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La San Felice Band 5

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Sechstes Capitel.
Der Sieg

Championnet wendete sich zu seinem Adjutanten Villeneuve und fragte:

»Sehen Sie Macdonald von hier?«

»Ich sehe ihn nicht blos, General,« antwortete der Adjutant, »sondern ich bewundere ihn auch.«

»Und Sie thun wohl daran. Es ist dies eine schöne Studie für Euch junge Leute. So muß man im Feuer stehen.«

»Sie kennen das, General,« sagte Villeneuve.

»Wohlan, reiten Sie hinüber zu ihm, sagen Sie ihm, er solle noch eine halbe Stunde so aushalten und der Tag sei dann unser.«

»Weiter soll ich nichts zur Erklärung hinzufügen?«

»Nein, ausgenommen, daß er, wenn er unter den Neapolitanern eine gewisse Unruhe bemerkt, deren Ursache er sich nicht erklären kann, sich wieder in Angriffscolonne formieren, Sturmschritt schlagen lassen und vorrücken soll. Zwei dieser Herren werden Ihnen folgen, fuhr Championnet fort, indem er auf zwei junge Officiere zeigte, die seine Befehle ungeduldig erwarteten, »um Sie, im Falle Ihnen ein Unglück zustoßen sollte, zu ersetzen. Wie ich hoffe, entgegengesetzten Falls, mein lieber Villeneuve, geht einer von den beiden Herren zu Duhesme und der andere reitet nach den Carrés links. Dort sagen Beide dasselbe und setzen blos hinzu: »Der General verantwortet Alles.«

Die drei Officiere sprengten, stolz darauf, von Championnet gewählt worden zu sein, im Galoppe davon, um sich ihres Auftrages zu entledigen.

Championnet folgte ihnen mit den Augen. Er sah die braven jungen Männer sich in die glühende Hölle hineinwagen und sich jeden auf den ihm angewiesenen Posten begeben.

»Wackere Jugend,« murmelte er, »mit solchen Männern müßte man sehr ungeschickt sein, wenn man sich schlagen ließe.«

Mittlerweile rückten die beiden republikanischen Corps rasch vor. Die Cavallerie kam voran, die Infanterie marschierte im Sturmschritte, ohne daß irgend etwas ihre Annäherung den Neapolitanern verrieth, welche von ihnen augenscheinlich überrumpelt werden mußten.

Plötzlich bliesen auf den beiden Flanken der königlichen Armee die republikanischen Trompeten zum Angriffe und gleich zwei Lawinen, die Alles, was ihnen im Wege steht, niederwerfen, stürzten sich die beiden Cavalleriecorps auf die compacte Masse, in welche sie der Infanterie den Weg bahnten, während um sie herum drei leichte Feldkanonen manövrierten wie fliegender Donner.

Was Championnet vorausgesehen, geschah.

Die Neapolitaner, welche nicht wußten, woher diese neuen Gegner, die vom Himmel gefallen zu sein schienen, kamen, begannen in Unordnung zu gerathen.

Macdonald und Duhesme erkannten an dem Hin- und Herschwanken des Feindes und an dem Schwächer werden seines Feuers, daß in der Armee des Generals Mack etwas Außerordentliches und Unvorhergesehenes vorging; daß dies wahrscheinlich das war, was Championnet angedeutet, und daß der Augenblick gekommen sei, die von ihm gesendeten Instructionen in Ausführung zu bringen.

Macdonald brach dem zu Folge seine Carrés, Duhesme that dasselbe, die andern Chefs ahmten diese Bewegung nach, die Carrés verlängerten sich zu Colonnen und schlossen sich aneinander an wie die Rümpfe dreier unermeßlicher Schlangen. Der furchtbare Sturmmarsch erdröhnte, die drohenden Bajonnette senkten sich, der Ruf: »Es lebe die Republik!« erscholl und die Neapolitaner wichen vor dem unwiderstehlichen Anprall der furia francese zurück.

»Wohlan, Freunde,« rief Championnet den fünf- bis sechshundert Mann zu, welche er als Reserve zurückbehalten, »man soll nicht sagen, unsere Brüder hätten vor unseren Augen gesiegt, ohne daß wir an dem Siege theilgenommen hätten. Vorwärts!«

Und seine Leute in das furchtbare Kampfgewühl hineinführend, machte auch er seine Bresche in die lebende Mauer.

