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La San Felice

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Zwölftes Capitel.
Die Insel Malta

Das Erscheinen Nelsons in einem solchen Augenblick war bedeutsam.

Es war der böse Genius Frankreichs in eigener Person, welcher an den Verhandlungen des Cabinetsraths von Neapel theilnahm und mit der Allmacht eines Goldes Carolinens Lügen und Verrath unterstützte.

Alle Welt kannte Nelson, ausgenommen der General Mack, der, wie wir bereits bemerkt, erst während der Nacht angelangt war.

Die Königin ging auf ihn zu, faßte ihn bei der Hand und führte den künftigen Sieger von Civita Castellana dem Sieger von Abukir entgegen.

»Ich stelle, sagte sie, »den Helden des Landes dem Helden des Meeres vor.«

Nelson schien sich durch dieses Compliment nicht sehr geschmeichelt zu fühlen. Er war indessen in diesem Augenblick bei zu guter Laune, um sich durch einen Vergleich verletzt zu fühlen, obgleich derselbe ganz zu Gunsten seines Nebenbuhlers lautete. Er begrüßte Mack höflich, wendete sich dann zu dem König und sagte:

»Sire, ich fühle mich glücklich, Ihnen und Ihren Ministern melden zu können, daß ich von meiner Regierung die Vollmacht erhalten habe, mit Ihnen im Namen Englands jede Frage zu verhandeln, welche sich auf den Krieg mit Frankreich bezieht.«

Der König fühlte sich gefangen.

Caroline hatte ihn während seines Schlafes geknebelt, wie die Liliputer mit Gulliver thaten. Er mußte gute Miene zum bösen Spiele machen.

Dennoch versuchte er sich an den letzten Einwurf anzuklammern, der sich seinen Gedanken darbot.

»Sie haben gehört, Mylord, wovon die Rede ist, sagte er »und unser Finanzminister, welcher weiß, daß wir hier unter Freunden sind, und daß man vor seinen Freunden kein Geheimniß zu haben pflegt, hat uns offen gestanden, daß er kein Geld mehr in seinen Cassen hat. Ich äußerte daher, daß ohne Geld kein Krieg möglich sei.«

»Ew. Majestät haben dadurch, wie stets, tiefe Weisheit an den Tag gelegt,« antwortete Nelson. »Glücklicherweise aber habe ich hier Mr. Pitts Vollmacht, welche mich in den Stand jetzt, diesem Uebelstande abzuhelfen.«

Und Nelson legte auf die Berathungstafel eine Vollmacht, welche in folgenden Ausdrücken abgefaßt war:

»Lord Nelson, Baron von Nil, ist ermächtigt, bei seiner Ankunft in Neapel sich mit Sir William Hamilton, unserem Gesandten am Hofe beider Sicilien, zu verständigen, um unseren erhabenen Verbündeten, den König von Neapel, in allen Bedrängnissen zu unterstützen, in welche ein Krieg gegen die französische Republik ihn versetzen könnte.

»London, den 7. September 1798.
»W. Pitt.«

Acton übersetzte diese Zeilen dem Könige, welcher den Cardinal zu sich rief, gleichsam um eine Verstärkung gegen den neuen Verbündeten der Königin zu haben.

»Und, Mylord, sagte Ferdinand, »Sie können wirklich, wie die Königin sagte, eine Summe zu unserer Verfügung stellen?«

»Ja, eine Million Pfund Sterling, sagte Nelson.

Der König wendete sich zu Ruffo, wie um ihn zu fragen, wie viel eine Million Pfund Sterling eigentlich sei.

Ruffo errieth die Frage.

»Es sind dies ungefähr fünf und eine halbe Million neapolitanische Ducaten,« antwortete er.

»Hm!« sagte der König.

»Diese Summe,« sagte Nelson, »ist nur eine erste Subsidie, um dem Bedürfnisse des Augenblickes zu begegnen.«

»Ehe Sie aber Ihre Regierung aufgefordert haben, uns diese Summe zu schicken, ehe Ihre Regierung dieselbe absendet, und ehe endlich das Geld in Neapel ankommt, kann ziemlich lange Zeit verstreichen. Wir stehen jetzt im Winteräquinoctium und ein Schiff braucht durchschnittlich zur Hin- und Rückreise vier bis sechs Wochen. Während dieser vier bis sechs Wochen werden die Franzosen vollends Zeit haben, in Neapel zu sein.«

Nelson wollte antworten, aber die Königin schnitt ihm das Wort ab.

