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La San Felice

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Wie groß aber war das Erstaunen des Proconsuls, als er sah, wie die Hyänen, die Tiger und die Löwen sich plötzlich zum Zeichen der Ehrfurcht und des Gehorsams zu den Füßen der drei Märtyrer niederstreckten, während die Fesseln des heiligen Januarius von selbst abfielen und er mit seiner nun freigewordenen Hand lächelnd die Zuschauer segnete.

Timotheus, der Proconsul, konnte, wie man leicht begreift, nicht die mindeste Schonung gegen einen elenden Erzbischof zeigen und zwar um so weniger, als bei dem Anblick des letzten von diesem gethanen Wunders fünftausend Zuschauer sofort Christen geworden waren. Als er sah, daß das Feuer nichts über seinen Gefangenen vermochte, und daß die Löwen sich zu seinen Füßen niederstreckten, befahl er, daß der Bischof und die beiden Diaconen durch das Schwert hingerichtet würden.

Es war an einem schönen Herbstmorgen, am 19. September 305, als der heilige Januarius, von Proculus und Sofius begleitet, in die Ebene von Solfatara nach den Forum an einem halb erloschenen Krater geführt ward, um hier vom Leben zum Tode gebracht zu werden.

Kaum aber hatte er zwanzig Schritte in der Richtung des Forum gethan, als ein Bettler sich durch die Menge hindurchdrängte und sich ihm zu Füßen warf.

»Wo bist Du, heiliger Mann?«, fragte der Bettler. »Ich bin blind und sehe Dich nicht.«

»Hier bin ich, mein Sohn,« sagte der heilige Januarius, indem er stehen blieb, um den alten blinden Mann anzuhören.

»O mein Vater,« rief der Bettler, »dann ist es mir also, ehe ich sterbe, vergönnt, den Staub zu küssen, den deine Füße berührt haben.«

»Dieser Mensch ist von Sinnen, sagte der Henker, und wollte den Bettler zurückstoßen.

»Ich bitte Dich, laß ihn herankommen, sagte der heilige Januarius, »die Gnade des Herrn ist mit ihm.«

Der Henker trat achselzuckend auf die Seite.

»Was willst Du, mein Sohn?« fragte der Heilige.

»Ein einfaches Andenken von Dir, sei es, welches es wolle. Ich werde es bis an das Ende meiner Tage bewahren und es wird mir Glück bringen in dieser wie in jener Welt.«

»Aber, mischte der Henker sich ein, weißt Du nicht, daß die Verurtheilten kein Eigenthum mehr haben? Wie kannst Du so dumm sein, einen Menschen, welcher im Begriff steht zu sterben, um ein Almosen zu bitten.«

»Welcher im Begriff steht, zu sterben,« wiederholte der blinde Bettler, und schüttelte den Kopf. »Dies ist doch wohl nicht so ganz gewiß und es wäre nicht das erste Mal, daß er Euch entränne.«

»Sei unbesorgt,« antwortete der Henker. »Diesmal wird er es mit mir zu thun haben.«

»Mein Sohn,« sagte der heilige Januarius, »ich besitze nichts mehr als das Tuch, womit man mir, ehe man mich enthauptet, die Augen verbinden wird. Ich vermache es Dir nach meinem Tode.«

»Und wenn die Söldner mir nicht erlauben, mich Dir zu nähern?«

»Sei unbesorgt, ich werde es Dir selbst bringen.«

»Dank, mein Vater.«

»Lebe wohl, mein Sohn.«

Der Blinde entfernte sich und der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Auf dem Forum angelangt, knieten die drei Märtyrer nieder und der heilige Januarius rief mit lauter Stimme:

»Mein Herr und Gott, ich bitte Dich, gewähre mir heute den Märtyrertod, den Du mir schon zweimal verweigert. Möge unser Blut deinen Zorn beschwichtigen und das letzte sein, welches durch die Verfolgungen der Tyrannen gegen unsere heilige Kirche vergossen wird.«

Dann erhob er sich, umarmte die beiden Genossen seines Märtyrerthums und winkte dem Henker, ein blutiges Werk zu beginnen.