Mitten in diesem unermeßlichen Wirrwarr hätte sich leicht ein großes Unglück ereignen können. Nachdem die neapolitanische Streitmacht gesprengt war, wie der Keil die Eiche sprengt, stieß das Corps Kellermanns und das, welches von Rieti kam, das heißt Kellermanns Dragoner und Kniasewitschs Polen, auf einander und hielten sich für zwei feindliche Corps.

Die Dragoner hoben schon die Säbel und die Polen senkten die Lanzen, als plötzlich zwei junge Männer mit dem Rufe: »Es lebe die Republik!« in den freien Raum stürzten und sich einander in die Arme warfen.

Diese beiden jungen Männer waren, von Kellermanns Seite, Hector Caraffa, der, wie man sich erinnert, zu Joubert gesendet worden, um diese Verstärkung zu verlangen, und von Kniasewitsch und Pignatellis Seite Salvato Palmieri, welcher eben von Neapel angelangt, um sich wieder seinem Generale zur Verfügung zu stellen, mitten unter die Polen und die römische Legion hineingerathen war.

Beide hatten, der langen Ruhe überdrüssig, von ihrem Muthe und ihrem Hasse geleitet, sich an die Spitze der Colonne gestellt und begegneten nun gleich Schnittern, welche jeder von einem andern Ende des Feldes begonnen haben, einander im Centrum der neapolitanischen Armee.

Sie erkannten einander eben noch zeitig genug, damit nicht Franzosen und Polen auf einander einhieben.

Wenn man sich nach dem, was wir bis jetzt erzählt, einen richtigen Begriff von dem Charakter der beiden jungen Leute gemacht hat, so muß man begreifen, welche reine und tiefe Freude sie empfanden, als sie nach zweimonatlicher Trennung unter dem aus zehntausend Kehlen erschallenden Rufe: »Victoria! Victoria!« einander wieder umarmten.

Und in der That, der Sieg war vollständig.

Die drei Colonnen Duhesmes und Macdonald's waren ebenso wie die unter Kellermann und Kniasewitsch bis in das Herz der neapolitanischen Armee gedrungen und hatten jeden Widerstand vor sich niedergeworfen.

Championnet kam, um die Niederlage vollständig zu machen. Sie war furchtbar, unerhört, unglaublich. Dreißigtausend Neapolitaner flohen besiegt, zerstreut nach allen Richtungen, verfolgt von zwölftausend siegreichen Franzosen, die alle ihre Bewegungen mit unerschütterlicher Kaltblütigkeit kombinierten, um einen an Zahl dreimal überlegenen Feind mit einem einzigen Schlage zu vernichten.

Mitten in diesem furchtbaren Chaos, mitten unter Todten, Sterbenden, Verwundeten, verlassenen Geschützen, geöffneten Munitionswagen, auf dem Boden umhergestreut liegenden Waffen und Gefangenen, die sich tausendweis ergaben, fanden die Anführer sich zusammen.

Championnet schloß Salvato Palmieri und Hector Caraffa in seine Arme und ernannte Beide auf dem Schlachtfelde zu Brigadechefs, indem er ihnen ebenso wie Macdonald und Duhesme alle Ehren eines Sieges ließ, den er geleitet, drückte Kellermann, Kniasewitsch und Pignatelli die Hand, sagte ihnen, daß durch die Rom gerettet sei, daß es aber nicht genüge, Rom zu retten, sondern daß man auch Neapel erobern müsse und daß man demzufolge den Neapolitanern keine Zeit, sich zu erholen, lassen dürfe, sondern sie im Gegentheile aufs Aeußerste verfolgen und wo möglich dem Könige und seiner Armee die Engpässe der Abruzzen abschneiden müsse.

In Gemäßheit des Planes, welchen er seinen Officieren auseinandergesetzt, befahl Championnet den am wenigsten ermüdeten Corps, sich wieder in Marsch zu setzen und den Feind zu verfolgen, oder sogar wo möglich zu überholen.

Salvato Palmieri und Hector Caraffa erboten sich, den Corps, welche über Civita Ducale, Tagliacozzo und Sora in das Königreich beider Sicilien einbrechen sollten, als Führer zu dienen. Championnet nahm dieses Anerbieten an, Maurice Mathieu und Duhesme wurden mit dem Commando der beiden Avantgarden beauftragt, welche die eine über Albano und Terracina, die andere über Tagliacozzo und Sora vorrücken sollten.