»Ew. Majestät kann sich über diesen Punkt beruhigen,« sagte sie. »Die Franzosen sind jetzt nicht im Stande, Krieg mit uns anzufangen.«

»Aber mittlerweile, entgegnete Ferdinand, »haben sie uns denselben doch schon erklärt.«

»Wer hat ihn uns erklärt?«

»Der Gesandte der Republik. Man sollte meinen, ich sagte Ihnen damit etwas ganz Neues!«

Die Königin lächelte verächtlich.

»Der Bürger Garat hat sich übereilt,« sagte sie. »Er hätte noch eine Weile gewartet, oder seine Kriegserklärung nicht erlassen, wenn ihm die Lage des Generals Championnet in Rom bekannt gewesen wäre.«

»Und Sie kennen also diese Lage besser, als der Gesandte selbst, Madame?«

»Ich glaube es.«

»Sie stehen wohl mit dem Generalstabe des republikanischen Generals in Briefwechsel?«

»Auf Briefwechsel mit fremden Personen würde ich mich nicht verlassen, Sire.«

»Dann haben Sie wohl Ihre Nachrichten von dem General Championnet selbst?«

»Sehr richtig, und hier ist der Brief, welchen der Gesandte der Republik diesen Morgen erhalten haben würde, wenn er sich gestern Abends nicht so sehr beeilt hätte abzureisen.«

Mit diesen Worten zog die Königin den Brief hervor, welchen der Sbirre Pasquale de Simone am Abend vorher Salvato Palmieri abgenommen und dann in dem dunklen Zimmer der Königin zugestellt hatte. Die Königin zog den Brief aus dem Couvert und reichte ihn dem König.

Der König warf die Augen darauf.

»Das ist ja Französisch,« sagte er in demselben Tone, in welchem ein Anderer vielleicht gesagt hätte:

»Das ist ja Hebräisch.«

Dann gab er den Brief Ruffo, als ob er sich auf diesen allein verließe.

»Herr Cardinal, sagte er, »übersetzen Sie uns diesen Brief ins Italienische.«

Ruffo ergriff den Brief und las unter dem tiefsten Stillschweigen Folgendes:

»Bürger Gesandter!

»Erst seit einigen Tagen in Rom angelangt, halte ich es für meine Pflicht, den Zustand, in welchem die Armee, zu deren Commando ich berufen worden bin, sich befindet, zu Ihrer Kenntniß zu bringen, damit Sie das Benehmen, welches Sie einem treulosen Hof gegenüber einzuhalten haben, der, getrieben durch England, unsern ewigen Feind, nur den günstigen Augenblick erwartet, um uns den Krieg zu erklären, nach den Angaben richten können, die ich Ihnen machen werde.«

Bei den Worten »uns den Krieg zu erklären«, sahen die Königin und Nelson einander lachend an. Nelson verstand weder Französisch noch Italienisch, wahrscheinlich aber war ihm eine englische Uebersetzung dieses Briefes im Voraus mitgetheilt worden.

Ruffo fuhr, ohne dadurch in seinem Vorlesen unterbrochen zu werden, fort:

»Erstens besteht die Armee, die auf dem Papier mit fünfunddreißigtausend Mann angegeben steht, in der That und Wahrheit aus blos achttausend Mann, denen es an Schuhwerk, Kleidern und Brod fehlt und die seit drei Monaten keinen Heller Löhnung erhalten haben. Diese achttausend Mann haben blos einhundertundachtzigtausend Stück Patronen unter sich zu theilen, so daß also fünfzehn Schuß für den Mann kommen. Kein fester Platz ist auch nur mit Pulver hinreichend versehen und man ist in Civita Vecchia nicht im Stande gewesen, auf ein Seeräuberschiff zu schießen, welches sich der Küste genähert.«

»Da hören Sie, Sire,« sagte die Königin.

»Ja, ich höre, sagte der König. »Fahren Sie fort, Herr Cardinal.«

Der Cardinal hob wieder an:

»Wir haben nicht mehr als fünf Feldgeschütze und einen Park von vier Feuerschlünden. Unser Mangel an Flinten ist so groß, daß ich nicht im Stande gewesen bin, zwei Bataillone Freiwillige zu bewaffnen, welche ich gegen die Insurgenten zu verwenden gedachte, die uns von allen Seiten umzingeln.«

Die Königin wechselte mit Mack und Nelson einen abermaligen Wink.

»Unsere Festungen sind in nicht besserem Zustande als unsere Arsenale,« fuhr Ruffo fort zu lesen. »In keiner derselben sind die Kugeln und die Geschütze von einem und demselben Caliber. In einigen gibt es Kanonen, aber keine Kugeln, in andern Kugeln, aber keine Kanonen.

