des Paradieses anrief.

Er war weit gläubiger, als Champmeslé es glaubte.

Endlich öffnete sich die Thür wieder, und Banniére stürzte herbei. Champmeslé erschien wieder mit seinem nämlichen mimischen Gesicht.

»Er hat es ausgeschlagen!« rief Banniére voll Verzweiflung aus.

»Nehmen Sie,« äußerte Champmeslé, indem er ein Papier aus seiner weiten Tasche zog.

»Unterzeichnet! unterzeichnet!« rief Banniére aus. O! seien Sie gesegnet, Sie und der Herr Herzog!«

Und indem er auf der Straße niederkniete, küsste der arme junge Mann das herrliche Papier.

Zum Glück war Versailles selbst zu den Zeiten Ludwigs XIV. niemals von Vorüber kommenden überfüllt, und das Pflaster ist dort trocken.

Banniére umarmte Champmeslé Tausend Male während der Reise und zwei Tausend Male auf dem Platze Saint-Antoine, wo sie sich trennten, nachdem man die Soutane von dem Schneider geholt hatte. Aber da Banniére bald das Ende seiner drei Louisd'or sehen sollte, so nahm er noch sieben andere von Champmeslé an, was seine Schuld auf zehn Louis d'or erhob. Außerdem gab ihm Champmeslé auf sein Verlangen, und da Banniére nicht mehr fürchtete, daß man ihn ihm nähme, den Ring zurück, den er zum Aufheben erhalten hatte.

Und zuverlässig glücklicher als der König Ludwig XV. in seinem Palast von Versailles kehrte er in sein Wirtshaus der Straße Saint-Victoire zurück, nachdem er dem Abbé versprochen hatte, vernünftig zu sein und ihn von Allem in Kenntnis zu setzen.

LXXXI.
Kehren wir zu dem Könige, zu der Königin und zu Frau von Mailly zurück, während der glückliche Banniére sich zu seinen Antrittsrollen vorbereitete

Fangen wir mit der Königin an.

Die Königin hatte aufmerksam das angehört, was Herr von Fleury ihr über Herrn von Mailly gesagt oder hatte sagen lassen.

Die Königin war nicht eifersüchtig.

Eine andere Königin hätte nach der Ursache dieser Teilnahme des Herrn von Fleury für den Grafen gefragt; eine andere Königin hätte sich erkundigt, hätte zu erraten gesucht, hätte die Pläne erfahren, welche man in Bezug auf den König und auf Frau von Mailly bildete, und sie hätte sich natürlich geweigert, eine Gunst zu bevorworten, welche für sie eine Ungnade werden sollte.

Doch die Königin war diese gute, ehrliche und kalte Maria Lesczinska, sie fragte nichts, sie erkundigte sich nach nichts, erriet nichts, reichte das Diplom dem König und sagte ihm, um was es sich handelte, und der König, der, im Grunde seines Herzens, ohne zu wissen warum, instinctartig wünschte, Herr von Mailly wäre so fern als möglich, der König unterzeichnete.

Die arme Königin! sie vermutete so wenig, sie habe eifersüchtig zu sein nötig, daß sie die Person weit zurückgestoßen haben würde, die ihr den Rat gegeben, es zu scheinen, obgleich, man muss es gestehen, dieser Rat vortrefflich gewesen wäre.

Unglücklich wie die Mehrzahl der außerordentlich ehrlichen Frauen, die in der Welt, welche man einen Hof nennt, umgeben von Feinden, die man schonen muss, ohne Schonung an denjenigen anstoßen, welche sie umgeben, und bei diesen Stößen sich abnützen, glaubte die Königin, für die im Grunde ihres Herzens der König das kostbarste Gut war, denn sie liebte den König wahrhaft, die Königin glaubte, die Liebe des Königs für sie werde ewig währen.

Hätte sich diese Hoffnung ohne Richelieu und ohne Fleury verwirklicht? Es ist Aufgabe der Geschichte, dieses Geheimnis zu ergründen, und nicht unsere Ausgäbe. Wir beschränken uns auf die Bemerkung, daß Ludwig XV. vielleicht lange in seine Frau verliebt geblieben wäre, – ohne seine Frau selbst.