Unter ihren Befehlen sollten sie Kniasewitsch und Pignatelli, Lemaire, Rusca und Casabianca haben, welche man benachrichtigen würde, daß sie ihre Positionen aufzugeben hätten, während Championnet und Kellermann die verschiedenen zerstreuten Corps sammeln, im Vorbeimarschiren Lahure in Regnano mitnehmen, wieder in Rom einziehen und hier wieder die republikanische Regierung einsetzen sollten. Dann sollte die französische Armee, ihrer Avantgarde so schnell als möglich folgend, sofort gegen Neapel marschieren.

Nachdem man diesen Kriegsrath zu Pferde unter freiem Himmel, mit den Füßen im Blute, gehalten, begann man die Trophäen zu sammeln.

Dreitausend Todte lagen auf dem Schlachtfelde, ebenso viel Verwundete und fünftausend Gefangene waren entwaffnet und nach Civita Castellana geführt, achttausend Gewehre lagen auf dem Boden umhergestreut, dreißig Kanonen und sechzig Munitionskarren rechtfertigten, von ihren Artilleristen und ihren Pferden verlassen, die Prophezeihung Championnets, welcher gesagt, daß mit zwei Millionen Patronen es zehntausend Franzosen niemals an Kanonen fehlen würde.

Mitten unter den Bagagewagen und allen sonstigen in die Gewalt der republikanischen Armee gefallenen Kriegsgeräthschaften brachte man dem General Championnet auch zwei Wagen voll Gold.

Es war dies die Kriegscasse der königlichen Armee, eine Summe von nicht weniger als sieben Millionen.

Ein Theil der von Sir William auf die Bank von England ausgestellten, von Nelson endossirten und von dem Hause Backer discontierten Tratte sollte daher zur Zahlung des rückständigen Soldes der französischen Armee verwendet werden.

Jeder Soldat erhielt hundert Francs. Dies machte im Ganzen eine Million und zweihunderttausend Francs. Der Antheil der Todten ward ebenfalls berechnet und unter die Ueberlebenden verheilt. Jeder Corporal erhielt hundertundzwanzig Francs, jeder Sergeant hundertundfünfzig, jeder Souslieutenant vierhundert, jeder Lieutenant sechshundert, jeder Capitän tausend, jeder Oberst fünfzehnhundert, jeder Brigadechef zweitausendfünfhundert, jeder General viertausend.

Die Vertheilung geschah noch denselben Abend bei Fackelschein durch den Zahlmeister der Armee, der seit dem Beginne des Feldzuges von 1792 sich noch nie so reich gesehen.

 

Fünfzehnhunderttausend Francs beschloß man zu reservieren, um Kleidungsstücke und Schuhwerk für die Soldaten zu kaufen, der Rest, das heißt beinahe vier Millionen, ward nach Frankreich geschickt.

In seinem Briefe an das Direktorium, worin Championnet seinen Sieg meldete und die Namen aller derer nannte, welche sich ausgezeichnet, legte er zugleich Rechenschaft ab über die drei Millionen und fünf- oder sechshunderttausend Francs, die er verheilt, oder über deren Verwendung er Bestimmung getroffen.

Dann fragte er, ob die Herren Directoren ihn ermächtigen wollten, auch für sich die Summe von viertausend Francs zu behalten, die er an die übrigen Generale vertheilen lassen, die er aber sich nicht erlaubt, auch sich selbst zuerkennen.

Die Nacht war eine Festnacht. Die Verwundeten unterdrückten ihr Aechzen, um ihre Waffengefährten nicht traurig zu stimmen. Die Todten wurden vergessen. War es für sie nicht genug, an einem Siegestage gestorben zu sein? Mittlerweile hatte König Ferdinand, der in Rom geblieben war, dieselbe Lebensweise begonnen, die er gewohnt war in Neapel zu führen.

Selbst am Tage der Schlacht war er mit einem Gefolge von dreihundert Mann nach Corneto auf die Wildschweinsjagd gegangen, und da es unmöglich gewesen war, in Rom eine Meute gute Hunde zusammenzubringen, so hatte er seine Hunde in Bagagewagen mit Postpferden aus Neapel holen lassen.

Am Abend vorher hatte er von Mack eine zwei Uhr Nachmittags in Baccano geschriebene Depesche erhalten. Die selbe war in folgenden Worten abgefaßt:

»Sire, ich habe die Ehre. Ew. Majestät zu melden, daß ich heute die französische Avantgarde angegriffen habe, welche nach kräftigem Widerstande vernichtet worden ist. Der Feind hat fünfzig Mann verloren, während die allgütige Vorsehung erlaubt hat, daß wir nur einen Todten und zwei Verwundete haben.