»Dieser beklagenswerthe Zustand erklärt mir die Instructionen des Directoriums, welche ich Ihnen hiermit zusende, damit Sie sich darnach richten. Jeder feindliche Angriff auf die römische Republik soll mit Waffengewalt zurückgeschlagen und der Krieg selbst auf das neapolitanische Gebiet übergetragen werden, aber nur in dem Falle, daß der König von Neapel eine seit so langer Zeit angekündigten Invasionsprojekte in Ausführung bringen sollte –«

»Sie hören, Sire,« sagte die Königin, »von achttausend Mann, fünf Geschützen und einhundert und achtzigtausend Patronen haben wir, glaube ich, nicht viel zu fürchten.«

»Lesen Sie weiter, Eminentissime,« sagte der König, sich die Hände reibend.

»Ja, fahren Sie fort, sagte die Königin, »und Sie werden sehen, was der französische General selbst von seiner Position denkt.«

»Sie begreifen aber mit leichter Mühe, Bürger Gesandter,« fuhr der Cardinal fort, »daß ich mit den Mitteln, welche mir zur Verfügung stehen, nicht im Stande wäre, einen feindlichen Angriff abzuschlagen, geschweige denn den Krieg auf das neapolitanische Gebiet überzutragen.«

»Nun, beruhigt Sie das, Sire?« fragte die Königin.

»Hm!«, entgegnete der König, »hören wir erst das Ende.«

»Ich kann Ihnen daher nicht genug empfehlen, das gute Einvernehmen zwischen der Republik und dem Hofe der beiden Sicilien so lange aufrecht zu erhalten, als die Würde Frankreichs es gestattet und mit allen möglichen Mitteln die Ungeduld der neapolitanischen Patrioten zu beschwichtigen. Jede Bewegung, welche eher als in drei Monaten, das heißt vor der Zeit geschehe, welche ich brauche, um die Armee zu organisieren, wäre verfrüht und würde unfehlbar scheitern.

»Mein Adjutant, ein sicherer Mann von erprobtem Muthe und der, in den Staaten des Königs von Neapel geboren, nicht blos das Italienische, sondern auch das neapolitanische Patois spricht, ist beauftragt, Ihnen diesen Brief zuzustellen und sich mit den Anführern der republikanischen Partei in Neapel zu besprechen. Schicken Sie mir ihn so schnell als möglich mit einer ausführlichen Antwort zurück, welche mir Ihre Situation dem Hofe der beiden Sicilien gegenüber genau auseinandersetzt.

 

»Brüderlichkeit!

»Championnet.«

»18. September 1798.«

»Nun, Sire,« sagte die Königin, »wenn Sie erst halb beruhigt waren, so muß Sie dies vollkommen beruhigen.«

»Ueber einen Punkt ja, Madame; über einen andern aber nicht.«

»Ha, ich verstehe. Sie meinen die republikanische Partei, an welche es Ihnen so viel Mühe kostet zu glauben. Wohlan, Sie sehen, daß dieselbe nicht ganz ein Phantom ist. Sie existiert, denn man muß sie ja beschwichtigen und die Jacobiner selbst sind es, welche diesen Rathgeben.«

»Aber wie zum Teufel sind Sie in den Besitz dieses Briefes gelangt?« fragte der König, indem er das Blatt aus den Händen des Cardinals nahm und mit neugierigem Blick betrachtete.

»Dies ist mein Geheimniß, Sire, antwortete die Königin, »und Sie werden mir erlauben, es zu bewahren.«

»Ich habe aber, glaube ich, Mylord Nelson das Wort in dem Augenblick abgeschnitten, wo er eine von Ihnen an ihn gestellte Frage beantworten wollte. Ich sagte, daß im September und Oktober das Meer so stürmisch und unsicher ist, daß wir vielleicht vier bis sechs Wochen brauchten, um das Geld, dessen wir so dringend bedürfen, aus England zu erhalten.«

Die Aeußerung des Königs ward Nelson verdolmetscht.

»Sire, antwortete er, »dieser Fall ist schon vorgesehen und Ihre Bankiers, die Herren Backer Vater und Sohn, werden Ihnen mit Hilfe ihrer Geschäftsfreunde in Messina, Rom und Livorno einen Wechsel von einer Million Pfund discontiren, den Sir William Hamilton ausstellen und der von mir endossiert werden wird. Eure Majestät braucht in Anbetracht des ziemlich hohen Betrages der Summe die Bankiers blos im Voraus zu benachrichtigen.«

»Gut, gut,« sagte der König; »lassen Sie Sir William den Wechsel ausstellen, endossiren Sie ihn, geben Sie ihn mir, und ich werde mich dann mit den Bankiers verständigen.«

Ruffo sagte dem Könige einige Worte leise ins Ohr.

