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La San Felice

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Zwölftes Capitel.
Einige Seiten Geschichte

Obschon wir keineswegs die Absicht haben, uns zum Geschichtschreiber dieses Feldzuges zu machen, so müssen wir doch dem König Ferdinand auf seinem Triumphzuge wenigstens bis Rom folgen und die wichtigsten Ereignisse dieses Marsches zusammenfassen.

Die Armee des Königs von Sicilien hatte schon seit länger als einem Monate ihre Cantonnementspositionen eingenommen.

Sie war in drei Corps getheilt.

Zweiundzwanzigtausend Mann campirten in San Germano, sechzehntausend in den Abruzzen, achttausend in der Ebene von Sessa, ohne sechstausend Mann in Gaëta zu zählen, die bereit waren, sich als Arrieregarde bei dem ersten Schritt, den die drei ersten Corps vorwärts thun würden, in Marsch zu setzen, und achttausend, welche sich bereit hielten, unter den Befehlen des Generals Naselli nach Livorno unter Segel zu gehen.

Das erste Corps sollte unter den Befehlen des Königs in eigener Person, das zweite unter denen des Generals Micheroux und das dritte unter denen des Generals von Damas marschieren.

Mark führte, wie wir bereits gesagt haben, das erste Corps. Es waren also zweiundfünfzigtausend Mann – ohne das Corps Naselli’s – welche gegen Championnet und seine neun- oder zehntausend Mann marschierten.

Nachdem man drei oder vier Tage im Lager von San Germano zugebracht, wo die Königin und Emma Lyonna, beide als Amazonen gekleidet und feurige Pferde reitend, um ihre Gewandtheit bewundern zu lassen, das erste Armeecorps die Musterung passieren ließen und durch alle möglichen Mittel, schöne Worte und huldreiche Mienen für die Officiere, doppelten Sold und Weinrationen für die Soldaten, die Begeisterung der Armee aufs Höchste steigerten, verließ man sich in überschwänglichen Siegeshoffnungen.

Während die Königin, Emma Lyonna, Sir William Hamilton, Horaz Nelson, die fremden Gesandten und die zu diesen kriegerischen Festen geladenen Gäste nach Caserta zurückkehrten, setzte sich die Armee auf ein gegebenes Signal an einem und demselben Tage, zu einer und derselben Stunde auf drei verschiedenen Punkten in Marsch.

Wir haben gesehen, welche Befehle der General Macdonald im Namen des Generals Championnet an dem Tage ertheilte, wo wir unsere Leser in den Palast Corsini einführten und wo wir sie der Ankunft des französischen Gesandten und des Grafen Ruvo beiwohnen ließen.

Diese Befehle lauteten, wie man sich entsinnen wird, dahin, beim Heranrücken der Neapolitaner alle Plätze und alle Positionen zu räumen.

Man wird sich daher nicht wundern, die ganze französische Armee vor dem im Anzuge begriffenen König Ferdinand den Rückzug antreten zu sehen.

Der General Micheroux, welcher mit zehntausend Mann den rechten Flügel bildete, ging über den Tronto, trieb die schwache französische Garnison von Ascoli vor sich her und nahm auf der ämilianischen Straße dir Richtung von Porto de Fermo.

Der General von Damas, welcher den linken Flügel bildete, folgte der appischen Straße und der König, welcher das Centrum führte, rückte von San Germano ab und marschierte, wie Mack in seinem Feldzugsplan bestimmt, auf der Straße von Ceperano und Frosinone nach Rom.

Das Armeecorps des Königs langte gegen neun Uhr Morgens in Ceperano an und der König stieg in dem Hause des Syndicus ab, um zu frühstücken.

Nach dem Frühstück bat der General Mack, welchem der König seit dem Abmarsch von San Germano die Ehre erzeigte, ihn zur Tafel zu ziehen, um die Erlaubniß, seinen Adjutanten, den Major Reischach, rufen zu lassen.

Es war dies ein junger Oesterreicher von sechs- bis achtundzwanzig Jahren, der eine vortreffliche Erziehung genoß, das Französische redete wie seine Muttersprache und sich in seiner eleganten Uniform sehr gut ausnahm.