»Man versichert mir, daß Championnet die Keckheit hat, mich in Civita Castellana zu erwarten. Morgen mit Tagesanbruch marschiere ich gegen ihn, und wenn er sich nicht zurückzieht, so zermalme ich ihn.

»Um acht Uhr Morgens werden Ew. Majestät meine Kanonen oder vielmehr Ihre Kanonen hören und können dann sagen: Der Tanz hat begonnen!

»Heute Abend rückt ein Corps von viertausend Mann aus, um die Engpässe von Ascoli zu forcieren, und mit Tagesanbruch ein ebenso starkes Corps, um den von Terni zu passieren und dem Feind in den Rücken zu fallen, während ich ihn von vorn angreifen werde. Morgen, so Gott will, erhalten Ew. Majestät gute Nachrichten von Civita Castellana, und wenn Sie ins Theater gehen, so hören Sie vielleicht im Zwischenacte, daß die Franzosen die römischen Staaten geräumt haben.

»Ich habe die Ehre, in tiefster Unterthänigkeit zu verharren 2c.

»Mack.«

Dieser Brief war dem Könige sehr angenehm gewesen. Er hatte denselben beim Dessert erhalten und laut vorgelesen; dann hatte er seine Partie Whist gemacht, dem Marquis Malaspina hundert Ducaten abgewonnen und sich darüber sehr gefreut, denn der Marquis Malaspina war sehr arm. Dann hatte er sich niedergelegt, in einem Striche bis sechs Uhr geschlafen, wo man ihn geweckt, war um halb sieben Uhr nach Corneto aufgebrochen, hier um zehn Uhr angelangt, hatte gehorcht, den Kanonendonner gehört und gesagt:

»Das ist Mack, welcher Championnet zermalmt. Der Tanz hat begonnen.«

Dann war die Jagd angegangen. Der König hatte mit eigener Hand drei Wildschweine erlegt, war sehr zufrieden nach Rom zurückgekehrt, hatte einen Seitenblick auf die Engelsburg, deren dreifarbige Fahne ein Auge sehr unangenehm berührte, geworfen, sein Gefolge belohnt und regalirt und dann sagen lassen, daß er das Theater Argentina besuche, wo man »il Matrimonio segreto« von Cimarosa und ein Gelegenheitsballet unter dem Titel: »Der Einzug Alexanders in Babylon« aufführte.

Es versteht sich von selbst, daß unter Alexander Niemand anders zu verstehen war als der König Ferdinand.

Der König dinierte behaglich mit seinen Vertrauten, dem Herzoge von Ascoli, dem Marquis Malaspina, dem Herzoge de la Salsandra, seinem Oberjägermeister, den er mit seinen Hunden zugleich von Neapel hatte kommen lassen, seinem ersten Stallmeister, dem Fürsten von Migliano, seinen beiden diensthuenden Hofmarschällen, dem Herzoge von Sora und dem Fürsten Borghese und endlich seinem Beichtvater Rossi, Erzbischof von Nicosia.

Um acht Uhr stieg er in den Wagen und begab sich nach dem festlich erleuchteten Theater Argentina.

Man hatte ihm eine prachtvolle Loge eingerichtet, mit einem in dem dazugehörigen kleinen Salon fertig servierten Tische, damit er in dem Zwischenacte seine Maccaroni essen könnte, wie in Neapel. Da bekannt geworden war, daß dieses Schauspiel noch außer dem auf dem Zettel angekündigten stattfinden würde, so war das Haus bis zum Brechen gefüllt.

Der Eintritt des Königs ward mit rauschendem Beifalle begrüßt.

Er hatte in dem Palaste Farnese Befehl zurückgelassen, ihm die Couriere, welche vielleicht vom General Mack anlangten, in das Theater nachzuschicken, und der seinerseits ebenfalls hiervon benachrichtigte Regisseur hielt sich in großem Kostüm bereit, den Vorhang aufziehen zu lassen und dem Publicum zu verkünden, daß die Franzosen die römischen Staaten geräumt hätten.

Der König hörte Cimarosas Meisterwerk mit einer Zerstreutheit, die er nicht bemeistern konnte. Zu allen Zeiten für den Zauber der Musik nicht sonderlich zugängig, war er diesen Abend noch gleichgültiger als an andern Abenden. Es war ihm immer, als hörte er noch den Kanonendonner vom Vormittag, und er lauschte weit mehr auf das Geräusch, welches sich im Corridor vernehmen ließ, als auf die Töne des Orchesters und der Sänger.