Ferdinand nickte.

»Meine freundliche Bundesgenossin, die englische Regierung, sagte er dann, »gibt, eine wie gute Freundin des Königreiches beider Sicilien sie auch sein möge, doch ihr Geld nicht umsonst weg, das weiß ich recht wohl. Was verlangt sie für ihre Million Pfund Sterlinge?«

»Etwas sehr Einfaches, was Ihnen durchaus von keinem Nachtheile sein kann, Majestät.«

»Was denn?«

»Sie verlangt, daß, wenn die Flotte des Königs von England, welche jetzt im Begriffe steht, Malta zu blockieren, dieses den Franzosen wieder abgenommen haben wird, Ew. Majestät darauf verzichte, Ihre Rechte auf diese Insel geltend zu machen, damit der König von England, welcher im mittelländischen Meere weiter keine Besitzung hat, als Gibraltar, aus Malta eine Station und Verproviantirungsstelle für die englischen Schiffe machen könne.«

»Nun, von meiner Seite wird diese Abtretung sehr leicht sein. Malta gehört nicht mir, sondern dem Orden.«

»Ja, Sire, wenn aber Malta wiedergenommen ist, so wird der Orden aufgelöst sein,« machte Nelson bemerklich.

»Und wenn der Orden aufgelöst ist,« beeilte Ruffo sich zu sagen, »so fällt Malta an die Krone der beiden Sicilien zurück, denn der Kaiser Carl der Fünfte schenkte es als Erbe des Königreiches den Hospitaliterrittern, welche im Jahre 1535 durch Soliman den Zweiten von der Insel Rhodus vertrieben worden waren. Wenn England nun einer Station im Mittelmeere bedarf, so kann es für Malta recht wohl fünfundzwanzigtausend Millionen Francs zahlen, das würde durchaus nicht zu theuer sein.«

Vielleicht hätte sich über diesen Punkt eine längere Discussion entsponnen, als plötzlich eine dritte Fanfare sich in dem Hofe vernehmen ließ und eine nicht weniger unerwartete und seltsame Wirkung hervorbrachte, als die beiden ersten.

Was die Königin betraf, so wechselte sie mit Mack und Nelson einen Blick, welcher jagen wollte: »Bleiben Sie nur ruhig, meine Herren. Ich weiß, was es ist.«

Der König aber, der es nicht wußte, eilte an das Fenster und öffnete es, ehe noch die Fanfare zu Ende war.

Dieselbe gab das Signal, welches mit dem Namen des Hallali bezeichnet wird.

»Nun,« rief der König wüthend hinunter, »wird man mir endlich erklären, was diese drei elenden Fanfaren jagen wollen?«

»Sie wollen sagen, daß Ew. Majestät aufbrechen kann, wenn sie will,« antwortete der Jäger, der das Signal geblasen. »Sie können sicher sein, Majestät, nicht unverrichteter Sache heimzukehren, denn die Wildschweine sind umzingelt.«

»Umzingelt!« rief der König. »Die Wildschweine sind umzingelt?«

»Ja, Sire, ein Rudel von fünfzehn Stück.«

»Fünfzehn Stück! Hören Sie, Madame, rief der König, sich zu einer Gemahlin wendend, »fünfzehn Wildschweine! Hören Sie, meine Herren? Fünfzehn Wildschweine! Hörst du, Jupiter, fünfzehn! fünfzehn! Fünfzehn!«

Dann kehrte er an das Fenster zurück.

»Aber weißt Du denn nicht,« rief er dem Hornbläser in verzweiflungsvollem Tone zu, »weißt Du denn nicht, Unglücklicher, daß heute keine Jagd ist?«

Die Königin näherte sich.

»Und warum soll denn heute keine Jagd ein, Sire?« fragte sie mit ihrem reizendsten Lächeln.

»Nun, weil ich dieselbe auf das von Ihnen mir in vergangener Nacht geschriebene Billet abgestellt habe.«

Und er drehte sich nach Ruffo herum, wie um diesen zum Zeugen zu nehmen, daß der Befehl in seiner Gegenwart ertheilt worden.