Er leistete dem Befehl seines Generals sofort Folge.

Der junge Officier begrüßte ehrerbietig erst den König, dann seinen General und erwartete die Befehle, die er gekommen war zu empfangen.

»Sire,« sagte Mack, »unter civilisirten Nationen ist es Kriegsgebrauch, daß man den Feind, den man angreifen will, vorher davon unterrichtet. Ich halte es daher für meine Pflicht, dem republikanischen General zu melden, daß wir im Begriff stehen, die Grenze zu überschreiten.«

»Sie sagen, es sei dies Kriegsgebrauch?« sagte der König.

»Ja, Sire.«

»Nun dann thun Sie es, General; thun Sie es.«

»Uebrigens wird er, wenn er erfährt, daß wir mit einer imposanten Streitmacht anrücken, vielleicht den Platz freiwillig räumen.«

»Ah,« sagte der König, »das wäre sehr manierlich von ihm.«

»Sie erlauben also, Sire?«

»Versteht sich! Ja wohl, ich erlaube es.«

Mack drehte sich auf dem Stuhl herum, stützte sich mit dem Ellbogen auf den Tisch und sagte:

»Major, setzen Sie sich und nehmen Sie die Feder zur Hand.«

Der Major that, wie ihm geheißen ward.

»Schreiben Sie,« fuhr Mark fort, »aber so schön, als Sie es im Stande sind, denn es wäre sehr leicht möglich, daß der republikanische General, an welchen der Brief gerichtet ist, nicht sehr geläufig zu lesen verstünde. Diese Herren sind, was Schulkenntnisse betrifft, in der Regel nicht weit her,« fuhr Mack fort. »Wenn er hartnäckigerweise Stand halten sollte, so soll er wenigstens dann nicht sagen können, er habe den Brief nicht verstanden.«

»Wenn der Brief an den General Championnet gerichtet ist, Excellenz,« entgegnete der junge Mann, »so glaube ich nicht, daß so etwas zu befürchten steht. Ich habe gehört, es sei dies einer der gelehrtesten Männer unter der ganzen französischen Armee, aber deswegen bin ich nicht weniger bereit, Ihre Befehle auszuführen.«

»Das ist auch das Beste, was Sie thun können,« entgegnete Mack, durch die Bemerkung des jungen Mannes ein wenig verletzt und indem er eine gebieterische Kopfbewegung machte.

Der Major machte sich schreibfertig.

»Gestatten Sie mir in der Abfassung des Briefes völlige Freiheit, Sire?« fragte der General den König.

»Jawohl, jawohl,« antwortete der König, »denn wenn ich selbst schriebe, so glaube ich, würde der Bürger General, so gelehrt er auch sein mag, gleichwohl Mühe haben, daraus klug zu werden.«

»Schreiben Sie, Major,« sagte Mack.

Und er dictirte den folgenden Brief oder vielmehr das folgende Ultimatum welches noch in keinem Geschichtswerke mitgetheilt worden. Wir copiren dieses Musterstück von Impertinenz und Uebermuth nach dem der Königin zugesendeten officiellen Duplicat.

»Herr General!

»Ich zeige Ihnen hiermit an, daß die sicilianische Armee, welche ich die Ehre habe, unter den Befehlen des Königs in eigener Person zu commandiren, so eben die Grenze überschritten hat, um sich in Besitz der römischen Staaten zu setzen, welche seit dem Frieden von Campo Formio revolutionisirt und usurpiert worden sind.

»Diese Revolution und Usurpation sind weder durch Seine sicilische Majestät noch durch seinen erhabenen Verbündeten, den Kaiser und König, anerkannt worden. Ich verlange daher, daß Sie ohne Verzug die römischen Staaten von den französischen Truppen räumen lassen, und mit allen andern Plätzen, welche sie besetzt halten dasselbe thun.