Die Oper war zu Ende. Man rief den Castraten Veluti heraus, welcher, obschon über vierzig Jahre alt und außerhalb des Theaters gesehen sehr runzelig, die Liebhaberinnen immer noch mit dem größten Erfolge spielte und nun bescheiden mit dem Fächer in der Hand, die Augen niederschlagend, als ob er erröthete, herauskam, um dem Publikum seine drei Reverenzen zu machen.

Zwei Lakaien in großer Livrée trugen nun die servierte Tafel in die Loge des Königs. Auf dieser Tafel standen zwei Armleuchter, jeder mit zwanzig Kerzen, und zwischen denselben eine riesige Schüssel Maccaroni mit einer appetitlichen Tomatoschicht bedeckt.

Nun war die Reihe, seine Vorstellung zu geben, an dem König.

Er näherte sich dem Rande der Loge, und verkündete durch eine gewohnte Pantomime dem römischen Publikum, daß es die Ehre haben solle, ihn seine Maccaroni nach Art Polichinells essen zu sehen.

Das römische Publikum, welches in seinen Kundgebungen etwas zurückhaltender ist, als das neapolitanische, nahm diese mimische Verkündigung ziemlich kalt hin. Der König machte aber dem Parterre eine Geberde, welche sagen wollte:

»Ihr wißt nicht, was Ihr sehen werdet. Wenn Ihr es gesehen habt, werdet Ihre eine ganz andere Meinung von mir bekommen.«

Dann wendete er sich zu dem Herzoge von Ascoli und sagte:

»Es scheint hier eine Cabale im Spiele zu sein.«

»Dann ist es nur ein Feind mehr, über welchen Ew. Majestät triumphieren werden,« antwortete der Höfling.

Der König dankte seinem Freunde durch ein Lächeln, nahm die Maccaronischüssel in die eine Hand, trat an den Rand der Loge, bewirkte mit der andern Hand die Mischung des goldenen Apfels mit dem Teige und öffnete, nachdem diese Mischung bewirkt war, einen unverhältnißmäßig großen Mund, in welchen er mit der die Gabel verschmähenden Hand eine Cascade von Maccaroni hinabschleuderte, welche man nur mit jener berühmten Cascade von Terni vergleichen konnte, welche der General Lemoine von Championnet beauftragt war gegen die Neapolitaner zu vertheidigen.

Bei diesem Anblicke brachen die Römer, die sonst so ernst sind und von der Würde eines Staatsoberhauptes einen so hohen Begriff bewahrt haben, in lautes Gelächter aus.

Es war nicht mehr ein König, den sie vor Augen hatten, es war vielmehr Pasquino, es war Marforio, ja es war noch weniger als dies, es war der groteske Narr Osque Pulcinella.

Der König, der durch dieses Gelächter, welches er für Beifall hielt, ermuthigt ward, hatte schon die Hälfte seiner Schüssel geleert und schickte sich eben an, die den Rest bildende dritte Cascade zu verschlingen, als plötzlich die Thür der Loge sich mit einem solchen gegen alle Regeln der Etikette verstoßenden Geräusch öffnete, daß er mit offenem Munde und emporgehobener Hand sich auf dem Absatze herumdrehte, um zu sehen, wer der Unverschämte sei, welcher sich erlaubte, ihn mitten in dieser wichtigen Beschäftigung zu stören.

Der Unverschämte war der General Mack in eigener Person, aber so bleich, so verstört und so mit Staub bedeckt, daß der König, ohne erst zu fragen, was für Nachrichten er brächte, seine Schüssel fallen ließ und sich mit seinem Battisttuche die Finger wischte.

»Was gibt es?« fragte er dann.

»Ach, Sire,« antwortete Mack.

Beide hatten sich verstanden.

Der König trat rasch in den Salon der Loge, indem er die Thür hinter sich verschloß.

»Sire,« sagte der General, »ich habe das Schlachtfeld und die Armee verlassen, um Ew. Majestät selbst zu sagen, daß Sie keinen Augenblick zu verlieren haben.«

»Um –?«

»Um Rom zu verlassen.«

»Um Rom zu verlassen?«

»Ja, wenn Sie nicht Gefahr laufen wollen, daß die Franzosen die Engpässe der Abruzzen noch vor Ihnen erreichen.«

»Die Franzosen eher als ich in den Engpässen der Abruzzen! Mannaggio san Gennaro! Ascoli! Ascoli!«

Der Herzog trat in den Salon.