Der Henker enthauptete zuerst Proculus und Sofius, welche, das Lob des Herrn singend, starben; als er sich aber dem heiligen Januarius, näherte, um ihm ebenfalls das Haupt abzuschlagen, ward er von so heftigem krampfhaftem Zittern ergriffen, daß das Schwert ihm aus den Händen fiel und er nicht einmal die Kraft hatte, sich zu bücken und es wieder aufzuheben.

Der heilige Januarius verband sich hierauf selbst die Augen, nahm die Stellung an, welche für die furchtbare Verrichtung die günstigste war, und fragte dann den Henker:

»Nun, worauf wartest Du noch, mein Bruder?«

»Ich werde dieses Schwert nicht eher aufheben können, als bis Du mir die Erlaubniß dazu gibst, und ebenso kann ich Dir auch das Haupt nicht abschlagen, wenn ich nicht aus deinem eigenen Munde Befehl dazu erhalte.«

»Ich erlaube und befehle es Dir nicht blos, mein Bruder, sondern ich bitte Dich darum.«

Sofort fühlte der Henker sich wieder stark und kräftig und führte den verhängnißvollen Streich mit solcher Gewalt, daß nicht blos der Kopf des Heiligen, sondern auch einer seiner Finger mit abgetrennt war.

Was das doppelte Gebet betraf, welches der heilige Januarius vor seinem Tode an Gott gerichtet, so ward es ohne Zweifel erhört, denn der Henker erklärte ihm, indem er ihm den Kopf abschlug, selbst für einen Märtyrer, und in demselben Jahre noch floh Constantin, welcher später Constantin der Große ward und den Triumph der christlichen Religion sicherte, aus Nicomedien, empfing in York den letzten Seufzer seines Vaters und ward von den Legionen Britanniens, Galliens und Spaniens zum Kaiser ausgerufen. Von dem Todesjahr des heiligen Januarius datiert folglich der Sieg der christlichen Kirche.

Am Abend der Hinrichtung gegen neun Uhr näherten sich zwei Personen, gleich zwei Schatten, schüchtern dem verlassenen Forum und suchten mit den Augen die drei Leichen der Hingerichteten, die man auf dem Platze liegen gelassen.

Der eben aufgehende Mond beleuchtete die gelbliche Ebene von Solfatara, so daß man jeden Gegenstand in allen seinen Einzelheiten unterscheiden konnte.

Die beiden Personen, welche allein diesen öden, schauerlichen Ort aufsuchten, waren ein alter Mann und eine alte Frau.

Beide beobachteten einander einen Augenblick lang mit Mißtrauen.

Dann entschlossen sie sich endlich, aufeinander zuzugehen.

Als sie sich einander bis auf drei Schritte genähert hatten, legten beide die Hand an die Stirn und machten das Zeichen des Kreuzes.

Nachdem sie sich auf diese Weise als Christen zu erkennen gegeben, sagte die Frau:

»Guten Abend, mein Bruder.«

»Guten Abend, meine Schwester,« antwortete der Greis.

»Wer bist Du?«

»Ein Freund des heiligen Januarius. Und Du?«

»Eine seiner Verwandten.«

»Aus welcher Gegend bist Du?«

»Ich bin von Neapel. Und Du?«

»Ich bin von Pozzuolo. Was führt Dich zu dieser Stunde hierher?«

»Ich komme, um das Blut des Märtyrers zu sammeln. Und Du?«

»Ich komme, um seine Leiche zu begraben.«

»Hier sind die beiden Fläschchen, mit welchen er seine letzte Messe gelesen. Er gab sie mir, als er die Kirche verließ, und befahl mir, den noch darin befindlichen Rest von Wasser und Wein zu trinken. Ich war gelähmt und hat seit zehn Jahren weder Füße noch Hände rühren können. Kaum aber hatte ich auf den Befehl des nun glückselige heiligen Januarius die Fläschchen geleert, so stand ich an und wandelte.«