Denn bis zu dem Alter, das Ludwig XV. erreicht hatte, nämlich bis zu seinem achtzehnten Jahre ungefähr, hatte Ludwig XV., der Schönste der Jünglinge seines Reiches. Ludwig XV., mit Bewunderung von allen Frauen seines Reiches angeschaut, nur Blicke für Maria Lesczinska gehabt, welche, wie gesagt, war so Sorglosigkeit, war es Vertrauen zu der Liebe Ihres Gemahls, ihm entfernt nicht für diese Treue nur den Dank wusste, den Maria Theresia Ludwig XIV. dafür gewusst hätte.

Es fand aber der Unterschied zwischen den zwei Königinnen statt, daß Maria Theresia Ludwig XIV. mit ihrer Zärtlichkeit ermüdete, Während Maria Lesczinska Ludwig XV. mit ihrer Gleichgültigkeit ermüdete.

Und bei der Schüchternheit, welche den Grund vom Charakter des Königs bildete, musste, um aus Ludwig XV. den galantesten König der Monarchie zu machen, diese Gleichgültigkeit seiner Frau sehr groß sein.

Aber in der Zeit, in der wir uns befinden, war Ludwig XV. noch der tugendhafte König, der allen Versuchungen widerstanden hatte; er hatte auch kaum das Diplom von Herrn von Mailly unterschrieben, als er, dessen sich erinnernd, was Richelieu ihm von dieser Dame gesagt, und was ihm vielleicht seine persönlichen Erinnerungen sagten, bereut, für sich selbst dieses Thor der Verführung dadurch geöffnet zu haben, daß er Frau von Mailly halb zur Witwe machte.

Nicht als hätte er irgend Jemand die Gelegenheit zu suchen versprochen, aber er fühlte sie kommen, und das genügte, um ihn zu erschrecken.

Als er in seine Gemächer zurückgekehrt war, dachte er an die Königin, und indem er an sie dachte, erinnerte er sich, daß sie die Schönste und Liebenswürdigste von allen Frauen war.

Das war nicht die Ansicht von Jedermann, aber es war die von Ludwig XV. mit achtzehn Jahren.

Er sagte sich, das Glück anderswo suchen heiße Gott versuchen.

Er wollte auf der Stelle Maria Lesczinska sehen, um sich in diesem guten Entschluss zu bestärken, und er rief Bachelier, seinen Kammerdiener, und schickte ihn ab, um die Königin von seinem Besuche zu benachrichtigen.

Während der Abwesenheit dieses würdigen Dieners durchging der König die ganze Moral, die ihm sein Erzieher, der Tugendhafte des Hofes, und der verstorbene König gemacht hatten, und da diese Moral an diesem Tage sehr angenehm mit dem Zustande seines Herzens in Einklang zu setzen war, so fand es der König süß, sie in Ausübung zu bringen.

Der Kammerdiener kehrte zurück.

»Was ist es?« fragte ihn Ludwig XV.

»Sire, die Königin kann in diesem Augenblick Eure Majestät nicht Empfangen.«

»Ist die Königin unpässlich?«

»Nein, Sire, oder Ihre Majestät sagt es wenigstens nicht, und ich glaube es auch nicht.«

»Haben Sie sie selbst gesehen?«

»Ja, Sire, und Ihre Majestät hat eine herrliche Gesichtsfarbe. Aber Ihre Majestät lässt dem König sagen,, sie wünsche allein zu bleiben.«

Ganz erstaunt, heftete Ludwig seine großen blauer Augen auf seinen Kammerdiener.

Die Königin liebte die Einsamkeit, aber noch nie hatte sie dem König ihre Thür verschlossen.

Ludwig XV. war so erstaunt hierüber, daß er stumm blieb.

»Nicht wahr, Sire, das ist wunderbar?« sagte Bachelier.

»Sehr wunderbar!« wiederholte der junge König, vor Verdruss und Zorn errötend.

»Dergestalt wunderbar, daß ich mir erlaubt habe, die Königin ihre Worte wiederholen zu lassen, als hätte ich schlecht verstanden,« sagte Bachelier.