»Sage den Anderen, daß sie bis zu Ende der Vorstellung bleiben, hörst Du? Es kommt viel darauf an, daß man sie in der Loge sehe, damit man nichts ahne, Du kommt mit mir.«

Der Herzog von Ascoli übermittelte den Befehl des Königs den Höflingen, die sich über diese plötzliche Störung den Kopf zerbrachen, dennoch aber weit entfernt waren, die ganze Wahrheit zu ahnen. Dann eilte er dem Könige nach, welcher schon den Corridor erreicht hatte und zurückrief:

»Ascoli, Ascoli! so komm' doch, Du Dummkopf! Hast Du nicht gehört, daß der berühmte General Mack sagte, es sei kein Augenblick zu verlieren, wenn nicht diese schuftigen Franzosen noch vor uns in Sora anlangen sollen?«

Siebentes Capitel.
Die Rückkehr

Mack hatte Recht gehabt, die Schnelligkeit der Bewegungen der französischen Armee zu fürchten. Schon in der Nacht, welche auf die Schlacht gefolgt war, hatten die beiden Avantgarden, die eine von Salvato Palmieri, die andere von Hector Caraffa geführt, den Weg nach Civita Ducale eingeschlagen, in der Hoffnung, die eine über Tagliacozzo und Capistrello nach Sora, und die andere über Tivoli, Palestrina, Valmontone und Ferentina nach Caprano zu gelangen, und auf diese Weise den Neapolitanern den Engpaß der Abruzzen zu versperren.

Was Championnet betraf, so sollte er, nachdem er seine Geschäfte in Rom beendet hätte, den Weg durch die pontinischen Sümpfe nach Velletri und Terracina nehmen.

Bei Tagesanbruch brach er, nachdem er Lemoine und Casabianca von dem am vorigen Tage erfochtenen Sieg in Kenntniß setzen lassen und ihnen befohlen, auf Civita Ducale zu marschieren, um zu den Armeecorps unter Macdonald und Duhesme zu stoßen, und mit denselben gemeinschaftlich den Weg nach Neapel einzuschlagen, mit seinen sechstausend Mann auf, um nach Rom zurückzukehren, legte an diesem Tage fünfundzwanzig italienische Meilen zurück, campirte in der Storta und erschien am nächstfolgenden Morgen acht Uhr an der Porta del Popolo, zog unter den Begrüßungsalven der Engelsburg in Rom wieder ein, besetzte das linke Tiberufer und erreichte den Palast Corsini, wo er, wie der Baron von Reischach ihm versprochen, Alles noch an demselben Platze fand, wo er es gelassen.

Noch denselben Tag ließ er folgende Proclamation anschlagen: .

Römer!

»Ich hatte Euch versprochen, vor Ablauf von zwang Tagen wieder in Rom zu sein. Ich halte Wort, ich bin schon am siebzehnten wieder da.

»Die Armee des neapolitanischen Despoten hat gewagt, der französischen Armee den Kampf anzubieten.

»Eine einzige Schlacht ist hinreichend gewesen, sie zu vernichten, und von der Höhe eurer Wälle könnt Ihr ihre Trümmer nach Neapel fliehen sehen, wohin unsere siegreichen Legionen ihr voran eilen werden. Dreitausend Todte und fünftausend Verwundete bedeckten gestern das Schlachtfeld von Civita Castellana. Die Todten werden das ehrenvolle Begräbniß des auf dem Schlachtfelde gefallenen Soldaten, das heißt das Schlachtfeld selbst, finden. Die Verwundeten werden als Brüder behandelt werden, denn sind dies nicht alle Menschen vor den Augen des Ewigen, der sie geschaffen?

»Die Trophäen unseres Sieges sind fünftausend Gefangene, acht Fahnen, zweiundvierzig Kanonen, achttausend Flinten, sämtliche Munition, sämtliche Bagage, sämtliche Lagereffecten und endlich die Kriegskasse der neapolitanischen Armee.

 

»Der König von Neapel ist auf der Flucht, um seine Hauptstadt wieder zu erreichen, in welche er, begleitet von den Verwünschungen seines Volkes und von der Verachtung der Welt, in schimpflicher Weise wieder einziehen wird.

»Noch einmal, der Gott der Armeen hat unsere Sache gesegnet – es lebe die Republik!

»Championnet.«

Noch denselben Tag ward die republikanische Regierung in Rom wieder eingesetzt. Die beiden dem Tode auf so wunderbare Weise entronnenen Consuln Mattei und Zaccalone hatten ihren Posten wieder übernommen, und auf der Stelle, wo das zur Schande der Menschheit von dem römischen Pöbel zerstörte Grabmal Duphots gestanden, errichtete man einen Sarkophag, an welchen man in Ermangelung der den Hunden vorgeworfenen Ueberreste seinen glorreichen Namen schrieb.