»Und ich, sagte der alte Mann, »ich war blind. Ich bat den Märtyrer, als er sich auf dem Wege zu seiner Hinrichtung befand, um ein Andenken an ihn. Er versprach m nach seinem Tode das Tuch zu geben, womit man ihm die Augen verbinden würde. In demselben Augenblick, wo der Henker ihm den Kopf abschlug, erschien er mir, gab mir das Tuch, befahl mir, es mir auf die Augen zu drücken und am Abend hierher zu kommen und seine Leiche zur Erde zu bestatten. Ich wußte nicht, wie ich den zweiten Theil seines Befehles ausführen sollte, denn ich war blind; kaum aber hatte ich die heilige Reliquie an meine Stirn gedrückt, fühlte ich, gleich dem heiligen Paulus auf dem Wege nach Damascus, wie mir die Schuppen von den Augen fielen, und ich bin nun hier, um dem Befehle des hochseligen Märtyrer zu gehorchen.«

»Sei gesegnet, mein Bruder, denn nun weiß ich, daß Du wirklich der Freund des heiligen Januarius bist, der mir zu derselben Zeit wie Dir erschien, um mir zum zweiten Male zu befehlen, sein Blut zu sammeln.«

»Sei gesegnet, meine Schwester, denn ich sehe meinerseits, daß Du wirklich seine Verwandte bist. Doch ich habe noch etwas vergessen –«

»Was denn?«

»Er befahl mir, einen Finger zu suchen, der ihm gleichzeitig mit dem Haupte abgeschlagen worden ist, und diesen Finger wieder mit seinen geheiligten Ueberresten zu vereinigen.«

»Mir sagte er auch noch, ich würde in seinem Blute einen Strohhalm finden, und er befahl mir, denselben sorgfältig in dem kleinsten der beiden Fläschchen zu verwahren.«

»Suchen wir, meine Schwester.«

»Ja, suchen wir, mein Bruder.«

»Zum Glück leuchtet uns der Mond.«

»Das ist abermals eine Wohlthat des Heiligen, denn seit einem ganzen Monate ward der Mond fortwährend durch Wolken verhüllt.«

»Hier ist der Finger, den ich suchte.«

»Und hier ist der Strohhalm, von welchem er sprach.«

Und während der Greis von Pozzuolo den Rumpf, den Kopf und den Finger des Märtyrers in einen Sarg legte, sammelte die alte Frau von Neapel, andächtig niederkniend, mittelst eines Schwammes das kostbare Blut bis auf den letzten Tropfen und füllte damit die beiden Fläschchen, welche der Heilige ihr gegeben.

Es ist dies dasselbe Blut, welches seit fünfzehn und einem halben Jahrhunderte allemal, wenn man es dem Haupte des Heiligen nähert, in Wallung geräth, und in diesem geheimnißvollen, unerklärlichen Flüssigwerden und Wallen, welches jährlich zweimal geschieht, besteht das berühmte Wunder des heiligen Januarius, welches in der Welt so viel Aufsehen macht und welches Championnet gutwillig oder mit Zwang von dem Heiligen zu erlangen gedachte.

Neuntes Capitel.
In welchem der Antor sich genöthigt sieht, seinem Buche: »Der Coricolo« ein ganzes Capitel zu entlehnen, weil er nicht hoffen kann, es besser zu machen

Wir wollen den Reliquien des heiligen Januarius nicht auf den verschiedenen Wanderungen folgen, welche sie durchgemacht und wodurch sie von Pozzuolo nach Neapel, von Neapel nach Benevento und endlich von Benevento nach Neapel zurückgeführt wurden.

 

Diese Erzählung würde uns in die Geschichte des ganzen Mittelalters hinein verwickeln und man hat diese interessante Epoche so sehr gemißbraucht, daß sie anfängt aus der Mode zu kommen.