»Das ist wohl möglich, Sire,« hob die Königin wieder an, »ich aber dachte an den Verdruß, welchen die Entbehrung dieses Vergnügens Ihnen bereiten würde, und in der Voraussetzung, daß der Cabinetsrath bald beendet sein und uns noch Zeit lassen werde, einen Theil des Tages der Jagd obzuliegen, ließ ich den Boten anhalten. Es ist deshalb bei dem ersten von Ihnen erheilten Befehle geblieben, nur mit dem Unterschied, daß ich, statt der neunten Stunde, die elfte als die bezeichnet habe, wo Sie aufbrechen würden. Eben schlägt es elf Uhr, die Cabinetsrathssitzung ist beendet, das Wild ist aufgescheucht und umzingelt und es hält Sie daher nichts ab, Sire, sich auf den Weg zu machen.«

So wie die Königin sprach, ward das Gesicht des Königs immer strahlender.

»Ach, meine liebe Schulmeisterin, « – man erinnert sich, daß dies der Name war, mit welchem Ferdinand seine Gemahlin in gutgelaunten Augenblicken anredete, – »ach, meine liebe Schulmeisterin, Sie sind würdig, nicht blos Acton als Premierminister, sondern auch den Herzog della Salandra als Oberjägermeister zu ersetzen. Sie haben sehr Recht. Der Cabinetsrath ist beendet. Sie haben Ihren Feldherrn zu Lande, Sie haben Ihren Feldherrn zur See, wir erhalten fünf oder sechs Millionen Ducati, auf die wir nicht gerechnet hatten. Alles, was Sie thun, wird wohlgethan sein und ich verlange von Ihnen weiter nichts, als daß Sie den Feldzug nicht eher beginnen, als bis der Kaiser dasselbe thut. So wahr ich lebe, ich fühle mich jetzt ganz kriegerisch gestimmt. Ich glaube, ich besitze Muth! Auf Wiedersehen, meine Herren! Auf Wiedersehen, Ruffo!«

»Und Malta, Sire?« fragte der Cardinal.

»Man mache mit Malta, was man wolle! Ich habe es dreiundsechzig Jahre entbehrt und kann es daher recht wohl auch ferner entbehren. Es ist ja weiter nichts als ein elender Felsen, der nur zweimal jährlich, wenn die Wachteln ziehen, zur Jagd taugt. Aus Mangel an Wasser kann man dort keine Fasanen halten, und es wächst dort keine Handvoll Gemüse, so daß man genöthigt ist, Alles von Sicilien zu beziehen. Die Engländer mögen Malta nehmen und mir die Jacobiner vom Halse schaffen, weiter verlange ich nichts. – Fünfzehn Wildschweine, Jupiter, Taho! Jupiter, Taho!«

Und der König verließ das Zimmer, indem er eine vierte Fanfare pfiff.

»Mylord,« sagt die Königin zu Nelson, »Sie können Ihrer Regierung schreiben, daß die Abtretung Maltas an England von Seiten des Königs beider Sicilien auf keine Schwierigkeit stoßen wird.«

Dann wendete sie sich zu den Ministern und Räthen.

»Meine Herren,« sagte sie, »der König dankt Ihnen für die guten Rathschläge, welche Sie ihm ertheilt haben. Die Sitzung ist geschlossen.«

Nachdem sie sich dann gegen Alle grüßend verneigt und Ruffo einen ironischen Blick zugeworfen, kehrte sie, von Mack und Nelson gefolgt, in ihre Gemächer zurück.

Dritter Theil

Erstes Capitel.
Die Häuslichkeit eines Gelehrten

Es war neun Uhr Morgens.

Die durch das während der Nacht stattgehabte Gewitter gereinigte Atmosphäre war wundervoll klar. Die Barken der Fischer durchfurchten schweigend den Golf zwischen dem doppelten Azur des Himmels und des Meeres.

Von dem Fenster des Speisezimmers aus hätte der in demselben auf- und abgehende Chevalier die Häuser, welche in einer Entfernung von sieben Meilen den schwarzen Abhang von Ana Capri wie weiße Punkte marmorierten, sehen und zählen können, wenn seine Gedanken in diesem Augenblicke nicht durch etwas Anderes beschäftigt worden wären.

Er dachte nämlich an jene von Buffon in seinen Epochen der Natur aufgestellte, dem Chevalier etwas gewagt erscheinende Hypothese, daß die Erde durch Zusammenstoß mit einem Kometen von der Sonne abgesprengt worden.

Gleichzeitig aber empfand er auch eine unbestimmte Unruhe, welche ihm durch den lang andauernden Schlaf seiner Gattin verursacht ward.