»Und sie hat wiederholt?«

»Vollkommen.«

»Bachelier,« sprach Ludwig XV., »die Königin muss krank sein.«

»Nein, Sire, die Königin hat nur ihre Ideen, wie es scheint.«

»Was nennst Du ihre Ideen, Bachelier?«

»Wird mir Eure Majestät erlauben, ihr die Wahrheit als getreuer und ergebener Untertan zu sagen?«

»Sprich, mein guter Bachelier, sprich, um so mehr, als ich das ganz genau weiß. Bei ihren Grundsätzen von übertriebener Frömmigkeit, bildet sich die Königin ein, sie missfalle dem Himmel, wenn sie ihrem Gemahl gefalle. Ist es nicht das, was Du sagen willst, Bachelier?«

 

»Ja, ich gestehe, es ist ein wenig das, Sire.«

»Das ist entschuldbar: Gott vor Allem, Bachelier.«

»Oh! Sire!« rief Bachelier.

Und er untermalte gleichsam ein Lächeln, das Voltaire selbst ziemlich atheistisch gefunden haben würde.

Der König sah dieses Lächeln, welches ihm zudenken gab.

»Sprich,« rief er.

»Sire, was Eure Majestät gesagt hat, ist wahr. Oh! es muss so sein.«

»Wie! es muss so sein?« versetzte der König, der sich in der Absicht von Bachelier täuschte.

»Ja, denn wenn jede andere Frau als die Königin zum Gemahl den König hätte, – den König, so wie Sie sind, das heißt, einen schönen, ganz von Jugend glänzenden Mann, so würde sie sich weniger gleichgültig zeigen.«

»Wohl,« erwiderte Ludwig seufzend, »doch die Königin ist einmal nicht diese andere Frau! Was willst Du, Bachelier, das ist ein Unglück.«

Und er seufzte abermals.

Bachelier beschloß, die Gelegenheit, die sich ihm bot, zu benützen, und blieb beharrlich.

»Gleichviel,« sagte er, »der König ist nicht glücklich, und ich kenne einen kleinen Offizier bei den Garden, der sehr Unrecht hat, wenn er sagt: Glücklich wie der König!«

»Warum dies?« fragte Ludwig XV.

»Weil er wenigstens bei der Rückkehr von den Porcherons oder von Saint-Mandé eine hübsche junge Frau findet, die sich beeifert, ihm zu gefallen.«

Ludwig XV. faltete die Stirne.

»Und,« fügte Bachelier bei, »sehen Sie, Sire, die Beichtiger mögen immerhin predigen, die Jugend bleibt die Jugend, das heißt, eine Ohr kurze Zeit für die Könige wie für die andern Menschen.«

Das war eine so unbestreitbare Wahrheit, daß Ludwig mit einer tiefen Entmutigung in einen Lehnstuhl sank.

»Was macht Eure Majestät?« fragte Bachelier nach einem Stillschweigen von einigen Minuten.

»Meine Majestät langweilt sich, Bachelier,« erwiderte der König mit kläglichem Tone.

Dann sich erhebend, fügte er bei:

»Doch ich werde mich nicht immer langweilen, das verspreche ich Dir, Bachelier.«

»Ah! Sire, Sie haben da ein gutes Wort gesagt!« rief Bachelier.

Und er verschwand ganz strahlend, um diese Neuigkeit Herrn von Richelieu zu überbringen.

So hatte die Gleichgültigkeit, die Bigotterie und die Unüberlegtheit einer zu ehrlichen Frau mit einen Worte das Angesicht eines Staates und die Zukunft Frankreichs verändert.

LXXXII.
Der König langweilt sich

Frühzeitig am andern Morgen, nach einer ziemlich schlechten Nacht, bemerkte Ludwig XV. Richelieu unter den, um seinem Lever beizuwohnen, versammelten Höflingen.

Der König war verdrießlich.

Ein einfacher Privatmann ist verdrießlich, wenn er schlecht geschlafen hat, um so viel mehr ein König.

Er schlug die Jagd aus; er schlug sein Morgens concert aus und ging ganz zerstreut in die Messe.

Er aß wenig und aus eine schlimme Art.

Dagegen brummte er viel.

Er besichtigte seine Pferde, die er schlecht aussehend fand. Und es gab doch keine schönere Pferde in Europa. Darunter waren ein Geschenk des Großtürken, und Tiere von englischer Race, welche Dubois von London mitgebracht hatte, als er dahin gegangen war, um den Vertrag der Quadrupelallianz unterzeichnen zu lassen.

Als man diese entsetzliche Melancholie des Königs sah, zitterte Jeder.

Sollte der König krank werden? Sollte ihn der Herr Herzog von Orleans von jenseits des Grabes vergiften?