Erst seit dem Beginne des sechzehnten Jahrhunderts hat der heilige Januarius einen festen, unabänderlichen Wohnsitz, welchen er nur zweimal jährlich verläßt, um in der Kathedrale der heiligen Clara, dem Begräbnißorte der Könige von Neapel, sein Wunder zu verrichten.

Noch zwei- oder dreimal vielleicht stört man dem Heiligen auf Veranlassung des Zufalls, aber es bedarf dann jener großen Ereignisse, welche ein Königreich bewegen oder eine Provinz aufregen, um ihn seinen ruheliebenden Gewohnheiten untreu zu machen. Jede dieser ausnahmsweisen Ausstellungen wird ein Ereigniß, dessen Erinnerung durch die mündliche Tradition in dem Gedächtnisse des neapolitanischen Volkes sich fort erhält und vergrößert.

Während des ganzen übrigen Jahres weilt der heilige Januarius in dem Palaste des Erzbischofs und zwar in der sogenannten Capelle des Schatzes.

Diese Capelle ward von den neapolitanischen Edelleuten und Bürgern erbaut und ist das Ergebniß eines Gelübdes, welches sie im Jahre 1527, erschreckt durch die Pest, welche in diesem Jahre die treue Stadt Neapel verheerte, gemeinschaftlich thaten.

Die Pest hörte, Dank der Vermittelung des Heiligen, auf und die Capelle ward als Beweis der öffentlichen Dankbarkeit gebaut.

Ganz im Gegensatz zu gewöhnlichen Anbetern, welche, wenn die Gefahr vorüber ist, den Heiligen, den sie angerufen, sehr oft vergessen, entwickelten die Neapolitaner bei der Erfüllung des ihrem Heiligen gegebenen Versprechens eine solche Gewissenhaftigkeit, daß, als Donna Katharina von Sandoval, die Gemahlin des alten Grafen von Lemos, Vicekönigs von Neapel, sich erbot, ihrerseits zur Erbauung der Capelle eine Summe von dreißigtausend Ducaten beizusteuern, die diese Summe zurückwiesen und erklärten, daß sie die Ehre, ihrem heiligen Beschützer eine würdige Wohnung zu gewähren, mit keinem Fremdling, theilen wollten, selbst wenn es ihr Vicekönig oder ihre Vicekönigin wäre.

Da es sonach weder an Geld noch an gutem Willen fehlte, so war die Capelle sehr bald gebaut.

Allerdings hatten, um sich gegenseitig bei gutem Willen zu erhalten, Edelleute und Bürger vor dem öffentlichen Notar Meister Vicenzo de Basis eine Verbindlichkeit übernommen, welche jetzt noch besteht.

Diese Urkunde datiert vom 13. Januar 1527 und die Unterzeichner derselben machen sich darin anheischig, zur Bestreitung der Baukosten die Summe von dreizehntausend Ducati aufzubringen.

Wie es scheint, hatte man aber schon zu jener Zeit Grund, den Kostenanschlägen der Architekten zu mißtrauen, denn das Portal allein kostete fünfunddreißigtausend Ducati, das heißt dreimal so viel, als die zur Erbauung der ganzen Capelle bewilligte und veranschlagte Summe betrug.

Als die Capelle fertig war, beschloß man sie mit Frescogemälden zu schmücken, welche die hauptsächlichen Thaten aus dem Leben des Heiligen vorstellen, und zu diesem Zwecke die ersten Maler der Welt zu berufen.

Unglücklicherweise ward dieser Beschluß von den neapolitanischen Malern nicht gut geheißen, denn diese erklärten ihrerseits, daß die Capelle nur durch einheimische Künstler geschmückt werden dürfe und daß jeder fremde Kunstrival, welcher der Aufforderung entspräche, Ursache haben solle, es bitterlich zu bereuen.

Sei es nun, daß sie von diesem Schwur nichts wußten, sei es, daß sie nicht an die Ausführung desselben glaubten, kurz, die Maler Guido Reni, Dominichino und der Chevalier von Arpino kamen von Neapel, um mitzuhelfen.