Der König von Neapel hatte, wie Championnet gesagt, die Flucht ergriffen; da aber gewisse Seiten dieses seltsamen Charakters unseren Lesern unbekannt bleiben würden, wenn wir uns, wie Championnet in seiner Proclamation, damit begnügen wollten, diese Thatsache einfach zu erwähnen, so werden wir sie um die Erlaubniß bitten, ihn auf seiner Flucht zu begleiten.

An der Thürdes Theaters Argentina hatte Ferdinand seinen Wagen gefunden und war mit Mack hineingesprungen, während er Ascoli zurief, hinter ihnen einzusteigen.

Mack hatte sich ehrerbietig auf den Vordersitz gesetzt.

»Setzen Sie sich hinter, Herr General,« sagte der König, der seinem Hang zum Spott nicht widerstehen konnte, ohne zu bedenken, daß er sich selbst verspottete. »Ich glaube, Sie werden noch einen hinreichend langen Weg rückwärts zu machen haben, ohne daß Sie damit eher anzufangen brauchen, als es unbedingt nothwendig ist.«

Mack stieß einen Seufzer aus und setzte sich neben den König.

Der Herzog von Ascoli nahm auf dem Vordersitze Platz. Man fuhr an dem Palast Farnese vor. Ein Courier war mit einer Depesche vom Kaiser von Oesterreich eingetroffen. Der König öffnete sie rasch und las:

»Mein geliebter Bruder, Cousin, Onkel, Schwiegervater und Bundesgenoß.

»Gestatten Sie mir, Ihnen meine aufrichtigen Glückwünsche zu dem Erfolge Ihrer Waffen und zu Ihrem Sieg reichen Einzuge in Rom darzubringen.«

Der König las nicht weiter.

»Nicht übel!« sagte er. »Diese Glückwünsche kommen gerade zur rechten Zeit!«

Und er steckte die Depesche in die Tasche.

Dann sah er sich ringsum und fragte:

»Wo ist der Courier, der diesen Brief gebracht hat?

»Hier bin ich, Sire,« antwortete der Courier, indem er herantrat.

»Ah, Du bist es, mein Freund! Hier hast Du etwas für deine Mühe,« sagte der König, indem er ihm seine Börse gab.

»Werden Euer Majestät die Ehre erzeigen, mir eine Antwort an meinen erhabenen Souverain mitzugeben?«

»Jawohl, nur werde ich Dir dieselbe mündlich ertheilen, weil ich zum Schreiben keine Zeit habe. Nicht wahr, Mack, ich habe keine Zeit?«

Mack schlug die Augen nieder.

»Es thut nichts,« sagte der Courier. »Ich kann Eurer Majestät dafür bürgen, daß ich ein gutes Gedächtniß habe.«

»So, daß Du sicher bist, deinem erhabenen Souverain zu berichten, was ich Dir sagen werde?«

»Ja, bis auf die kleinste Sylbe.«

»Nun wohl, dann sage ihm in meinem Namen – hörst Du wohl? – in meinem Namen –«

»Ich höre, Sire.«

»Sage ihm, daß sein Bruder und Cousin, Onkel, Schwiegervater und Bundesgenoß, der König Ferdinand, ein Esel ist.«

Der Courier prallte erschrocken einen Schritt zurück.

»Richte diese Botschaft aus bis auf die kleinste Sylbe,« hob der König wieder an, »und Du wirst die größte Wahrheit gesagt haben, welche jemals aus deinem Munde gekommen ist.«

Der Courier zog sich verblüfft zurück.

»Und nun,« sagte der König, »da ich Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich Alles zu wissen gethan, was ich ihm mitzutheilen hatte, wollen wir aufbrechen?«

»Darf ich mir erlauben, sagte Mack, ›Eurer Majestät bemerklich zu machen, daß es nicht gerathen sein wird, die Ebene von Rom zu Wagen zu passieren?‹

»Und wie wollen Sie denn, daß ich sie passiere? Zu Fuße vielleicht.«

»Nein, wohl aber zu Pferde.«

»Zu Pferde? Und warum denn zu Pferde?«

»Weil Eure Majestät zu Wagen genöthigt sein werde, immer auf der Heerstraße zu bleiben, während Sie zu Pferde im Nothfall einen Querweg einschlagen können. Als vortrefflicher Reiter und mit einem guten Pferde brauchen Sie dann nicht zu fürchten, auf schlimme Begegnungen zu stoßen.«