Denn bekanntlich ging von 1715 an bei jeder Unpässlichkeit, welche Ludwig XV. befiel, das Gerücht, er sei vom Herrn Regenten vergiftet worden.

Der König krank, welch ein Schlag!

Ludwig XV. hatte noch nicht gesprochen, und man wusste schon an beiden Enden von Versailles, der König sei krank.

Man sah nun die Höflinge ein Gesicht ähnlich dem des Königs machen und mit den Ärzten zanken.

Gegen Mittag willigte der König indessen ein, auszureiten, und Richelieu erhielt die Erlaubnis, ihn zu begleiten. Ludwig XV. wählte den Weg durch den kleinen Park und gegen die Teiche. Er ritt wie Hippolyt mit gesenktem Kopfe und sprach kein Wort.

Richelieu näherte sich ihm.

»Sire,« sagte er, »verzeihen Sie meinem Eifer und meiner Ergebenheit; Ich beleidige vielleicht Eure Majestät, doch das Motiv wird meine Entschuldigung sein.«

»Sprechen Sie, Herzog, und befürchten Sie nicht, mir zu missfallen,« erwiderte der König: »gehören Sie nicht zu meinen Freunden?«

»Sire, welche Güte!«

Richelieu verbeugte sich aus den Hals seines Pferdes. Dann fuhr er fort:

»Ich sehe, daß Eure Majestät sich langweilt.«

»Das ist wahr, Herzog,« antwortete der König;«doch wie sehen Sie das?«

»Sire, ein König von Ihrem Alter und von Ihrer Schönheit muss nicht den Kopf so beugen und das erloschene Auge auf den Boden senken.«

»Ah! Herzog, man hat seinen Kummer, obgleich man König ist.«

»Ist es der Wille Eurer Majestät, daß ich Sie tröste?«

»Und was werden Sie zu diesem Ende tun?«

»Hören Sie meine Moral, Sire.«

»Oh! gewiß höre ich, besonders wenn Sie von Moral sprechen.«

»Und warum, wenn ich von Moral rede, eher, als wenn ich von etwas Anderem rede?«

»Weil ich weiß, was man unter dem Worte: Moral à la Richelieu versteht.«

»Eure Majestät erlaubt also?«

»Oh! ja, ich befehle es Ihnen, heitern Sie mich auf.«

»Wissen Sie, Sire, wie ein junger Mann dazu kommt, daß er ein glänzendes Auge, eine bebende Lippe und ein wohl gebogenes Bein hat?«

»Herzog, ich weiß es vielleicht nicht, doch Sie werden es mich lehren.«

»Sire,« sagte Richelieu, »ich bin nur ein einfacher Edelmann, aber es fließt ein gutes Blut in meinen Adern, und als ich die achtzehn Jahre Eurer Majestät zählte, war ich, wenn nicht schön wie der Tag, schön wie Sie, doch glücklich genug, um den hübschen Damen nicht zu missfallen.«

»Ich weiß es, Herzogs Sie stehen wenigstens in diesem Rufe, und derjenige müsste schöne Dinge erfahren, welchem man Alles, was gesagt worden ist, wiederholen würde.«

»Nun wohl, Sire, ich bin kein Geck; ich habe nie nötig gehabt, es zu sein.«

»Geck!«

»Die Wahrheit, Sire; was man anspricht, ist die Wahrheit.«

»Ich sage Ihnen mein Kompliment. Aber wie machten Sie es?«

»Wie ich es machte?«

»Ja, die schönen Liebschaften können nicht Jedermann zufallen.«

»Nein, Sire, das ist wahr; aber denjenigen, welche sie suchen und sie zu finden wissen.«

»Das ist nicht das Handwerk eines Königs.«

»Dann, Sire, ist das Handwerk eines Königs, zu tun, was Sie tun, das heißt, sich bedeutend zu langweilen. Ich, ein einfacher Edelmann, der ich nicht dieselben Motive wie ein König habe, die Langweile zu respektieren, habe sie immer so gut als möglich vermieden. Es war auch ein Vergnügen, mich im Alter Eurer Majestät mit lebhaftem Auge, mit rosiger Lippe, mit kräftigem Appetit, leicht wie ein Vogel, zu sehen. Ah! Sire, man muss gestehen, man belustigt sich nur unter diesen Bedingungen.«