Der Chevalier von Arpino ward jedoch genöthigt, die Flucht zu ergreifen, ehe er noch den Pinsel in die Hand genommen.

Guido Reni verließ nach zwei auf ihn unternommenen Mordversuchen, denen er nur durch ein Wunder entging Neapel ebenfalls.

Nur Dominichino, der durch die Verfolgungen, die er erfahren, an den Kampf gewöhnt und eines Lebens, welches seine Nebenbuhler ihm so schmerzlich verbittert, ohnehin müde war, hörte weder auf Beleidigungen noch Drohungen, sondern fuhr fort zu malen.

Er malte nach der Reihe die Frau, welche die Kranken heilt (mit dem Oel der Lampe, welche vor dem Schrein des heiligen Januarius brennt), die Auferweckung des Jünglings und die Kuppel, bis er eines Tages auf seinem Gerüst plötzlich unwohl ward. Man schaffte ihn nach Hause, er war vergiftet.

Nun glaubten die neapolitanischen Maler aller Concurrenz überhoben zu sein, aber dem war nicht so.

Eines schönen Morgens sahen sie Geffi ankommen, welcher zwei seiner Schüler mitbrachte, um Guido Reni, seinen Meister, zu ersetzen.

Acht Tage später waren die beiden Schüler, die man auf eine Galeere gelockt, verschwunden, ohne daß man jemals wieder etwas von ihnen hörte.

Geffi, der sich nun verlassen sah, verlor den Muth und zog sich seinerseits zurück, so daß Espagnolet, Corenzio, Lanfranco und Stanzoni sich allein im Besitz dieses Schatzes von Ruhm und Zukunft sahen, zu welchem sie durch Verbrechen gelangt waren.

Nun malte Espagnolet seinen Heiligen aus dem feurigen Ofen kommend, eine riesige Composition; Stanzoni die von dem Heiligen geheilte Besessene und endlich Lanfranco die Kuppel, an welcher er sich weigerte Hand anzulegen, so lange nicht die von Dominichino an den Ecken der Gewölbe angefangenen Frescogemälde vollständig wieder entfernt wären.

Dieser Capelle, wo auch die Kunst ihre Märtyrer gehabt, wurden die Reliquien des Heiligen anvertraut.

Diese Reliquien befinden sich in einer Nische hinter dem Hauptaltar, die durch eine marmorne Scheidewand in zwei Hälften getheilt ist, damit der Kopf des Heiligen nicht sein Blut ansehen könne, wodurch das Wunder vor der dazu bestimmten Zeit bewirkt werden würde, weil – so sagen die Priester – eben durch die Berührung des Hauptes und der Fläschchen das geronnene Blut flüssig wird.

Diese Nische ist überdies durch zwei Thüren von massivem Silber verschlossen, welche mit dem Wappen Karls des Zweiten, Königs von Spanien, verziert sind.

Zu diesen Thüren gehören zwei Schlüssel, von welchen der eine sich in Verwahrung des Erzbischofs, der andere in der einer Gesellschaft befindet, welche aus der Zahl der Edelleute durchs Loos gewählt wird und welche man die Deputierten des Schatzes nennt.

Man sieht, daß der heilige Januarius sich genau der Freiheit erfreut, welche den Dogen von Venedig zugestanden war, die auch niemals den Umkreis der Stadt überschreiten und ihren Palast nur mit Erlaubniß des Senats verlassen durften.

Wenn diese Abschließung ihre Unannehmlichkeiten hat so hat sie doch auch ihre Vortheile. Der heilige Januarius gewinnt dabei so viel, daß er nicht wie ein Dorfarzt zu jeder Stunde des Tages und der Nacht gestört werden kann.

Auch wissen die Canonici, die Diaconen, die Subdiaconen, die Sakristane bis herab zu den Chorknaben der Capelle sehr wohl, welche Vorzüge ihre Stellung vor der ihrer Collegen, der Hüter der andern Heiligen, hat.