Es war seit seiner Vermählung heute das erste Mal, daß er beim Heraustreten aus seinem Cabinete gegen acht Uhr Morgens Luisa nicht mit Zubereitung der Taffe Kaffee, Brotes, der Butter, der Eier und der Früchte beschäftigt fand, welche das gewöhnliche Frühstück des Gelehrten ausmachten, ein Frühstück, welches dann sie, die es mit der doppelten Aufmerksamkeit einer ehrerbietigen Tochter und einer zärtlichen Gattin bereitet, mit jugendlichem Appetite zu theilen pflegte.

Nach beendetem Frühstücke, das heißt gegen zehn Uhr Morgens, küßte der Chevalier mit der Regelmäßigkeit, die er in allen Dingen beobachtete, wenn ihn nicht irgend eine naturwissenschaftliche oder philosophische Frage ganz vorzugsweise beschäftigte, seine junge Gattin auf die Stirn und machte sich auf den Weg nach der Bibliothek des Prinzen, einen Weg, den er, wenn das Wetter nicht allzu schlecht war, sowohl um des Vergnügens und der Zerstreuung willen als in Folge des ärztlichen Rathes seines Freundes Cirillo, stets zu Fuße machte und der, da er sich von Mergellina bis zum königlichen Palaste erstreckte, ziemlich anderthalb Kilometer oder zwanzig Minuten betrug.

In diesem Palaste wohnte der Kronprinz in der Regel sechs Monate des Jahres hindurch. Während der andern sechs Monate wohnte er in der sogenannten Favorite oder in Capodimonte. Für diese Zeit war dem Chevalier eine Equipage zur Verfügung gestellt.

Wenn der Prinz in dem königlichen Palaste wohnte, so kam er unabänderlich gegen elf Uhr in seine Bibliothek herunter und fand hier seinen Bibliothekar gewöhnlich auf einer Leiter stehend, um ein seltenes oder neues Buch zu suchen.

Sobald San Felice den Prinzen bemerkte, machte er eine Bewegung, um von der Leiter hinabzusteigen; der Prinz gab dies aber nicht zu. Es entspann sich dann eine fast stets literarische oder wissenschaftliche Conversation zwischen dem Gelehrten auf seiner Leiter und dem Schüler auf seinem Sessel.

Zwischen zwölf und halb ein Uhr Mittags, kehrte der Prinz wieder in seine Gemächer zurück.

San Felice stieg dann eiligst von der Leiter herunter, um den Prinzen bis an die Thür zu geleiten, zog die Uhr heraus und legte sie auf einen Schreibtisch, um die Stunde nicht zu vergessen, was ihm sonst bei einer fesselnden Arbeit sehr leicht hätte begegnen können.

Zwanzig Minuten vor zwei Uhr legte der Chevalier seine Arbeit in ein Schubfach, welches er verschloß, steckte die Uhr wieder ein und nahm seinen Hut, welchen er in Folge jener Ehrerbietung, die zu jener Zeit alle wirklich royalistisch Gesinnten gegen Alles, was mit dem Königthume zusammenhing, an den Tag legten, bis zu der auf die Straße hinausführenden Thür in den Händen hielt.

Zuweilen, wenn er gerade eine seiner Anwandlungen von Zerstreutheit hatte, legte er den ganzen Weg von dem Palaste bis zu seiner Wohnung, an deren Thür er allemal beinahe in demselben Augenblicke anpochte, wo es zwei Uhr schlug, mit bloßem Kopfe zurück.

Entweder öffnete Luisa ihm selbst oder sie erwartete ihn auf der Rampe.

Das Diner war stets bereit. Man setzte sich zu Tische und Luisa erzählte, was sie gemacht, was für Besuche sie empfangen und welche kleinen Ereignisse sich in der Nachbarschaft zugetragen hatten.

 

Der Chevalier seinerseits erzählte, was er unterwegs gesehen, die Neuigkeiten, welche der Prinz ihm mitgetheilt, und die politischen Nachrichten, welche aber ihn sowohl als auch Luisa in nur höchst mittelmäßigem Grade interessierten.

Nach der Mahlzeit setzte Luisa, je nach dem sie gelaunt war, sich an das Clavier oder nahm ihre Guitarre und sang ein heiteres Liedchen von Santa Lucia oder eine schwermüthige sicilianische Melodie.

Zuweilen machten beide Gatten auch einen Spaziergang auf der malerischen Straße des Pausilippo, oder zu Wagen bis nach Bagnoli oder Pozzolo.

Auf diesen Promenaden wußte San Felice stets irgend eine historische Anecdote zu erzählen, oder irgend eine interessante Bemerkung zu machen, denn seine umfassenden Kenntnisse gestatteten ihm, sich nie zu wiederholen und stets zu fesseln.