»Ich wäre also nie im Stande, mich zu belustigen, Herzog?«

»Warum, Sire?«

»Sprechen Sie, was würden Sie an meiner Stelle tun?«

»Oh! ich will es Ihnen sehr rasch sagen, Sir, . Und vor Allem sind Sie der Gebieter, nicht wahr?«

»Ja,« erwiderte Ludwig XV., indem er zu lächeln suchte; »man sagt es mir wenigstens.«

»Ich bin mir nicht selbst so sehr feind, daß ich es versuchen sollte, Eure Majestät zu überreden, meine Gesellschaft sei ohne Reize, doch ich glaube, es wäre Eurer Majestät möglich, eine noch viel anziehendere zu finden.«

»Mein Gott! wo dies?«

»Was Sie da sagen, ist schmeichelhaft für mich, Sire. Doch Eure Majestät braucht nur zu suchen, nicht unter den Männern, denn ich bin sicherlich einer der am wenigsten langweiligen Männer, sondern unter den Frauen.«

»Glauben Sie, Herzog?«

»Versuchen Sie es, Sire.«

»Ei! Herzog,« rief der König mit einer Ungeduld, die den Höfling entzückt, »Sie wiederholen immer: Versuchen Sie es, versuchen Sie es! Aber wie soll ich es versuchen? Ist es denn so leicht, eine Frau zu beunruhigen, sich um sie zu bewerben?«

»Einmal, Sire, wenn man der König ist und Ihr Gesicht hat, beunruhigt man nie eine Frau, oder man beunruhigt vielmehr alle. Ich will mit Ihnen nach meinem Charakter sprechen; aber glauben Sie mir, Sire, wenn ich König wäre, wären alle Frauen meines Hofes wahnsinnig in mich verliebt. Das ist das königliche Recht. Eure Majestät flieht sie, schüchtert sie ein. Sire, Ihr Ahnherr, Heinrich IV., begriff die Rechte des Königtums besser.

»Er begriff sie zu sehr, Herzog.«

»Und man hat sich darüber beklagt?«

»Das Volk.«

»Sire, hören Sie die Volkslieder: das ist die wahre öffentliche Meinung.«

»Nun?«

»Nun! Sie werden sehen, wie sie den Bert-Galant behandelt.«

Der König stieß einen Seufzer aus und neigte das Haupt.

In diesem Augenblick waren der König und Richelieu beim großen Teiche des Waldes von Sévres angelangt.

Auf der Linken kam in kurzem Galopp, gefolgt von zwei Lackeien, eine Frau aus dem Walde hervor.

Als sie den König erblickte, hielt sie an und verneigte sich tief von ihrem Pferde herab.

»Wer ist da und wer grüßt.« fragte zerstreut der König, der an die Grüße gewöhnt und der Höflichkeiten müde war.

»Ich weiß es nicht genau,« erwiderte Richelieu, der, wie ein Gebieter, die zerstreuteste Miene der Welt heuchelte. »Doch gewahrt Eure Majestät nicht eine Kalesche unter den Bäumen? Die Kalesche muss Wappen haben. Erlaubt Eure Majestät, daß ich mich erkundigen lasse?«

»Oh! Es ist unnötig.« erwiderte der König.

Aber Herr von Richelieu hatte Zeit gehabt, dem verständigen Raffé einen Wink zu geben, und Raffé hatte begriffen.

Raffé setzte also sein Pferd in Galopp, und immer galoppierend kam er sogleich wieder zurück und sagte Richelieu ins Ohr, was Richelieu und er vollkommen wussten.

»Sire,« sprach Richelieu, »es ist Gräfin von Mailly.«

Der König machte eine Bewegung, welche Richelieu im Fluge auffing.