Eines Tages, als der Vesuv seine Streiche machte und seine Lava, anstatt ihren gewöhnlichen Weg zu verfolgen und Torre del Greco zum achten oder neunten Male von der Oberfläche der Erde zu vertilgen, die Richtung auf Neapel nahm, empörten sich die Lazzaroni, welche dabei gerade am wenigsten zu verlieren hatten, die aber wahrscheinlich um der Tradition willen stets an der Spitze der Empörungen stehen.

Diese Lazzaroni strömten nach dem erzbischöflichen Palast und begannen zu schreien, man solle das Haupt des heiligen Januarius nehmen und es der feurigen Ueberschwemmung entgegentragen.

Die Gewährung dieses Verlangens war aber nicht so leicht. Der heilige Januarius befand sich unter doppeltem Verschluß und einer dieser Schlüssel in den Händen des gegenwärtig auf einer Rundreise durch eine Diözese begriffenen Erzbischofs, während der andere in den Händen der Deputierten war, die, mit Bergung ihrer kostbarsten Effecten beschäftigt, der eine dahin, der andere dorthin liefen.

Zum Glück war der diensthabende Canonicus ein Mann, welcher sich der aristokratischen Stellung bewußt war, die sein Heiliger im Himmel und auf der Erde einnahm.

Er erschien auf dem Balcon des erzbischöflichen Palastes, welcher den ganzen mit Menschen bedeckten Platz beherrschte, gab durch eine Geberde zu verstehen, daß er sprechen wolle, wackelte zum Zeichen des Erstaunens über die Kühnheit der Leute, mit welchen er zu thun hatte, mit dem Kopfe und sagte:

»Ihr scheint mir wunderliche Menschen zu sein, daß Ihr hierherkommt und schreit: »Heiliger Januarius! heiliger Januarius!« gerade als ob Ihr schrieet: »Heiliger Fiaker!« oder »heiliger Crispin!« Wisset, Ihr Lumpengesindel, daß der heilige Januarius ein Cavalier ist, der sich nicht so um des ersten besten willen incommodirt.«

»Was!« rief ein Raisonneur. »Jesus Christus incommodirt sich wohl für den ersten besten. Wenn ich das Crucifix verlange, kann man mir ihn wohl verweigern?«

Der Canonicus schlug mit dem Ausdruck niederschmetternder Verachtung ein verächtliches Gelächter auf.

»Das wollte ich eben hören,« hob er wieder an. »Wessen Sohn ist denn Jesus Christus, wenn ich fragen darf? Er ist der Sohn eines Zimmermannes und einer armen Jungfrau. Er ist ganz einfach Lazzarone von Nazareth, während es mit dem heiligen Januarius etwas ganz Anderes ist, denn dieser ist der Sohn eines Senators und einer Patrizierin und folglich, wie Ihr selbst einsehen werdet, eine ganz andere Persönlichkeit als Jesus Christus. Geht doch und sucht den Heiland, wenn Ihr Lust habt. Was aber den heiligen Januarius betrifft, so sage ich Euch er wird sich um euretwillen nicht incommodieren, selbst wenn Ihr in zehnfacher Anzahl hierher kämet und zehnmal so laut schrieet, denn er hat das Recht, sich nicht zu incommodiren.«

»Gehen wir und suchen wir den Heiland,« sagte die Menge.

Und man ging den Heiland zu holen, welcher in der That weniger aristokratisch als der heilige Januarius die Kirche der heiligen Clara verließ und, von seinem volksthümlichen Gefolge begleitet, an den Ort kam, welcher seine barmherzige Gegenwart verlangte.

Sei es nun aber, daß er nicht in die Rechte des heiligen Januarius eingreifen wollte, oder sei es, daß er nicht die Macht hatte, zu der Lava zu sagen, was er zum Meer gesagt, kurz, die Lava fuhr fort sich weiter zu wälzen, obschon sie auf alle nur mögliche Weise beschworen ward.