Gegen Abend kehrte man nach Hause zurück. In der Regel fand sich dann ein Freund von San Felice oder eine Freundin von Luisa ein, um den Abend im Sommer unter dem Palmbaume, im Winter im Salon bei ihnen zuzubringen.

Ein sich an diesen Abenden sehr häufig einfindender Gast war, wenn er nämlich nicht in Petersburg oder Wien weilte, Dominico Cimarosa, der Componist der »Horazier der »heimlichen Ehe«, der »Italienerin in London«, des »Directors in Verlegenheit«.

Dieser berühmte Maestro machte es sich zum Vergnügen, Luisa die noch nicht aufgeführten Piecen seiner Opern singen zu lassen.

Sie besaß außer einer vortrefflichen Schule, welche sie zum Theile ihm verdankte, jene frische, klare, unverkünstelte Stimme, welche man bei Sängerinnen von Profession so selten findet.

Zuweilen kam auch ein junger, talentvoller Maler, der dabei auch ein talentvoller Musiker und namentlich vortrefflicher Guitarrespieler war. Er hieß Vitaliani, wie jener Knabe, welcher mit zwei andern Knaben, Emanuele de Deo und Gagliani, den Schlachtopfern der ersten Reaction, auf dem Blutgerüste starb.

Zuweilen, obschon selten, denn seine zahlreichen Patienten ließen ihm wenig Zeit dazu, fand sich auch der gute Doctor Cirillo ein, welchem wir schon zwei- oder dreimal begegnet sind und dem wir noch öfter begegnen werden.

Fast alle Abende erschien die Herzogin Fusco, wenn sie nämlich in Neapel war.

Oft kam auch eine in jeder Beziehung merkwürdige Dame, eine als Publicistin und Improvisatrice ebenbürtige Nebenbuhlerin der Frau von Staël. Es war dies Eleonore Fonseca Pimentele, eine Schülerin von Metastasio, welcher ihr schon, als sie noch ganz klein war, eine große, glänzende Zukunft verheißen hatte.

Zuweilen kam noch die Gattin eines Gelehrten, eines Collegen von San Felice, die Signora Baffi, welche ebenso wie Luisa kaum halb so alt war als ihr Gatte, und den sie dennoch liebte, wie Luisa den ihrigen.

Diese Abendgesellschaften dauerten gewöhnlich bis elf Uhr, nur selten länger. Man plauderte, man sang, man declamierte, man schlürfte Eis, man aß Kuchen.

Zuweilen, wenn der Abend schön und das Meer ruhig war, wenn der Mond den Golf mit Silberflimmern bestreute, stieg man in eine Gondel und dann schwebten von dem Spiegel des Meeres melodische Klänge empor, welche den guten Cimarosa in Entzücken versetzten.

Zuweilen auch declamierte, stehend wie eine Sibylle des Alterthums, Eleonora Pimentele, während ihr langes schwarzes Haar über einer einfachen griechischen Tunica im Winde flatterte, Strophen, die an Pindar und Alkäos erinnerten.

Den nächstfolgenden Tag begann dieselbe Existenz mit derselben Pünktlichkeit wieder und nie war dieselbe durch etwas gestört oder getrübt worden.

Wie kam es daher, daß Luisa, welche der Chevalier, als er um zwei Uhr Morgens nach Hause gekommen, anscheinend so fest schlafend gefunden und die in der Regel um sieben Uhr aufzustehen pflegte, heute um neun Uhr noch nicht ihr Zimmer verlassen und die Zofe auf alle Fragen des Chevalier geantwortet hatte:

»Signora schläft und hat gebeten, daß man sie nicht wecken möge.«

Eben schlug es aber schon ein Viertel auf zehn und der Chevalier schickte sich, seiner Unruhe nicht mehr Meister, eben an, selbst an Luisa's Thür zu pochen, als seine Gattin plötzlich auf der Schwelle des Speisezimmers erschien.

Ihre Augen schienen ein wenig angegriffen zu sein und ihre Wangen waren etwas bleich, aber eben deswegen vielleicht schöner, als der Chevalier die jemals gesehen.