»Ich sage also,« fuhr er fort, ohne daß er das geringste Gewicht auf dieses Begegnen zu legen schien, »ich sage also, Sie nehmen zu viel Rücksicht auf das Volk, Sire, und nicht genug auf Sie. Der Herr Herzog von Orleans, der Regent, derjenige, welcher so sehr für Sie Sorge getragen, was wir auch Alle, und ich zuerst, über ihn gesprochen haben, hat der Herr Regent nicht von allen Rechten des Königtums Gebraucht gemacht? Nun, Sire, da es nicht zum Nachteil des Staates geschah, so hat man es ihm nie vorgeworfen. . . Und dann, erfährt man je, was die Könige tun, tun sie wollen, daß man es nicht wisse?«

»Oh! Herzog, was das betrifft, immer; Herr von Fleury hat es mir sehr oft wiederholt.«

»Ei! Sire, glauben Sie denn noch Alles, was Ihnen Herr von Fleury sagte, als Sie ein Kind waren? Würden Sie, ein so wackerer Mann auch Herr von Fleury ist, nicht mehr Ihrer wahren Weisheit vertrauen. als der seinigen?«

»Herzog!«

»So, zum Beispiel, – entschuldigen Sie mich, Sire, – wir sind nun vor dem Pavillon, nicht wahr?«

»Das ist wahr.«

»Eure Majestät ist vielleicht nie in diesen Pavillon eingetreten, der doch Ihr gehört?«

»Nie.«

»Das ist ein äußerst angenehmer Jagdruheort. Dieser Pavillon wird nur durch einen Hausmeister der wacht, und der gute Mann ist über siebzig Jahre alt. Wetten wir, daß er Eure Majestät nicht einmal kennt.«

»Das ist, wohl möglich.«

»Doch mich, mich kennt er sehr gut.«

»Worauf zielen Sie ab, Herzog?« sagte der König mit einem leichten Beben.

»Ich will Eurer Majestät beweisen, daß das Volk nie die Handlungen seines Königs weiß, will der König nicht, daß es dieselben wisse, besonders wenn der König einem Freunde wie mir die Ehre erweist, Ihn zuerst ins Vertrauen zu ziehen. So, zum Beispiel, heute . . .«

Richelieu hielt inne und schaute den König an.

»Fahren Sie fort, Herzog,« sagte dieser.

»Hätte heute der König Franz I., Heinrich IV., oder Ludwig XlV. Geheißen. . . .«

»Was dann?«

»Wäre er mit Lautrec, Bellegarde oder Herrn von Saint-Aignan spazieren gegangen. . .«

»Weiter!«

»Wäre der König zufällig einer Dame von Hofe begegnet, wie Sie, Sire, vor einem Augenblick Frau von Mailly begegnet sind, welche das Unglück gehabt, nicht von Eurer Majestät erkannt zu werden . . .«

»Nun?

»Nun, Sire, Ludwig XIV., Heinrich IV., oder Franz I. würden nicht verfehlt haben, sie anzureden. Und wer hätte in diesem Falle, außer Lautrec, Bellegarde oder Saint-Aignan, dieses Abenteuer in Ihrem ganzen schönen Königreiche gewusst?«

»Ei! ei!« versetzte der König ganz zitternd.

»Was wollen Sie, Sire, es ist so.«

»Aber, Herzog, Sie sprechen Tollheiten!«

 

»Nie war ich im Gegenteil ernster. Handelt es sich nicht um das Glück meines Königs?«

»Herzog, entweder bin ich schlecht erzogen, oder ich habe nicht gesehen, daß ein König einer Dame so sich näherte.«

»Ohne Vorwand, allerdings; aber mir scheint, Eure Majestät hat alle erdenkliche Vorwände.«

»Um Frau von Mailly anzureden, ich? keinen.«

»Ah! bah! Eure Majestät scherzt?«

»Ich schwöre Ihnen, durchaus nicht.«

»Ich würde tausend finden!«

»Sie sind sehr glücklich!«

»Ei! Sire, einer, zum Beispiel, ist schon ganz gefunden.«

»Welcher?«

»Eure Majestät hat gestern Herrn von Mailly zum Gesandten in Wien ernannt.«

»Allerdings.«

»Nun! was kann natürlicher sein, als die Danksagung seiner Frau? Doch Wahrhaftig, Eure Majestät ist so scheu, daß wir, als wir diese Frau nur erblickten, gespornt haben, wie beim Anblick des Teufels.«

»Ich habe nicht gespornt, Herzog, mein Pferd ist so gelaufen.«

»Treten sie also ein wenig in diesen Pavillon ein, Sire, das Anschauen kostet nichts, wie Bajazzo sagt.«

»Treten wir ein!« sprach der König.

Das Herz von Richelieu hüpfte vor Freude; er beeilte sich, öffnen zu lassen. Die Pferde blieben außer, Raffé führte sie rasch in den Stall, um sie zu verbergen.

Dann ritt er allein durch den Wald weg.