»Die die verschiedenen Truppencolonnen Seiner sicilischen Majestät commandirenden Generale haben ausdrücklichen Befehl, die Feindseligkeiten da, wo die französischen Truppen sich auf meine Notification zurückziehen werden, nicht zu beginnen, dagegen aber, im Fall sie sich widersetzen sollten, sofort zur Gewalt zu schreiten.

»Uebrigens erkläre ich, Bürger General, daß ich es als einen Art der Feindseligkeit betrachten werde, wenn die französischen Truppen den Fuß auf das Gebiet des Großherzogs von Toscana setzen.

»Ich erwarte Ihre Antwort ohne den mindesten Verzug und bitte Sie, mir den Major Reischach, der Ihnen diesen Brief überbringt, vier Stunden nach Empfang desselben wieder zurückzusenden. Ihre Antwort muß positiv und bestimmt gehalten sein.

»Was die Forderung, die römischen Staaten zu räumen und das Großherzogthum Toscana nicht zu betreten, betrifft, so wird eine negative Antwort als eine Kriegserklärung von Ihrer Seite betrachtet werden und Seine sicilische Majestät mit dem Degen in der Hand die gerechten Forderungen, die ich in ihrem Namen an Sie richte, aufrecht zu halten wissen.

»Ich habe die Ehre u.s.w.

»Ich bin fertig, Excellenz,« sagte der junge Officier.

»Und Eure Majestät haben weiter keine Bemerkung zu machen?« fragte Mack.

»Sie werden den Brief selbst unterzeichnen, nicht wahr?« fragte der König dagegen.

»Allerdings, Sire.«

»Nun dann —«

Und er beendete den Redesatz durch eine Bewegung mit den Schultern, welche vermuthlich heißen sollte: »Machen Sie, was Sie wollen.«

»Uebrigens,« sagte Mack, »müssen wir loyalen Leute auf diese Weise mit solchen Sansculotten von Republikanern sprechen.«

Dann nahm er dem Major die Feder aus der Hand, unterzeichnete den Brief, gab die Feder zurück und sagte:

»Nun schreiben Sie die Adresse.«

»Wollen Sie mir dieselbe dictiren, wie Sie mir den Brief dictirt haben, Excellenz?« fragte der junge Officier.

»Wie? Wissen Sie denn nicht einmal eine Adresse zu schreiben?«

»Ich weiß nicht, ob ich sagen soll: Herr General, oder Bürger General.«

»Schreiben Sie Bürger,« sagte Mack; Warum soll man solchen Leuten einen andern Titel geben als den welchen sie sich selbst beilegen?«

Der junge Mann schrieb die Adresse, siegelte den Brief zu und erhob sich.

»Nun, Major,« sagte Mack, »werden Sie zu Pferde steigen und diesen Brief so rasch als möglich dem französischen General überbringen. Ich gebe ihm, wie Sie gesehen haben, vier Stunden Bedenkzeit, Sie können folglich vier Stunden warten, aber keine Minute länger. Was uns betrifft, so werden wir mittlerweile unsern Marsch weiter fortsetzen und es ist wahrscheinlich, daß Sie uns auf Ihrem Rückweg zwischen Anagni und Volmonte treffen.«

 

Der junge Mann grüßte den General, verneigte sich ehrfurchtsvoll vor dem König und entfernte sich, um seine Mission zu vollziehen.

Von den französischen Vorposten, auf die er in Frosinone stieß, ward er natürlich angehalten, als er aber dem General Duchesme, welcher den Rückzug auf diesem Punkte leitete, seinen Auftrag mitgetheilt und die Depesche, mit deren Ueberbringung an Championnet er beauftragt war, gezeigt, befahl der General, ihn passieren zu lassen.

Nachdem das Hinderniß beseitigt war, setzte der Bote seinen Weg weiter fort nach Rom, wo er am nächstfolgenden Tage gegen halb zehn Uhr des Vormittags anlangte.

Am dem Thore San Giovanni machte man ihm neue Schwierigkeiten. Auf das Vorzeigen seiner Depesche aber fragte der französische Officier, der an diesem Thore die Wache hatte, ob er in Rom bekannt sei, und als der Major diese Frage verneinte, gab er ihm einen Soldaten mit, um ihn nach dem Palast des Generals zu geleiten.