Die Gefahr stieg daher immer höher, eben so wie das Geschrei mit ihr, als plötzlich die marmorne Bildsäule des heiligen Januarius, welche die Magdalenenbrücke beherrscht und bis jetzt ihre rechte Hand auf das Herz gedrückt gehalten, dieselbe hob und gegen die Lava mit einer gebieterischen Bewegung ausstreckte, welche der glich, mit welcher Neptun ein »Quos ego!« begleitete.

Die Lava machte Halt.

Man kann sich denken, wie hoch der Ruhm des heiligen Januarius nach diesem neuen Wunder stieg.

Der König Carl der Dritte, der Vater Ferdinands, war Zeuge dieser Thatsache gewesen.

Er sann nach, was er thun könne, um den heiligen Januarius zu ehren.

Es war dies nicht so leicht. Der heilige Januarius war Edelmann, der heilige Januarius war reich, der heilige Januarius war heilig, der heilige Januarius war – dies hatte er soeben bewiesen – mächtiger als das Crucifix.

Der König verlieh daher dem heiligen Januarius eine Würde, nach welcher dieser sicherlich selbst niemals trachtet, das heißt, er ernannte ihn zum Generalcommandanten der neapolitanischen Truppen mit dreißigtausend Ducati Gehalt.

Deshalb konnte Michele, als Louisa ihn fragte, wo Salvato wäre, ohne zu lügen, antworten:

»Er hat bis morgen Vormittag halb elf Uhr Dienst bei dem Generalcommandanten

Und in der That, wie der gute Canonicus gesagt und wir nach ihm wiederholt, der heilige Januarius ist ein aristokratischer Heiliger. Er hat ein Gefolge von untergeordneten Heiligen, welche eine Oberherrschaft ungefähr in derselben Weise anerkennen, wie die römischen Clienten dies in Bezug auf ihren Patron thaten.

Diese Heiligen folgen ihm, wenn er ausgeht, grüßen ihn, wenn er an ihnen vorüber kommt, und erwarten ihn, wenn er nach Hause zurückkehrt. Sie bilden gleichsam seinen Ministerrath.

Diese Schaar untergeordneter Heiligen, diese Wache, dieses Gefolge, dieser Hof des hochseligen Bischofs von Benevento rekrutiert sich auf folgende Weise:

Jede Brüderschaft, jeder klösterliche Orden, jedes Kirchspiel, jeder Privatmann, dem daran liegt, einen ihm befreundeten Heiligen zum Schutzpatron von Neapel unter dem Vorsitze des heiligen Januarius erklären zu lassen, braucht blos eine Statue von massivem Silber zu dem Preise von achttausend Ducati zu stiften, und dieselbe der Capelle des Schatzes anzubieten.

 

Ist die Statue einmal zugelassen und aufgenommen, so bleibt sie für immer in der genannten Capelle und genießt von diesem Augenblicke an alle Vorrechte ihrer vorschriftsmäßigen Schenkung. Ebenso wie die Engel und Erzengel, die im Himmel ewig Gottes Lob fingen und einen Chor um ihn bilden, preisen sie ewig den heiligen Januarius.

Für diese ihnen gewährte Glückseligkeit aber müssen sie sich dieselbe Abgeschlossenheit gefallen lassen, in welcher der heilige Januarius sich befindet. Selbst die Personen, durch welche sie der Capelle geschenkt worden, können nur dadurch sie aus ihrem geheiligten Gefängnisse erlösen, daß sie den doppelten Werth der Statue, welche sie um ihres persönlichen Vergnügens willen oder im allgemeinen Interesse wieder ans Licht ziehen wollen, in die Hände eines Notars niederlegen.

Sobald die Summe deponiert ist, wird der Heilige auf kürzere oder längere Zeit herausgelassen. Kehrt er zurück und ist seine Identität festgestellt, so kann der mit der Quittung seines Heiligen versehene Eigenthümer seine deponierte Summe wieder zurückziehen.