»Sie haben Recht, Herzog, dieser Aufenthaltsort ist reizend,« sagte der König, der, da er Niemand, nicht einmal den Hausmeister, auf seinem Wege sah, entzückt war.

Als ein gewandter Mann, wie er war, hatte wirklich Richelieu alle Leute entfernt.

Der König trat ans Fenster.

»Eine liebenswürdige Einsamkeit!« sagte er.

Und er seufzte.

Der König hatte kaum diese Worte gesprochen, da sah man am Ende der Allee, die man von diesem Fenster aus überschaute, galoppierende Pferde erscheinen.

Der Herzog gab einen Ausruf von sich, als wäre, er erstaunt, und zeigte dem König die Gruppe.

»Sehen Sie doch, Sire, die Einsamkeit fängt an sich zu bevölkern.«

»Wie?« fragte der König, der unruhig wurde.

»Sehen Sie die Dame, die dort kommt.«

Mit der Anmut einer vortrefflichen Reiterin, galoppierend, kam wirklich Frau von Mailly, gefolgt von zwei Lackeien, wie durch Zufall herbei.

Sie schlug die Blätter mit ihrer Reitpeitsche von den Bäumen und ließ ihre schönen Haare im Wind, flattern. Von Zeit zu Zeit ließ ihr Kleid, das sich am, Steigbügel aufhob, einen reizenden Fuß mit einem Jagdstiefelchen von blauem Atlaß sehen.

Der König trat vom Fenster zurück.

Richelieu war aus dem Zimmer gestürzt.

Der König, hörte den angemessenen Galopp der Pferde näher kommen.

So verging«n fünf Minuten, während welcher der König, da er glaubte, die Gefahr sei vorüber, wieder Mut zu fassen und zu athmen anfing.

Aber plötzlich öffnete sich die Thür, Richelieu trat ein und sagte zum König:

»Sire, will Eure Majestät die Gnade haben, den Besuch der Frau Gräfin von Mailly zu empfangen?«

»Die Gräfin!« rief Ludwig XV.

»Treten Sie ein, Madame,« sagte der Herzog.

Der König warf sich erschrocken in den Schatten des Zimmers zurück.

Ganz bleich, die Brust beklommen, erschien Louise leuchtend und reizend in einem Sonnenstrahle.

Sie blieb aus der Schwelle und verneigte sich wie bestürzt und mit niedergeschlagenen Augen.

Der König rührte sich nicht und sagte kein Wort.

Nach einer Minute, einem Jahrhundert, erinnerte sich Frau von Mailly, daß sie die Unterthanin war und Ludwig XV. der König.

An ihr war es also, auf ihn zuzugehen.

Sie machte einen Schritt, verneigte sich abermals und flüsterte mit einer zitternden Stimme:

»Eure Majestät. . .«

Sie hielt inne und wartete aus ein Wort des Königs.

Der König blieb stumm.

Louise suchte ihn sodann mit den Augen und erblickte ihn in einer Ecke, wo er ganz befangen stand und mit aller Gewalt ein wenig Sicherheit zu erlangen bemüht war.

Die Gräfin raffte ihre Kräfte zu einer Anstrengung zusammen und fuhr fort:

»Sire, ich komme, um Eurer Majestät untertänigst für die Gnade zu danken, die sie mir dadurch erwiesen, daß sie meine Familie mit dieser Gesandtschaft beehrt und mir sodann erlaubt hat, Ihnen meinen Dank auszusprechen.«

Der König nickte mit dem Kopfe und blieb in seiner Ecke.

Louise fühlte ihr Herz schwach werden.

Man hätte es in dieser Stille, welche nichts in der Umgebung störte, schlagen hören.

Die Gräfin blieb stehen, ohne daß die bleichen, zitternden Lippen des Königs ein Wort an sie richteten.

Sie blieb so zehn Minuten in Erwartung eines Wortes.

Doch statt aus sie zuzugehen, suchte der König die Wand mit seinen Schultern einzudrücken, um noch mehr zurückzuweichen.

Unfähig, eine Idee zu finden, verneigte sich endlich Louise, bei der sich der Stolz zu empören anfing, zum letzten Male vor ihrer schweigsamen Majestät, warf einen Blick traurigen Vorwurfs aus Richelieu und ging, das Gesicht von Tränen überflutet, hinaus.