Championnet hatte so eben mit seinem Adjutanten Thiébaut, dem, welcher ihm nächst Salvato von allen seinen Officieren der liebste war, einen Spazierritt auf den Wällen oder vielmehr um die Wälle herum gemacht.

Sein zweiter Begleiter auf diesem Spazierritt war der erst seit zwei Tagen angelangte Geniegeneral Eblé.

Als er an die Thür des Palastes Corsini kam, fand er einen Bauer, der ihn erwartete, und seinem Kostüm nach zu urtheilen, der alten Provinz Samnium anzugehören schien.

Der General stieg vom Pferde und näherte sich ihm, denn er begriff sofort, daß dieser Mann zu ihm wollte. Thiébaut wollte Championnet zurückhalten, denn die Meuchelmörder Bassevilles und Duphots waren seiner Erinnerung noch gegenwärtig. Der General schob jedoch seinen Adjutanten auf die Seite und ging auf den Bauer zu.

»Wo kommst Du her?« fragte er ihn.

»Aus dem Süden,« antwortete der Samniter.

»Hast Du ein Erkennungswort?«

»Ich habe deren zwei. Neapel und Rom

»Ist deine Botschaft mündlich oder schriftlich?«

»Schriftlich.«

Und er überreichte einen Brief.

»Immer wieder von derselben Person?«

»Das weiß ich nicht.«

»Sollst du auf Antwort warten?«

»Nein.«

Championnet öffnete den Brief. Derselbe war fünf Tage alt. Er las:

»Es steht noch Alles gut. Der Verwundete ist gestern zum ersten Male aufgestanden und auf den Arm seiner barmherzigen Schwester gestützt mehrmals in seinem Zimmer auf- und abgegangen. Im Fall er sich nicht einer schweren Unklugheit schuldig macht, kann man für sein Leben stehen.«

»Ah, bravo!« rief Championnet.

Dann heftete er die Augen wieder auf den Brief und las weiter:

»Einer der Unsrigen ist verrathen worden. Man glaubt, er sei in das Castell San Elmo gebracht worden; wenn aber auch für ihn zu fürchten steht, so steht doch nichts für uns zu fürchten. Er ist ein Mann von Muth und Herz, der sich eher in Stücke hacken lassen, als etwas sagen würde.

»Der König und die Armee sind, sagt man, gestern von San Germano aufgebrochen. Die Armee besteht aus zweiundfünfzigtausend Mann, dreißigtausend hiervon marschieren unter dem Befehl des Königs, zwölftausend unter den Befehlen des Generals Micheroux, zehntausend unter dem Befehl des Generals Damas. Hier kommen achttausend Mann, die unter dem Commando des Generals Naselli in Gaeta stehen und bestimmt sind, von Nelson und einem Theile des englischen Geschwaders escortirt, in Toskana zu landen.

»Die Armee führt einen Port von hundert Geschützen und ist reichlich mit Allem versehen.

»Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

»Nachschrift. – Das Losungswort des nächsten Boten ist: San Angelo und San Elmo.«

Championnet sah sich nach dem Bauer um, dieser war aber verschwunden.

Dann gab er den Brief dem General Eblé, indem er diesen zugleich durch eine Kopfbewegung bedeutete, in den Palast hineinzugehen.

»Hier, Eblé,« sagte er, »sehen Sie das. Es steht darin, wie man bei uns sagt, zu essen und zu trinken.«

Dann fuhr er zu seinem Adjutanten Thiébaut gewendet fort:

»Die Hauptsache ist, daß es mit unserm Freund Salvato Palmieri immer besser und besser geht. Der, welcher mir schreibt und der, wie es scheint, selbst Arzt ist, bürgt mir jetzt für sein Leben. Uebrigens scheint man dort die Sache sehr gut organisiert zu haben. Es ist dies schon der dritte Brief, den ich durch verschiedene Boten erhalte, welche jedesmal ein anderes Losungswort haben und nicht auf Antwort warten.«

Dann wendete er sich wieder zu dem General Eblé und fragte diesen:

»Nun, Eblé, was meinen Sie dazu?«

»Ich sage,« antwortete dieser, indem er zuerst in das große Zimmer trat, in welchem wir Championnet schon mit Macdonald über die Größe und den Verfall der Römer disputiren gehört, »ich sage, daß zweiundfünfzigtausend Mann und hundert Stück Geschützt eine hübsche Ziffer sind. Und Sie, wie viel haben Sie Kanonen?«

»Neun.«

»Und Soldaten?«

»Elf- bis zwölftausend Mann, während das Directorium obendrein noch diesen Augenblick wählt, um mir dreitausend zur Verstärkung der Garnison von Corfu abzuverlangen.«

»Aber,« sagte Thiébaut, »wir mir scheint, können Sie unter den Umständen, in welchen wir uns befinden und welche dem Directorium nicht bekannt sind, sich weigern, einem solchen Befehle zu gehorchen.«

»Was!« rief Championnet, »glauben Sie nicht, Eblé, daß in einer von Ihnen befestigten guten Position neun- bis zehntausend Mann Franzosen zweiundfünfzigtausend Neapolitanern die Spitze bieten können, besonders wenn sie von dem General Mack commandirt werden?«

»O,« sagte Eblé lachend, »ich weiß, daß Ihnen nichts unmöglich ist, und übrigens kenne ich die Neapolitaner besser als Sie.«

»Wo haben Sie denn die Bekanntschaft dieser Leute gemacht? Man hat ja seit einem halben Jahrhundert ihre Kanonen nicht gehört, ausgenommen bei Toulon, wo Sie nicht mit waren.«

»Als ich noch Lieutenant war,« entgegnete Eblé, – »es sind dies jetzt zwölf Jahre her – ward ich von dem Baron von Salis mit Augereau, der damals erst Sergeant war, und mit dem Oberst von Pommereuil, welcher jetzt noch Oberst ist, nach Neapel geschickt.«

»Aber was zum Teufel sollten Sie denn dort machen?«

»Wir sollten auf Befehl der Königin und des Generalcapitäns, Sir John Acton, die Armee auf französischen Fuß organisieren.«

»Das ist eine schlimme Mittheilung, die Sie mir da machen, Eblé. Wenn ich es mit einer von Ihnen und Augereau organisieren Armee zu thun habe, so wird die Sache nicht so leicht gehen, als ich glaubte. Der Prinz Eugen sagte, als er hörte, daß man eine Armee gegen ihn schickte, in seiner Ungewißheit über den General, der dieselbe commandirte: »Wenn es Villeroy ist, so schlage ich ihn; ist es Beaufort, so schlagen wir uns; ist es aber Catinat, so schlägt er mich.« Ich könnte dasselbe sagen.«

»O, in dieser Beziehung beruhigen Sie sich. Ich weiß nicht, welcher Zwist sich damals zwischen Herrn von Salis und der Königin entspann, aber Thatsache ist, daß wir nach Verlauf von einem Monate sämtlich zur Thür hinausgeworfen und durch österreichische Instructioner ersetzt wurden.«

»Aber Sie blieben doch einen Monat in Neapel, wie Sie sagen?«

»Ja, vier oder sechs Wochen; ich weiß es nicht mehr genau.«

»Dann bin ich ruhig, und ich begreife, warum das Directorium Sie mir schickt. Sie werden während jener vier Wochen Ihre Zeit nicht verloren haben.«

»Nein, ich habe die Stadt und ihre Zugänge studiert.«

»Ich kann noch nicht sagen, ob dies uns etwas nützen wird, aber wer weiß?«

»Mitlerweile, Thiébaut,« fuhr der General fort, »und da der Feind binnen drei oder vier Tagen hier sein kann, und es nicht in meinem Plane liegt, mich seinem Marsche zu widersetzen, so geben Sie Befehl, daß man auf der Engelsburg die Lärmkanone löse, in der ganzen Stadt Generalmarsch schlage und die Garnison sich unter dem Befehle des Generals Mathieu Maurice auf dem Platze des Volkes versammle.«

»Ich gehe, mein General.«

Der Adjutant verließ ohne eine Miene des Erstaunens und mit jenem passiven Gehorsam, welcher die Officiere charakterisirt, die bestimmt sind, später zu commandiren, das Zimmer, kam aber sofort wieder zurück.