Auf diese Weise ist man sicher, daß die Heiligen sich nicht verirren, oder daß sie, wenn sie sich verirren, wenigstens nicht verloren gehen, da man ja für das deponierte Geld deren zwei anstatt eines fertigen lassen kann.

Diese Maßregel, welche auf den ersten Blick sehr willkürlich erscheinen kann, ist, wie nicht unerwähnt bleiben darf, erst getroffen worden, nachdem das Capitel des heiligen Januarius durch sein früheres allzugroßes Vertrauen mehrmals zu Schaden gekommen.

So kehrte z.B. die Statue des heiligen Gaëtano, welcher man ohne Caution Urlaub bewilligte, nicht blos nicht an dem bestimmten Tage, sondern überhaupt niemals zurück. Umsonst versuchte man den Heiligen selbst anzuklagen und zu behaupten, daß er, weil er stets eine nur mäßige Neigung zu dem heiligen Januarius gehegt, die erste beste Gelegenheit benutzt habe, um die Flucht zu ergreifen.

Die respectabelsten Zeugnisse fanden sich in Masse ein, um dieser verleumderischen Behauptung zu widersprechen, und nachdem man die sorgfältigsten Nachforschungen angestellt, ermittelte man, daß es ein Fiakerkutscher war, welcher die kostbare Statue entwendet hatte.

Man traf Anstalten zur Verfolgung des Diebes, da dieser aber zwei Tage Vorsprung und seine Flucht mittelst eines mit zwei Pferden bespannten Wagens bewerkstelligt hatte, während die Polizei, die kein Fuhrwerk besaß, sich genöthigt sah, ihn zu Fuße zu verfolgen, so hatte er wahrscheinlich die römische Grenze bereits passiert, so daß alle Nachstellungen, wie gewissenhaft sie auch unternommen wurden, zu keinem Resultat führten.

Von diesem Tage an haftete ein unauslöschlicher Makel auf der früher so respectablen Corporation der Fiakerkutscher, welche bis dahin in Neapel wie in Frankreich den Hunden den Preis der Treue streitig gemacht, nun aber nicht mehr wagte, sich mit einer Börse in der Hand nach der Wohnung des Fahrgastes gehend und mit der Unterschrift: »Zum treuen Kutscher« malen zu lassen.

Wenn Du daher, lieber Leser, in Neapel mit einem Fiakerkutscher in Streit geräthst und glaubt, es lohne der Mühe, deinem Gegner eine jener unsterblichen Injurien, welche nur durch Blut abgewaschen werden können, an den Hals zu werfen, so schwöre ganz einfach bei dem heiligen Gaëtano und Du wirst sehen, daß dein Gegner Dir sofort zu Füßen fällt, um Dich um Verzeihung zu bitten. Allerdings wird er dann in den meisten Fällen wieder aufstehen, um Dir einen Messerstich zu versetzen.

Die Thore der Capelle des Schatzes stehen, wie man sich leicht denken kann, fortwährend offen, um die Heiligen aufzunehmen, welche in den Hofhalt des heiligen Januarius einzutreten wünschen. Die einzige Bedingung sine qua non, welche dabei gestellt wird, ist, daß die Statue von reinem Silber sei, und das vorgeschriebene Gewicht halte.

Sollte indeß die Statue von Gold sein und das Doppelte wiegen, so würde man sie deswegen nicht zurückweisen.

Die Jesuiten allein, welche, wie man weiß, kein Mittel zur Aufrechthaltung oder Vermehrung ihrer Popularität verabsäumen, haben im Verlauf von weniger als drei Jahren fünf Statuen in der Capelle des Schatzes deponiert.

Nachdem wir diese, wie wir glaubten, unumgänglich nothwendigen Einzelheiten mitgetheilt, wird der Leser die Wichtigkeit der von dem Obergeneral der französischen Armee erlassenen Bekanntmachung begreifen.