»Ah malora!« rief der König, »dann kann man also deren machen?« »Wahrscheinlich ist es nicht, aber ich darf Eurer Majestät nicht verschweigen, daß diese nichtswürdigen Jakobiner gewagt haben zu sagen, wenn der König ihnen in die Hände fiele, so –«

»Nun und?«

»So würden sie ihn, wenn es in der Stadt wäre, an den ersten Laternenpfahl, und wenn es auf freiem Felde wäre, an den ersten besten Baum aufknüpfen.«

»Fuimmo, Ascoli! Fuimmo! Was macht Ihr denn dort, Ihr Taugenichtse? Zwei Pferde! Zwei Pferde! Die besten! Diese Spitzbuben würden sicherlich Wort halten. Aber dennoch können wir doch nicht bis nach Neapel reiten.«

»Nein, Sire, antwortete Mack. »In Albano werden Sie den ersten besten Postwagen nehmen.«

»Sie haben Recht. Ein Paar Stiefel! In seidenen Strümpfen kann ich keinen Courierritt machen. Ein Paar Stiefel! Hörst Du, Schuft?«

Ein Lakai stürzte die Treppe hinauf und kam mit einem Paar langer Stiefel zurück.

Ferdinand zog im Wagen seine Stiefel an, ohne sich um seinen Freund Ascoli mehr zu kümmern, als ob derselbe gar nicht existierte.

In dem Augenblicke, wo er mit dem Anziehen seines zweiten Stiefels fertig war, brachte man die beiden Pferde.

»Zu Pferde, Ascoli! Zu Pferde!« sagte Ferdinand.

»Was zum Teufel machst Du denn in der Wagenecke? Ich glaube, Gott verzeihe mir, Du schläft!«

»Zehn Mann Escorte,« rief Mack, »und einen Mantel für Se. Majestät!«

»Ja,« sagte der König, indem er zu Pferde stieg, »zehn Mann Escorte und einen Mantel für mich!«

Man brachte ihm einen Mantel von dunkler Farbe, in welchen er sich hüllte.

Mack stieg ebenfalls zu Pferde.

»Da ich nicht eher ruhig sein werde, als bis ich Euer Majestät außerhalb der Mauern der Stadt sehe, so bitte ich um die Erlaubniß, Sie bis zum Thore San Giovanni begleiten zu dürfen.«

»Glauben Sie denn, daß ich in der Stadt etwas zu fürchten habe, General?«

»Gesetzt der Fall – obschon es nicht wahrscheinlich ist –

»Zum Teufel, rief der König, »gleichviel! Setzen wir den Fall!«

»Gesetzt der Fall, daß Championnet Zeit gehabt hätte, den Commandanten der Engelsburg zu benachrichtigen, und daß die Jakobiner die Thore bewachen.«

»Das ist möglich,« rief der König, »das ist möglich! Brechen wir auf!«

»Brechen wir auf, sagte Mack.

»Nun, welchen Weg werden wir nehmen, General!«

»Ich geleite Sie nach dem einzigen Stadtthore, Sire, von welchem man nicht voraussetzen wird, daß Sie es passieren, weil es dem Thore von Neapel gerade entgegengesetzt ist. Ich geleite Sie demgemäß nach dem sogenannten Volksthore, welches übrigens auch von hier aus das nächste ist. Die Hauptsache für uns ist, so schnell als möglich aus Rom hinauszukommen. Haben wir einmal die Stadt im Rücken, so machen wir die Runde um die Festungswerke, und in einer Viertelstunde sind wir an dem Thor San Giovanni.«

»Diese verwünschten Franzosen müssen doch ganz ausgefeimte Teufel sein, General, daß sie einen so schlauen Mann wie Sie geschlagen haben.«

Während dieses Gespräches hatte man ein Stück Weges zurückgelegt und war bis an das äußerste Ende von Ripetta gelangt.

Der König ergriff Macks Pferd beim Zügel.

»Holla, General, sagte er, »was sind das für Leute, welche zu dem Volksthor hereingezogen kommen?«

»Wenn sie materiell die Zeit gehabt hätten, dreißig Meilen in fünf Stunden zurückzulegen, so würde ich sagen, es seien die Soldaten Eurer Majestät, welche fliehen.«

»Und sie sind es auch, General; sie sind es! O, Sie kennen sie nicht, diese Bürschchen. Wenn es gilt, die Flucht zu ergreifen, so haben die Flügel an den Fersen.«