Er ging auf sie zu, um sie sowohl wegen ihres langen Schlafens als wegen der Unruhe, die sie ihm verursacht, auszuschelten. Als er aber das sanfte Lächeln heiterer Ruhe wie einen Morgensonnenstrahl ihr reizendes Antlitz verklären sah, da konnte er sie blos betrachten, selbst lächeln, ihr blondes Haupt zwischen beide Hände fassen und sie auf die Stirn küssen, indem er zugleich mit jener mythologischen Galanterie, welche zu jener Zeit noch nichts Altväterisches hatte, zu ihr sagte:

»Wenn die Gattin des alten Tithonos sich hat erwarten lassen, so ist es geschehen, um sich als Geliebte des Mars zu verkleiden.«

Eine lebhafte Röthe überzog Luisas Antlitz. Sie lehnte ihr Haupt an die Brust des Chevaliers, als ob sie an seinem Herzen Schutz und Zuflucht suchen wollte.

»Ich habe diese Nacht fürchterliche Träume gehabt, mein Freund,« sagte sie, »und dies hat mich ein wenig krank gemacht.«

»Und haben diese furchtbaren Träume Dir nicht blos den Schlaf, sondern auch den Appetit geraubt?«

»Dies fürchte ich allerdings,« sagte Luisa, indem sie sich an den Tisch setzte.

Sie machte eine Anstrengung, um zu essen, aber es war ihr nicht möglich. Die Kehle schien ihr von einer eisernen Faust zusammengeschnürt zu werden.

Ihr Gatte betrachtete sie mit Erstaunen und sie fühlte, wie sie unter diesem wiewohl mehr unruhigen als fragenden Blick bald roth bald blaß ward, als plötzlich dreimal und gemessen an die Thür des Gartens gepocht ward.

Wer der Einlaßbegehrende auch sein mochte, so war er für Luisa eine willkommene Erscheinung, weil er als Ableiter für die Unruhe des Chevaliers und für ihre eigene Verlegenheit dienen konnte.

Sie erhob sich daher rasch, um zu öffnen.

»Wo ist denn Nina?« fragte San Felice.

»Das weiß ich nicht,« antwortete Luisa. »Vielleicht ist sie ausgegangen.«

»Zur Stunde des Frühstücks? Wenn sie weiß, daß ihre Herrin leidend ist? Unmöglich, mein liebes Kind.«

Es ward zum zweiten Male angepocht.

»Erlaube, daß ich gehe und öffne,« sagte Luisa.

»Nein. An mir ist es, dies zu thun. Du leidest, Du bist angegriffen. Bleib ruhig sitzen. Ich will es!«

Der Chevalier sagte allerdings zuweilen: »Ich will es!« aber in so sanftem Tone und mit so zärtlichem Ausdruck, daß es stets die Bitte eines Vaters an seine Tochter, aber niemals der Befehl eines Mannes an seine Frau war.

Luisa ließ daher den Chevalier die Rampe hinunter und selbst die Thür des Gartens öffnen gehen.

Aengstlich jedoch über jeden neuen Umstand, der in ihrem Gatten Argwohn in Bezug auf das, was während der Nacht hier geschehen, erwecken konnte, eilte sie an das Fenster, steckte rasch den Kopf hinaus und sah, ohne jedoch ermitteln zu können, wer es war, einen Mann, der schon ein gewisses Alter erreicht zu haben schien und, durch seinen breitkrämpigen Hut geschützt, mit einer Aufmerksamkeit, welche sie schaudernd bemerkte, die Thür, an welche Salvato angelehnt gewesen, und die Schwelle besichtigte, auf welche er niedergesunken.

Die Thür öffnete sich und der Mann trat ein, ohne daß Luisa ihn bis diesen Augenblick zu erkennen vermochte.

An dem freudigen Klange der Stimme ihres Gatten, welcher den Besucher aufforderte, ihm zu folgen, errieth Luisa, daß es ein Freund war.

Sehr bleich und sehr aufgeregt nahm sie wieder ihren Platz am Tische ein.

Ihr Gatte trat ein, während er Cirillo vor sich herdrängte.

Sie athmete auf.

Cirillo war ihr sehr gewogen und sie besaß auch ihrerseits große Vorliebe für ihn, weil er, da er früher Arzt des Fürsten Caramanico gewesen, oft mit Liebe und Verehrung von diesem sprach, obschon er die Bande des Blutes, welche den Fürsten an Luisa fesselten, nicht kannte.

Als sie ihn erblickte, erhob sie sich daher und stieß einen Freudenruf aus. Cirillo konnte ihr nichts Schlimmes bringen.

Ach, oft hatte sie während der Nacht, die sie fast gänzlich am Bett des Verwundeten zugebracht, an den guten Doctor gedacht und bei ihrem geringen Vertrauen auf Nanno's Kunst wohl zehnmal im Begriff gestanden, Michele nach ihm zu schicken.