»Nun, was gibts?« fragte Championnet.

»Mein General,« antwortete der junge Mann« »soeben kommt ein Adjutant des Generals Mack von San Germano und verlangt mit Ihnen zu sprechen. Er ist, wie er sagt, Ueberbringer einer wichtigen Depesche.«

»Er möge hereinkommen,« sagte Championnet; »er möge hereinkommen. Seine Freunde darf man niemals warten lassen, seine Feinde aber noch weniger.«

Der junge Mann trat ein. Er hatte die letzten Worte des Generals gehört und nachdem er sich anmuthig und ehrerbietig verneigt, sagte er, während Thiébaut die drei Befehle, welche Championnet ihm soeben ertheilt, dem diensthabenden Officier übermittelte:

»In Folge der Anwendung dieser Maxime werden Ihre Freunde sich stets wohl und Ihre Feinde stets übel befinden, mein General. Betrachten Sie mich daher nicht als Ihren Feind.«

Championnet ging ihm entgegen, bot ihm die Hand und sagte:

»Unter meinem Dache gibt es keine Feinde, sondern nur Gäste. Seien Sie daher willkommen, selbst wenn Sie mir in den Falten Ihres Mantels den Krieg brächten.«

Der junge Mann verneigte sich abermals und übergab dem Obercommandanten Mack’s Depesche.

»Wenn es nicht der Krieg ist,« sagte er, »so ist es stets etwas, was große Aehnlichkeit damit hat.«

Championnet entsiegelte den Brief und las ihn, ohne daß eine einzige Bewegung seines Gesichts den Eindruck verrieth, den diese Lectüre auf ihn machte.

Was den Boten betraf, der den Inhalt der Depesche kannte, da er sie ja selbst geschrieben, wenn auch ohne Form und Text zu billigen, so folgte er mit Unruhe den Augen des Generals.

Als Championnet bei der letzten Zeile angelangt war, lächelte er und steckte die Depesche in die Tasche.

»Mein Herr,« sagte er zu dem jungen Officier, »der General Mack sagt mir, daß Sie vier Stunden bei mir zubringen dürfen. Ich danke ihm dafür und erkläre Ihnen hiermit, daß ich Ihnen auch nicht eine Minute davon schenke.«

Er zog die Uhr.

»Es ist jetzt ein Viertel auf elf Vormittag; ein Viertel auf drei Uhr Nachmittag sollen Sie frei sein. Thiébaut,« sagte er zu seinem Adjutanten, der, nachdem er die Befehle des Generals weitergegeben, soeben wieder ins Zimmer getreten war, »Sie werden ein Couvert mehr auflegen lassen. Dieser Herr wird uns die Ehre erzeigen, mit uns zu frühstücken.«

»General,« stammelte der junge Officier verblüfft über die Höflichkeit gegen einen Boten, der einen so wenig höflichen Brief überbracht, »ich weiß wirklich nicht —«

»Ob Sie das Frühstück von armen Teufeln theilen sollen, welchen es an Allem fehlt, während Sie soeben eine reichlich besetzte königliche Tafel verlassen haben, nicht wahr?« sagte Championnet lachend. »Nehmen Sie aber die Einladung nur an, Major. Wenn man Alcibades in eigener Person wäre, so stirbt man nicht, wenn man zufällig einmal Lykurg’s schwarze Suppe mitgegessen.«

»General,« entgegnete der Adjutant, »dann lassen Sie mich doppelt für die Einladung und die Bedingungen danken, unter welchen sie erfolgt. Es ist möglich, daß ich die Mahlzeit eines Spartaners theile, aber nur ein Franzose konnte die Courtoisie besitzen« mich dazu einzuladen.«

»General,« sagte Thiébaut, indem er wieder eintrat, »das Frühstück ist serviert!«